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Der letzte Welfe im Norden

Herzog Albrecht I. ‚der Lange‘ von Braunschweig (1236–1279): Ein ‚großer‘ Fürst und seine Handlungsspielräume im spätmittelalterlichen Europa

von Oliver Auge (Band-Herausgeber:in) Jan Habermann (Band-Herausgeber:in) Frederieke M. Schnack (Band-Herausgeber:in)
©2019 Sammelband 344 Seiten
Reihe: Kieler Werkstücke, Band 54

Zusammenfassung

Fürstliches Agieren nördlich und südlich der Elbe – die Dynastie der Welfen hat für eine überregional ausgerichtete Politik gleich mehrere Beispiele hervorgebracht, darunter Albrecht I. von Braunschweig, Urenkel Heinrichs des Löwen: Ausgehend vom 1235 neu begründeten Herzogtum Braunschweig-Lüneburg, wirkte er an verschiedenen Schauplätzen in der Mitte und im Norden des Reiches sowie in Dänemark. Die weitläufigen Ausgriffe seiner Politik sowie die Frage nach seinen Handlungsspielräumen stehen im Mittelpunkt des Bandes. Albrechts Wirkungskreise nördlich wie südlich der Elbe werden erstmals in einen gemeinsamen Kontext gestellt und zu einem Gesamtbild fürstlicher Herrschaft zusammengefügt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Zur Einführung
  • Von mannes muot und wîbes lôn – Albrecht I. und die Literatur
  • Welfische Dynastie, ‚Interregnum‘ und Europa von 1252 bis 1279
  • Geld, Macht, Beziehungen. Die welfische Heiratspolitik zur Zeit Albrechts I.
  • Das Schwert, das Wort und die Feder. Anmerkungen zum Spannungsfeld von Diplomatie und Gewalt zur Zeit Albrechts ‚des Großen‘ im Spiegel der zeitgenössischen Darstellungen
  • Die Harzgrafen im 13. Jahrhundert: Hochadlige Selbstbehauptung zwischen Reichsnähe und Welfenferne
  • Der welfische Hof unter Albrecht I. von Braunschweig. Fürstlicher Rat, Hofämter, Ministerialität und Ritterschaft. Mit einem Exkurs: Zur Verfasserfrage der „Braunschweigischen Reimchronik“
  • Herzog Albrecht und die Kirche. Überlegungen zu Albrechts Verhältnis zu geistlichen Institutionen und ihren Mitgliedern – eine Skizze
  • Die bemerkenswerten Bezüge bei der Besetzung der gräflich-holsteinischen Kanzlei zu den welfischen Herzögen Otto I. und seinen Söhnen
  • Die Grafen von Holstein, die Könige von Dänemark und die Reichsstadt Lübeck in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts: Konflikte und Bündnisse
  • Der Kriegszug Albrechts I. nach Holstein 1261. Verlauf, Hintergrund und Rezeption
  • Herzog Albrecht I. von Braunschweig und seine Beziehungen zum Königreich Dänemark
  • Der letzte Welfe im Norden: Herzog Albrecht I. Zusammenfassung
  • Verzeichnis der Abbildungen
  • Verzeichnis der Abkürzungen
  • Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

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Oliver Auge und Frederieke Maria Schnack

Zur Einführung

Dieser Band vereint die um zwei Aufsätze ergänzten Beiträge der ‚transelbischen‘ Tagung über Albrecht I. ‚den Langen‘ oder auch ‚den Großen‘ von Braunschweig in sich, die am 14. und 15. Oktober 2016 von der Abteilung für Regionalgeschichte der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel in Kiel organisiert und durchgeführt wurde.1 Es war dies beileibe nicht das erste Mal, dass die Kieler Regionalgeschichte die Historische Forschung beiderseits der Elbe, aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen zusammenführte. So entstand bereits der Sammelband „900 Jahre Schauenburger im Norden. Eine Bestandsaufnahme“, der auf eine gleichnamige Tagung aus dem Jahr 2011 zurückgeht, unter Einbeziehung zumindest eines Beitrags aus dem Süden, konkret von Nathalie Kruppa aus Göttingen.2 Auch der Tagungsband „Vergessenes Burgenland Schleswig-Holstein: Die Burgenlandschaft zwischen Elbe und Königsau im Hoch- und Spätmittelalter“ versammelt neben Aufsätzen mit schleswig-holsteinischem Bezug auch solche zur südlich gelegenen Nachbarregion, ebenso aber auch zu Dänemark und zu Südwestdeutschland – in diesem Falle von Rainer Atzbach, Felix Biermann, Arnd Reitemeier und Thomas Zotz.3

