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Die Entwicklung des Anwartschaftsrechts beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt

von Seongho Kim (Autor:in)
©2017 Dissertation 161 Seiten

Zusammenfassung

Der Autor beschäftigt sich mit der rechtshistorischen Entwicklung des Anwartschaftsrechts beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt. Er untersucht die Fragen: Warum hielt die Rechtsprechung die richterrechtliche Anerkennung der Position des Vorbehaltskäufers als Anwartschaftsrecht für notwendig? Warum griff sie dabei auf den Begriff «Anwartschaftsrecht» zurück und welche Überlegungen wurden dazu in Betracht gezogen? Der Autor schlussfolgert aus den Ergebnissen der Untersuchung, dass das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers als ein Mittel eingeführt wurde, die Diskrepanz zwischen der zivilrechtlichen Form des Eigentumsvorbehalts und seinem auf Sicherung beschränkten wirtschaftlichen Zweck zu beheben.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • A. Einleitung
  • I. Grundlage der Untersuchung
  • 1. Eigentumsvorbehalt
  • a) Funktionen
  • b) Schwächen
  • 2. Problemlage
  • 3. Anwartschaftsrecht
  • 4. Fragestellungen und Thesen
  • 5. Stand der Forschung
  • 6. Zweck der Arbeit
  • II. Methodische Überlegungen und Gang der Darstellung
  • B. Hauptteil
  • I. Historische Entwicklung des Eigentumsvorbehalts
  • 1. Vormerkung
  • 2. Entstehung des pactum reservati dominii
  • a) Römisches Recht und frühes deutsches Recht
  • b) Gemeines Recht
  • 3. Entwicklung des pactum reservati dominii in den Partikulargesetzen
  • a) Einleitung
  • b) Verdrängung des Eigentumsvorbehalts bei Grundstückskauf
  • c) Verwendung des Eigentumsvorbehalts beim Mobiliarkauf
  • 4. Möbelleihvertrag und Abzahlungsgesetz von 1894
  • 5. Rechtliche Behandlung des pactum reservati dominii im 19. Jahrhundert
  • a) Einleitung
  • b) Theorie der Resolutivbedingung
  • c) Theorie der Suspensivbedingung
  • 6. Gesetzgebungsverfahren bezüglich des Eigentumsvorbehalts
  • a) Immobilien
  • b) Mobilien
  • 7. Zwischenergebnis
  • II. Wirtschaftliche Bedürfnisse nach dem Anwartschaftsrecht beim Eigentumsvorbehaltskauf
  • 1. Vormerkung
  • 2. Verbreitung des Eigentumsvorbehalts
  • 3. Wirtschaftliche Bedürfnisse nach dem Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers
  • a) Einleitung
  • b) Anwartschaftsrecht als Vollstreckungsobjekt
  • aa) Interesse der Gläubiger des Vorbehaltskäufers
  • bb) Problem der „Zwangsvollstreckung in Leihmöbel“
  • c) Anwartschaftsrecht als Kreditsicherungsmittel
  • aa) Interesse des Vorbehaltskäufers
  • bb) Anerkennung der Übertragbarkeit des Anwartschaftsrechts
  • (1) Einleitung
  • (2) RGZ 95, 105
  • (3) RGZ 140, 223
  • cc) Problem des Durchgangserwerbs oder Direkterwerbs
  • 4. Zwischenergebnis
  • III. Nichtregelung des Anwartschaftsrechts beim Eigentumsvorbehaltskauf
  • 1. Vormerkung
  • 2. Nichtaufnahme des Anwartschaftsrechts in das BGB
  • a) Einleitung
  • b) Entwicklung des Anwartschaftsrechts in der gemeinrechtlichen Bedingungslehre
  • aa) Vormerkung
  • bb) Einzelne Überlegungen
  • c) Nichtregelung des Anwartschaftsrechts im BGB
  • 3. Nichtregelung des Anwartschaftsrechts im Rahmen der Kreditsicherungsrechtsreform
  • a) Einleitung
  • b) Ausgangspunkt der Reformdiskussion über den Eigentumsvorbehalt
  • aa) Vormerkung
  • bb) Reformversuche der Sicherungsübereignung
  • cc) Erstreckung des Eigentumsvorbehalts
  • c) Regelungsversuche des Anwartschaftsrechts und deren Scheitern
  • aa) Vormerkung
  • bb) Vorschläge der Akademie für Deutsches Recht
  • (1) Lehmanns Denkschrift (1937)
  • 1) Grundsätzliche Erwägungen zur Reform des Eigentumsvorbehalts
  • 2) Pfandrechtsartiger Ausbau des Eigentumsvorbehalts und Anwartschaftsrecht
  • (2) Wieackers Vorschag (1938)
  • cc) Stellungnahme der Wirtschaft
  • (1) Einleitung
  • (2) Grundsätze der Reichsgruppe Industrie (1938)
  • (3) Stellungnahme der Reichswirtschaftskammer (1938)
  • dd) Diskussionen der Nachkriegszeit
  • 4. Zwischenergebnis
  • IV. Entwicklung des Anwartschaftsrechts durch die Rechtsfortbildung
  • 1. Vormerkung
  • 2. Überlegungen für die Rechtsfortbildung
  • a) Anwartschaftsrechtslehre
  • aa) Vormerkung
  • bb) Enneccerus
  • cc) Zitelmann
  • dd) Tuhr
  • b) Gedanke des geteilten Eigentums
  • c) Numerus-clausus-Prinzip der Sachenrechte
  • 3. Entwicklung des Anwartschaftsrechts durch die Rechtsprechung
  • a) Vormerkung
  • b) Historische Entwicklung
  • c) Zusammenfassende Überlegungen
  • 4. Bewertung über die Ergebnisse der Rechtsfortbildung
  • a) Einfluss der Anwartschaftsrechtslehre
  • b) Einfluss der Lehre des geteilten Eigentums
  • c) Einfluss des Numerus-clausus-Prinzips
  • 5. Zwischenergebnis
  • C. Resümee
  • I. Teil A
  • II. Teil B
  • Literaturverzeichnis

