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Förderung der Erneuerbaren Energien im deutschen und türkischen Rechtssystem

Eine rechtsvergleichende Analyse mit Schwerpunkt auf der Förderung von Windenergie an Land

von Saban Sincar (Autor:in)
©2018 Dissertation 350 Seiten

Zusammenfassung

Der Autor beleuchtet erstmals in Deutschland die Ausgestaltung des gesetzlichen Fördersystems für Erneuerbare Energien im deutsch-türkischen Vergleich und greift damit ein hoch aktuelles Thema auf. Der Übergang von der Förderung der Erneuerbaren Energien in den wettbewerblichen Energiemarkt bildet den Kern des Inhalts. Mit besonderem Blick auf die Windenergieanlagen an Land widmet sich der Autor den grundsätzlichen energiewirtschaftsrechtlichen Herausforderungen. Neben dem Förderungswunsch behandelt er die großen energierechtlichen Herausforderungen, wie die Unregelmäßigkeit der Einspeisung, die Netzverträglichkeit sowie die daraus resultierenden Verteilungskonflikte. Nach einer kritischen Vergleichsanalyse zum deutsch-türkischen Energierecht sowie zu ökonomischen, ökologischen und sozialen Themenbereichen stellt der Autor wichtige Handlungsaufträge an den Gesetzgeber auf.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Herausgeberangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Kapitel 1 Einführung in die Problemstellung
  • A. Problemstellung
  • B. Gang der Untersuchung
  • C. Begriffsbestimmungen
  • Kapitel 2 Motive und Kritik bei der Förderung der Erneuerbaren Energien
  • A. Motive zur Förderung der Erneuerbaren Energien
  • I. Unerschöpflichkeit
  • II. Umwelt- und Klimaschutz
  • III. Wirtschaftlicher Aufschwung
  • IV. Alternative im Strommix
  • V. Grüne Politik und Wandel der Gesellschaft
  • VI. Dezentralisierung der Energiewirtschaft
  • B. Kritik an der Förderung der Erneuerbaren Energien
  • I. Versorgungssicherheit
  • II. Kostendynamik
  • III. Gebietsveränderungen
  • IV. Gesundheitliche Ängste
  • C. Erneuerbare Energien im Spannungsverhältnis zwischen Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz
  • Kapitel 3 Recht der Erneuerbaren Energien in Deutschland
  • A. Historische Entwicklung der Förderung von Erneuerbaren Energien
  • I. Rechtslage bis zum Stromeinspeisungsgesetz
  • II. Erste gesetzliche Förderung von Erneuerbaren Energien durch das Stromeinspeisungsgesetz
  • III. EEG 2000
  • IV. EEG 2004
  • V. EEG 2009
  • VI. EEG 2012
  • VII. EEG 2014
  • VIII. EEG 2017
  • B. Vertrauensschutz für Bestandsanlagen sowie Übergangsbestimmungen
  • I. Grundsätze des Vertrauensschutzes
  • II. Änderung der Förderbestimmungen zulasten der Anlagenbetreiber
  • 1. EE-Anlage in Planung
  • 2. EE-Anlage in Betrieb
  • III. Vertrauensschutz bei der Eigenversorgung und der besonderen Ausgleichsregelung
  • IV. Fazit
  • C. Strom aus Erneuerbaren Energien in der deutschen Energiewirtschaft
  • D. Zielvorgaben und Ausbaukorridore
  • E. Grundlegende Bestimmungen bei der Förderung der Erneuerbaren Energien
  • I. Ausschließlichkeitsprinzip
  • II. Vorrangprinzip
  • III. Gesetzliches Schuldverhältnis
  • IV. Anschlusspflicht
  • V. Abnahme-, Übertragungs- und Verteilungspflicht
  • F. Finanzielles Fördersystem des EEG
  • I. Anspruchsgegner
  • II. Zeitpunkt der Inbetriebnahme
  • III. Förderdauer
  • IV. Fördermodell
  • 1. Einspeisevergütungen als Option neben selbständiger nicht subventionierter Direktvermarktung
  • 2. Einspeisevergütung und optionale Direktvermarktung
  • a) Grundlegendes Ziel der Direktvermarktungsnovelle
  • b) Generelle Bestimmungen zur Direktvermarktung
  • aa. Begriffsbestimmung
  • bb. Formen der Direktvermarktung und Verhältnis zur Einspeisevergütung