Mit gleich sechs Beitragenden aus Niedersachsen schlägt der vorliegende Sammelband freilich alle bisherigen Rekorde. Die erfreuliche Kooperation hat natürlich ihre guten Gründe, ist es doch eines der Hauptziele dieses Bandes, das fürstliche Agieren Albrechts nördlich und südlich der Elbe im Gesamtzusammenhang zu betrachten. Dies macht nur mithilfe der geschätzten Kollegin und der nicht minder geachteten Kollegen aus Göttingen, Osnabrück, Braunschweig, Vechta, Hannover und Goslar wirklich Sinn. Dabei ←7 | 8→muss es grundsätzlich nicht verwundern, warum die Kieler Regionalgeschichte das Thema des lange Zeit vergessenen „letzten Welfen im Norden“ Albrecht initiativ aufgegriffen hat. Albrecht4 trat bekanntlich in die Fußstapfen seines Urgroßvaters Heinrichs des Löwen und seines Großonkels Kaiser Ottos IV. und nicht zuletzt seines Vaters Ottos ‚des Kindes‘, die allesamt weitausgreifend dies- und jenseits der Elbe agierten und der politischen Großwetterlage in dieser Region mithin ihren charakteristischen Stempel aufprägten. Otto ‚das Kind‘ etwa, dessen Mutter die dänische Königstochter Helena gewesen ist, nannte sich auf seinem ersten Siegel: „Otto von Lüneburg, Sohn eines Bruders des Kaisers und der Schwester des Dänenkönigs“ und brachte dadurch die transelbische Konstellation bestens auf den Punkt.5 Nicht von ungefähr griff er für die Sache seines 1223 gefangen genommenen Onkels Waldemar II. zweimal zu den Waffen und focht an der Seite des königlichen ‚Statthalters‘ Albrecht von Orlamünde bzw. seines Onkels selbst in den Schlachten von Mölln 1225 und Bornhöved 1227 mit. Albrecht I. griff damit also nur traditionelle Leitlinien welfischer Politik wieder auf, wenn er nicht allein im welfischen Stammland um Braunschweig und Lüneburg seine fürstliche Macht auszubauen suchte, sondern im Oktober 1253 als Bündnispartner des dänischen Königs Christoph I. auftrat,6 was wohl gegen die Holstengrafen und Lübeck gerichtet war, sowie 1261 als Reichsverweser Dänemarks und Schirmherr Lübecks mit Heeresmacht in Holstein einfiel7. Die Stadt Kiel hielt seiner Belagerung stand.8

Sind wir Kieler also vom Schauplatz der damaligen Geschehnisse gewissermaßen eo ipso zuständig für Albrecht I., so sind wir dies umso mehr durch die über allem stehende Frage nach den Handlungsspielräumen dieses ←8 | 9→‚großen‘ Fürsten. Denn bekanntlich treiben die Kieler Regionalgeschichte seit der Habilitationsschrift von Oliver Auge fürstliche Handlungsspielräume im Mittelalter und in der frühen Neuzeit im Kontext einer modernen Kultur- und Politikgeschichte intensiv um.9 In diesen Forschungszusammenhang ordnet sich dieser neue Band zu Albrecht I. in einleuchtender Weise passgenau ein.

Auf diese Einführung folgt der erste Beitrag aus der Feder von Gesine Mierke, die sich dem Welfenherzog aus der Perspektive der mittelalterlichen Literatur annähert: Sie untersucht anhand der Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen, der „Braunschweigischen Reimchronik“ und des späthöfischen Romans „Reinfried von Braunschweig“, wie Albrecht aus zeitgenössischer Sicht dargestellt und in seiner fürstlichen Macht inszeniert wurde.

