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Die Bekämpfung des Zweitmarkenirrtums durch das Marken- und Wettbewerbsrecht

Eine objektiv rechtliche Beurteilung der Nachahmungsfälle: Neuer Täuschungssachverhalt in Gestalt des Zweitmarkenirrtums

von Katharina Elisabeth Heinlein (Autor:in)
©2017 Dissertation 366 Seiten

Zusammenfassung

Dieses Buch untersucht, inwiefern mittels wettbewerbs- sowie markenrechtlicher Instrumentarien dem sogenannten Zweitmarkenirrtum begegnet werden kann. Im Bereich des Wettbewerbsrechts stellt die Autorin dabei primär die wettbewerbstheoretische Kompatibilität eines lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutzes dar, wobei sie in diesem Kontext der Frage nach der Funktionalität und Dysfunktionalität von Nachahmungen im Wettbewerb nachgeht. Die Untersuchung folgt einem interdisziplinären Ansatz, da die Unlauterkeit frei von ethischen Axiomen rein wettbewerbsfunktional bestimmt wird. Dies macht die Orientierung an einem wettbewerbskonzeptionellen Referenzsystem erforderlich. Hinzu kommt, dass sich ein Marktverhalten nur dann lauterkeitsrechtlich abschließend bewerten lässt, wenn die Verbraucherresonanzen auf die vom Imitator verwendeten Vermarktungsstrategien bekannt sind. Entsprechend macht die Autorin wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse aus der Marketingforschung für die rechtliche Bewertung des Handels nutzbar.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Kapitel 1. Einleitung und Problemdarstellung
  • Kapitel 2. Definition und Abgrenzung der Begrifflichkeiten
  • A. Begriff der selbständigen Zweitmarke
  • I. Abgrenzung der Zweitmarkenstrategie zur Mehrfachkennzeichnung und zur Zwei-Marken-Strategie
  • 1. Der Begriff der Zweitmarke i.S.d. Mehrfachkennzeichnung
  • 2. Abgrenzung der Zweitmarkenstrategie zur Zwei-Marken-Strategie
  • 3. Der Begriff der Zweitmarke i.S.d. Zweitmarkenstrategie
  • II. Definition des Begriffs „Zweitmarke“ mittels einer Begriffskomponentenanalyse
  • III. Interdependenzen und Korrelationsauswirkungen zwischen Erst- und Zweitmarke
  • 1. Abgrenzung der Begrifflichkeiten
  • a) Der Begriff der Premiummarke
  • b) Der Begriff des Markenartikels
  • c) Exkurs: Können Handelsmarken den Rang eines Markenartikels erreichen?
  • 2. Absatzorientierte Kampf-, Abwehr- und Schutzfunktion der Zweitmarke
  • 3. Ausgleich zwischen Partizipations- und Substitutionseffekt
  • 4. Psychologische Marktsegmentierung – Suggestion einer inneren Qualitätsdifferenzierung
  • a) Psychologische Marktsegmentierung durch die Komponente „Preis“
  • b) Psychologische Marktsegmentierung durch die Komponente „Produktstyling“
  • 5. Distributionswege- und Kommunikationsdifferenzierung
  • 6. Verbraucherwahrnehmung
  • IV. Abschließende Definition der Zweitmarke
  • B. Interdependenzen und Korrelationsauswirkungen zwischen Zweitmarken und Handelsmarken
  • I. Definition des Begriffs „Handelsmarke“
  • 1. Abgrenzung der Handelswarenmarke zur Handelsdienstleistungsmarke
  • 2. Kategorisierung von Handelsmarken nach dem Kriterium „Preis“
  • a) Gattungsmarken
  • b) Klassische Handelsmarken
  • c) Premiumhandelsmarken
  • d) Weitere Kategorisierungsoptionen
  • II. Handelsmarkenstrategien
  • 1. Monomarkenstrategie
  • 2. Dachmarkenstrategien
  • 3. Storebrandmarkenstrategie
  • III. Funktionen der Handelsmarke und Ziele der Handelsmarkenstrategie
  • 1. Funktionen für den Handel
  • 2. Funktionen für den Hersteller
  • 3. Funktionen für den Konsumenten
  • IV. Abgrenzungskriterien zwischen Hersteller- und Handelsmarke
  • V. Aktuelle Entwicklungen der Handelsmarken
  • 1. Die Expansion der Handelsmarken
  • 2. Gründe der Handelsmarkenexpansion
  • 3. Das Problem der asymmetrischen Machtverteilung
  • 4. Wohlfahrtsmindernde und -steigernde Effekte der Handelsmarkenexpansion
  • C. Zusammenfassung und Zwischenergebnis
  • Kapitel 3. Das Verhältnis zwischen Marken- und Wettbewerbsrecht
  • A. Die praktische Relevanz der Abgrenzung
  • I. Differenzen in der Aktivlegitimation
  • 1. Privatrechtliche Durchsetzung der im Marken- und Lauterkeitsrecht normierten Rechte
  • 2. Die weite Aktivlegitimation des Lauterkeitsrechts
  • a) Definition des konkreten Wettbewerbsverhältnisses
  • b) Theorie der Doppelnatur
  • c) Kollektivschutz der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer
  • d) Restriktive bzw. korrigierende Auslegung des Wortlauts von § 8 III UWG
  • e) Geltendmachung von Schadensersatz- und Gewinnabschöpfungsansprüchen
  • II. Differenzen im Harmonisierungsgrad
  • 1. Anfänge der Harmonisierungsbemühungen im Lauterkeitsrecht
  • 2. Richtlinie über irreführende Werbung
  • 3. Weitere Harmonisierungsbemühungen mittels sekundärrechtlicher Maßnahmen
  • 4. Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken
  • a) Harmonisierungserfolg der UGP-RL
  • b) Wichtige Änderungen durch die UGP-RL
  • c) Schutzzweck der UGP-RL
  • 5. Implikationen der europäischen Harmonisierung auf das deutsche Lauterkeitsrecht
  • 6. Ist der Europakonsens im Lauterkeitsrecht eine Utopie?
  • III. Differenzen im System der Sanktionen und bei der Verjährung
  • IV. Handlungsunrecht contra Erfolgsunrecht
  • V. Das Relevanzkriterium als weiteres Differenzierungsmerkmal
  • VI. Unterschiedliche Streitgegenstände
  • VII. Zwischenergebnis
  • B. Die Lösung des Konkurrenzverhältnisses