  • cc. Anteilige bzw. kombinierte Direktvermarktung
  • c) Darstellung der verschiedenen Formen der Direktvermarktung
  • aa. Direktvermarktung mit Marktprämie
  • bb. Direktvermarktung mit Grünstromprivileg
  • cc. Sonstige Direktvermarktung
  • d) Fazit
  • 3. Verpflichtende Direktvermarktung als gesetzlicher Regelfall
  • a) Ausgangslage
  • b) Aktuelles Vermarktungssystem
  • aa. Verpflichtende Direktvermarktung
  • (1) Grundsätze zur Marktprämie bei der verpflichtenden Direktvermarktung
  • (2) Berechnung der aktuellen Marktprämie
  • (3) Abschaffung des Grünstromprivilegs
  • bb. Ausnahmen zur verpflichtenden Direktvermarktung
  • (1) Bestandsanlagen
  • (2) Kleinanlagen
  • (3) Ausfallvergütung
  • c) Fazit
  • V. Bestimmungen zur Berechnung der Förderhöhe
  • 1. Entwicklung bis zum EEG 2012
  • 2. Strukturen des EEG 2012
  • a) Allgemeine Bestimmungen zur Berechnung der Förderhöhe
  • b) Besondere Bestimmungen zur Berechnung der Förderhöhe
  • c) Besondere Bestimmungen zur Windenergie
  • aa. Grundvergütung
  • bb. Anfangsvergütung
  • cc. Repowering
  • dd. Systemdienstleistungs-Bonus
  • 3. Bestimmungen zur Berechnung der Förderhöhe nach dem EEG 2014
  • a) Grundlegendes
  • b) Modifizierungen des Referenzertragsmodells bei der Windenergie
  • c) Neuerungen im Rahmen der Degression
  • aa. Grundlegende Änderungen
  • bb. Änderung der Degressionsregelung bei der Windenergie
  • cc. Gründe für die Einführung des atmenden Deckels bei der Windenergie
  • 4. Ermittlung der Förderhöhe durch Ausschreibungen
  • a) Ausgangssituation
  • b) Pilotausschreibung
  • aa. Grundlagen und Anwendungsbereich
  • bb. Voraussetzungen und Ablauf der Pilotausschreibung
  • (1) Bekanntmachung der Ausschreibung
  • (2) Ausschreibungsverfahren
  • (3) Förderregelungen bei der Pilotausschreibung
  • cc. Fazit
  • c) Grundsätzliche Einführung des Ausschreibungssystems
  • aa. Anwendungsbereich der Ausschreibungen im EEG 2017
  • (1) Grundsätzlich verpflichtende Ausschreibung
  • (2) Ausnahmen zur verpflichtenden Ausschreibung
  • (a) Technologiespezifische Ausnahmen
  • (b) Kleinanlagen
  • (c) Übergangsanlagen
  • (d) Pilotanlagen
  • bb. Ausschreibungsvolumen und Ausbaukorridore
  • cc. Ausschreibungsgegenstand
  • dd. Ablauf des Ausschreibungsverfahrens
  • (1) Technologieneutrale Voraussetzungen
  • (a) Bekanntmachung der Ausschreibungsrunde
  • (b) Anforderungen an das abgegebene Gebot
  • (c) Sicherheitsleistung und Verfahrensgebühr
  • (d) Zuschlagsverfahren und Bekanntgabe der Zuschläge
  • (e) Entwertung von Zuschlägen
  • (2) Sonderregelungen bei der Windenergie
  • (a) Besondere Anforderungen an die Gebote
  • (b) Netzausbaugebiet
  • (c) Sonderregelungen für Bürgerenergiegesellschaften
  • i. Begriff der Bürgerenergiegesellschaft
  • ii. Spezielle Erleichterungen
  • iii. Befristetes Moratorium für die Privilegien
  • (d) Berechnung der Förderhöhe bei der Windenergie
  • (3) Besondere Ausschreibungen
  • (a) Grenzüberschreitende Ausschreibung
  • (b) Technologieübergreifende Ausschreibung
  • d) Fazit
  • VI. Finanzierungs- und Ausgleichsmechanismus
  • 1. Sinn und Zweck
  • 2. Ablauf des bundesweiten Ausgleichs
  • a) Erste Stufe
  • b) Zweite Stufe
  • c) Dritte Stufe
  • d) Vierte Stufe
  • e) Fünfte Stufe
  • 3. Sonderregelungen zu dem bundesweiten Ausgleichsmechanismus
  • a) Besonderer Belastungsausgleich
  • aa. Historische Einführung
  • bb. Aktueller Stand
  • (1) Stromkostenintensive Unternehmen
  • (a) Voraussetzungen
  • (b) Rechtsfolge
  • (2) Schienenbahnen
  • (3) Formale Anforderungen an den Antrag
  • b) Eigenversorgung
  • 4. Fazit
  • Kapitel 4 Recht der Erneuerbaren Energien in der Türkei