Mit seinem Abriss zur geographischen und politischen Dimension welfischer Interessen im 13. Jahrhundert lenkt Bernd Ulrich Hucker danach den Blick auf die überregionalen Zusammenhänge, in denen sich die Herrschaft Herzog Albrechts und seines Vaters Otto bewegte. Diese generelle Einordnung stellt heraus, dass der Wirkungsradius der Dynastie nach dem Sturz Heinrichs des Löwen mitnichten nur auf kleinräumige Vorhaben im Raum zwischen Weser und Elbe konzentriert war und dass Albrechts Rolle in der ←9 | 10→Welfendynastie sowie seine Handlungsspielräume nur mit einem geographisch übergreifenden Blick erfasst werden können.

Die Verschränkung der Welfen mit hochadligen Akteuren inner- wie außerhalb des Reiches ist ebenfalls Thema des sich daran anschließenden Beitrags von Frederieke Maria Schnack, die die Heiratspolitik dieser Familie zur Zeit Albrechts I. in quantitativer und qualitativer Hinsicht untersucht und die Hintergründe der Eheprojekte samt ihren finanziellen wie bündnispolitischen Implikationen beleuchtet.

Mark Feuerle widmet sich darauf der Frage, welche diplomatischen und militärischen Handlungsoptionen sich einem Fürsten des 13. Jahrhunderts boten. Die beiden erhaltenen Manuskripte der „Braunschweigischen Reimchronik“ dienen ihm als Ausgangspunkt, um die Berichterstattung über Albrechts Politik, insbesondere über die Asseburger Fehde als Beispiel für das welfische Wirken südlich der Elbe zu analysieren.

Im Anschluss stellt Jan Habermann mit den Harzgrafen eine ebenfalls südelbische Akteursgruppe in den Vordergrund, die sich im Schatten welfischer Politik und Ausdehnungsversuche behaupten konnte. Sein umfangreicher Aufsatz beleuchtet die Entwicklung der harzgräflichen Herrschaftsansprüche, die Kommunikationsnetzwerke der Familien und ihre politischen Strategien im Verhältnis zu Herzog Albrecht I.

Thomas Vogtherrs grundlegender Beitrag, der auf den gut besuchten öffentlichen Abendvortrag der Tagung zurückgeht, nimmt den welfischen Hof unter Albrecht I. in den Blick, indem er die Kanzlei, die Hofämter, die Räte und das weitere Gefolge samt der damit verbundenen personellen Netzwerke als Grundlage der fürstlichen Herrschaft untersucht. Ein Exkurs zur Verfasserfrage der im Sammelband vielfach thematisierten und rezipierten „Braunschweigischen Reimchronik“ rundet den umfangreichen Aufsatz ab und schlägt sogleich die Brücke zu den übrigen Beiträgen, die ebenfalls diese Quelle beleuchten.

Im Fokus des folgenden Aufsatzes von Nathalie Kruppa stehen sodann die vielfältigen Kontakte und langfristigen Beziehungen des Herzogs zu geistlichen Personen und Institutionen sowie die damit verbundenen Ziele, die politischer, dynastischer, repräsentativer und memorialer Art sein konnten und in ihrer Gesamtheit die große Bedeutung der Wechselwirkungen zwischen der spätmittelalterlichen Kirche und dem Haus der Welfen illustrieren.

Stefan Eick nimmt anschließend die Perspektive des Hauses Holstein-Schauenburg ein und beleuchtet dessen Verhältnis zu den Welfenherzögen anhand der Besetzung der gräflichen Kanzlei. Die Auswahl der Notare in Friedenszeiten korrespondierte mit den geostrategischen Interessen der Schauenburger, indem vor allem solches Personal verpflichtet wurde, das über Beziehungen in diejenigen Gebiete verfügte, auf die die gräflichen Bemühungen ausgerichtet waren.

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Oliver Auges Aufsatz eröffnet schließlich eine Folge von drei Beiträgen zum Wirken des welfischen Herzogs in Nordelbien und Dänemark: Anhand der Konflikte und Bündnisse in diesem Raum während Albrechts Herrschaft zeichnet er ein detailliertes Panorama des machtpolitischen Wechselspiels zwischen dem Welfen, den Grafen von Holstein-Schauenburg, dem dänischen Königshaus sowie der Reichs- und Hansestadt Lübeck, indem er die unterschiedlichen Ziele der einzelnen Parteien den daraus hervorgegangenen Koalitionen gegenüberstellt.