  • I. Die Entwicklung von der Bestandteilstheorie bis zur Vorrangthese
  • 1. Die Bestandteilstheorie
  • 2. Entwicklung bis 1994
  • 3. Einführung des Markengesetzes im Jahre 1994
  • 4. Die Vorrangthese des BGH und ihre Prämissen
  • a) Ausschluss des UWG bei Erfüllung eines markenrechtlichen Tatbestandes
  • b) Ausschluss des UWG, wenn der Sachverhalt „an sich“ dem Markenrecht unterfällt
  • c) Kein Ausschluss des UWG bei einem außerhalb des MarkenG liegenden Sachverhalts
  • II. Gleichrang statt Vorrang – Abschied von der Vorrangthese
  • 1. Die Vorrangthese als überholtes Disziplinierungsinstrument
  • 2. Die verfehlte Qualifikation des Markenrechts als abschließende Regelung
  • 3. Unvereinbarkeit der Vorrangthese mit den Prinzipien der Konkurrenzlehre
  • 4. Umwegthese
  • 5. Kompetenzüberschreitendes Richterrecht – § 2 MarkenG
  • 6. Kollision mit schuldrechtlichen Vereinbarungen
  • 7. Unvereinbarkeit der Vorrangthese mit gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben?
  • a) Unvereinbarkeit der Vorrangthese mit der Markenrechtsrichtlinie
  • b) Unvereinbarkeit der Vorrangthese mit der Gemeinschaftsgeschmackmusterverordnung
  • c) Unvereinbarkeit der Vorrangthese mit der Werberichtlinie
  • d) Unvereinbarkeit der Vorrangthese mit der UGP-Richtlinie
  • 8. PVÜ
  • 9. Unterschiedliche Rechtsschutzziele des Marken- und des Wettbewerbsrechts
  • a) Schutzzweck der Immaterialgüterrechte im engeren Sinne
  • b) Schutzzweck des Markenrechts
  • c) Schutzzweck des Lauterkeitsrechts
  • d) Die Aufspaltung durch die UGP-RL
  • e) Ergebnis
  • 10. Unterschiedliche Tatbestände und Rechtsfolgen
  • 11. Theorie von der vollständigen Normenkonkurrenz
  • 12. Begrenzende Tatbestandsfunktion des Markenrechts
  • 13. Neue Tendenzen in der Rspr.
  • C. Zusammenfassung und Zwischenergebnis
  • Kapitel 4. Exkurs: Schutzinhalt und -grenzen des Geschmacksmusterechts
  • A. Rechtsquellen des Geschmackmusterrechts
  • B. Schutzinhalt des Designrechts an eingetragenen Designs
  • I. Schutzgegenstand
  • II. Schutzumfang
  • III. Schutzzweck
  • IV. Schutzinhalt bei nicht eingetragenen Designs
  • V. Schutzgrenzen
  • VI. Konkurrenzen
  • 1. Verhältnis zum Markenrecht
  • 2. Verhältnis zum Lauterkeitsrecht, insbesondere zum Nachahmungsschutz
  • C. Zusammenfassung und Zwischenergebnis
  • Kapitel 5. Schutzinhalt und -grenzen des Markenrechts
  • A. Schutzumfang
  • I. Markenfähigkeit dreidimensionaler Marken
  • II. Schutzzweckbedingte Eingrenzung des Formmarkenschutzes
  • III. Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken
  • B. Schutzinhalt
  • I. Verwechslungsschutz
  • 1. Der Begriff der Verwechslungsgefahr
  • 2. Inhaltlicher Wandel des Begriffs Verwechslungsgefahr auf Grund des Paradigmenwechsels in der Funktionenlehre
  • a) Unterscheidungsfunktion
  • b) Herkunftsfunktion
  • c) Werbefunktion
  • d) Qualitätsfunktion
  • e) Kommunikationsfunktion
  • 3. Arten der Verwechslungsgefahr
  • 4. Die Elemente visuell, phonetisch und konzeptionell
  • 5. Normative Korrekturen im Markenrecht
  • 6. Allg. Beurteilungsgrundsätze bei der Verwechslungsgefahr
  • II. Ausschluss der Verwechslungsgefahr durch eine abweichende Kennzeichnung?
  • III. Exkurs: Selektivität und Subjektivität der Wahrnehmung.
  • IV. Verbraucherleitbild bei der Irreführungsgefahr
  • V. Stellt die Nachahmung eine markenmäßige Benutzung dar?
  • VI. Schutz bekannter Marken
  • 1. Schutzgegenstand des Bekanntheitsschutzes
  • 2. Erfordernis einer markenmäßigen Benutzung
  • 3. Zeichenähnlichkeit
  • 4. Bekanntheit der Angriffsmarke
  • 5. Einbeziehung des Warenähnlichkeitsbereich
  • 6. Spezifische Schutzvoraussetzungen
  • 7. Unlauterkeit der Markenausbeutung bzw. -verwässerung
  • 8. Markenausbeutung bzw. -verwässerung ohne rechtfertigenden Grund
  • C. Zusammenfassung und Zwischenergebnis
  • Kapitel 6. Schutzinhalt und -grenzen des Wettbewerbsrechts
  • A. Wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz
  • I. Prämissen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes
  • II. Argumentationsbasis des Grundsatzes der Nachahmungsfreiheit
  • 1. Die überholte Lehre von den negativen Schutzgrenzen
  • 2. Ad-absurdum-Führen der Grenzen der Sonderschutzrechte
  • 3. Fehlende Kodifikation des Grundsatzes der Nachahmungsfreiheit im UWG
  • 4. Nachahmung als wettbewerbsimmanente Notwendigkeit
  • 5. Verstärkte Berücksichtigung von Verbraucherinteressen
  • III. Argumentationsbasis und Komponenten eines lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutzes
  • 1. Mögliche Rechtsgrundlage eines unmittelbaren lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutzes
  • 2. Existenz eines tatsächlichen Bedürfnisses nach einem Leistungsschutz außerhalb der Sonderschutzrechte, dem durch evolutive Rechtsfortbildung Rechnung getragen wurde
  • a) Die Rechtsprechung des RG bis 1950
  • b) Die Rechtsprechung des BGH ab 1950
  • c) Auswirkungen des Wechselwirkungsprinzips auf die Rspr.
  • d) Auswirkungen der gesetzlichen Kodifikation im UWG 2004 auf die Rspr.
  • e) Kodifikation des lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutzes
  • 3. Klares Bekenntnis zum lauterkeitsrechtlichen Investitionenschutz
  • 4. Gemeinschaftsrechtliche und internationale Vorgaben
  • IV. Charakter und systematische Einordnung als Marktverhaltensregelung
  • V. Begriffsjurisprudenz und Ungenauigkeiten in der Terminologie
