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Navarrismus, Españolismus, Baskismus

Welche Ideologie bestimmt Navarras Zukunft?

von Gorm-Julian Gerdes (Autor:in)
©2019 Dissertation 280 Seiten

Zusammenfassung

Navarra war im Mittelalter durch Zwistigkeiten verschiedener Adelsparteien geprägt. Diese führten letztendlich zum Niedergang des Königreichs. 1512 eroberte Ferdinand II. von Aragon Navarra. Der Gründer des baskischen Nationalismus, Sabino Arana, entwarf Ende des 19. Jahrhunderts den zukünftigen baskischen Staat. Die Zugehörigkeit des Baskenlands zu Navarra unter Sancho III. (1000–1035) veranlasste Arana, Navarra in seine Staatskonstruktion aufzunehmen. Noch heute gilt Navarra unter baskischen Nationalisten als »Wiege der baskischen Nation«. Navarrismus, Baskismus und Españolismus nehmen jeweils unterschiedliche Aspekte der langen Geschichte der Region für sich und ihre Ideologie mythologisierend in Anspruch. Die vorliegende Publikation unterzieht die Entwicklung Navarras mithilfe quantitativer Methoden einer politikwissenschaftlich-historischen Analyse und strebt an, die politische Zukunft Navarras zwischen Navarrismus, Españolismus und Baskismus zu bestimmen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1. Einleitung
  • 1.1. Vorwort
  • 1.2. Aufbau der Arbeit
  • 1.3. Verortung
  • 1.4. Wirtschaftliche Unterschiede der Regionen
  • 2. Theoretischer Teil
  • 2.1. Ausgangslage und Problemstellung in und um Navarra
  • 2.1.1. Spanien
  • 2.1.2. Regionalisierung
  • 2.1.3. Baskische Bedrohung und Forderungen
  • 2.1.4. Die beanspruchten baskischen Territorien
  • 2.1.5. Die politische Entwicklung in Navarra
  • 2.2. Forschungsfragen
  • 2.3. Forschungsstand
  • 2.4. Methodik
  • 2.5. Theoretischer Hintergrund
  • 3. Historischer Teil
  • 3.1. Entwicklung Spaniens in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand
  • 3.1.1. State-building
  • 3.1.2. Nation-building
  • 3.1.3. Region-building
  • 3.2. Navarra und das Baskenland – historische und kulturelle Besonderheiten
  • 3.2.1. Parteien – Entwicklungen und Verflechtungen
  • 3.2.2. Linke Parteien in Navarra
  • 3.2.3. Parteien des Navarrismus und Españolismus
  • 3.2.4. Parteien des Baskismus in Navarra
  • 3.2.5. Die Fueros in Navarra
  • 3.2.6. Historisch-politische Abgrenzung zum Baskenland
  • 3.3. Euskadi im spanischen Autonomienstaat
  • 3.4. Gründung des Königreiches von Navarra
  • 3.5. Navarra verliert seine Unabhängigkeit
  • 3.6. Vom Königreich zur Provinz
  • 3.7. Gamazada
  • 3.8. Das gescheiterte baskisch-navarresische Vereinigungsstatut
  • 3.9. Die spanische Transition und die Comunidades Autónomas
  • 3.10. Navarras Sonderweg in der Transition
  • 4. Politischer Teil
  • 4.1. Navarra in der 9. Legislaturperiode
  • 4.2. Navarra: Analyse der Wahlprogramme 2015
  • 4.3. Innenpolitische Lage Spaniens sowie europäische Aspekte
  • 4.3.1. Neue Parteien
  • 4.3.2. Wirtschaftslage
  • 4.3.4. Der europäische Einfluss der Autonomen Gemeinschaften
  • 4.3.5. Europäische Agenda Spaniens: Anfänge und Entwicklung
  • 4.3.6. Europapolitische Strategien der spanischen Regionalparteien
  • 4.4. Regionalismus
  • 4.5. Nationalismus
  • 4.6. Navarrismus
  • 4.7. Españolismus
  • 4.8. Baskismus
  • 4.8.1. Der baskische Nationalismus als politische Bewegung
  • 4.8.2. ETA, der radikalisierte Baskismus und die Reaktionen
  • 4.8.3. Der baskische Nationalismus in Frankreich
  • 4.8.4. Der baskische Nationalismus in Navarra
  • 4.8.5. Die baskische Nationalisierung Navarras
  • 4.8.6. Resümee: Baskischer Nationalismus und Navarra
  • 5. Empirischer Teil
  • 5.1. Quantitative Analyse
  • 5.1.1. Aussagekraft der Umfragen
  • 5.1.2. Die Umfrage in Zahlen
  • 5.1.3. Vorab-Erklärungen
  • 5.1.4. Der Umfragebogen
  • 5.2. Ergebnisse der Umfrage
  • 5.2.1. Ideologie: Politische-Links-Rechts-Orientierung und Alter
  • 5.2.2. Parteien und Ideologie
  • 5.2.3. Geschlecht und Alter und Parteiauswahl
  • 5.2.4. Parteien und Religion
  • 5.2.5. Parteien und Sprache
  • 5.2.6. Parteien und Aktionen für ein freies Baskenland
  • 5.2.7. Identität
  • 5.2.8. Politisches Gefühl
  • 5.3. Abschließende Bemerkungen zur quantitativen Analyse
  • 6. Fazit
  • 7. Literaturverzeichnis

