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Ergänzungstatbestände in der Grunderwerbsteuer

Möglichkeiten einer Neukonzeption unter Berücksichtigung steuersystematischer, betriebswirtschaftlicher und administrativer Anforderungen

von Corinna Tigges (Autor:in)
©2018 Dissertation 364 Seiten

Zusammenfassung

Die grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände sind vor allem im Bereich der Umstrukturierungen und Unternehmensakquisitionen von hoher Relevanz. Politisch wird derzeit eine Verschärfung zur Vermeidung von Share Deals diskutiert. Vor diesem Hintergrund unterzieht die Autorin das System «de lege lata» einer kritischen betriebswirtschaftlichen und steuersystematischen Analyse. Dabei zeigt sie praxisrelevante Probleme in der unternehmerischen Steuerplanung auf, prüft die Einbeziehung der Grunderwerbsteuer in Tax Compliance Management Systeme und nimmt einen Ländervergleich vor. Abschließend präsentiert sie einen Gesetzesvorschlag zur Neukonzeption, der primär auf einer transparenten Betrachtung von gesondert definierten Immobiliengesellschaften beruht.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Geleitwort
  • Vorwort der Verfasserin
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Tabellenverzeichnis
  • A. Einführung
  • I. Problemstellung und Forschungsrelevanz
  • II. Zielsetzung und Gang der Untersuchung
  • III. Beschränkungen
  • B. Grundlagen zum Verständnis der Ergänzungstatbestände
  • I. System der Grunderwerbsteuer
  • 1. Historische Entwicklung
  • 2. Rechtsnatur und Belastungsgrund
  • a. Grunderwerbsteuer im Steuersystem
  • b. Belastungsgrund
  • II. Einordnung der Ergänzungstatbestände
  • 1. Ergänzungstatbestände im Überblick
  • a. Begriff
  • b. Überblick über die Einzeltatbestände
  • 2. Gesetzgebungshistorie
  • C. Vergleichende Analyse der Ergänzungstatbestände
  • I. Normzweck und dogmatische Rechtfertigung
  • II. Tatbestandsmerkmale
  • 1. Rechtsform der Gesellschaft
  • 2. Zuordnung des Grundstücks zum Gesellschaftsvermögen
  • 3. Anteilsbegriff
  • 4. Rechtsvorgang
  • a. Unmittelbare Übertragung
  • b. Mittelbare Übertragung
  • c. Sonderfälle
  • aa. Grunderwerbsteuerliche Organschaft
  • bb. Schuldrechtliche Vereinbarungen
  • cc. Treuhandverhältnisse
  • dd. Kapitalmaßnahmen
  • ee. Zwischengeschäfte
  • 5. Erwerber
  • 6. 95 %-Grenze
  • a. Allgemeines
  • b. Sonderfälle der Berechnung
  • c. Eigene Anteile und wechselseitige Beteiligungen
  • d. Aktuelle Entwicklungen
  • 7. Frist
  • 8. Subsidiarität
  • a. Konkurrenzen bei Vorliegen eines Rechtsvorgangs
  • b. Mehrere aufeinanderfolgende Rechtsvorgänge
  • III. Rechtsfolgen
  • 1. Erwerbsfiktion
  • a. Fingierte Übertragungswege des Grundstücks
  • b. Anwendung der Steuerbefreiungsvorschriften
  • 2. Verletzung von Haltefristen gem. §§ 5 und 6 GrEStG
  • 3. Steuerschuldner
  • 4. Steuerentstehung
  • 5. Anzeigepflichten
  • a. Anzeigepflichten gem. §§ 18 und 19 GrEStG
