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Globalisierungsdiskurse in Literatur und Film des 20. und 21. Jahrhunderts

von Ulrike Stamm (Band-Herausgeber:in) Ewa Wojno-Owczarska (Band-Herausgeber:in)
©2019 Sammelband 222 Seiten

Zusammenfassung

Der vorliegende Band widmet sich verschiedenen, bisher weniger untersuchten Aspekten der Globalisierung. Dies betrifft die literarische Auseinandersetzung mit den Folgen der Globalisierung für die Arbeitswelt, die Frage nach deren Auswirkungen auf Subjektvorstellungen, die filmische Reflexion über die Vermischung von Kulturen oder die Untersuchung der deutsch-jüdischen Reaktionen auf die globalisierte Migration im Kontext der jüdischen Diaspora-Erfahrungen. Darüber hinaus werden literarische Texte analysiert, die sich mit weniger offensichtlichen Facetten der Globalisierung auseinander setzen wie mit dem Zusammenhang von Globalisierung und Nahrung oder mit einer Perspektive auf Natur, die in den Flüssen Träger und Bilder einer der Migration vergleichbaren Mobilität und Vernetzung entdeckt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Title Page
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Ulrike Stamm und Ewa Wojno-Owczarska: Einleitung
  • Ewa Wojno-Owczarska: „globalisierungsgewinner“ und Schuldner in ausgewählten Werken von Martin Suter und Kathrin Röggla
  • Anna Górajek: Zuwanderung nach Deutschland – Migrationswellen nach 1945 in Ton und Bild
  • Sibylle Benninghoff-Lühl: Tiefseeforscher, Astronaut, Liebender – Selbstentwürfe des wissenschaftlichen Autors angesichts globaler Katastrophenszenarios
  • Anna Warakomska: Osman Engins scheherazadeartige Erzählung als Abwehr gegen die moderne ‚Wegrationalisierung‘ der Arbeit
  • Alan Rymarczyk: Die Weltwirtschaftskrise in Elfriede Jelineks „Aber sicher!“
  • Svetlana Arnaudova: Arbeit und neoliberale Strategien in Texten der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur: Jonas Lüschers „Frühling der Barbaren“
  • Andree Michaelis-König: Topoi der Globalisierung in einer jüdisch-deutschen Gegenwartsliteratur der Migration
  • Ewelina Michta: Zu Karen Duves Werk Anständig essen. Ein Selbstversuch
  • Ulrike Stamm: „The Condition of everything is river“ – Esther Kinskys Roman Am Fluss und die Globalisierung
  • Anna Damięcka-Wójcik: Meine große deutsche Hochzeit – Migrantenkinder in „culture clash comedies“
  • Martin A. Hainz: Zufluchtsort: NIRGENDS – Bilder globalen Flüchtens als Zombieimaginationen
  • Über die Autoren

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Ulrike Stamm und Ewa Wojno-Owczarska

Einleitung

Globalisierung ist ein Phänomen, das inzwischen alle Bereiche und Erscheinungen des Lebens durchdringt und gerade deshalb nur schwer zu definieren ist, wie verschiedentlich beklagt wurde.1 Grundsätzlich verweist Globalisierung „auf eine unauflösliche Vernetzung von Prozessen unterschiedlichster Art (ökonomischer, politischer, kultureller etc.) miteinander, und zwar bei progressiver Vergleichgültigung von bestimmten Orten.“2 Als basale Bedeutung lässt sich somit der Hinweis auf vielfältigste Verflechtungen und Abhängigkeiten verstehen, mit denen eine Auflösung von festen Grenzen und eindeutig voneinander getrennten Entitäten einhergeht.

Ein zentraler Bereich der Globalisierung, in gewissem Sinne deren Voraussetzung wie auch deren Effekt, ist die immer noch zunehmende weltweite Mobilität, d. h. die unendliche Menge der Bewegungen von Menschen und Dingen und der damit verbundene Verlust von Distanz und ein Schwinden der Erfahrung von Ferne und Fremdheit. Mit gleicher Intensität bestimmt Globalisierung den Bereich der Wirtschaft, in der die weltweite Konzentration von Konzernen und Märkten und die weltumspannende Produktion von Waren dominiert, wie auch die Finanzmärkte mit ihrer umfassenden – häufig rein virtuellen – Verschiebung von Werten an den Börsen. Im Bereich der Politik schlägt sich Globalisierung u. a. in der Zunahme von internationalen Verträgen und Bestimmungen und überhaupt in der Vielzahl global tätiger Institutionen nieder.