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Abkürzungsverzeichnis

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A.   Einleitung

I.   Grundlage der Untersuchung

1.   Eigentumsvorbehalt

a)   Funktionen

Das Kapital wird durch den Kredit mobilisiert. In der Regel muss der Kreditnehmer den Preis für die Kapitalnutzung zahlen, der Kreditgeber schützt sich durch je nach geschäftlichen Verhältnissen angemessene Sicherheiten vor Verlusten aus dem Kreditgeschäft.1 Die Konditionen des gewährten Kredits hängen somit meistens von Existenz und Qualität der Kreditsicherungen ab.2

Der Eigentumsvorbehalt ist ein vom BGB zur Verfügung gestelltes Kreditsicherungsmittel des Warenkreditgebers.3 Unter demselben versteht man die der Fahrnisübereignung beigefügte Bedingung, die den Eigentumsübergang auf den Erwerber von vollständiger Zahlung des Kaufpreises abhängig macht (§ 449 BGB).4 Hier wird der Verkäufer nämlich einem zahlungsunfähigen Käufer gegenüber dadurch vor Verlust aus dem Kreditkauf geschützt, bis zur Tilgung der Kaufschuld das Eigentum der verkauften Sache zu behalten.5 Da sich die Vorbehaltsabrede dabei nur auf die Übereignung, d. h. rechtsgeschäftliche Übertragung bestehenden Eigentums, bezieht,6 unterscheidet sie sich von einer Verfallklausel (lex commissoria oder Verwirkungsklausel), die auf das Kausalgeschäft einwirkt.7 ← 13 | 14 →

Der Eigentumsvorbehalt ist heute das primäre und häufigste Sicherungsmittel des vorleistenden Verkäufers.8 Er kann auf die mit einem geringsten Aufwand verbundene Weise als Ersatz einer Verpfändung gebraucht werden.9 Da hier die dem Käufer übergebene Sache selbst als Sicherungsobjekt ausgenutzt wird,10 kann der kreditierende Verkäufer von diesem einfach eine verlässliche, dinglich wirkende Sicherung gewinnen.11 Er muss die persönliche Kreditwürdigkeit des Schuldners nicht ausführlich ermitteln oder prüfen.12 Durch die Zurückhaltung seiner Leistung bis zur Erbringung der Gegenleistung wird auch mehr die rechtliche Gleichzeitigkeit des Leistungsaustauschs als das gesetzliche Synallagma (§§ 320 ff. BGB) gewährleistet.13