  • b. Form und Inhalt der Anzeigen
  • c. Folgen unterlassener oder verspäteter Anzeigen
  • IV. Beurteilung
  • 1. Fehlende Gesamtkonzeption
  • 2. Bestehende Zweifelsfragen
  • 3. Vereinfachungs- und Vereinheitlichungspotenzial
  • D. Steuersystematische Untersuchung der Ergänzungstatbestände
  • I. Folgerichtige Umsetzung der Belastungsentscheidung
  • 1. Belastungsgegenstand und Belastungsgrund als Beurteilungsmaßstäbe
  • 2. Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrssteuer
  • 3. Vereinbarkeit mit dem Belastungsgrund
  • II. Rechtfertigung der Fiktion einer Grundstücksübertragung
  • 1. Wirtschaftlicher Erfolg der Anteilsübertragung
  • 2. Missbrauchsvermeidung
  • III. Erreichung des Normzwecks
  • IV. Parallele Anwendung zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Grundsätze
  • 1. Punktuelle Einführung wirtschaftlich begründeter Steuertatbestände
  • 2. Unterschiedliche Auslegungsgrundsätze
  • V. Ungleichbehandlung der Rechtsformen
  • VI. Zusammenfassende Beurteilung
  • E. Ergänzungstatbestände als Risikofaktoren für betriebswirtschaftliche Planung und Tax Compliance
  • I. Grunderwerbsteuer in der Unternehmensplanung
  • 1. Einfluss der Grunderwerbsteuer auf die strategische Planung
  • 2. Einfluss der Grunderwerbsteuer auf Investitionsentscheidungen
  • a. Grundsätzliches
  • b. Grunderwerbsteuer als negativer Zielbeitrag in der Investitionsrechnung
  • c. Gestaltungsmöglichkeiten zur Minimierung der Grunderwerbsteuer
  • d. Fallbeispiel zur Auswirkung der Ergänzungstatbestände auf die Wirtschaftlichkeit einer Investition
  • aa. Vorbemerkungen
  • bb. Berechnungen
  • cc. Schlussfolgerungen
  • 3. Grunderwerbsteuer in der Liquiditätsplanung
  • 4. Fehlende Planungssicherheit
  • a. Systematisierung der Gründe für Planungsunsicherheit
  • aa. Grundlage der Systematisierung
  • bb. Ebene der Steuergesetzgebung
  • cc. Ebene der Finanzverwaltung
  • dd. Ebene der Rechtsprechung
  • b. Auswirkungen fehlender Steuerplanungssicherheit
  • II. Risikopotenzial im Rahmen der unternehmerischen Tax Compliance
  • 1. Einfluss der Besteuerung auf die unternehmerische Organisation
  • 2. Informationsrechte und –pflichten im internationalen Konzern
  • 3. Drittbestimmter Anfall von Grunderwerbsteuer
  • 4. Strafrechtliche Dimension der Anzeigepflichten
  • 5. Grunderwerbsteuer im Tax Compliance Management System
  • III. Zusammenfassung der bedeutendsten Risiken
  • F. Fehlende Überwachungsmöglichkeit als administratives Problem
  • I. Vollzugssicherungsauftrag der Steuerverwaltung
  • II. Strukturelles Vollzugsdefizit in der Grunderwerbsteuer
  • 1. Gesellschafterwechsel und Anteilsübertragungen im Inland
  • 2. Verwirklichung von Rechtsvorgängen im Ausland
  • G. Vergleich mit Regelungen ausgewählter anderer Länder
  • I. Vorbemerkungen
  • II. Österreich
  • 1. Allgemeines
  • 2. Ergänzungstatbestände zur Erfassung von Anteilsübertragungen
  • 3. Vergleich mit den deutschen Ergänzungstatbeständen