Frederic Zangel geht nachfolgend auf den Kriegszug Albrechts I. nach Holstein als Beispiel ambitionierter welfischer Politik nördlich der Elbe ein. Im Zentrum des Aufsatzes stehen der Verlauf des Ereignisses ebenso wie der historische Kontext, seine Überlieferung sowie seine Rezeption in Quellen des 13. bis 18. Jahrhunderts.

Die Verwandtschaft des Welfen Albrecht mit der dänischen Königsfamilie und die Bedeutung dieses Verhältnisses für die dänische Politik in den 1260er und 1270er Jahren rückt schließlich Jens E. Olesen in den Mittelpunkt. Gemäß dem Anspruch dieses Sammelbandes, einen multiperspektivischen Zugriff auf Albrechts vielfältiges Wirken zu bieten, nimmt sich Olesen eines Themas an, das in der dänischen ebenso wie in der deutschen Geschichtsschreibung bislang nur wenig behandelt worden ist.

Den Abschluss bildet eine Zusammenfassung aus der Feder von Thomas Scharff, der die in den verschiedenen Vorträgen eröffneten Blickwinkel auf Herzog Albrecht I. von Braunschweig-Lüneburg zu einer Gesamtschau vereinigt und neue Perspektiven für künftige Forschungen zum Hochadel nördlich wie südlich der Elbe vorstellt.

Die insgesamt elf Aufsätze plus Zusammenfassung widmen sich also dem Welfenherzog aus einer Fülle unterschiedlicher Perspektiven, die es in ihrer Gesamtheit ermöglichen, die Herrschaft dieses Fürsten in geographischer wie politischer Hinsicht und in ihren Handlungsspielräumen erstmals ganzheitlich zu umschreiben. Auch die Rolle Albrechts I. innerhalb der welfischen Dynastie und im Norden des spätmittelalterlichen Reiches kann unter der Einbeziehung bislang noch nicht zusammengeführter Forschungsansätze neu bestimmt werden.

Das Erscheinen des Bandes wäre ohne das Engagement vieler beteiligter Akteure nicht möglich gewesen, wofür wir vielmals dankbar sind. Da sind zuvorderst die Autorinnen und Autoren selbst zu nennen, die trotz ihrer vielfältigen anderen Verpflichtungen wie selbstverständlich dazu bereit waren, ihre Tagungsreferate für den Druck zu Aufsätzen umzuarbeiten. Ihnen sind wir dafür ebenso zu herzlichem Dank verpflichtet wie natürlich auch den unermüdlichen Helferinnen und Helfern bei der Redaktion der Aufsatzmanuskripte: Namentlich handelt es sich dabei um Lisa Bittner, Lisa Kragh, Manuel Ovenhausen, Carina Storm sowie Kai Wittmacher. Unser großer ←11 | 12→Dank gilt sodann den verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Peter Lang Verlags für die kompetente wie problemfreie Betreuung der Drucklegung und nicht zuletzt unseren generösen Geldgebern: der Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein, der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte und der Burgenstiftung Schleswig-Holstein. Schließlich sei an dieser Stelle aber auch allen Leserinnen und Lesern für ihr Interesse an unserer Arbeit gedankt: Von ihrer Wertschätzung, die natürlich fruchtbare Kritik miteinschließt, kann unsere künftige wissenschaftliche Leistung nur profitieren.

Kiel, am 29. Mai 2019
Oliver Auge und Frederieke M. Schnack


1 Siehe den Tagungsbericht von Jan Ocker: Tagungsbericht: Der letzte Welfe im Norden: Herzog Albrecht I. ‚der Lange‘ von Braunschweig (1236–1279): Ein ‚großer‘ Fürst und seine Handlungsspielräume im spätmittelalterlichen Europa, 14.10.2016 – 15.10.2016 Kiel, in: H-Soz-Kult, 25.01.2017, https://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-6944.

2 Auge, Oliver/Kraack, Detlev (Hgg.): 900 Jahre Schauenburger im Norden. Eine Bestandsaufnahme. Hamburg/Kiel 2015 (Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins 121 / Zeit + Geschichte 30).

3 Auge, Oliver (Hg.): Vergessenes Burgenland Schleswig-Holstein. Die Burgenlandschaft zwischen Elbe und Königsau im Hoch- und Spätmittelalter. Frankfurt a.M. 2015 (Kieler Werkstücke Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte 42).