  • VI. Interessen- und Wertungsjurisprudenz
  • VII. Abgrenzung der Unlauterkeit mittels einer funktionalen Betrachtung
  • 1. Wettbewerbskonzeptionelles Referenzsystem
  • a) Klassische Nationalökonomie
  • b) Neoklassisches Gleichgewichtsmodell
  • c) Preistheoretische Revolution
  • d) Ordoliberalismus
  • e) Workable-competition-Modell als moderne Wettbewerbstheorie
  • f) Systemtheorie als moderne Wettbewerbstheorie
  • g) Chicago School oder ökonomische Analyse als moderne Wettbewerbstheorie
  • h) Zwischenergebnis
  • 2. Funktionen des Wettbewerbs
  • a) Verteilungsfunktion
  • b) Steuerungsfunktion
  • 3. Sind Nachahmungen unlauter?
  • 4. Dualismus zwischen Innovation und Imitation
  • a) Implikationen des Imitationsverbots der Immaterialgüterrechte im engeren Sinne
  • b) Implikationen des Markenschutzes
  • c) Implikationen eines generellen lauterkeitsrechtlichen Imitationsverbots
  • d) Implikationen einer unbeschränkten Zulassung von Imitationen
  • VIII. Vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft
  • 1. Aktivlegitimation
  • 2. Vorliegen eines als schutzwürdig anzuerkennenden Leistungsergebnisses
  • a) Der Begriff der Leistung
  • b) Erfordernis einer gewissen Bekanntheit des Originals
  • 3. Wettbewerbliche Eigenart
  • a) Voraussetzungen des Vorliegens einer wettbewerblichen Eigenart
  • b) Stellenwert der wettbewerblichen Eigenart
  • 4. Erfordernis einer Nachahmung
  • 5. Herkunftstäuschung
  • 6. Vermeidbarkeit
  • IX. Rufausbeutung und -schädigung
  • a) Rufausbeutung
  • b) Exkurs: Was bedeutet Image?
  • c) Rufbeeinträchtigung
  • X. Konkurrenzen
  • 1. Verhältnis des § 4 Nr. 3 UWG zu den neuen vollharmonisierten Regelungen des UWG
  • a) Konkurrenzverhältnis zu § 5 UWG
  • b) Konkurrenzverhältnis zu Nr. 13 des Anhangs zu § 3 III UWG.
  • c) Konkurrenzverhältnis zu § 6 II UWG
  • 2. Konkurrenzverhältnis zum Recht des geistigen Eigentums
  • a) Konkurrenzverhältnis zum Designrecht
  • b) Konkurrenzverhältnis zum Markenrecht
  • B. Irreführende geschäftliche Handlungen
  • I. Irreführung über die betriebliche Herkunft
  • II. Der neue Vebraucherschutztatbestand des § 5 II UWG
  • 3. Notwendigkeit der Umsetzung des Art. 6 II lit.a UGP-RL?
  • 4. Erweiterung des Kennzeichenschutzes?
  • 5. Tatbestandsmerkmale des § 5 II UWG
  • a) Auslegung
  • b) Aktivlegitimation, § 8 III UWG
  • c) Relevanzkriterium
  • d) Jede Art der Produktvermarktung
  • e) Der Begriff des Kennzeichens
  • f) Gefahr sämtlicher Produkt- oder Kennzeichenverwechslungen
  • g) Kongruenz der Verwechslungsgefahr in § 5 II UWG und der der vermeidbaren Täuschung über die betriebliche Herkunft in § 4 Nr. 3 lit.a UWG?
  • h) Lauterkeitsrechtliche Verwechslungsgefahr als Synonym der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr?
  • 6. „Geschäftlicher Verkehr“ i.S.d. § 14 II Nr. 2 MarkenG versus „geschäftliche Handlung“ i.S.d. § 5 II UWG
  • 7. Vorliegen einer Nachahmung
  • 8. Kollision zwischen privatautonomer Rechtsgestaltung und dem lauterkeitsrechtlichen Verbot des Imitationsmarketings
  • 9. Konkurrenzen
  • a) Konkurrenzverhältnis zu lauterkeitsrechtlichen Vorschriften
  • b) Konkurrenzverhältnis zu markenrechtlichen Vorschriften
  • III. Irreführung durch Unterlassen, § 5a UWG
  • C. Vergleichende Werbung
  • I. Rechtsquellen und Historie
  • 1. Die vier Entwicklungsphasen
  • 2. Richtlinie 97/55/EG
  • 3. UWG-Reform 2004
  • 4. Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung
  • 5. Veränderungen durch die UGP-RL
  • II. Das Problem der Qualifikation der Imitation als vergleichende Werbung
  • III. Die Gefahr von Verwechslungen
  • IV. Unlautere Ausnutzung bzw. Beeinträchtigung des Rufs
  • V. Imitations- bzw. Nachahmungswerbung
  • VI. Konkurrenzen
  • 1. Konkurrenzverhältnis zum Markenrecht
  • a) Konkurrenzlösung – Begrenzungsfunktion des § 6 II UWG
  • b) § 6 UWG als lex specialis gegenüber dem Markenrecht
  • c) Begründungserwägung Nr. 15 der RL 97/55/EG
  • d) Relevante Normen implizieren Zulässigkeit der Markenbenutzung
  • e) Lösung über markenrechtliche Schranken
  • f) Bestehen einer Verwechslungsgefahr
  • g) Schutz bekannter Marken in der vergleichenden Werbung
  • h) Vergleichende Werbung ohne gleichzeitige Kennzeichenverwechslung
  • 2. Konkurrenzverhältnis zu § 5 II UWG
  • D. Irreführende Produktvermarktung
  • I. Allgemeines zum Novum „Black List“
  • 1. Rechtnatur der Tatbestände der „Black List“
  • 2. Auslegungsdirektive
  • 3. Geltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
  • 4. Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung
  • 5. Vorliegen einer geschäftlichen Handlung gegenüber einem Verbraucher – Keine analoge Anwendung auf Fälle mit fehlendem Verbraucherbezug
  • II. Normzweck
  • III. Die speziellen Tatbestandsvoraussetzungen
  • 1. Das Tatbestandsmerkmal „Werbung“
  • 2. Das nationale Tatbestandsmerkmale „Mitbewerber“
  • 3. Das Erfordernis der „Ähnlichkeit“
  • 4. Nationales Erfordernis der „Täuschung über die betriebliche Herkunft“
  • 5. Die Täuschungsabsicht als Erfordernis des subjektiven Tatbestandes
  • IV. Konkurrenzen
  • 1. Konkurrenzverhältnis zu den harmonisierten Vorschriften des UWG
  • 2. Verhältnis zum Sonderschutzrecht
  • E. Zusammenfassung und Zwischenergebnis
  • Kapitel 7. Schlusswort
  • Kapitel 8. Literaturverzeichnis
  • Kapitel 9. Abkürzungsverzeichnis