  • III. Schweiz
  • 1. Allgemeines
  • 2. Personengesellschaften
  • 3. Kapitalgesellschaften
  • 4. Vergleich mit der deutschen Grunderwerbsteuer
  • IV. Andere europäische Staaten
  • 1. Niederlande
  • 2. Spanien
  • 3. Portugal
  • 4. Ungarn
  • V. Zusammenfassende Beurteilung und Implikationen für eine Reform
  • H. Vorschlag einer Neukonzeption
  • I. Ableitung von Anforderungen an eine Neukonzeption
  • 1. Anforderungen aus steuersystematischer Sicht
  • a. Ausrichtung an Belastungsgrund und Rechtsnatur der Grunderwerbsteuer
  • b. Erfüllung des Gleichheitsgrundsatzes
  • c. Folgerichtigkeit innerhalb der Tatbestände
  • 2. Anforderungen aus betriebswirtschaftlicher Sicht
  • a. Beseitigung von Planungsunsicherheit
  • b. Abbau von Risiken im Bereich Tax Compliance
  • c. Entscheidungsneutralität der Steuer
  • 3. Anforderungen aus administrativer Sicht
  • 4. Übergreifende Anforderung: Komplexitätsreduktion
  • II. Systematisierung und Gruppierung der Anforderungen
  • 1. Vorgehensweise
  • 2. Übersicht der Anforderungen
  • 3. Nicht erfüllbare Anforderungen
  • 4. Allgemeingültige Anforderungen
  • 5. Rangfolge der Anforderungen
  • III. Mögliche Varianten einer Neukonzeption
  • 1. Zwingende Konsequenzen aus allgemeingültigen Anforderungen
  • 2. Mögliche Varianten einer Neukonzeption
  • a. Vollständiger Verzicht auf Ergänzungstatbestände
  • b. Generalklausel zur wirtschaftlichen Betrachtung
  • c. „Österreichisches Modell“
  • d. Modifizierter § 1 Abs. 3 GrEStG
  • e. Ausschließlich § 1 Abs. 3a GrEStG
  • f. Einschränkung auf Immobiliengesellschaften
  • IV. Vergleich der Varianten
  • 1. Übersicht
  • 2. Erläuterungen und Auswertung
  • a. Vollständiger Verzicht auf Ergänzungstatbestände
  • b. Generalklausel zur wirtschaftlichen Betrachtung
  • c. „Österreichisches Modell“
  • d. Modifizierter § 1 Abs. 3 GrEStG
  • e. Ausschließlich § 1 Abs. 3a GrEStG
  • f. Einschränkung auf Immobiliengesellschaften
  • 3. Ergebnis: Eignung der Varianten für eine Reform der Ergänzungstatbestände
  • V. Kombination von Sonderregelung für Immobiliengesellschaften und modifiziertem § 1 Abs. 3 GrEStG
  • 1. Ausgestaltung eines § 1a GrEStG-E zur Besteuerung von Anteilserwerben an Immobiliengesellschaften
  • a. Definition der Immobiliengesellschaft
  • b. Erwerbstatbestand und Rechtsfolgen
  • 2. Ausgestaltung eines modifizierten § 1 Abs. 3 GrEStG
  • 3. Bewertung der Kombination beider Tatbestände
  • VI. Vorschlag für einen Gesetzestext
  • 1. § 1 GrEStG
  • 2. § 1a GrEStG-E – Erwerb von Anteilen an Immobiliengesellschaften
  • 3. Folgeänderungen in anderen Paragraphen des GrEStG
  • a. Steuerbefreiungen
  • b. Bemessungsgrundlage und Steuerschuldner
  • c. Verfahren
  • I. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und Ausblick
  • I. Zusammenfassung der Ergebnisse
  • II. Ausblick
  • Literaturverzeichnis
  • Rechtsprechungsverzeichnis
  • Quellenverzeichnis