Dieses Rechtsinstitut ist auch dem Vorbehaltskäufer insofern nützlich, als dieser ohne Verzicht auf die Nutzung der Sache die Zahlung des Kaufpreises teilweise auf einen späteren Zeitpunkt verschieben kann. Im Vergleich zu anderen Kreditsicherungsmitteln ist es durch die Besitzübertragung an den Schuldner gekennzeichnet. ← 14 | 15 → Der Vorbehaltskauf gewährt nämlich dem Vorbehaltskäufer ein Recht zum Besitz.14 Dadurch hat er eine sicherere Erwerbsaussicht, als derjenige, der bloß einen schuld-rechtlichen Anspruch auf Übereignung hat. Denn die Aussicht kann ihm nicht durch gutgläubigen Erwerb eines Dritten entzogen werden (§ 936 Abs. 3 BGB).15 Diese Form der Sicherung dient insbesondere dem wirtschaftlichen Interesse eines gewerblichen Käufers, zumal dieser häufig die Vorbehaltssache in seine gewerbliche Nutzung als Mittel zur Bezahlung des Restkaufpreises einsetzen will.16

b)   Schwächen

Beim Eigentumsvorbehalt dient das fiduziarisch vorbehaltene Eigentum dem Vorbehaltsverkäufer als Sicherheit. Es handelt sich dabei formell um eine bedingte Eigentumstradition, aber wirtschaftlich um eine dingliche Kreditsicherung.17 Von diesem Standpunkte aus wohnen dieser atypischen Mobiliarsicherheit wesentliche Schwächen inne. Sie lassen sich wie folgt resümieren: mangelnde Erkennbarkeit über das Sicherungsverhältnis und Übermaß an Sicherungen.18

Zum einen fehlen hier Institutionen für die Publizität des Sicherungsverhältnisses wie Besitz beim Faustpfand.19 Da bis zur Entscheidung der Bedingung, d. h. vor Bedingungseintritt oder -ausbleiben, äußerlich das Vorbehaltseigentum und der unmittelbare Besitz auseinanderfallen,20 verliert der Besitz des Vorbehaltskäufers als Publizitätsmittel oder dingliches Legitimationsmittel an Bedeutung.21 Diese Publizitätslosigkeit kann vor allem das Interesse der späteren Kreditgeber ← 15 | 16 → beeinträchtigen.22 Denn wenn diese nur im Vertrauen auf das scheinbare Vermögen des Kreditnehmers einen Kredit gewähren, können sie zu einer falschen Beurteilung der Kreditwürdigkeit oder -basis desselben führen.23

Zum anderen geht dabei die Rechtsform der Sicherung (Vorbehalt des Eigentums) über den Sicherungszweck (Sicherung des kreditierten Kaufgeldes) hinaus. Bis zur vollständigen Begleichung des Kaufpreises konzentrieren sich nämlich die Befugnisse des Eigentümers, bis auf die Nutzungsbefugnis, in den Händen des Vorbehaltsverkäufers.24 Das Übermaß an Sicherungen kann nicht zuletzt wirtschaftlich berechtigte Interessen des Schuldners und gegebenenfalls seiner Gläubiger bedrohen. Zunächst wird der Vorbehaltskäufer in der Zwischenzeit nicht als ein dinglich Berechtigter ähnlich einem Miteigentümer behandelt, und zwar selbst dann, wenn die noch zu tilgenden Restbeträge zu gering sind. Dementsprechend kann seine wirtschaftliche Bewegungsfreiheit in unerträglicher Weise beschränkt werden.25 Obwohl der Sicherungsgegenstand wirtschaftlich teilweise zu dem Vermögen des Schuldners gehört, dient er auch nicht zur Befriedigung aller Gläubiger, sondern nur des Warengläubigers.26 Außerdem können verschiedene Gläubiger des Vorbehaltskäufers besonders dann miteinander in Konkurrenz treten, wenn der Eigentumsvorbehalt auf Surrogate des ursprünglichen Sicherungsgegenstandes ausgedehnt wird.27 Ein Paradebeispiel dazu ist der Zusammenstoß zwischen verlängertem Eigentumsvorbehalt und Sicherungsabtretung (Globalzession oder Globalabtretung).28 Die starke Erstreckung desselben29 wird in der Tat als ein Merkmal des deutschen Rechts- und Wirtschaftssystems angesehen.30 ← 16 | 17 →