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Kapitel 1.   Einleitung und Problemdarstellung

Am 27. Juni 2012 publizierte DIE WELT folgende Schlagzeile:

Oetker droht Schlappe im Pudding-Krieg“.1

Hintergrund war das von Dr. Oetker2 angestrengte aber im Ergebnis erfolglose Eilverfahren,3 mit dem der Vertrieb von Aldis Kinderpudding „Flecki“ untersagt werden sollte, weil „Flecki“ dasselbe an ein Kuhfell erinnernde charakteristische braun-weiße Muster aufwies wie der etablierte „Paula“-Pudding von Dr. Oetker. Dabei berief sich Dr. Oetker nicht nur auf sein entsprechend eingetragenes europäisches Geschmacksmuster, sondern machte parallel auch eine Rufausbeutung geltend, weil der Verbraucher schließlich glauben würde „Paula“ gäbe es bei Aldi auch, eben nur billiger als „Flecki“. Deutlich erfolgreicher als Dr. Oetker war die August Storck KG, die sich gegen den Vertrieb einer unter der Marke „Knuss← 17 | 18 →4 vertriebenen Nachahmung ihrer bekannten „Knoppers5-Schnitte durch den Lebensmitteldiscounter „Lidl“ wehrte.6

Beide Verfahren beschreiben den klassischen Fall eines möglichen sog. Zweimarkenirrtums. Der Zweitmarkenirrtum ist letztlich das Resultat der weit verbreiteten betriebswirtschaftlichen Praxis der Zweitmarkenstrategie sowie des Vertriebes von Handelsmarken in Form von look-alikes im Bereich alltäglicher Produkte,7 insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel (im Folgenden LEH). Der Zweitmarkenirrtum stellt sich als eine Disposition des Verbrauchers dar, der aus wahrgenommenen Ähnlichkeiten in der äußeren Gestaltung eines Produktes mit einem bekannten Markenprodukt auf dieselbe Herkunft und damit auf Grund der Parallelwertung in der Laiensphäre auf die Eigenschaft als sog. Markenware schließt. Abweichend verwendete Wortmarken werden in diesem Kontext nicht in ihrer originären Funktion als Herkunftshinweis, sondern insbesondere von Kunden der Discounter Ketten als Verschleierungsmaßnahme interpretiert.

Bis dato fehlt es an einer genauen juristischen Einordnung des Zweitmarkenirrtums. Insbesondere stellt sich die Frage, ob der Zweitmarkenirrtum als eine moderne Form der Herkunftstäuschung zu qualifizieren ist. Zumindest von einer nicht juristisch-wissenschaftlichen, aber faktischen Betrachtung ausgehend, stellt sich insbesondere der LEH heutzutage für den Konsumenten als ein Ort der Zuordnungsverwirrungen dar. Einzig bei der etablierten klassischen Herstellermarke kann sich der Verbraucher noch halbwegs sicher sein, dass das damit gekennzeichnete Produkt auch vom Markeninhaber selbst hergestellt wurde.8 Ansonsten findet man in den Regalen der Supermärkte, Discounter und auch Drogerien vermehrt Zweitmarken und Handelsmarken in diversen Formen, sei es als Generikum oder mittlerweile sogar als Premiummarke. Die Anzahl der Handelsmarken als Eigenmarken nimmt dabei insbesondere bei den Lebensmitteldiscountern stetig zu. Die mit der Handelsmarke ← 18 | 19 → gekennzeichneten Produkte werden dabei nicht selten von den Originalherstellern im Auftrag der Discounter als Inhaber der Handelsmarken produziert. Parallel dazu verfolgen die Originalhersteller selbst oft eine Zweitmarkenstrategie, d.h. sie implementieren im Markt billigere Zweitmarken, die ihren teureren Erstmarken in ihrer Aufmachung häufig sehr ähnlich sind. Die Implementierung solcher Zweitmarken birgt insbesondere wegen der häufig anzutreffenden geringen oder sogar fehlenden Qualitätsabweichung und damit des besseren Preis-Leistungsverhältnisses stets die Gefahr der Kannibalisierung der eigenen Erst- bzw. Premiummarke, so dass die Unternehmen gerne bewusst die Herkunft der eigenen Zweitmarke gegenüber dem Verbraucher verschleiern. Trotz dieser Verschleierungstaktik hat die weit verbreitete Praxis der Zweitmarkenstrategie dazu geführt, dass nun auch die Verbraucher hinter ähnlich gestalteten No-Name Produkten, also look-alikes trotz abweichender Kennzeichnung häufig eine Zweitmarke des Originalherstellers vermuten. Der abweichenden Kennzeichnung wird damit nicht mehr die Botschaft einer abweichenden Produktherkunft entnommen, so dass die Herkunftshinweisfunktion der Marke in diesem Fall außer Kraft gesetzt bzw. ins Gegenteil verkehrt wird. Für den Fall, dass das angelehnte Produkt nicht vom Originalhersteller stammt, unterliegen die Verbraucher also einer Herkunftstäuschung in der Form des Zweitmarkenirrtums. Genährt wird dieser Irrtum der vermeintlich aufgeklärten Verbraucher durch diverse „Aufklärungswerke“,9 die allerdings meist gänzlich auf eine Differenzierung zwischen Handels- und Zweitmarken verzichten und häufig eine nicht immer zutreffende Qualitätsidentität zwischen den billigeren Handels- bzw. Zweitmarken und den Originalmarken suggerieren. Ob und in welchem Umfang Konsumenten tatsächlich glauben, bei angelehnten Produkten ein qualitativ gleichwertiges Zweitprodukt des Originalherstellers ← 19 | 20 → zu erhalten, muss wohl einer empirischen Untersuchung vorbehalten bleiben.10 Es bleibt zu hoffen, dass die entsprechende empirische Absicherung nicht wie in vielen anderen Fällen ein Desiderat bleibt, da sie zu einer Stärkung des Realitätsbezuges der Rechtspraxis führen würde.11

Unabhängig von den Qualitätserwartungen der Verbraucher lässt sich die Existenz einer Herkunftstäuschung in Form eines Zweitmarkenirrtums vor allem im LEH aber wohl nicht negieren. Die Frage ist, ob man überhaupt und wenn, wie man auf diese Marktrealität juristisch antworten sollte. Wie ist die Verwendung einer anderen Wortmarke rechtlich zu bewerten, wenn die Produktgestaltung als solche die Gefahr einer Herkunftstäuschung begründet? Ob und wie dem Zweitmarkenirrtum mittels der Instrumentarien Geschmacksmuster-, Marken- und Wettbewerbsrecht zu begegnen ist, wird im Folgenden näher untersucht.