In gleichfalls entscheidender Weise prägt die Globalisierung aber auch kulturelle Erscheinungen und Zusammenhänge; sie führt nicht nur zur Vermischung unterschiedlicher Kulturen und kultureller Artefakte, sondern nach Byung Chul Han häufig auch zu einer Form der Hyperkultur, in der alle möglichen kulturellen Phänomene hybridisiert und fusioniert werden.3 Manuel Castells hat darüber hinaus gezeigt, wie sehr im Rahmen der umfassenden medialen Interaktion ←7 | 8→das Netzwerk selbst zu einem neuen gesamtgesellschaftlichen Paradigma geworden ist.4

In ihrer Schrift „Grenzen des Wettbewerbs“ nennt die sog. Gruppe von Lissabon5 sieben Bereiche, die von den Folgen grenzüberschreitender Prozesse betroffen seien: 1. Globalisierung von Finanzen und Kapitalbesitz; 2. Globalisierung der Märkte und Marktstrategien; 3. Globalisierung von Technologien und der damit verbundenen Forschung; 4. Globalisierung von Lebensformen und Konsummustern sowie des Kulturlebens; 5. Globalisierung von Regulierungsmöglichkeiten und politischer Steuerung (hier bezieht man sich vornehmlich auf die reduzierte Rolle nationaler Regierungen und Parlamente und die Versuche, eine neue Art von Regeln und Institutionen für die globale Steuerung zu schaffen); 6. Globalisierung und politische Einigung (es geht hier um eine staatenzentrierte Analyse der Integration der Weltgesellschaften in ein globales wirtschaftlich-politisches System); 7. Globalisierung und Wahrnehmung /Bewusstsein (darunter versteht man „sozio-kulturelle Prozesse, die sich am »Eine-Welt«-Modell, der globalistischen Bewegung, dem Weltbürgertum orientieren“).6 Manche der genannten Bereiche, die von den Folgen der Globalisierung am meisten betroffen sind, lassen sich auch unter Obergriffen zusammenfassen, wie es z. B. Schachner macht.

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In all diesen Zusammenhängen ist Globalisierung heutzutage ein bestimmendes Phänomen, zugleich aber ein durchaus ambivalenter Prozess: So geht mit ihr einerseits eine „Vereinheitlichung des Weltbildes als einer homogenen Ganzheit von miteinander verknüpften Elementen und einer gemeinsamen Kultur konsumtiver Art“7 einher. Mit dieser Homogenisierung – die zudem in weiten Teilen der Welt eine umfassende Hegemonie des Westens bedeutet – ist ein Verlust regionaler, als authentisch geltender kultureller Formen verbunden, der vielfach beklagt wird. Nicht zuletzt führt dies zu einem überwältigenden Eindruck von Kontrollverlust, Unübersichtlichkeit und Chaos, was wiederum häufig durch Abschottung und die Priorisierung lokaler Ordnungsmuster und Bedeutungssysteme beantwortet wird und zu einem deutlichen Erstarken des Populismus zumindest beiträgt.

Andererseits bedingt Globalisierung aber auch solche „Erscheinungen wie Pluralisierung, Entgrenzung von kulturellen Zusammenhängen oder Vermischung“8 und damit nicht zuletzt die Ausbildung vielfältiger neuer und interkultureller Identitäten. Dementsprechend verweist Monika Schmitz-Emans auf das mit der Globalisierung einhergehende Potential für „Vielschichtigkeit – im Sinne der Partizipation verschiedener ‚Ebenen’ der Wirklichkeit an Vorgängen verschiedener Art.“9 Eine solche Auffächerung und Vervielfältigung von Identitäten, Perspektiven und Ordnungen bedingt auch „Prozesse der Dehierarchisierung“10, womit die Dominanz überkommener Wertordnungen und tradierter kultureller Formen deutlich untergraben wird.

Die Vielschichtigkeit der Globalisierung als einer immer noch fortdauernden Entwicklung liegt somit in dieser spannungsvollen Position zwischen den Polen von Homogenisierung und Heterogenität, von Abschottung und Öffnung, von Re- und Deterritorialisierung.