4 Zu seiner Person siehe bislang vor allem Bähr, Adolf: Albrecht I, Herzog von Braunschweig und Lüneburg (1252–1279). In: Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig 13 (1914), S. 1–62. Ferner Butzmann, Hans: Art. „Albrecht I., der Große (Longus, magnus), Herzog von Braunschweig“. In: NDB 1 (1953), S. 164. Spehr, Ferdinand: Art. „Albrecht I., Herzog von Braunschweig“. In: ADB 1 (1875), S. 257–261.

5 Auge, Oliver: Zurück zu welfischer Größe? Das Stadtprivileg für Hannover und das Mächtespiel im Norden um die Mitte des 13. Jahrhunderts. In: Hannoversche Geschichtsblätter N.F. 70 (2016), S. 30–51, hier S. 35. Auch zum Folgenden.

6 Diplomatarium Danicum. Bd. II.1 (1250–1256), hg. von Franz Blatt und Gustav Hermansen unter Mitwirkung von Carl Andreas Christensen. Kopenhagen 1938, Nr. 132, S. 112f. (1253 Okt. 21). – Dazu Hoffmann, Erich: Spätmittelalter und Reformationszeit. Neumünster 1990 (Geschichte Schleswig-Holsteins 4,2), S. 24.

7 Vgl. zu diesem Kriegszug den Beitrag von Frederic Zangel in diesem Band.

8 Auge, Oliver: Kiel in der Geschichte. Facetten einer Stadtbiografie, hrsg. von der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte. Kiel/Hamburg 2017 (Sonderveröffentlichungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte 86), S. 41.

9 Auge, Oliver: Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter. Der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit. Ostfildern 2009 (Mittelalter-Forschungen 28); Auge, Oliver: Dynastiegeschichte als Perspektive vergleichender Regionalgeschichte: Das Beispiel Albrechts II. von Orlamünde (* nach 1182; † 1245). In: Zeitschrift für Thüringische Geschichte 72 (2018), S. 9–40; Auge, Oliver: Agieren im Windschatten mächtiger Nachbarn – zu den Handlungsspielräumen der frühen Greifenherzöge im 12. Jahrhundert. In: Biermann, Felix/Ruchhöft, Fred (Hgg.): Bischof Otto von Bamberg in Pommern. Historische und archäologische Forschungen zu Mission und Kulturverhältnissen des 12. Jahrhunderts im Südwesten der Ostsee. Beiträge einer Tagung aus Anlass des 875. Todestags des Pommernmissionars vom 27. bis 29. Juni 2014 in Greifswald. Bonn 2017 (Studien zur Archäologie Europas 30), S. 69–81; Auge, Oliver: Zu den Handlungsspielräumen „kleiner“ Fürsten. Ein neues Forschungsdesign am Beispiel der Herzöge von Pommern-Stolp (1372–1459). In: ZHF 40 (2013), S. 183–226. – Siehe daneben Greinert, Melanie: Zwischen Unterordnung und Selbstbehauptung. Handlungsspielräume Gottorfer Fürstinnen (1564–1721). Kiel 2018 (Kieler Schriften zur Regionalgeschichte 1). An der Abteilung für Regionalgeschichte beschäftigen sich derzeit Nina Gallion (Habilitationsprojekt: Handlungsspielräume geistlicher Fürsten im hochmittelalterlichen Reich [1050–1250]) und Frederieke Maria Schnack (Projektskizze des Dissertationsvorhabens: Handlungsspielräume geistlicher Herrschaft im Mittelalter. Das Beispiel der Bischöfe von Minden. In: Mitteilungen der Residenzen-Kommission. N.F.: Stadt und Hof 5 [2016], S. 41–48) mit bischöflichen Handlungsspielräumen.

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Gesine Mierke

Von mannes muot und wîbes lôn
Albrecht I. und die Literatur

Abstract: The paper examines the portrayal of Albrecht I of Brunswick-Lüneburg in medieval literature. It focuses not on the issue of his patronage but rather on the question of how the ruler is represented in various literary genres. The main topic of the analysis is the following: the vernacular poetry (Sangspruchdichtung) of Rumelant of Sachsen (II,12; VI,5; VIII,4) as well as the „Braunschweigische Reimchronik“ and the late medieval romance „Reinfried von Braunschweig“. The study explores how these texts acclaim Albrecht I through intertextual links and contribute to the advancement of his renown.