Im zweiten Kapitel der vorliegenden Monographie werden vorab die im Kontext des Zweitmarkenirrtums relevanten Begrifflichkeiten näher erläutert bzw. gegeneinander abgegrenzt. Dazu gehört zum einen der Begriff „Zweitmarke“ selbst, aber auch Begrifflichkeiten wie „Markenware“ und „Handelsmarke.“ Im dritten Kapitel der Arbeit wird dann das viel diskutierte Verhältnis zwischen Marken- und Wettbewerbsrecht näher beleuchtet, da die Problematik des Zweitmarkenirrtums im Schnittfeld von Marken- und Wettbewerbsrecht anzusiedeln ist. Im vierten bis sechsten Kapitel werden dann die einzelnen zur Verfügung stehenden rechtlichen Instrumentarien hinsichtlich ihrer Geeignetheit zur Bekämpfung des Zweitmarkenirrtums dargestellt. Im Bereich des Geschmacksmusterrechts ist dabei vor allem das nicht eingetragene Geschmacksmuster von großer Relevanz, während aus markenrechtlicher Sicht der Schutz der dreidimensionalen Marke in den Fokus rückt. Hinsichtlich des lauterkeitsrechtlichen Schutzes sind vor allem der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz, die irreführende sowie vergleichende Werbung und kommerzielle Kommunikationsstrategien wie das Imitationsmarketing von Interesse.


1 DIE WELT, Zeitung v. 27. Juni 2012, Seite 11.

2 Die Dr. August Oetker KG ist eine der größten deutschen Produktions- und Vertriebsgesellschaften für Lebensmittel, wobei der Geschäftsbereich Nahrungsmittel u.a. von deren Tochtergesellschaften, der Dr. Oetker GmbH als Dachgesellschaft für die Lebensmittelsparte geführt wird.

3 Das LG Düsseldorf entschied, dass das Aldi-Produkt „Flecki“ in seiner Gestaltung ausreichende Unterschiede zu Dr. Oetkers’ Pudding „Paula“ aufweise. Im Hinblick auf die Zweitmarkenirrtumsproblematik argumentierte das Gericht, dass ein Konkurrenzprodukt nicht so gestaltet sein dürfe, dass der Kunde in vermeidbarer Weise über dessen tatsächliche Herkunft getäuscht werde. In dem Oetker-Fall durfte daher die Gestaltung des Produktes deshalb nicht darauf abzielen, dass der Kunde glauben sollte, statt „Flecki“ eigentlich „Paula“ zu kaufen. Eine solche Herkunftstäuschung sei in dem Fall nach Ansicht des LG Düsseldorf vor allem deshalb besonders zu prüfen gewesen, weil allgemein bekannt sei, dass Aldi auch Produkte namhafter Hersteller unter anderem Namen und dann auch in abweichender Produktaufmachung vertreibe (Zweitmarke). Dennoch entschied das Gericht, dass selbst wenn aber einzelne Kunden glauben könnten, statt „Flecki“ eigentlich „Paula“ zu erwerben, dies Aldi nicht vorwerfbar sei, weil bei der Gestaltung von „Flecki“ das Erforderliche getan worden war, um eine Herkunftstäuschung zu vermeiden, LG Düsseldorf, Urteil v. 1. März 2012, Az. 14c O 302/11, LMuR 2012, 69 – Kein europaweites Verkaufsverbot für Aldi-Pudding „Flecki“. Das OLG Stuttgart (Az. I-20 U 52/12) bestätigte das Urteil des LG am 27. Juli 2012 mit einer ähnlichen Argumentation, siehe dazu GRUR-RR 2013, 144, OLG Düsseldorf: Reichweite des Schutzes einer Komponentenanordnung in Puddingprodukten – Paula. Auch Dr. Oetkers’ Versuch, den Vertrieb von „Flecki“ mittels einer Patentverletzungsklage zu unterbinden, scheiterte; vgl. Urteil des LG Düsseldorf v. 20. November 2012, Az. 4b O 141/12, BB 2012, S. 2958, bestätigt durch das OLG Düsseldorf.

4 Die Lidl-Schnitte wird unter der Gemeinschaftswortmarke „Knuss“, eingetragen für die Lidl Stiftung & Co. KG als Markeninhaberin unter der Registernummer 0101351609 in der Klasse Nizza 30, vertrieben.

5 Die bekannte Storck-Knoppersschnitte wird u.a. unter der entsprechenden deutschen Wort-/Bildmarke „Knoppers“, eingetragen für die August Storck KG unter der Registernummer 29073567 sowie einer weiteren Wort-/Bildmarke „Knoppers“ unter der Registernummer 3020140273624 in der Klasse Nizza 30, vertrieben.

6 Während die Vorinstanz, das LG Köln, noch eine vermeidbare Täuschung auf Grund eines Zweitmarkenirrtums bejahte, ließ das OLG Köln diese Frage offen, u.a. weil das vorgelegte demoskopische Gutachten auf Grund der Fragestellung nach Ansicht des OLG Köln zu verzerrten Ergebnissen geführt haben könnte. Hauptsächlich beschäftigte sich das OLG Köln aber nicht mehr mit der Frage der Herkunftstäuschung, weil es ohnehin eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung des nachgeahmten Originals bejahte, vgl. OLG Köln, WRP 2014, 337 – Knoppers (Vorinstanz LG Köln, 19. Dezember 2012, Az. 84 O 205/12).

7 Das Phänomen des Zweitmarkenirrtums kann durchaus auch im Bereich hochwertiger Erzeugnisse auftreten, vgl. z.B. BGH, GRUR 1999, 1106, 1108 – Rollstuhlnachbau.

8 Aber auch bei klassischen Herstellermarken kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese von Drittproduzenten hergestellt werden.