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Globalisierung und Literatur

Welche Rolle spielt nun das Phänomen der Globalisierung für die Literatur? Zunächst einmal kann man sicher festhalten, dass Literatur „einen Beitrag zur Beschreibung und Interpretation des realen Globalisierungsprozesses“11 leistet. Dies bedeutet, dass Texte – so Ulfried Reichardt – „Schnittpunkte des Aufeinandertreffens von Menschen, Kulturen, Vorstellungsformen aus den verschiedensten Teilen der Erde darstellen.“12 Dementsprechend geht es auch in den hier vorgelegten Beiträgen immer darum nachzuzeichnen, in welcher Weise einzelne Texte oder Filme an der Darstellung und Deutung bestimmter Effekte und Auswirkungen der Globalisierung arbeiten. Dies beinhaltet auch den Versuch einer subjektiven Orientierung innerhalb der vielfältigen Globalisierungsprozesse, die im Probehandeln literarischer Texte als je spezifische Erfahrung durchgespielt und für den Leser erfahrbar gemacht werden. In diesem Sinne spricht Hubertus Fischer davon, dass literarische Texte mitwirken „an unserer inneren Kartographie, nach der wir uns unmerklich in dieser Welt einrichten.“13

Die literarische Auseinandersetzung mit der Globalisierung lässt sich insofern zunächst als Beschäftigung mit den damit verbundenen gesellschaftspolitischen und kulturellen Veränderungen deuten; zugleich aber führt diese Fokussierung auf bestimmte Themen und Probleme der Gegenwart auch zu sprachlich-formalen Modifikationen innerhalb von literarischen Texten, da sich in diesem Kontext die Beobachtungsschemata sowie die Formen kultureller Deutung ändern. Insofern verwirklichen solche die Globalisierung reflektierenden Texte nicht zuletzt ein Denken in „Verbindungen, Austausch- und Interdependenzverhältnissen“14, das einer unübersichtlichen, diffusen und pluralen Gegenwart gerecht zu werden sucht.

Schließlich wird mit der Aufmerksamkeit für das Globale innerhalb der Literatur auch die Vorstellung von Nationalliteraturen hinfällig, da Autoren, Texte, Sprachen sich nun als gemischte, hybride Gebilde erweisen und keinem einfachen oder geschlossenen Raum mehr zugeordnet werden können. Die ←10 | 11→neuen – auch deutschsprachigen – Literaturen sind daher vielsprachig, polyglott, mehrfach-kulturell und kreisen sowohl um Potential und Verluste von Diversität und Differenz als auch um deren ästhetische Realisierung.

Zusammengefasst kann man sagen, dass es beim Verhältnis von Literatur und Globalisierung einerseits um „Phänomene von Globalität in der Gegenwartsliteratur“ geht und andererseits um „Gegenwartsliteratur als Phänomen von Globalisierung“, wie es Wilhelm Amman, Georg Mein und Rolf Parr formulieren.15 Der Erkundung dieses doppelten Verhältnisses von Literatur und Globalisierung gilt auch das Interesse der im Folgenden versammelten Beiträge.

Der hier vorgelegte Band beruht auf einem internationalen Projekt, das in Zusammenarbeit zwischen der Humboldt-Universität zu Berlin, der Universität Warschau und der ELTE Universität Budapest konzipiert und vom CENTRAL-Netzwerk dieser Universitäten finanziell unterstützt wurde. Das Netzwerk – Central European Network for Teaching and Research in Academic Liaison – wurde 2014 auf Initiative der Humboldt-Universität zu Berlin gemeinsam mit den Universitäten Wien und Warschau, der Karls-Universität in Prag sowie der ELTE Budapest gegründet und strebt an, den Austausch in Forschung und Lehre zu fördern und den Wissenschaftsstandort Zentraleuropa zu stärken. Im Rahmen dieses Programms haben in dem von Ewa Wojno-Owczarska (Universität Warschau, Germanistisches Institut) und Ulrike Stamm (Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für deutsche Literatur) geleiteten internationalen Projekt Literaturwissenschaftler aus Polen, Deutschland, Ungarn, Österreich und Bulgarien über die in der Gegenwartsliteratur und –kultur zu konstatierende Auseinandersetzung mit Globalisierung diskutiert und die jeweiligen, unterschiedlichen Perspektiven auf globale Entwicklungen reflektiert.