  • A. Historische Entwicklung der Förderung von Erneuerbaren Energien
  • I. Rechtslage bis zum YEK
  • II. Förderung der Erneuerbaren Energien zwischen 2005 und 2010
  • III. Förderung der Erneuerbaren Energien seit 2011
  • B. Strom aus Erneuerbaren Energien in der türkischen Energiewirtschaft
  • C. Zielvorgaben
  • D. Grundlegende Bestimmungen bei der Förderung der Erneuerbaren Energien
  • I. Lizenzpflicht
  • 1. Grundsätzliche Bestimmungen
  • 2. Wettbewerbliche Erteilung der Vorlizenz
  • a) Grundsätzliches Verfahren zur Erteilung der Vorlizenz
  • b) Änderung der Bestimmungen zur Erteilung der Vorlizenz
  • c) Kritik an der neuen Vorlizenz-Verordnung
  • II. Ausschließlichkeitsprinzip
  • III. Vorrangige Anschluss-, Übertragungs- und Verteilungspflicht
  • IV. Finanzielles Fördersystem zu den Erneuerbaren Energien in der Türkei
  • 1. Gesetzliche Einspeisevergütung
  • a) Förderhöhe
  • b) Förderdauer
  • 2. Boni für lokale Anlagenkomponenten
  • 3. Lizenzfreie Stromerzeugung
  • 4. Weitere finanzielle Vorteile
  • 5. YEKDEM-Fördermechanismus
  • a) YEKDEM-Zertifikat
  • b) Anspruchsgegner
  • c) Ausschluss der anteilmäßigen Teilnahme am YEKDEM-Fördermechanismus
  • d) Dauer der Teilnahme am YEKDEM- Fördermechanismus
  • e) Bestimmungen zur Berechnung der Förderhöhe
  • aa. Ursprüngliche Regelung
  • bb. Novellierung der YEKDEM-Verordnung im Jahr 2011 sowie Überarbeitung im Jahr 2013
  • cc. Änderung des YEKDEM-Fördermechanismus im April 2016
  • (1) Gründe der Novellierung
  • (2) Hervorgerufene Probleme
  • (3) Neuerungen im YEKDEM- Fördermechanismus
  • dd. Berechnung der Einspeisevergütung mit der novellierten YEKDEM-Verordnung
  • ee. Konkrete Beispiele zu den unterschiedlichen Fördermechanismen
  • ff. Neue Probleme und offene Fragen
  • gg. Empfehlungen für Betreiber von Windenergieanlagen
  • 6. Neue Fördermethode: Errichtung von großflächigen EE-Anlagen
  • a) YEKA-Verordnung 2013
  • b) YEKA-Verordnung 2016
  • aa. Zweck der YEKA-Verordnung
  • bb. Bestimmung von YEKA-Flächen
  • (1) Bestimmung von YEKA-Flächen durch die YEGM
  • (2) Bestimmung von YEKA-Flächen durch Ausschreibungen
  • cc. Vorbereitung des Ausschreibungsverfahrens
  • dd. Durchführung des Ausschreibungsverfahrens sowie Ernennung des Gewinners
  • ee. Lizenzphase und Veräußerung der Stromproduktion
  • ff. Erste YEKA-Ausschreibung zur Errichtung einer Solaranlage
  • gg. Zweite YEKA-Ausschreibung zur Errichtung einer Windenergieanlage
  • hh. Kritische Bewertung
  • (1) Positive Aspekte
  • (2) Negative Aspekte
  • V. Finanzierungs- und Ausgleichsmechanismus
  • 1. Ausgleichsmechanismus bis 2011
  • 2. Ausgleichsmechanismus ab 2011
  • 3. Ausgleichsmechanismus ab 2013
  • 4. Ausgleichsmechanismus ab April 2016
  • 5. Novellierung der YEKDEM-Verordnung im Jahr 2017
  • Kapitel 5 Kritischer Vergleich ausgewählter Themen
  • A. Einleitung
  • B. Mindestziele und Ausbaukorridore
  • C. Vertrauensschutz und Übergangsbestimmungen
  • D. Ausgestaltung der Fördersysteme
  • I. Markt- und Netzzugang
  • II. Ausschließlicher Einsatz von Erneuerbaren Energien
  • III. Anspruchsgegner
  • IV. Fördermodell
  • V. Förderhöhe
  • VI. Förderdauer
  • VII. Förder- und Ausgleichsmechanismus
  • 1. Grundsätzlicher Ablauf
  • 2. Besondere Ausgleichsregelung
  • 3. Transparenz bei den Förderkosten
  • E. Fortschritts- und Evaluierungsberichte
  • F. Ökologischer Schutz
  • G. Bürgerbeteiligungen und die kommunale Integration
  • H. Informationsangebote und gesellschaftliche Akzeptanz
  • Kapitel 6 Zusammenfassung in Thesen
  • zu Kapitel 1:
  • zu Kapitel 2:
  • zu Kapitel 3:
  • zu Kapitel 4:
  • zu Kapitel 5:
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Literaturverzeichnis