9 So z.B. Schneider, Martina, Welche Marke steckt dahinter?, No-Name-Produkte und ihre namhaften Hersteller, Goldmann Verlag, 2009; Schneider, Martina, Aldi-Welche Marke steckt dahinter? 100 Aldi-Produkte und ihre prominenten Hersteller, Random House Verlag, 2008; Eschenbek, Werner/Schaab, Sylvia, Aldi Welche Marke steckt dahinter? 100 neue Top-Artikel und ihre prominenten Hersteller, Band 2, Südwest Verlag, 2008; Bertram, Hans-Jürgen, Der Discounter Marken-Guide: Die bekannten Marken hinter No-Name Artikeln bei Aldi, Lidl, Norma, Penny, Plus, Ullstein Taschenbuchverlag, 2006; Rudoplh, Hagen, Aldidente & Co. – Der Schnäppchenplaner 2009/2010: Mit den Sonderangeboten von Aldi, Lidl und Tchibo, Eichborn Verlag, 2009; Bertram, Hans-Jürgen, Der Discount-Planer 2010/2011: Aldi, Lidl, Norma, Penny, Plus und Tchibo: Markenschnäppchen rund ums Jahr, Wilhelm Heyne Verlag, 2009; Heil, Alexandra, Shampoos, Cremes & Co, Eigenmarkten von Drogeriemärkten und Discountern unter die Lupe genommen, Südwest Verlag, 2007; Kotteder, Franz, Die Billig-Lüge: Die Tricks und Machenschaften der Discounter, Droehmer Verlag. Daneben bemüht sich z.B. auch Welt Online um die vermeintliche Bildung der Konsumenten (https://www.welt.de/wirtschaft/article4549501/Die-Marken-hinter-Billig-Produkten-bei-Aldi-und-Co.html). (Abrufdatum des vorstehenden Links ist der 11. November 2015, wobei dieses Abrufdatum auch für die nachfolgenden Links, auf die in dieser Monographie verwiesen wird, gilt).

10 77 % des Gesamtquerschnittes der Bevölkerung und 84 % der wöchentlichen Aldi-Einkäufer gehen angeblich davon aus, dass Aldi-Produkte zum größten Teil von namenhaften Herstellern stammen und entsprechend dieselbe Rezeptur aufweisen und die gleichen Inhaltsstoffen beinhalten wie die entsprechenden imitierten Markenprodukte, obwohl sie eine andere Verpackung haben, vgl. GfK-Studie des Markenverbandes „Die Marke und ihr Preis“ aus dem Jahre 2004 (Quelle: Markenverband), die derzeit nicht mehr im Internet zur freien Verfügung steht. Diese Verbraucherwahrnehmung spiegelt teilweise auch die Realität wieder, da tatsächlich viele Aldi-Produkte von namenhaften Herstellern produziert werden.

11 Im „Knoppers“-Verfahren wurde ein demoskopisches Gutachten vorgelegt, welches – abgesehen von eventuell entstandenen Verzerrungen – darlegte, dass 30% der Befragen das unter der abweichenden Wortmarke „Knuss“ vertriebene Imitat mit der bekannten „Knoppers“-schnitte in Verbindung brachten und sogar 15% aller Befragten das Imitat dem Originalhersteller der „Knoppers“-schnitte, also der August Storck KG zuordneten.

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Kapitel 2.   Definition und Abgrenzung der Begrifflichkeiten

In einem ersten Schritt bedarf es einer klaren Definition und Abgrenzung der Begrifflichkeiten im Kontext des Zweitmarkenirrtums insbesondere des Begriffs „Zweitmarke“, da dieser Terminus in der Betriebswirtschaftslehre und der Rechtswissenschaft unterschiedlich gebraucht wird.

A.   Begriff der selbständigen Zweitmarke

I.   Abgrenzung der Zweitmarkenstrategie zur Mehrfachkennzeichnung und zur Zwei-Marken-Strategie

1.   Der Begriff der Zweitmarke i.S.d. Mehrfachkennzeichnung

In der juristischen Fachliteratur wird der Begriff der Zweitmarke primär im Kontext der Mehrfachkennzeichnung12 verwendet. Unter einer Mehrfachkennzeichnung versteht man die Identifizierung einer Ware oder Dienstleistung mit mehreren Marken als Instrument der Produktdifferenzierung und -diversifikation.13 Das Charakteristische der Zweitmarke in diesem Sinne ist, dass das Zeichen für sich als selbstständiges Kennzeichen neben einer anderen Marke dasselbe Unternehmensprodukt kennzeichnet. Klassisches Beispiel ist die parallele Verwendung von Haus- und Sortenmarken, wobei die Hausmarke (Erstmarke), die häufig zugleich Unternehmenskennzeichen bzw. Bestandteil desselben ist (z.B. „Nestlé“ für Lebensmittelprodukte der Nestlé S.A.), als Marke für sämtliche Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmen fungiert und beim Verbraucher die entsprechende Gütevorstellung weckt.14 Dagegen dient die Sorten- bzw. Spezialmarke (Zweitmarke), die nur für ganz bestimmte Unternehmensprodukte verwendet wird, als produktidentifizierendes Unterscheidungszeichen, die die Waren oder Dienstleistungen – auch die des Markeninhabers untereinander – identifizierbar und somit differenzierbar macht (etwa die Sortenmarken „Schöller“ und „Mövenpick“ der Hausmarke „Nestlé“ der Nestlé S.A.).15 Im Kontext der ← 21 | 22 → Mehrfachkennzeichnung sind auch moderne Formen des Marketings zu berücksichtigen, wie z.B. die Markenallianz16 oder das Co-Branding17 als Konstellationen der Kooperation von rechtlich und wirtschaftlich voneinander selbständigen Unternehmen. I.R.d. Mehrfachkennzeichnung ergibt sich häufig das Problem der rechtserhaltenden Benutzung,18 da die einzelnen Zeichen nur solange zur Rechtserhaltung geeignet sind, soweit der Verkehr sie noch als selbständige Marken ansieht und sie nicht zu einer untrennbaren Gesamtkennzeichnung bzw. einem ← 22 | 23 → Kombinationszeichen verschmolzen sind.19 Insofern ist die Verwendung mehrerer Einzelzeichen von der eines Kombinations- bzw. zusammengesetzten Zeichens20 abzugrenzen, wobei auf die Rspr. des BGH zum „markenmäßig bedeutsamen Gesamtzusammenhang“ zurückgegriffen werden kann.21 Der eben beschriebene Begriff der Zweitmarke i.S.d. Mehrfachkennzeichnung ist nicht Gegenstand der vorliegenden Monographie, für die allein der Begriff der Zweitmarke i.S.d. Zweitmarkenstrategie relevant ist.

2.   Abgrenzung der Zweitmarkenstrategie zur Zwei-Marken-Strategie

Abzugrenzen ist die Zweitmarkenstrategie nicht nur von der Mehrfachkennzeichnung, sondern auch von der Zwei-Marken-Strategie als einer Mehrmarkenstrategie, bei der der Markeninhaber dasselbe Produkt von einem Unternehmen zweigleisig auf national und international unterschiedlichen Märkten unter verschiedenen Marken vertreibt.22 Folge einer Zwei-Marken-Strategie als europäisches Vermarktungssystems kann eine künstliche Marktabschottung innerhalb der EU sein.23 In diesem Kontext werden vor allem die Probleme des Parallelimports im Arzneimittelsektor diskutiert.