Dabei haben sie sich während zweier Treffen, die im April 2017 in Warschau und im Juli 2017 in Berlin stattfanden, verschiedenen Aspekten der Globalisierung gewidmet. Die von Ulrike Stamm und Ewa Wojno-Owczarska gemeinsam organisierten Workshops hatten insgesamt über 150 TeilnehmerInnen, darunter auch Studierende und Doktoranden. Einer der Schwerpunkte lag auf der literarischen Auseinandersetzung mit den Folgen der Globalisierung für die Arbeitswelt, was in den Beiträgen von Ewa Wojno-Owczarska, Anna Warakomska, Svetlana Arnaudova und Alan Rymarczyk Thema ist. Ein zweiter inhaltlicher Schwerpunkt galt den Auswirkungen der Globalisierung für Subjektvorstellungen und Identitätskonzeptionen, d. h. im Besonderen der Frage ←11 | 12→nach der jeweiligen Gestaltung von Heterogenität und Hybridität. Dies kann autorschaftliche Subjekte betreffen – so im Beitrag von Sibylle Benninghoff-Lühl – oder die Zombie-Imagination als phantasmatische Auseinandersetzung mit der Exklusion von Flüchtlingen wie bei Martin A. Hainz oder grundsätzlich den besonderen deutschen Diskurs über Migration und seine Geschichte, den Anna Górajek untersucht, oder die Auseinandersetzung mit der Mischung von Kulturen, wie sie in Gegenwartsfilmen reflektiert und von Anna Damięcka-Wójcik analysiert wird.

Ein weiteres Desiderat der Forschung zur Globalisierung, nämlich die Frage nach der Hybridität von Subjekten mit Blick auf Mittel- und Osteuropa zu stellen und damit in Bezug auf Regionen, die allgemein nicht im Zentrum von Untersuchungen zur Globalisierung stehen, wird von Andree Michaelis-König bearbeitet, der sich mit deutsch-jüdischen Reaktionen auf globalisierte Migrationserfahrungen vor dem Hintergrund der jüdischen Diaspora-Erfahrungen beschäftigt.

Darüber hinaus werden im vorliegenden Band literarische Texte analysiert, die sich mit weniger offensichtlichen Facetten der Globalisierung auseinander setzen, so mit der Reflexion über Globalisierung und Nahrung (Ewelina Michta) oder mit einer Perspektive auf Natur, die in Flüssen Träger und Bilder einer – durchaus der Migration vergleichbaren – Vernetzung und Globalisierung entdeckt (Ulrike Stamm).

Wir bedanken uns sehr herzlich bei Frau Prof. Dr. Ulrike Vedder (HU Berlin) und Frau Dr. habil. Anna Górajek (Universität Warschau) für alle Hilfe und Unterstützung.

Übersicht über die einzelnen Beiträge

In ihrem Beitrag stellt Ewa Wojno-Owczarska die gegensätzlichen Figuren der „globalisierungsgewinner“ (Röggla16) und Schuldner als in der Literatur des neuen Jahrtausends typische Erscheinungen vor. Sie stehen für die fortschreitende Ökonomisierung aller Lebensbereiche und verdeutlichen die Folgen, die die Globalisierung für die Mitte der Gesellschaft hat. Dabei werden die erfolgreichen, absolut flexiblen Manager von Suter und Röggla weitgehend satirisch porträtiert. Einerseits genießen sie die materiellen Vorteile ihrer Arbeit bei globalen Konzernen, andererseits ruiniert das Gebot von Effizienz, Belastbarkeit ←12 | 13→und Flexibilität ihre Gesundheit und ihr Privatleben. Es bleibt für Suters und Rögglas Figuren allerdings ein Wunschtraum, die Chancen des freien globalen Marktes für eine eigene Überflieger-Karriere nutzen zu können. Negativ besonders betroffen sind die finanziell abhängigen Schichten, die in der Regel hilflos unter den unkalkulierbaren Marktmechanismen leiden. Ewa Wojno-Owczarska verweist auf den Zusammenhang zwischen Suters und Rögglas Globalisierungskritik und Jean Baudrillards Charakteristik der virtuellen Ökonomie, ebenso auf Naomi Kleins Schriften, die die finanziellen Abhängigkeiten im Katastrophen-Kapitalismus und die das Unterbewusstsein manipulierenden Werbetricks der Global Player kritisiert, durch die der „Normalverbraucher“ in die Kreditfalle gelockt wird. Die Kluft zwischen den sozial Schwächeren und den „Rezessionsgewinnern“ (Suter) zeugt von der sich vertiefenden Krise der Konsumgesellschaft. Somit stellen Suter und Röggla die Frage, ob die Globalisierung mit ihren Folgen für den ökonomischen und soziokulturellen Bereich grundsätzlich positiv gesehen werden kann.