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1. Einleitung

1.1. Vorwort

Navarrismus, Españolismus oder Baskismus: Welche Ideologie bestimmt Navarras Zukunft? Um diese primär politikwissenschaftliche Fragestellung beantworten zu können, bedarf es der Klärung des historischen Hintergrundes. Besonders die heutigen Parteien in Navarra und im Baskenland benutzen für ihre Politik stets auch historische Argumentationsketten. Die geschichtliche Entwicklung der Region wird mythologisierend in die entsprechende Ideologie eingefügt.1

Der Navarrismus betont die Fueros – Privilegiengesetze – aufgrund derer es z. B. kein Referendum geben solle. Für den Navarrismus sind die Fueros Garant für die politische Kontinuität in Verbindung mit Spanien.2

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Der Españolismus betont die verfassungsrechtliche Einheit Spaniens, die durch die Verfassungen des 19. Jahrhunderts schließlich in der jetzigen Verfassung von 1978 kulminierte.

Für den Baskismus werden alle historischen Belege genutzt, die die kulturelle und soziopolitische Einheit aller baskischen Provinzen betonen.3

In Navarra wird die Geschichte stets mit politischen Zielen vermengt. Daher muss entsprechend weit bis zu den historischen Wurzeln der zu analysierenden Ideologien ausgeholt werden, um die heutige navarresische Parteipolitik verstehen zu können.

Um bei der navarresischen Parteientwicklung nicht den Überblick zu verlieren, können hierfür immer wieder die entsprechenden Grafiken im Kapitel 3.2. konsultiert werden.

1.2. Aufbau der Arbeit

Die hier vorliegende Dissertation gliedert sich in mehrere Teile: Einleitung (1), Theoretischer (2)-, Historischer (3)-, Politischer (4)-, Empirischer Teil (5) und das Fazit (6). Die Einleitung dient zur Verortung und Lieferung erster Hintergrundinformationen. Im theoretischen Teil wird das Forschungsproblem detailliert dargestellt (Kap. 2.1.1.2.1.5.). Die aufgestellten Hypothesen und Forschungsfragen (Kap. 2.2.) werden im Fazit überprüft. Es wird auf den Forschungsstand ←14 | 15→des Untersuchungsgegenstandes hingewiesen (Kap. 2.3.). Im Kapitel Methodik (2.4.) wird die genaue Vorgehensweise erklärt und begründet. Als politikwissenschaftlicher Methodenansatz ist das Regionalismus-Modell von Schmitt-Egner ausgewählt worden (Kap. 2.5.). Im historischen Teil (3) werden die unumgänglichen Hintergründe zum Verständnis der aktuellen Politik Navarras geklärt. Der politische Teil (4) verbindet wichtige Aspekte Navarras, Spaniens und Europas mit der Forschungsfrage (Kap. 4.1.4.3.5.). Regionalismus und Nationalismus werden themenspezifisch definiert (Kap. 4.4.4.5.). Außerdem werden die zu untersuchenden Ideologien Navarrismus, Españolismus sowie Baskismus ausführlich erläutert. Der radikale und gewalttätige Baskismus um ETA und deren Auswirkungen werden zusätzlich dargelegt (Kap. 4.6.4.8.). Besonderes Augenmerk erhält die baskische Sprache als politisches Instrument der baskischen Nationalisierung Navarras (Kap. 4.8.5.). Im empirischen Teil der Arbeit werden die quantitativen Umfrage-Ergebnisse (Kap. 5.1.5.3.) vorgestellt.

Abb. 1: Das politische Ziel der Baskisten, das vereinigte Baskenland – Euskal Herria, das Land der Baskisch sprechenden, welches ungefähr 3,2 Millionen Einwohner hätte. http://www.gaindegia.eus/es/node/5751, Abruf: 13.06.2019.