3.   Der Begriff der Zweitmarke i.S.d. Zweitmarkenstrategie

Die primär in der Betriebswirtschaftslehre untersuchte Zweitmarkenstrategie als eine Konstellation des zweigleisigen Vertriebs impliziert, dass ein Unternehmen im Markt (in Abgrenzung zur Zwei-Marken-Strategie allerdings auf geographisch betrachtet identischen Märkten) neben seinen sog. Premiummarken als Erstmarken häufig billigere Zweitmarken implementiert, durch die es dieselben oder zumindest sehr ähnliche Produkte vertreibt. Die Gründe und Motivation einer solchen Zweitmarkenstrategie werden später noch dargestellt. Der im Fokus dieser Untersuchung stehende Zweitmarkenirrtum bezieht sich allein auf solche Zweitmarken ← 23 | 24 → i.S.d. Zweitmarkenstrategie, die man auch als „selbständige Zweitmarke“ oder „echte Zweitmarke“ bezeichnen könnte.

II.   Definition des Begriffs „Zweitmarke“ mittels einer Begriffskomponentenanalyse

Trotz der genannten Umschreibung der Zweitmarke i.R.d. Zweitmarkenstrategie und der Tatsache, dass auch der Verbraucher weiß, was sich hinter dem Begriff Zweitmarke ungefähr verbirgt, ist der Begriff selbst bis dato nicht exakt wissenschaftlich-theoretisch definiert worden. In der betriebswirtschaftlichen Lit. wird die Zweitmarke meist als eine Form der Produktdifferenzierung bzw. als unterentwickelte Marke beschrieben, die Produkte geringerer Qualität kennzeichnet und im Schatten der Erstmarke ohne eigene Absatzförderung „mitläuft“.24 So wird die Zweitmarke z.B. im Kontext der Markenabwertung (sog. Down Scaling) als eine Marke mit einem niedrigeren Distributionsgrad und Preis als die Erstmarke beschrieben,25 wobei häufig noch den einen negativen Imagetransfer verhindernde verdeckte Vertrieb als besonderes Charakteristikum betont wird.26 Viele Definitionen bleiben allerdings sehr oberflächlich, indem sie die Zweitmarke lediglich als ein Produkt definieren, welches sich von der Erstmarke insofern unterscheidet als es andere Produktmerkmale wie z.B. Name, Design oder Verpackung aufweist, andere Zielgruppen bedient und auf anderen Vertriebswegen vertrieben wird.

Angesichts der wenig zufriedenstellenden Definitionen der Zweitmarke wird im Folgenden versucht, den Begriff „Zweitmarke“ umfassend zu analysieren und zu definieren. Als Ausgangspunkt bietet sich dabei in einem ersten Schritt eine Begriffskomponentenanalyse des Diskussionsgegenstandes an. Während sich die Begriffskomponente „Marke“ nicht nur aus betriebswirtschaftlicher Sicht,27 sondern auch formal juristisch erfassen lässt,28 bedarf es hinsichtlich der Komponente „Zweit“ eines Rückgriffs auf die Linguistik. Höhl stellt in ihrer Monographie diesbezüglich zutreffend fest, dass die Komponente „Zweit“ generell mit einer Inferiorität assoziiert wird, wobei diese Interpretation das Resultat der Verwendung im allg. ← 24 | 25 → Sprachgebrauch ist und nicht dem ursprünglichen Sinn des Begriffes entspricht.29 Während die „zweite Marke“ nur anders ist, wird die „Zweitmarke“ vom Konsumenten automatisch in eine Besser-Schlechter-Relation i.S.e. Qualitätsunterschiedes zugunsten der Erstmarke gesetzt.30 Diese Interpretation entspricht letztendlich aber auch oft der realen Verwendung der Zweitmarke, da sie in Abgrenzung zur Erstmarke zumindest den Anschein einer Marke, mit der inferiore Güter gekennzeichnet werden, erwecken soll. Um über eine reine Begriffskomponentenanalyse hinaus zu einer exakten Definition bzw. Charakterisierung der Zweitmarke zu gelangen, bedarf es in einem zweiten Schritt der Untersuchung, warum sich Unternehmen der Zweitmarkenstrategie bedienen und welche betriebswirtschaftlichen Funktionen die Zweitmarke dabei erfüllt. Letztendlich lassen sich die Funktionen und Charakteristika der Zweitmarke aber nicht ohne einen Blick auf die Erstmarke analysieren, unter deren Primat sie steht.

III.   Interdependenzen und Korrelationsauswirkungen zwischen Erst- und Zweitmarke

Im Hinblick auf die theoretische Spannbreite möglicher Differenzierungsmöglichkeiten bzw. -größen zwischen Erst- und Zweitmarke kann sich die Zweitmarke von der Erstmarke in quantitativer (operationalisierbare Größen wie Umsatz, Gewinn, Deckungsbeitrag als unternehmensbezogenen Werte sowie Distribution und Verkaufspreis als marktbezogene Daten), qualitativer (Goodwill, Image, Verkehrsgeltung und Markentreue) sowie zeitlicher (Zeitpunkt der Markeneinführung) Dimension unterscheiden. Unmittelbare Interdependenzen zwischen Erst- und Zweitmarke lassen sich dabei nicht negieren, wobei die Korrelationsauswirkungen sowohl komplementär als auch substitutional sein können. Auf Grund der wechselseitigen Beziehung wird im Folgenden zuerst die Erstmarke näher untersucht, um dann in Abgrenzung dazu die Charakteristika der Zweitmarke näher beleuchten zu können. Der Begriff der Erstmarke bedarf allerdings vorab einer Abgrenzung zu den Begrifflichkeiten „Premiummarke“ und „Markenartikel“, weil diese Begriffe häufig synonym verwendet werden. ← 25 | 26 →

1.   Abgrenzung der Begrifflichkeiten

a)   Der Begriff der Premiummarke

Der Begriff „Premiummarke“ suggeriert eine Spitzenstellung unter den Marken eines Unternehmens und dürfte beim Verbraucher – natürlich abhängig vom Markeninhaber – die Assoziation mit einer hervorragenden Güte hervorrufen. Neben dem – oft auch erfüllten – hohen Qualitätsanspruch ist bei der Premiummarke auch der Prestigegedanke äußerst relevant.31 Während man mit dem Begriff Premiummarke früher sicherlich nur Herstellermarken assoziierte, finden sich im Lebensmittelmarkt mittlerweile auch entsprechende Handelsmarken. Dadurch kreiert der Handel nun auch unter seinen eigenen Handelsmarken eine Hierarchie. Bei der Analyse der Premiummarke kommt man nicht umhin, auch den Begriff des Markenartikels näher zu untersuchen, auch wenn dieser nicht als Synonym des Begriffs Premiummarke fungieren kann, da die Premiummarke nicht unbedingt den Rang eines Markenartikels aufweist.