Wegen dieser Schwächen birgt der Eigentumsvorbehalt zwar so die Gefahr verschiedener Interessenkollisionen zwischen den am Rechtsverhältnis Beteiligten31 in sich.32 Sie sind aber nicht lediglich diesem Rechtsinstitut eigentümlich. Die Sicherungsübereignung leidet ebenfalls als eine Sachsicherung ohne Besitz unter den gleichen Missständen.33 Dies lag vor allem daran, dass sie alle sich von Anbeginn ohne richtige Anstrengung, um die unerwünschten Nebenwirkungen zu verringern, durch den Verkehr als Kreditsicherungsmittel herausbildeten.34 Die Bestrebungen zur Bekämpfung der dieser Mobiliarsicherheiten innewohnenden Schwächen setzten sich daher in ihrer geschichtlichen Entwicklung fort. Sie zielten dabei – trotz der Verschiedenheit der konkreten Methoden – auch immer in die gleiche Richtung35: d. h. Kenntlichmachung des Sicherungsverhältnisses und Reduzierung des Übermaßes an Sicherungen.36 ← 17 | 18 →

2.   Problemlage

Auf die Probleme, die auf der unverhältnismäßigen Sicherstellung des Vorbehaltsverkäufers beruhen, ist noch näher einzugehen. Da dieser vor Bedingungseintritt noch Eigentümer ist, können die Gläubiger des Käufers in erster Linie bei Insolvenz desselben auf die Vorbehaltssache nicht zugreifen. Das zum Sicherungszweck vorbehaltene Eigentum funktioniert hier tatsächlich als ein absolutes Vorzugsrecht,37 wodurch es in unerkennbarer Weise vor anderen Gläubigern begünstigen kann38. Andererseits steht die absolute Sicherheit des Verkäufers dem Interesse des Vorbehaltskäufers gegenüber, der die Vorbehaltssache zu eigenen Kredit- oder anderen Zwecken nutzen will. Nehmen wir einen Käufer einer Maschine an, der gegen Pfand dieser Sache einen Kredit aufnehmen möge. Wenn der Restbetrag der Ratenschuld dabei auch so wenig ist, ist er mangels einer Verfügungs- oder Verpfändungsbefugnis nicht in der Lage, mit der Sache sein Geschäft zu finanzieren.

Dies liegt daran, dass hier das Eigentum als umfassende Herrschaftsgewalt denaturiert als Sicherungsmittel Verwendung findet.39 Diese Missstände sind nämlich schon begrifflich dem Eigentumsvorbehalt inhärent.40 Der Vorbehaltskäufer wird zwar als ein bedingt Berechtigter nach den §§ 160, 161, 162 BGB während der Schwebezeit der Bedingung gegen die Zwischenverfügung oder die Verhinderung des Bedingungseintritts geschützt.41 Nur dies ist aber dazu nicht hinreichend, sie zu bewältigen.42 Um den Interessen des Vorbehaltskäufers und seiner Gläubiger Rechnung zu tragen, ist nämlich die Verwertung und Mobilisierung des von ihm bereits bezahlten Wertanteils an der Vorbehaltssache notwendig. Man kann aber lediglich aus den Bestimmungen des Bedingungsrechts eine solche selbstständige Verkehrsfähigkeit der bedingten Rechtsposition nicht folgern. Diese Probleme ← 18 | 19 → werden heute letztlich dadurch gelöst, dass die Rechtsprechung die Rechtsposition des Vorbehaltskäufers als Anwartschaftsrecht, d. h. im Jahr 195443 als Haftungsobjekt und im Jahr 195644 als Kreditsicherungsmittel, anerkennt.45

Details

Seiten
161
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783631737859
ISBN (ePUB)
9783631737866
ISBN (MOBI)
9783631737873
ISBN (Paperback)
9783631737842
DOI
10.3726/b12339
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (September)
Schlagworte
pactum reservati dominii bedingte Übereignung besitzloses Pfandrecht Faustpfandprinzip Numerus-clausus-Prinzip geteiltes Eigentum
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 161 S.

Biographische Angaben

Seongho Kim (Autor:in)

Seongho Kim hat Rechtswissenschaften an der Hanyang-Universität (Seoul) und an der Universität Bonn studiert und wurde an der Universität Bonn promoviert.

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