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1.3. Verortung

Zum Einstieg und besseren Verständnis folgen einige Basisdaten:

Das heutige Bundesland Navarra4 erstreckt sich von den westlichen Pyrenäen (Mesa de los tres reyes, 2428 m) über deren südliche Ausläufer, bis hin zum trockenen Becken von Pamplona und Sangüesa. Der Norden ist vorwiegend baskisch. Pamplona gilt als kulturelles Mischgebiet. Tudela, die zweitgrößte Stadt Navarras (35.429 Einwohner), ist kastilisch geprägt.5

Navarra grenzt im Norden an das französische Department Pyrénées-Atlantiques, im Westen an die spanischen Provinzen Guipúzcoa und Álava der Comunidad Autónoma Vasca –, sowie an Euskadi – also das Baskenland. Südlich von Navarra befindet sich die Comunidad Autónoma La Rioja. Im Osten grenzt Navarra an Aragón. Die drei angrenzenden französischen Provinzen im Norden sind Labourd, Basse-Navarre, Soule. Diese Provinzen werden auch das nördliche Baskenland genannt, da dort aufgrund der gemeinsamen historischen Wurzeln 20,5 % der Bevölkerung baskisch – euskera spricht. In Navarra sprechen ungefähr 12,9 % baskisch, im spanischen Baskenland – Euskadi – 33,9 %.6

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Navarra, offiziell Comunidad Foral de Navarra, erstreckt sich mit 641.345 Einwohnern (2017)7 über ein Territorium von 10.391 Quadratkilometern. Die Hauptstadt Pamplona liegt 449 Meter über dem Meeresspiegel und hat 197.138 Einwohner (2017).8 Im Großraum Pamplona leben mehr als die Hälfte der Einwohner Navarras: 353.274 (2017)9. Die Stadt befindet sich in den südlichen Ausläufern der Pyrenäen und liegt fast im geografischen Zentrum Navarras.

Pamplona hat zwei Universitäten: Die private, vom katholischen Opus Dei geleitete Universidad de Navarra mit circa 12.000 Studenten und die staatliche Universidad Pública de Navarra mit circa 8.000 Studenten.10 An der privaten Universität wird überwiegend Medizin, Jura, Journalismus und Wirtschaft studiert. Die öffentliche Universität bietet sozial-, erziehungswissenschaftliche und technische Studiengänge an. Pamplona ist Landeshauptstadt Navarras und daher Verwaltungs- und Wirtschaftszentrum. Außerdem ist Pamplona durch die im Juli stattfindenden Feiern – San Fermines –, zu Ehren des Heiligen Fermín, bekannt geworden.11 An einigen Festtagen der San Fermines steigt die Bevölkerung auf mehr als eine Million an. Dieses Stadtfest ist eine Mischung aus baskischer und kastilischer Kultur: Stierlauf und Stierkampf, Prozessionen, musikalische Darbietungen, durch die Straßen streifende Tanz- und Musikgruppen, Sportwettkämpfe, Großkonzerte unter freiem Himmel, Rummel mit Fahrgeschäften und Buden prägen dann das Stadtbild.

Die wichtigsten Wirtschaftszweige sind die Automobilindustrie sowie der Maschinen- und Anlagenbau.12 Außerdem trägt die industrielle Landwirtschaft zur navarresischen Bruttowertschöpfung Navarras bei. Es werden Getreide, Kartoffeln, Zuckerrüben, Wein und Gemüse angebaut.

Der heutige Wohlstand Navarras basiert zu einem großen Teil auf ausländischen Investitionen, die in den 80’ger Jahren zu fließen begannen. Dies hängt ←17 | 18→mit der demokratischen Konsolidierung Spaniens nach der Franco-Diktatur zusammen. Denn letztendlich arrangierte sich das Militär nach dem gescheiterten Putschversuch am 23.02.1981 mit der neuen parlamentarischen konstitutionellen Monarchie. Politisch wurde der spanische Erneuerungswille mit dem Beitritt zur NATO (1985) sowie zur Europäischen Union (1986) unterstrichen. Daher wollten und mussten sich viele Unternehmen in den 80’ger Jahren modernisieren, um mit verbesserten Produktionsmethoden wettbewerbsfähig bleiben zu können.13