In ihrem Artikel setzt sich Anna Górajek mit der Frage der Zuwanderung nach Deutschland nach 1945 auseinander und weist anhand ausgewählter Filmbeispiele nach, dass das Bild von Flüchtlingen ähnlich ist, unabhängig davon, welcher Zuwanderungswelle sie zuzuordnen sind. Die Autorin skizziert den historischen Hintergrund heutiger Migrationskrisen, um deutlich zu machen, dass Migration kein neues Phänomen ist; es haben sich nur die Herkunfts- und Zielregionen geändert. Indem sie sich auf aktuelle Statistiken stützt, reflektiert Górajek die problematische Lage von Migranten in Deutschland und stellt die Bedeutung der Opposition hiesig – fremd heraus. Zudem spezifiziert sie Begriffe wie Aussiedler – Vertriebene – Menschen mit Migrationshintergrund – Spätaussiedler – Deutsche mit Migrationserfahrung und analysiert die Gründe für die immer noch andauernde Flüchtlingswelle in Europa.

Sibylle Benninghoff-Lühl beschäftigt sich mit Roland Barthes’ Fragmente einer Sprache der Liebe und fragt nach Ort, Status und Beschaffenheit des wissenschaftlichen Ichs, das als liebendes Ich den – für den Wahrheitsanspruch der Wissenschaft unabdingbaren – Überblick verliert. Angesiedelt zwischen Machtgestus und Gefährdung – nicht zuletzt durch eine Überschwemmung durch die Fülle der Zeichen – erweisen sich die Ich-Entwürfe des Wissenschaftlers als Katastrophen-Szenarien und bedrohliche Untiefen, die der Autor Barthes jedoch, so zeigt die Autorin, mit Hilfe einer lustvoll betriebenen Etymologie in einer eher unterhaltsamen Form evoziert.

Vor dem Hintergrund der aktuellen sozialen Krise, die u. a. durch die Bedrohung vieler Arbeitsplätze und die Verlagerung der Arbeitsplätze ins Ausland verursacht ist, thematisiert Anna Warakomska das Problem der Arbeitslosigkeit, das ←13 | 14→in Osman Engins Roman 1001 Nachtschichten aus einem interessanten Blickwinkel, nämlich dem eines seit vielen Jahren in der Bundesrepublik lebenden Türken, geschildert wird. Damit erhält das Problem Arbeitslosigkeit eine neue Dimension: Es sind hauptsächlich ausländische Angestellte, die hier entlassen werden. Insofern greift der Beitrag die Frage der Assimilation von Migranten in Deutschland auf. In Engins Roman werden die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt in Zeiten ökonomischer und politischer Globalisierung in mehreren Narrativen veranschaulicht. Warakomska verweist auf Affinitäten zur literarischen Tradition, z. B. zu den Geschichten von Tausendundeiner Nacht sowie auf zahlreiche, für Engin charakteristische, satirische Elemente.

Details

Seiten
222
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631783733
ISBN (ePUB)
9783631783740
ISBN (MOBI)
9783631783757
ISBN (Hardcover)
9783631775622
DOI
10.3726/b15359
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (September)
Schlagworte
Globalisierte Arbeitswelt Nature writing Migration Hybridität Identität Diaspora Flexibilität Ökonomisierung homo oeconomicus Arbeitslosigkeit ökonomische Krise Global Players Katastrophen-Kapitalismus
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019. 222 S.

Biographische Angaben

Ulrike Stamm (Band-Herausgeber:in) Ewa Wojno-Owczarska (Band-Herausgeber:in)

Dr. Ewa Wojno-Owczarska, Universität Warschau. Stipendiatin des DAAD, des Bayerischen Staatsministeriums f. Forschung, Wissenschaft u. Kunst und der Alexander von Humboldt-Stiftung. Letzte Publikationen: Global Crises and Twenty-First-Century World Literature (Hrsg., mit H. Dan, 2018) und Literarische Katastrophendiskurse im 20. und 21. Jahrhundert (Hrsg., 2019). Ulrike Stamm, Professorin an der PH Linz, PD an der HU Berlin. Letzte Publikation: Anerkennung und Diversität (Hrsg., mit Ch. Kanz, 2018).

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