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Abkürzungsverzeichnis

← XXII | XXIII →

Tabellenverzeichnis

← XXIV | 1 →

A.  Einführung

I.  Problemstellung und Forschungsrelevanz

§ 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG fingieren einen grunderwerbsteuerlichen Erwerbsvorgang bei Rechtsgeschäften auf gesellschaftsrechtlicher Ebene, die dazu führen, dass ein Grundstück zwar nicht zivilrechtlich, wohl aber wirtschaftlich auf einen neuen Rechtsträger übergeht.1 Die sog. Ergänzungstatbestände2 sollen Konstellationen erfassen, in denen die Grunderwerbsteuer vermieden werden könnte, indem statt des Grundstücks Anteile an einer Grundstücksgesellschaft übertragen werden. Sie dienen somit der Verhinderung der Steuerumgehung.3 Der Gesetzgeber hat aber nicht lediglich Missbrauchsvermeidungsnormen, sondern eigenständige Besteuerungstatbestände geschaffen.4 Die einzelnen Ergänzungstatbestände unterscheiden sich unter anderem in ihrer Anwendung auf bestimmte Rechtsformen, der Definition der Beteiligung, der Zuordnung der Grundstücke, den zeitlichen Fristen, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens sowie der Ausgestaltung der Rechtsfolge.5 Die Normen sind für sich betrachtet bereits komplex, werden aber durch ihr Zusammenwirken in der Komplexität noch gesteigert.6 Aus steuersystematischer Sicht werden Zweifel an der Rechtfertigung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise im ansonsten zivilrechtlich geprägten GrEStG geäußert.7 Die Entwicklungen der letzten Jahre bieten diesbezüglich weiteren Diskussionsstoff: § 1 Abs. 3a GrEStG8 führt den Begriff der wirtschaftlichen Beteiligung ausdrücklich in den Gesetzeswortlaut ein und der BFH wendet ← 1 | 2 → in der jüngeren Rechtsprechung9 die Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO an, was bisher nach h. M. im GrEStG nicht möglich sein sollte10. Aus der Politik ist in jüngster Vergangenheit Kritik an den Ergänzungstatbeständen laut geworden.11 Die Ergänzungstatbestände werden als eine faktische Steuerbefreiung für große Immobiliengesellschaften verstanden.12 In diesem Zusammenhang werden verschiedene Möglichkeiten einer gesetzlichen Änderung der Ergänzungstatbestände diskutiert.13

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht stellen die Ergänzungstatbestände der Grunderwerbsteuer insbesondere im Bereich der Steuerplanung und der Tax Compliance eine große Herausforderung dar. Durch die Erhöhung der Steuersätze und der (Ersatz-)Bemessungsgrundlage14 hat sie in den letzten Jahren weiter an Bedeutung für die unternehmerische Planung speziell im Bereich der Umstrukturierungen gewonnen.15 Durch die Komplexität der Ergänzungstatbestände lässt sich der Kostenfaktor Grunderwerbsteuer in der Planung aber nur unzureichend berücksichtigen. Insbesondere in mehrstufigen grenzüberschreitenden Strukturen ist den Entscheidungsträgern einer Umstrukturierung möglicherweise nicht bewusst, dass der Vorgang viele Ebenen weiter unten zum Anfall deutscher Grunderwerbsteuer führen kann.16 Es sind Fälle denkbar, in ← 2 | 3 → denen die Grundstücksgesellschaft nicht in den Entscheidungsprozess über die Umstrukturierung eingebunden ist und es daher bei ihr zu einem drittbestimmten Anfall von Grunderwerbsteuer kommt.17 Die Grunderwerbsteuer hat damit das Potenzial betriebswirtschaftliche sinnvolle und notwendige Umstrukturierungen zu erschweren oder sogar zu verhindern18 oder als Kostenfaktor übersehen zu werden. Das GrEStG sieht für die Ergänzungstatbestände in § 19 Abs. 1 GrEStG gesonderte Anzeigepflichten der Beteiligten vor. Bei Nichteinhaltung dieser Pflichten drohen verschiedene Sanktionen19 für das Unternehmen bis hin zu strafrechtlichen Konsequenzen für dessen gesetzliche Vertreter. Daher ist die Verwirklichung grunderwerbsteuerlicher Ergänzungstatbestände auch im Rahmen der Tax Compliance20 relevant. Dies gilt umso mehr als die Einhaltung steuerlicher Pflichten zunehmend in der öffentlichen Wahrnehmung steht und Verletzungen neben den genannten steuerrechtlichen Sanktionen auch Imageverluste nach sich ziehen können.21 Auf der Seite der Finanzverwaltung führen die komplexen Tatbestände dazu, dass ihre Verwirklichung nur eingeschränkt überwacht werden kann und teils nur zufällig erkannt wird.22 Einige Autoren sehen darin ein strukturelles Vollzugsdefizit, das die Verfassungskonformität der Normen gefährden könnte.23