In Navarra investierten unter anderem US-amerikanische, französische, niederländische und deutsche Unternehmen. Bestes Beispiel deutscher Investitionen sind Volkswagen, Bosch und Siemens. So begann 1984 im SEAT-Werk in Landaben, bei Pamplona, eine Kooperation mit Volkswagen. Der VW-Polo wurde gemeinsam entwickelt und gebaut. 10 Jahre später war das Werk ganz in deutscher Hand. Heute produziert Volkswagen Navarra mit fast 5.000 Angestellten täglich mehr als 1.700 Polo-Modelle.14 Aber auch regionale Unternehmen produzieren erfolgreich in Navarra: Seit Mitte der 90’ger Jahre werden von der baskisch-navarresischen Firma Gamesa Eólica Windenergieanlagen hergestellt und weltweit vertrieben. Der Erfolg dieser Unternehmen zeigt das Umsatzranking für Navarra. Den höchsten Umsatz für die Jahre 2016 und 2015 erzielten Volkswagen Navarra und Gamesa Eólica.15

Auch der wirtschaftliche Vergleich zeigt den hohen Lebensstandard in Navarra. Nach Madrid (33.809 €) und dem Baskenland (33.088 €) ist Navarra die drittwohlhabendste Region in Spanien mit einem durchschnittlichen Brutto-Inlandsprodukt je Einwohner von 30.914 €. An vierter Stelle liegt Katalonien mit einem BIP pro Kopf von 29.936 €. Somit übertrifft Navarra das spanische ←18 | 19→durchschnittliche BIP von 24.999 € (2017)16 und das gesamt-europäische BIP von 29.900 € (2017). Das deutsche BIP entspricht 39.500 € (2017) pro Kopf.17

1.4. Wirtschaftliche Unterschiede der Regionen

Wie schon an den genannten Daten erkennbar, gibt es in Spanien regional unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklungen. Dies ist bedingt durch divergente historische und politische Zusammenhänge. Eine hohe industrielle Durchdringung bedeutet auch einen höheren Wohlstand in der jeweiligen Autonomen Gemeinschaft. In Verbindung mit regionalem Nationalismus kann dieser Wohlstand auch zu Abwehrdialektiken gegenüber zentralstaatlicher Institutionen führen, wie im Fall Kataloniens und des Baskenlandes.18

Besonders während der Franco-Diktatur gab es einen weiteren Industrialisierungsschub, in dem sich die nördlichen Regionen definitiv wirtschaftlich emanzipierten. Im Fall des Baskenlandes hängt dies mit der frankistischen Repression zusammen. Ziel war es das Baskenland wirtschaftlich „ausbluten“ zu lassen. Das Gegenteil war der Fall. Die finanzielle Not veranlasste die Basken in Dörfern des Hinterlandes erfolgreiche Unternehmen aufzubauen.19 Navarra und das südliche Baskenland – Álava – wurden als Belohnung für ihre militärische Unterstützung im Bürgerkrieg in der Franco-Diktatur bevorzugt behandelt.20

Heute haben Navarra sowie das Baskenland „eine moderne Metallverarbeitungs-, Maschinen- und Fahrzeugbauindustrie, das benachbarte Rioja und mehrere Mittelmeerregionen haben sich erfolgreich auf den Export von Nahrungsmitteln und Getränken spezialisiert.“21

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Navarra und das Baskenland genießen außerdem enorme steuerliche Vorteile. Sie haben beide ein eigenes Steuersystem und sind nicht an das allgemeine kommunitäre spanische Steuermodell gebunden. Diese Differenzen sorgen häufig für politischen Unmut der anderen Regionen.22 Das baskische und navarresische Steuersystem leiten sich von den mittelalterlichen Privilegiengesetzen – Fueros – ab, die als Überbleibsel für politische Sonderrechte fungieren. Um eine Beruhigung nach den Karlistenkriegen zu erreichen wurden mit Navarra und dem Baskenland – basierend auf den foralen Sonderrechten – im 19. Jahrhundert besondere Wirtschafts- und Steuerabkommen geschlossen. Diese Abkommen bestehen bis heute. Hauptinhalt ist das selbstständige Erheben und Eintreiben von Steuern, die Mehrwertsteuer ausgenommen. Navarra und das Baskenland zahlen jährlich ein bestimmtes Kontingent – welches stets neu verhandelt wird – an das spanische Finanzministerium. In Navarra nennt man diese Zahlung offiziell aportación, im Baskenland heißt sie el cupo. Dieses Geld zahlen sie an den Zentralstaat für die von ihnen nicht ausgeführten Kompetenzen, wie Verteidigung oder Außenpolitik. Das Zahlungskontingent richtet sich nach der wirtschaftlichen Lage der Region. Da sie völlig selbstständig haushalten können, erhalten sie daher in Krisenzeiten keine zusätzliche staatliche Unterstützung. Dies können die anderen Autonomen Gemeinschaften allerdings beantragen, da sie zum allgemeinen kommunitären spanischen Steuer- und Finanzsystem gehören. Außerdem zahlen die Finanzminister Navarras und des Baskenlandes in den interregionalen Ausgleichsfond ein. Kritiker behaupten allerdings, dass die Zahlungen minimal seien verglichen mit der navarresischen und baskischen Wirtschaftskraft. Demnach zahlen das Baskenland 4,6 Milliarden und Navarra knapp 1 Milliarde zu wenig in den gemeinsamen Ausgleichsfonds bzw. an den Staat.23