Tannhäuser gibt in seinem berühmten 6. Leich in einem großen Fürstenpreis einen Überblick über die Mäzene des 13. Jahrhunderts.1 In Form einer Zeitklage über die freudlos gewordene Welt lobt der Dichter die ihm bekannten vorbildlichen Fürsten der Vergangenheit. Neben dem Staufer Friedrich II. nennt er etwa König Heinrich VII. und Konrad IV., Welf von Schwaben ebenso wie Herman zu Düringenlant (Tannhäuser VI, V. 46). Darauf folgen in mehr als 20 Strophen jene Fürsten der Gegenwart, die an den alten Tugenden festhalten. Könige sind unter ihnen wie Erich von Dänemark oder der König von Böhmen, aber auch Herzöge wie Heinrich von Breslau sowie der in diesem Band in Rede stehende Albrecht I. von Braunschweig. Albrecht wird wie folgt im Fürstenlob erwähnt: Den fürsten da von Brunenswic / behüete uns got besunder (Tannhäuser VI, V. 132–133), fordert Tannhäuser und erfleht für Albrecht besonderen Schutz bei Gott.

Joachim Bumke hat in seiner umfangreichen Studie „Mäzene im Mittelalter“ auf die Bemühungen Albrechts I. um die Literatur hingewiesen.2 Er führt neun Werke auf, die im Umkreis des Braunschweiger Hofes unter der Ägide Albrechts, seines Bruders Johanns und dessen Söhnen entstanden sind.3 Neben der „Braunschweigischen Reimchronik“4 und lateinischen Geschichtswerken wie etwa der Chronica principum Brunsvicensium (1269–1277), der Chronica principum Saxoniae (nach 1291) und der Chronica ←13 | 14→principum Brunsvicensium (nach 1291) hat auch der Sangspruchdichter Rumelant von Sachsen drei Strophen auf Albrecht gedichtet. Und schließlich sind auch einige Werke der höfischen Epik wie etwa der sogenannte „Crane“, der „Darifant“ oder der „Demantin“ Bertholts von Holle am Braunschweiger Herzogshof zu situieren,5 sind sie doch dem Bruder Albrechts, Johann von Braunschweig, gewidmet.6 Als Mäzen ist Albrecht für keines der Werke direkt habhaft zu machen; einzig Rumelant ruft ihn als Gönner an, und die „Braunschweigische Reimchronik“ könnte bereits zu Lebzeiten unter seinem Auftrag begonnen worden sein.7

Betrachtet man den Braunschweiger Hof zur Zeit Albrechts und seiner Söhne als Ort literarischer Produktion, fällt an der obigen Aufzählung auf, dass hier eine Gattungsbreite abgedeckt wird, wie wir sie nur von wenigen fürstlichen Residenzen kennen. Zudem lässt sich an den Höfen zumeist ein spezifischer literarischer Geschmack bzw. ein Interesse des jeweiligen Herrschers an dem einen oder anderen literarischen Stoff ausmachen. So bevorzugte etwa der Thüringer Landgraf Hermann I. die Geschichten um Troja in Romanform; die Babenberger in Wien hingegen sind für die Förderung des Minnesangs bekannt.8 Indes ist allen Texten, die im Umkreis des Braunschweiger Hofes unter Albrecht und seinen Söhnen entstanden sind, ein uneingeschränktes Interesse an der welfischen Geschichte, sprich an der Genealogie und dem Herkommen der eigenen Dynastie gemein.

Ich möchte diese Beobachtung als Grundlage dafür nehmen, um mich im Folgenden weniger dem Mäzenatentum Albrechts zuzuwenden, vielmehr lassen sich über die direkte Erwähnung des Gönners im Text hinaus auch Aussagen über Beziehung und Einfluss eines Fürsten zu und auf Literatur anhand exzeptioneller Lobpreisungen ableiten. Gönnernennung und -ansprache haben innertextuell zweifellos eine spezifisch topische Funktion.9 Daneben ist die Vortrefflichkeit des Herrschers Gegenstand panegyrischer Texte, und ←14 | 15→so tauchen Fürsten als Protagonisten in Chroniken oder in der Geschichtsdichtung auf. Letzteres trägt in besonderem Maße dazu bei, den Herrscher auf eine spezifische Weise zu inszenieren und seine Macht im Medium der Literatur auszustellen. Vor diesem Hintergrund geht es im Folgenden um die Präsentation und Darstellung Albrechts in der Literatur. Dabei soll seine Aufrufung als Mäzen in den Sangspruchstrophen Rumelants von Sachsen ebenso Berücksichtigung finden wie das spezifische Bild, das die „Braunschweigische Reimchronik“ von Albrecht entwirft bzw. der späthöfische Roman „Reinfried von Braunschweig“ im Hinblick auf die welfische Dynastie zeichnet.