Soweit ersichtlich, wurden in bisherigen Arbeiten lediglich Einzelaspekte der Ergänzungstatbestände analysiert bzw. Strategien zur Steuerplanung unter Geltung der Ergänzungsbestände entwickelt.24 Daneben fordert das überwiegend ← 3 | 4 → praxisorientierte Schrifttum zwar immer wieder zumeist punktuelle Änderungen.25 Es fehlt aber bisher an einer Analyse des Gesamtkonzepts der Ergänzungstatbestände und an Vorschlägen für übergreifende, ganzheitliche Änderungen. Auch die eingangs geschilderte Diskussion in Literatur und Politik weist auf einen Reformbedarf hin. Die grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände stellen damit aus Sicht der wertend-normativen Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre26 einen geeigneten Forschungsgegenstand dar.

II.  Zielsetzung und Gang der Untersuchung

Ziel dieser Arbeit ist die Entwicklung eines Reformvorschlags für die grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände. Die Neuregelung soll, anders als bisher in der Gesetzgebung praktiziert27, in einem Gesamtkonzept von aufeinander abgestimmten Regelungen zur Grunderwerbsteuerbarkeit gesellschaftsrechtlicher Vorgänge bestehen. Aus der Problemstellung ergibt sich, dass die derzeitigen Ergänzungstatbestände aus mehreren Perspektiven unbefriedigend sind. Die Neuregelung soll daher so konzipiert sein, dass sie sich sowohl aus steuersystematischer Sicht stimmig in das Konzept der Grunderwerbsteuer einfügt als auch betriebswirtschaftlichen Anforderungen an die Besteuerung genügt und durch die Finanzverwaltung administrierbar ist. Zur Entwicklung der Neukonzeption bedarf es zunächst einer Analyse der bestehenden Ergänzungstatbestände insbesondere im Hinblick auf die drei genannten Anforderungsperspektiven. Außerdem soll geprüft werden, ob es in anderen Staaten vergleichbare Regelungen gibt, die sich für eine Übertragung in das deutsche Recht eignen. Aus der Zielsetzung ergibt sich der folgende Aufbau der Arbeit:

Auf die Einführung in das Thema und das Forschungsziel in Teil A folgen in Teil B Grundlagen zum Verständnis der Ergänzungstatbestände. Dort wird das derzeitige System der Ergänzungstatbestände gem. § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG dargestellt und in das Gesamtsystem der Grunderwerbsteuer ← 4 | 5 → eingeordnet. Dafür werden die Gesetzeshistorie sowie das Wesen der Grunderwerbsteuer und die Ergänzungstatbestände de lege lata im Überblick betrachtet.

Im Analyseteil der Arbeit wird zunächst das bestehende System der Ergänzungstatbestände untersucht. Teil C beinhaltet eine grundlegende Analyse des derzeitigen Konzepts und Gesetzeswortlautes der Ergänzungstatbestände. Indem die Ergänzungstatbestände auf der Ebene ihrer einzelnen Tatbestandsmerkmale und Rechtsfolgen verglichen werden, sollen Gemeinsamkeiten, Unterschiede und eventuelle Widersprüche der Normen aufgedeckt werden. Es folgen vertiefende Betrachtungen jeweils aus steuersystematischer, betriebswirtschaftlicher und administrativer Sicht. Teil D enthält eine steuersystematische Untersuchung zur Frage, ob die Besteuerung gesellschaftsrechtlicher Vorgänge im Hinblick auf die Belastungsentscheidung der Grunderwerbsteuer gerechtfertigt werden kann. Außerdem werden das Nebeneinander von wirtschaftlichen und zivilrechtlichen Auslegungsgrundsätzen sowie die unterschiedliche Behandlung der Rechtsformen einer kritischen Würdigung unterzogen. Teil E beleuchtet die Risiken und Unsicherheiten, die die Ergänzungstatbestände in ihrer derzeitigen Ausgestaltung für die betriebswirtschaftliche Planung und die Tax Compliance auslösen und untersucht, inwieweit sich dadurch negative Effekte bei Investitionsentscheidungen von Unternehmen ergeben können. Teil F geht schließlich auf den Gesetzesvollzug durch die Finanzverwaltung ein und erläutert das Risiko eines strukturellen Vollzugsdefizits im Bereich der grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände.