In diesem Zusammenhang wurde eine Studie durchgeführt mit folgender Fragestellung: Wie viel Geld hat jede Autonome Gemeinschaft durchschnittlich für jeden seiner Bürger zur Verfügung, um Bildung, Gesundheit und Soziale Dienste für Sie anbieten zu können. Der durchschnittliche Wert für die ←20 | 21→Autonomen Gemeinschaften, die zum staatlichen Steuersystem gehören, beträgt nach dieser Studie 2.049 € pro Einwohner. Das Baskenland hat durchschnittlich für jeden Bürger 4.292 €, Navarra hat 3.677 € zur Verfügung. Demnach müssten sie Netto-Einzahler wie Madrid und Katalonien sein, doch sie erhalten sogar noch Zahlungen aus dem interregionalen Ausgleichsfonds. Analysten kritisieren diese Situation seit Jahren, da diese Praxis dem verfassungsrechtlichen Gemeinwohl widerspreche. Doch alle regionalen Parteien im Baskenland und Navarra sowie der PP und PSOE sprechen sich für die steuerlichen Vorteile der foralen Gebiete aus. Fakt ist, dass dieses Sonderrecht in der Verfassung mit der ersten Zusatzbestimmung bestätigt worden ist.24

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Die regionalen Zahlen zum BIP pro Kopf sind bereits genannt worden. Hierbei sind Navarra und das Baskenland aufgefallen. Aufgrund der überdurchschnittlichen Wirtschaftskraft und der steuerlichen Vorteile dieser Regionen haben sie weniger während der internationalen Finanzkrise gelitten und die Auswirkungen der spanischen Immobilienblase waren wesentlich geringer. Dies ist auch an den unterschiedlichen Arbeitslosenquoten zu erkennen. In Navarra waren im September 2018 9,7 % ohne Arbeit. Im Baskenland lag dieser Wert bei 9,4 %. Andalusien wies eine Arbeitslosenquote von 22,9 % auf. In Katalonien sind 10,6 % der Bevölkerung ohne Arbeit. In der Hauptstadt Madrid sind es 11,9 %.25

Es gibt jedoch noch einen weiteren Grund, warum Navarra und das Baskenland geringe Arbeitslosenzahlen vorweisen. Viele arbeiten in der Industrie und dieser Bereich stabilisiert den Arbeitsmarkt. Dies belegen die anteiligen Zahlen des BIP für den Bereich Industrie nach spanischen Comunidades Autónomas bezogen auf den Zeitraum von 2008 bis 2016. Gleich an zweiter Stelle liegt Navarra mit 12,9 % und an vierter Stelle das Baskenland mit 10,3 %.26

Der Wert aller Waren, die in Spanien in der Industrie produziert worden sind, liegt bei 17 %. Hierbei sticht auch das Baskenland hervor, denn hier macht die Industrieproduktion 28 % des baskischen Brutto-Inlandsproduktes aus. Die durchschnittliche Industrieproduktion in Ländern der europäischen Union liegt bei 20 %. In Deutschland ist 25 % der Industrieproduktion für das Brutto-Inlandsprodukt verantwortlich. Javier Cuartas weist darauf hin, dass hochindustrialisierte Regionen Krisenzeiten wesentlich besser meistern können.27

Details

Seiten
280
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631798379
ISBN (ePUB)
9783631798386
ISBN (MOBI)
9783631798393
ISBN (Hardcover)
9783631784327
DOI
10.3726/b16002
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (August)
Schlagworte
Navarra Fueros ETA Euskal Herria Baskenland Españolismus
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019. 280 S., 2 s/w Abb., 33 Tab.

Biographische Angaben

Gorm-Julian Gerdes (Autor:in)

Gorm-Julian Gerdes studierte an den Universitäten von Navarra, Vechta und Bremen Spanisch, Politikwissenschaft, Geschichte, Psychologie. Anfangs arbeitete er als Lehrer und Lehrbeauftragter für Spanisch und Politik, später leitete er einen Betrieb (KMU) und ist heute Berater. Er promovierte berufsbegleitend.

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