Beate Kellner und Peter Strohschneider haben am Beispiel des „Wartburgkriegs“ auf die „intrikate Verschränkung“ von „Herrschaftspräsentation und poetische[r]; Kommunikation“ im Fürstenlob hingewiesen.10 Dabei haben sie deutlich gemacht, dass zwischen Herrscher und Sänger ein „reziprokes Abhängigkeitsverhältnis“11 besteht, das sich im gegenseitigen Gabenaustausch manifestiert. Während der Sänger der milte des Fürsten bedarf, ist der Fürst auf den panegyrischen Text des Sängers angewiesen, der ihn erst zum Besten und Freigiebigsten erhebt.12 Diese Inszenierung des Fürsten in der Literatur lässt sich im Falle Albrechts nicht nur in den Sangsprüchen Rumelants beobachten, sondern trifft gleichermaßen auf seine Darstellung in der „Braunschweigischen Reimchronik“ zu. Vor diesem Hintergrund bleibt zu fragen, inwiefern der spezifische Umgang des Herrschers mit Literatur und gleichermaßen seine Darstellung in der Literatur seinen Lobpreis und seinen Ruhm erst befördern. Überdies besteht gerade im Hinblick auf das Lob Albrechts als vortrefflicher Fürst eine intertextuelle Verbindung zwischen den Werken, die seinen Ruhm zusätzlich erhöht.13 Gerade diese auch gattungsübergreifenden Bezugnahmen, so meine These, scheinen die Lobpreisung des Fürsten zusätzlich zu steigern.

I Albrecht I. und Rumelant von Sachsen

Meister Rumelant von Sachsen, der vermutlich in Norddeutschland beheimatet war, stand als Fahrender im Dienst verschiedener Gönner.14 Drei Strophen, in denen die Verschränkung von Präsentation des Herrschers und Kunst des Sanges zum Ausdruck kommt, stehen in enger Verbindung mit ←15 | 16→Albrecht I. von Braunschweig, an dessen Hof Rumelant vermutlich nach 1274 gekommen ist.15 In den Strophen II,12 und VI,5 etwa ehrt der Sänger den Herzog noch zu Lebzeiten. Dabei wird ein augenfälliges intertextuelles Zusammenspiel über die Gattungsgrenzen hinaus sichtbar. In II,12 heißt es:

Details

Seiten
344
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631787946
ISBN (ePUB)
9783631787953
ISBN (MOBI)
9783631787960
ISBN (Hardcover)
9783631781166
DOI
10.3726/b15549
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (August)
Schlagworte
Dynastiegeschichte Welfen Spätmittelalter Norddeutschland Skandinavien
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019. 343 S., 7 farb. Abb., 11 s/w Abb., 2 Tab.

Biographische Angaben

Oliver Auge (Band-Herausgeber:in) Jan Habermann (Band-Herausgeber:in) Frederieke M. Schnack (Band-Herausgeber:in)

Oliver Auge studierte Geschichte und Lateinische Philologie in Tübingen. Die Promotion erfolgte ebenfalls in Tübingen, die Habilitation in Greifswald. Er ist Professor für Regionalgeschichte mit Schwerpunkt zur Geschichte Schleswig-Holsteins in Mittelalter und Früher Neuzeit an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Jan Habermann studierte Geschichte des Mittelalters, Alte Geschichte und Soziologie in Chemnitz, die Promotion erfolgte in Kiel. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachdienst Kultur in Goslar. Frederieke Maria Schnack studierte Geschichte und Germanistik in Kiel und Fribourg (Schweiz). Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Abteilung für Regionalgeschichte mit Schwerpunkt zur Geschichte Schleswig-Holsteins in Mittelalter und Früher Neuzeit an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

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Titel: Der letzte Welfe im Norden
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