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Kapitel 1Einführung in die Problemstellung

A.Problemstellung

Die Stärke und Stabilität einer jeden Volkswirtschaft hängen maßgeblich von der nationalen Energieversorgung ab. Daher definiert jeder Staat die Energiepolitik als eine seiner Hauptaufgaben. Aufgrund der berechenbaren Endlichkeit von konventionellen Energieträgern, der damit verknüpften Preisanstiege sowie ihrer abnehmenden gesellschaftlichen Akzeptanz werden weltweit alternative Versorgungsmodelle ausdiskutiert. Neben der Verringerung der Energienutzung sowie der Steigerung der Energieeffizienz steht vor allem die nachhaltige und sichere Energieversorgung durch den Einsatz von Erneuerbaren Energien im Mittelpunkt der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit. Insbesondere die Steigerung der Stromerzeugung aus Erneuerbare Energien spielt künftig eine herausragende Rolle.1

Jedoch können sich die Erneuerbaren Energien im Wettbewerb mit den konventionellen Energiequellen regelmäßig noch nicht ökonomisch durchsetzen, sodass staatliche Fördermaßnahmen zur diesbezüglichen Kompensation sowie zur Unterstützung der technologischen Ausreifung der Anlagenkomponenten unabdingbar sind. Die meisten Staaten greifen bereits auf unterschiedliche Fördermodelle, wie etwa die gesetzliche Einspeisevergütung, etwaige Ausschreibungssysteme oder den grünen Zertifikatenhandel zurück.2 Aufgrund der spezifischen politischen, ökonomischen, geographischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ist die Aufstellung eines einheitlich passenden Fördermodells aber unmöglich. Jede Rechtsordnung muss zur Bildung des jeweils sinnvollen Fördersystems sowie dessen Fortentwicklung eigene Erfahrungen sammeln, wobei von den Kenntnissen anderer Rechtsordnungen durchaus profitiert werden kann. Eine bloße Übernahme entsprechender Förderinstrumente erscheint unter diesen Gesichtspunkten indes kritisch, da eine falsche Ausrichtung den ←19 | 20→Ausbau der Erneuerbaren Energien hemmen und gravierende Folgeprobleme für die jeweilige Energiewirtschaft herbeiführen kann.

Im Energiesektor blickt Deutschland bei der Förderung der Erneuerbaren Energien auf eine relativ lange Historie zurück und gehört damit zu den globalen Vorreitern.3 Die im Jahr 2011 als Reaktion auf den Reaktorunfall in Fukushima beschlossene Abschaltung aller deutschen Atomkraftwerke bis zum Jahr 2022 gab dem Ausbau der Erneuerbaren Energien einen weiteren Schub.4 Mit dieser energiewirtschaftlichen Umwandlung wird Deutschland langfristig eine der energieeffizientesten Nationen, die eine zuverlässige, konkurrenzfähige und umweltfreundliche Energieversorgung aufweist.5 Diesen Willen zur grundlegenden Reform der Versorgungspolitik untermauert der deutsche Gesetzgeber6 vor allem durch die gesetzlich festgelegten Ausbauziele, wobei die Kapazitätserweiterung bei der Windenergie an Land7 auch künftig eine herausragende Rolle einnehmen soll.8