b)   Der Begriff des Markenartikels

Der Begriff „Markenartikel“ bzw. „Markenware“ als ein vom Verbraucher häufig verwendeter Begriff wurde bis dato primär aus betriebswirtschaftlicher, kommunikationswissenschaftlicher sowie psychologischer Perspektive untersucht. Allerdings wurde der Begriff in den genannten wissenschaftlichen Disziplinen nicht immer in der gewünschten Konsistenz verwendet. So ist unter dem Begriff „Markenartikel“ einer Ansicht nach bereits jede dem Verkehr halbwegs bekannte Marke zu subsumieren, während andere nur besonders prestigeträchtige Marken als erfasst ansehen wollen. In der Rechtswissenschaft existiert der Begriff des „Markenartikels“ seit der Abschaffung der vertikalen Preisbindung durch die GWB-Novelle von 1973 für einen Großteil der Markenartikel de facto nicht mehr. Aus der rechtlichen Perspektive könnte man mangels einer entsprechenden formal juristischen Definition geneigt sein, den Markenartikel formal-rechtlich mit der Verkehrsgeltung i.S.e. § 4 Nr. 2 MarkenG oder – wenn man den Maßstab höher ansetzen will – mit der bekannten oder sogar der berühmten Marke im Rechtssinne gleichzusetzen (vgl. § 14 II Nr. 3 MarkenG). Der Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass sie einem operationalisierbare Größen an die Hand geben würde, allerdings würde man dem Markenartikel als einem auf ökonomischen, absatzwirtschaftlichen und sozialpsychologischen Faktoren beruhendem Phänomen damit wohl nicht gerecht werden.32 Das Verständnis des Begriffs „Verkehrsgeltung“ im Rechtssinne gem. § 4 Nr. 2 MarkenG deckt sich nämlich nicht unbedingt mit dem Begriff im wirtschaftlichen Sinne, denn tendenziell sind die objektiv gehaltenen Anforderungen an die markenrechtliche Verkehrsgeltung niedriger. Konträr dazu verlagert sich aus ökonomischer Sicht der betriebswirtschaftliche Begriff „Markenware“ der Marketingtheorie auf ← 26 | 27 → eine schwer messbare entmaterialisierte, psychologische Ebene. Von einer absatzwirtschaftlichen Perspektive aus betrachtet verfügt die Marke nämlich nur dann über Verkehrsgeltung, wenn sie auf Grund der positiven Resonanz beim Verbrauch in weiten Kreisen der Käuferschaft etwas „gilt“.33 Der Verbraucher assoziiert mit der Markenware dabei grundsätzlich eine hohe Qualität, wobei es sich dabei um ein schwer objektivierbares Bündel an Erwartungen und Vorstellungen handelt. Qualität in diesem Sinne betrifft nämlich nicht nur materiell die Erwartungen an die Produktsubstanz, sondern auch diverse imponderable Leistungsversprechen. So werden mit Marken auch Emotionen, Werte, Ideale und Lebensstile assoziiert.34 Auf demselben Ansatz beruht die wettbewerbsrechtliche Definition der Markenware (Markenartikel), die an der Verkehrsbekanntheit und -anerkennung auf Basis einer konsistenten bzw. einer sich stets verbessernden Qualität anknüpft.35

Als Pendant zur Verkehrsgeltung wird häufig die Ubiquität36 i.S.e. Omnipräsenz als typisches Charakteristikum des Markenartikels genannt. Diesen Begriff kann man leicht missverstehen, wenn man ihn mit einer „realen Überallerhältlichkeit“ gleichsetzt. Tatsächlich gemeint ist aber eine flächendeckende Verfügbarkeit, so dass selbstverständlich auch Produkte ubiquitär sind, die auf Grund eines selektiven Vertriebes bzw. Exklusivvertriebes nur in bestimmten Einkaufsstätten der jeweiligen Branche erhältlich sind. Solche Vertriebsformen werden z.B. gewählt, um zu dokumentieren, dass das Produkt nicht für jedermann gedacht ist und um einen gewissen Service beim Verkauf sicherzustellen. Reale Überallerhältlichkeit i.S.e. extrem breiten physischen Distribution mittels diverser Vertriebskanäle kann in gewissen Branchen nämlich der Exklusivität und damit dem Luxusimage einer Marke abträglich sein, da sie eine gewisse Primitivität des Produktes signalisiert und der Distributionsvorgang für die ← 27 | 28 → subjektive Einschätzung des Verbrauchers durchaus relevant sein kann.37 Zusammenfassend können damit die Ubiquität sowie die Verkehrsgeltung i.S.v. Anerkennung und Erfolg beim Verbraucher als konstitutive Merkmale des Markenartikels qualifiziert werden.38 Weitere konstitutive Merkmale lassen sich durch einen Blick auf die unterschiedlichen Definitionen des Begriffs „Markenartikel“ in den Wirtschaftslexika39 ausmachen, in denen stets die Kriterien „einheitliche Aufmachung“, „hohe und konsistente Qualität“, „Präsenz in der Werbung“, „Bewährtheit“, „bekannte Produktionsquelle“ sowie ein „verhältnismäßig hoher Preis“ benannt werden.

c)   Exkurs: Können Handelsmarken den Rang eines Markenartikels erreichen?

Details

Seiten
366
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783631728772
ISBN (ePUB)
9783631728789
ISBN (MOBI)
9783631728796
ISBN (Paperback)
9783631727812
DOI
10.3726/b11449
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (Juli)
Schlagworte
Wettbewerbskonzeptionelles Referenzsystem Wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz Nachahmung Handelsmarke Zweitmarkenstrategie Funktionenlehre
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 366 S.

Biographische Angaben

Katharina Elisabeth Heinlein (Autor:in)

Katharina Elisabeth Heinlein studierte Rechtswissenschaften mit wirtschaftswissenschaftlicher Zusatzausbildung an der Universität Bayreuth. Ihr Referendariat und eine Ausbildung zum Mediator absolvierte sie am Oberlandesgericht Nürnberg. Sie wurde am Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb und der LMU in München promoviert und schloss ihren Master (LL.M.) in New York ab.

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Titel: Die Bekämpfung des Zweitmarkenirrtums durch das Marken- und Wettbewerbsrecht
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