Auf die Betrachtung des deutschen Systems der Ergänzungstatbestände folgt in Teil G ein Vergleich mit grunderwerbsteuerlichen Regelungen ausgewählter anderer Länder. Der Fokus liegt auf der Besteuerung gesellschaftsrechtlicher Vorgänge bzw. den ausländischen Normen, die eine Steuerumgehung verhindern sollen. Dabei soll eine mögliche Übertragbarkeit der ausländischen Regelungen auf das deutsche Grunderwerbsteuersystem geprüft werden.

Teil H widmet sich schließlich der Erarbeitung einer Neukonzeption anhand der Ergebnisse der vorherigen Abschnitte. Aus den Kritikpunkten am bestehenden System, die in den vorherigen Teilen herausgearbeitet wurden, sollen Anforderungen an eine Neukonzeption entwickelt werden. Anhand dieses Katalogs steuersystematischer, betriebswirtschaftlicher und administrativer Anforderungen werden dann verschiedene mögliche Varianten verglichen. Die potenziellen Varianten der Neukonzeption können aus der Gesetzeshistorie, der Literatur oder dem Ländervergleich in Teil G stammen. Ziel des Abschnitts ist die detaillierte Ausarbeitung der Variante, die die aufgestellten Anforderungen ← 5 | 6 → am besten erfüllt. Zusammenfassung und Ausblick in Teil I schließen die Arbeit ab.

III.  Beschränkungen

Die vorliegende Arbeit behandelt ausschließlich die Ergänzungstatbestände, die an die Übertragung von Gesellschaftsanteilen anknüpfen. Im derzeitigen System sind dies § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG. Die Ersatztatbestände des § 1 Abs. 1 GrEStG sowie die Verwertungsbefugnis gem. § 1 Abs. 2 GrEStG werden nicht untersucht. Er erfolgt keine verfassungsrechtliche Prüfung der Ergänzungstatbestände. Verfassungs- und Europarecht werden nur am Rand thematisiert, soweit sie bestimmten Varianten einer Neukonzeption entgegenstehen könnten oder soweit einzelne steuersystematische Kritikpunkte auch verfassungsrechtlich problematisch sein könnten. Der Reformvorschlag, der als Ziel der Arbeit entwickelt werden soll, wird nur anhand systematischer, betriebswirtschaftlicher und administrativer Anforderungen konzipiert. Volkswirtschaftliche Auswirkungen oder haushaltspolitische Fragen einer Finanzierung der Reform werden nicht geprüft.


1 Vgl. Pahlke, GrEStG, 2018, § 1, Rz. 4; Cortez/Göbel, ZfIR 2015, S. 695.

2 Zum Begriff s. nachfolgend unter B.II.1.a.

3 Vgl. Schnitter in: Wilms/Jochum, ErbStG, 2017, § 1 GrEStG, Rz. 245, 291.2, 414.2.

4 Vgl. Tiede, StuB 2014, S. 576; Heine, Stbg 2014, S. 215; Micker, DStZ 2009, S. 287; Hey, Umstrukturierungen, 2009, S. 228.

5 Vgl. Tiede, StuB 2014, S. 571; zur Kritik an der unterschiedlichen Ausgestaltung der Ergänzungstatbestände: Behrens, UVR 2014, S.148.