Abgesehen von den großen Wasserkraftwerken steht die Türkei jedoch trotz der enormen Potentiale vergleichsweise noch am Anfang der Förderung von Erneuerbaren Energien. Aufgrund des drastisch steigenden Energiebedarfs sowie des Mangels an eigenen konventionellen Energiequellen nimmt die Importabhängigkeit insb. von den Nachbarländern Russland und Iran zu.9 Dies ←20 | 21→führt in der geographisch wichtigen Zone zwischen Europa und Asien zwangsläufig zu einer politischen Schwächung und mündet regelmäßig in nationalen und internationalen Spannungen.10 Zur teilweisen Befriedigung des steigenden Energiebedarfs plant die Türkei – im Gegensatz zum Atomkraftausstieg Deutschlands – durch die Errichtung von drei Kernkraftwerken einen baldigen Einstieg in die Stromproduktion durch Atomkraft.11 Daneben sollen zur Reduzierung dieser Energieabhängigkeit die Erneuerbaren Energien künftig erheblich stärker genutzt werden.12 Diese Absichten werden durch die Novellierung der Rechtsordnung zu den Erneuerbaren Energien, die sich noch relativ am Anfang befindet, in den letzten Jahren bestätigt. Da das Potential zur Windenergienutzung in der Türkei um ca. 25 bis 30 Prozent höher als in Europa liegt13, soll auch in der türkischen Strom- und Energieversorgung künftig vor allem die Windenergie enorm an Bedeutung gewinnen.14

In der vorliegenden Arbeit werden die deutsche und die türkische Rechtslage zur Förderung von Erneuerbaren Energien analysiert und unter Beachtung politischer, wirtschaftlicher und sozialer Rahmenbedingungen einem kritischen Vergleich unterzogen. Anschließend werden geeignete Lösungsvorschläge zur Verbesserung des jeweiligen Fördersystems aufgestellt. Da in beiden Ländern der Ausbau der Erneuerbaren Energien weiterhin maßgeblich auf der Windenergie beruhen soll, liegt der Schwerpunkt dieser Arbeit auf dem Vergleich der diesbezüglichen Förderinstrumente.15

←21 | 22→

B.Gang der Untersuchung

Die vorliegende Arbeit gliedert sich nach der Einführung in die Problemstellung in konsekutive fünf Kapitel. Im zweiten Kapitel werden zunächst die Motive und die Kritikpunkte bei der Förderung der Erneuerbaren Energien beleuchtet, um anschließend das diesbezügliche Spannungsverhältnis zwischen der finanziellen Zusatzbelastung der Allgemeinheit sowie dem gesetzgeberisch bezweckten Umweltschutz darzustellen.

In den anschließenden zwei Kapiteln wird in separater Darstellung auf die deutsche und die türkische Rechtsordnung zur Förderung der Erneuerbaren Energien eingegangen. Eine schwerpunktmäßige Analyse erfolgt bei den rechtlichen Sonderbestimmungen zur Windenergie. Um die bestehenden Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede in beiden Rechtsordnungen bereits durch die gewählte Aufbaustruktur zu verdeutlichen, sind beide Kapitel ähnlich gegliedert.

Zur rechtlichen Einbettung des aktuellen Fördersystems beginnt das dritte Kapitel mit der Darstellung der historischen Entwicklung in Deutschland, indem der Wandel der angewandten Förderinstrumente seit der erstmaligen Förderung über die verschiedenen Novellierungen hinweg bis zur aktuellen Rechtslage dargestellt wird. Im Anschluss werden die vertrauensschutzrechtlichen Maßstäbe in der deutschen Rechtsordnung bei der Änderung des Fördersystems zu den Erneuerbaren Energien isoliert dargestellt, um die Möglichkeiten und Grenzen der Beschränkung von zugesprochenen Privilegien zu analysieren. Danach werden der Anteil der Erneuerbaren Energien in der deutschen Energiewirtschaft, die aktuellen gesetzlichen Zielvorgaben hinsichtlich neu zu installierender Kapazitätsleistungen sowie die Ausbaukorridore dargestellt. Bei der kritischen Beleuchtung des geltenden Fördersystems werden die jeweiligen Förderinstrumente einer separaten Prüfung unterzogen, wobei nach der Darstellung der allgemeinen Förderbestimmungen der Kern der diesbezüglichen Analyse auf dem Fördermodell, der Förderhöhe sowie der Förderdauer liegt. Dieses Kapitel endet sodann mit der Darstellung des Finanzierungs- und Ausgleichssystems zu den Erneuerbaren Energien, indem die Kostenverteilung auf die Allgemeinheit, die privilegierenden Ausnahmen von der Zahlungspflicht sowie die Prognose zur Entwicklung der Gesamtförderkosten kritisch untersucht werden.

Zum Verständnis der aktuellen Rechtsordnung wird auch im vierten Kapitel mit dem gleichen Ansatz zunächst die historische Entwicklung der rechtlichen Förderung von Erneuerbaren Energien in der Türkei aufgezeigt. Anschließend wird deren Anteil in der türkischen Energiewirtschaft unter Beachtung der vorhandenen Potentiale sowie der anvisierten Ziele herausgearbeitet. Sodann werden die grundlegenden Förderbestimmungen einer kritischen Prüfung ←22 | 23→unterzogen, wobei ähnliche Schwerpunkte wie im dritten Kapitel gesetzt sind. Insbesondere die Regelungen zur Beantragung von Vorlizenzen und Lizenzen, die für eine Betätigung auf dem türkischen Energiemarkt grundsätzlich notwendig sind, sowie die Sondervorschriften zur Errichtung und Förderung von großvolumigen Energieanlagen stellen sich bei dieser Analyse als wesentliche Besonderheiten der türkischen Rechtsordnung dar. Auch das vierte Kapitel endet mit der kritischen Betrachtung des Finanzierungs- und Ausgleichssystems.

Im fünften Kapitel erfolgt schließlich ein würdigender Vergleich zu ausgewählten rechtlichen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten. Dabei werden die Stärken und Schwächen der jeweiligen Rechtsordnung hervorgehoben, um anschließend passende Lösungsvorschläge zur Verbesserung des jeweiligen Fördersystems unterbreiten zu können. Schließlich werden im sechsten Kapitel die gewonnenen Ergebnisse dieser Arbeit als Thesen zusammenfassend gewürdigt.

C.Begriffsbestimmungen

Die Erneuerbaren Energien sind in ihrer Auswahl sehr vielfältig. Sie beruhen aber grundsätzlich auf den drei Primärenergiequellen Solarstrahlung, geothermische Energie sowie Planetengravitation. Durch die Umwandlung dieser drei Energiequellen werden an Land, im Wasser sowie in der Luft unterschiedliche Energiereaktionen ausgelöst und Energiequellen entzündet.16

Was unter den Begriff der Erneuerbaren Energien fällt, ist weltweit im Grundsatz unstreitig. Darunter sind solche nach menschlichen Maßstäben unendliche Energiequellen zu fassen, die eine Energieerzeugung auf rationaler Basis ermöglichen.17 Im Gegensatz zu den konventionellen Energiequellen stehen sie zeitlich gesehen unbegrenzt zur Verfügung. Windenergie ist eine natürliche Abwandlung der Solarenergie. Die Sonneneinstrahlung auf die Erde und die regionalen Temperaturdifferenzen bewirken einen Luftdruck und somit die kinetische Energie der Luftmassen.18 Durch die Drehbewegung der Rotorblätter ←23 | 24→der Windenergieanlagen wird ein Generator angetrieben, der diese kinetische Energie in elektrische Energie transformiert.19

Konventionelle Energiequellen wie bspw. Erdöl, Erdgas und Kohle hingegen erneuern sich wesentlich langsamer als sie von der Menschheit verbraucht werden. 20 Forscher gehen daher nach dem Stand der aktuellen Technik und Erkenntnis davon aus, dass die weltweiten Reserven von Erdöl, Erdgas und Kohle in den kommenden 100 bis 200 Jahren schrittweise erschöpft sein werden.21

Erneuerbare Energien sind laut Definition der Europäischen Union gemäß Art. 1. 3. (5) der Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014-2020 der EU-Kommission (Energiebeihilfeleitlinien) und nach Art. 2 a) der EU-Richtlinie 200922 folgende Energiequellen: Wind, Sonne, aerothermische, geothermische und hydrothermische Energie, Meeresenergie, Wasserkraft, Biomasse, Deponiegas, Klärgas und Biogas. Nach § 3 Nr. 21 EEG 2017 hingegen sind Erneuerbare Energien folgende Energiequellen: Wasserkraft einschließlich der Wellen-, Gezeiten-, Salzgradienten- und Strömungsenergie, Windenergie, solare Strahlungsenergie, Geothermie, Energie aus Biomasse einschließlich Biogas, Biomethan, Deponiegas und Klärgas aus dem biologisch abbaubaren Anteil von Abfällen aus Haushalten und Industrie. Die Definition hat sich gegenüber denen aus früheren Fassungen seit dem EEG 2000 leicht geändert. Die Richtlinien und Maßgaben des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates waren bei der Bestimmung des Umfangs der Erneuerbaren Energien stets maßgebend.23 Daher wird teilweise bekundet, dass das EEG mittlerweile im großen ←24 | 25→Umfang von den Bestimmungen der Europäischen Union „überlagert“ werde.24 Deshalb bestehen zwischen den Definitionen zu den Erneuerbaren Energien im europäischen und deutschen Recht keine inhaltlichen Unterschiede.