6 Vgl. Pirner/Könemann, IStR 2013, S. 424; Behrens, DStR 2013, S. 1407;Tiede, StuB 2014, S. 571 u. 576, der u.a. das ungeklärte Verhältnis der Ergänzungstatbestände zueinander bemängelt.

7 Vgl. Hey, Umstrukturierungen, 2009, S. 230; Schober/Kuhnke, NWB 2013, S. 2234; Pirner/Könemann, IStR 2013, S. 426; Behrens/Bielinis, DStR 2014, S. 2373, 2374.

8 AmtshilfeRLUmsG v. 26.06.2013, BStBl. I 2013, S. 1809, Art. 26 Nr. 1.

9 Vgl. BFH, Urteil v. 30.08.2017, II R 39/15, BFH/NV 2018, S. 291; BFH, Urteil v. 09.07.2014, II R 49/12, BStBl. II 2016, S. 57; BFH, Urteil v. 25.11.2015, II R 18/14, BFHE 251, S. 492.

10 Vgl. Fischer in: Boruttau, GrEStG, 2016, § 1 Rz. 638; Pahlke, GrEStG, 2018, § 1, Rz. 87; Behrens/Bielinis, DStR 2014, S. 2369; Hofmann, FR 2016, S. 767.

11 Vgl. bspw.: Hessisches Ministerium der Finanzen, Pressemitteilung v. 08.09.2016; BT-Drs. 18/8617 v. 01.06.2016, S. 1; zu den derzeit im Rahmen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe diskutierten Reformmöglichkeiten s. bei Behrens, UVR 2017, S. 15 ff.

12 Vgl. bspw. Zitat des Berliner Finanzsenators M. Kollatz-Ahnen: „Wir können und wollen nicht auf Dauer Immobilienspekulationen mit Steuerbefreiungen subventionieren“ (o.V., Der Spiegel v. 20.05.2016); Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 18/8617 v. 01.06.2016, S. 1: „Keine Steuerbegünstigung für Übernahmen durch Share Deals“. Auch der neue Koalitionsvertrag enthält das Vorhaben, „missbräuchliche Steuergestaltungen bei der Grunderwerbsteuer mittels Share Deals zu beenden „CDU/CSU/SPD, Koalitionsvertrag 2018, S. 110.

13 Vgl. Behrens, UVR 2017, S. 15 ff.

14 Änderung von § 8 Abs. 2 GrEStG durch StÄndG 2015 v. 02.11.2015, BStBl. I 2015, S. 1834, Art. 8 Nr. 2; zu den quantitativen Auswirkungen vgl. Keller/Petersen, BB 2016, S. 155.

15 Vgl. Keller/Petersen, BB 2016, S. 155.

16 Vgl. Pirner/Könemann, IStR 2013, S. 424; Behrens, UVR 2014, S.149; Sedemund/Fischenich, BB 2008, S. 536.

Details

Seiten
364
Jahr
2018
ISBN (PDF)
9783631767214
ISBN (ePUB)
9783631767221
ISBN (MOBI)
9783631767238
ISBN (Hardcover)
9783631767207
DOI
10.3726/b14654
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (November)
Schlagworte
Steuerreform Umstrukturierungen Ländervergleich Steuerplanung Tax Compliance (strukturelles) Vollzugsdefizit
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien. 2018. 340 S., 3 s/w Tab.

Biographische Angaben

Corinna Tigges (Autor:in)

Corinna Tigges absolvierte ein duales Studium zur Diplom Finanzwirtin (FH) an der Fachhochschule für Finanzen NRW in Nordkirchen. Nach dem anschließenden Abschluss als Master of Science an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Siegen im Studiengang Accounting, Auditing, Taxation war sie in der Steuerberatung tätig und promovierte als externe Doktorandin am Lehrstuhl von Univ-Prof. Dr. Rainer Heurung an der Universität Siegen.

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