Nach § 3 Nr. 11 YEK 201125 werden die Erneuerbaren Energien im türkischen Recht wie folgt definiert: Wind-, Solar- und Geothermalenergie, Biomasse, Biogas, Gas aus Biomasse (einschließlich Abfallgas), Wellen-, Strömungs- und Gezeitenenergie sowie Ressourcen, die sich zur Errichtung von hydroelektrischen Anlagen eignen wie Kanäle, Flüsse oder Reservoire mit einer Fläche von weniger als 15 km2. Unterschiede zur Definition nach deutschem Recht sind insb. bei der Bestimmung der Wasserkraft zu finden. Zwar waren nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 EEG 2000 Wasserkraftwerke mit einer installierten elektrischen Leistung von über fünf Megawatt nicht vom Anwendungsbereich des EEG erfasst. Dieser Ausschluss wurde später insoweit revidiert, dass für Strom aus Wasserkraft bei besonderen Modernisierungsmaßnahmen eine Förderung vorgesehen wurde.26 Nach türkischem Recht ist bei der Förderbestimmung jedoch nicht die installierte elektrische Leistung eines Kraftwerkes, sondern die Größe der beanspruchten Fläche maßgeblich. Im Rahmen der Windenergie gibt es indes hinsichtlich der Definition keine Unterschiede, sodass alle Windenergieanlagen – wenn auch mit unterschiedlichen Voraussetzungen – vom Fördersystem der verschiedenen Regelwerke grundsätzlich umfasst sind.

1Soweit im Rahmen dieser Arbeit von der Förderung der Erneuerbaren Energien gesprochen wird, ist darunter die Förderung der Erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung zu verstehen.

2Frenz/Müggenborg/Ekardt/Hennig, EEG 2014, Einf. Rn. 29 f.; Christen, Die Förderung erneuerbarer Energie in der EU, S. 65 f.; Kröger, Die Förderung erneuerbarer Energien im Europäischen Elektrizitätsmarkt, S. 124 f.; Yenilmez, Yenilenebilir Enerji Kaynakları Teşvik Politikalarının Karşılaştırılması, S. 10 f.

3Bundesrepublik Deutschland (BRD), Nationaler Aktionsplan für erneuerbare Energie gemäß der Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung aus erneuerbaren Quellen (NAP), S. 4 f; abrufbar im Internet unter: https://www.clearingstelle-eeg.de/files/Nationaler_Aktionsplan_100804.pdf.

4Agora Energiewende, Positive Energiewende-Bilanz fünf Jahre nach der Katastrophe von Fukushima; abrufbar im Internet unter: https://www.agora-energiewende.de/fileadmin/Projekte/2016/5-Jahre-Energiewende/Agora_PM_5_Jahre_nach_Fukushima_09032016.pdf.

5IRENA, REmap 2030, A Renewable Energy Roadmap Germany, S. 17; abrufbar im Internet unter: http://www.irena.org/DocumentDownloads/Publications/IRENA_REmap_Germany_report_2015.pdf.

6Zur besseren Lesbarkeit wird im Folgenden allein die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist daher stets mit eingeschlossen.

7Soweit im Rahmen dieser Arbeit von der Windenergie gesprochen wird, ist darunter nur die Windenergie an Land zu verstehen, soweit die Windenergie auf See nicht explizit erwähnt wird.

8BT-Drs. 18/8860, S. 2 f.

9Çalışkan, The Success Behind Renewable Energy: A Comporative Analysis of Germany, The United Kingdom, Brazil and Turkey, S. 75; Sümer, Determinants of Renewable Energy Supply in Europe: A Potential Solution For Turkey’s Energy Dependency, S. 10 f.

10Yılmaz, Yenilenebilir Enerjiye Yönelik Teşvikler ve Türkiye, S. 60 f.; Arcuri, The Rise of a New Superpower, S. 24 f.; Dieses Gefahrpotential wurde zuletzt vor allem durch die entfachte Krise infolge des Abschusses des russischen Militärflugzeuges an der türkischen Grenze im Jahr 2015 deutlich; siehe u. a.: http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/kommentar-pulverfass-der-weltpolitik-13929842.html.

11Atiyas/Çetin/Gülen, Reforming Turkish Energy Markets, S. 5, 12.

12ETKB, National Renewable Energy Action Plan for Turkey (2014), S. 22 f.; abrufbar im Internet unter: http://enerjienstitusu.com/tag/national-renewable-energy-action-plan-for-turkey-pdf/.

13Wennersten/Spitsyna, Renewable Energy in Turkey and Selected European Countries, S. 14 f.

14ETKB, National Renewable Energy Action Plan for Turkey (2014), S. 8 f.

15Bei der Prüfung der beiden Fördermodelle wurden die Rechtsordnungen sowie die Literaturquellen bis Januar 2018 zugrunde gelegt.

16Kaltschmitt/Streicher/Wiese, Erneuerbare Energien, Systemtechnik, Wirtschaftlichkeit, Umweltaspekte, S. 11; Christen, Die Förderung erneuerbarer Energie in der EU, S. 5.

17Quaschning, Regenerative Energiesysteme, S. 34; Regehr, Die Förderung erneuerbarer Energien auf dem liberalisierten Elektrizitätsmarkt in Europa, S. 5; Albayrak, Elektrik Enerjisi Üretiminde Yenilenebilir Enerji Kaynakları ve Finansmanı, S. 20.

18Pomana, Förderung Erneuerbarer Energien in Deutschland und im Vereinigten Königreich, S. 42; für das technologische Verständnis siehe Reichel, Markteinführung von erneuerbaren Energien, S. 24 f.; für die Funktionsweise einer Windenergieanlage siehe Ogiermann, Rechtsfragen der Errichtung von Windkraftanlagen, S. 25 f.

19Maslaton/Zschiegner, Grundlagen des Rechts der erneuerbaren Energien, S. 99; Regehr, Die Förderung erneuerbarer Energien auf dem liberalisierten Elektrizitätsmarkt in Europa, S. 9.

20Regehr, Die Förderung erneuerbarer Energien auf dem liberalisierten Elektrizitätsmarkt in Europa, S. 5.

21Die Zahlen schwanken jedoch in den verschiedenen Studien erheblich, insb. weil sich die Forscher teilweise auf unterschiedliche Parameter stützen; siehe u.a. BGR, Energiestudie 2015 – Reserven, Ressourcen und Verfügbarkeit von Energierohstoffen; für die statistische Reichweite der konventionellen Energiequellen siehe u. a. folgende divergierende Statistiken: Witthohn, Förderregelungen für erneuerbare Energien im Lichte des europäischen Wirtschaftsrechts, S. 32, 40.

22Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und der Rates vom 23.4.2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG (L 140/16).

23Siehe u.a. BT-Drs. 14/2341, S. 7; BT-Drs. 15/2327, S. 21.

24Mohr, Berliner Kommentar-EEG 2014, § 1 Rn. 12.

25YEK steht für „Yenilenebilir Enerji Kaynaklarının Elektrik Enerjisi Üretimi Amaçlı Kullanımına İlişkin Kanunu“ und bedeutet sinngemäß: Gesetz über die Verwendung von erneuerbaren Energieressourcen zur Stromerzeugung“. YEK 2011 ist das aktuelle Erneuerbare-Energien-Gesetz der Türkei.

Details

Seiten
350
Jahr
2018
ISBN (PDF)
9783631773178
ISBN (ePUB)
9783631773185
ISBN (MOBI)
9783631773192
ISBN (Paperback)
9783631771754
DOI
10.3726/b14866
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Dezember)
Schlagworte
Energiewirtschaftsrecht Fördermechanismus Rechtsvergleich Förderrecht Abstandsregelungen
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien. 2018. 350 S., 4 s/w Abb., 2 s/w. Tab.

Biographische Angaben

Saban Sincar (Autor:in)

Saban Sincar studierte Rechtswissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, der Universität zu Köln und der Bilgi-Universität in Istanbul. Die Promotion erfolgte ebenfalls an der Universität zu Köln. Er ist auf das deutsch-türkische Wirtschaftsrecht spezialisiert und arbeitet als selbständiger Rechtsanwalt in Düsseldorf.

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