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Die audiovisuelle Aufzeichnung von Beschuldigtenvernehmungen im Ermittlungsverfahren

von Annegret Michel (Autor:in)
©2019 Dissertation 410 Seiten

Zusammenfassung

Die Möglichkeiten und Grenzen der audiovisuellen Aufzeichnung der Beschuldigtenvernehmung im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sind Gegenstand der schon seit längerer Zeit geführten Diskussion über die Herausforderungen einer Digitalisierung des Strafverfahrens. Im Fokus der Untersuchung stehen die rechtlichen Rahmenbedingungen des Technikeinsatzes zur Vernehmungsdokumentation. Die Autorin wertet die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und deren anstehende Novellierung kritisch aus und erarbeitet einen eigenen Regelungsvorschlag. Dabei analysiert sie das Potential der Videoaufzeichnung zum Schutz des Beschuldigten und zur Verbesserung der Wahrheitsfindung, nimmt aber auch die Risiken für die Strafverteidigung in den Blick. Analysiert werden zudem die Auswirkungen, die der Einsatz der Videotechnik für eine etwaige spätere gerichtliche Hauptverhandlung mit sich bringt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Einleitung
  • 1. Teil Die Etablierung der audiovisuellen Aufzeichnung im Ermittlungsverfahren
  • A. Gesetz zum Schutz der Zeugen bei Vernehmungen im Strafverfahren und zur Verbesserung des Opferschutzes – Einführung der § 58a StPO und § 255a StPO
  • B. Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Verletzten im Strafverfahren – Änderung des § 58a Abs. 2 StPO und Einfügung des § 58a Abs. 3 StPO
  • C. Gesetz zur Stärkung der Rechte von Verletzten und Zeugen im Strafverfahren – Änderung der § 58a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StPO und § 255a Abs. 2 S. 1 StPO
  • D. Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs – Änderung des § 58a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StPO und Einfügung der § 255a Abs. 2 S. 2 und 3 StPO
  • E. Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltlichen Verfahren – Einführung des § 163a Abs. 1 S. 2 StPO
  • F. Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens – Einführung des § 136 Abs. 4 StPO-neu und Abänderung des § 254 Abs. 1 StPO
  • I. Bericht der Expertenkommission zur StPO
  • II. Vorarbeiten
  • 1. Rohentwurf
  • 2. Referentenentwurf
  • a) Entwurfsinhalt
  • b) Stellungnahmen zum Referentenentwurf
  • III. Gesetzentwurf der Bundesregierung
  • 1. Entwurfsinhalt
  • 2. Stellungnahmen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung
  • 3. Empfehlungen des Rechtsausschusses des Deutschen Bundesrates
  • 4. Beratungen im Bundestag
  • IV. Endfassung
  • G. Reformanstöße außerhalb des Gesetzgebungsprozesses
  • I. Gutachten C zum 60. Deutschen Juristentag 1994
  • II. Eckpunktepapier der Bundesregierung zur Reform des Strafverfahrens
  • III. Diskussionsentwurf für eine Reform des Strafverfahrens
  • IV. BRAK-Konzept
  • V. Vorschlag des AE-Beweisaufnahme
  • H. Impulse von Seiten der Europäischen Union
  • I. Vorschlag für einen Rahmenbeschluss über bestimmte Verfahrensrechte in Strafverfahren
  • II. Richtlinie 2012/29/EU über den Schutz von Opfern von Straftaten
  • III. Richtlinie (EU) 2016/800 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte Kinder
  • 1. Anwendungsbereich
  • 2. Gewährleistung der Bild-Ton-Aufzeichnung
  • a) Ausgangspunkt: Richtlinienvorschlag der Kommission
  • b) Vorschlag des Rates der Europäischen Union
  • c) Vorschlag des Europäischen Parlaments
  • d) Ergebnis: Kompromisslösung
  • I. Initiativen zur Digitalisierung von Beschuldigtenvernehmungen im Ausland
  • I. Österreich
  • II. Schweiz
  • III. Kanada
  • IV. England und Wales
  • V. Vereinigte Staaten von Amerika
  • J. Zusammenfassung
  • 2. Teil Die audiovisuelle Aufzeichnung der Vernehmung als Ausdruck des Beschuldigtenschutzes
  • A. Interessendreieck aus Beschuldigtenschutz, staatlichem Aufklärungsinteresse und Verletztenrechten
  • I. Position des Beschuldigten
  • 1. Rechte und Pflichten
  • 2. Grundrechtsberührungen
  • 3. Legitimierungsansätze einer Schutzpflicht des Staates gegenüber dem Beschuldigten
  • a) Objektiv-rechtliche Schutzpflicht des Staates
  • b) Prozessuale Fürsorge gegenüber dem Beschuldigten
  • aa) Verfahrensfairness
  • bb) Sozialstaatsprinzip
  • c) Sonderopfergedanke
  • II. Spannungsverhältnis zwischen Strafverfolgung und Beschuldigtem
  • 1. Zielvorgaben staatlichen Aufklärungsinteresses
  • 2. Abwägung zwischen Aufklärungsinteresse und Beschuldigtenschutz
  • III. Spannungsverhältnis zwischen Beschuldigtem und Verletztem
  • IV. Ergebnis
  • B. Der Einfluss der Vernehmungsdokumentation im Ermittlungsverfahren auf die Rechtsstellung des Beschuldigten
  • I. Bedeutung von Beschuldigtenvernehmung und Dokumentation
  • 1. Vernehmung im Vorverfahren
  • a) Zweck der Beschuldigtenvernehmung
  • b) Strukturwandel im Strafverfahren
  • 2. Vernehmungsprotokoll
  • 3. Fazit
  • II. Schriftliche Protokollierung der Vernehmung
  • 1. Gesetzliche Protokollierungsvoraussetzungen
  • 2. Unzulänglichkeiten schriftlicher Protokolle
  • a) Selektionen
  • b) Abwandlungen
  • c) Verlust non- und paraverbaler Äußerungen
  • d) Methodenimmanente Verfälschungsfaktoren
  • 3. Fazit
  • III. Audiovisuelle Aufzeichnung der Vernehmung
  • 1. Vorteile der Videoaufzeichnung
  • a) Authentizität
  • b) Transparenz
  • c) Prävention durch Disziplinierung
  • d) Gewährleistung effektiver Verteidigung
  • e) Verfahrenseffektivierung und -beschleunigung
  • f) Verbesserung der Sachaufklärung
  • 2. Nachteile der Videoaufzeichnung
  • a) Friktionen mit Rechtspositionen des Beschuldigten
  • aa) Selbstbestimmung und Selbstbelastungsfreiheit
  • bb) Reduzierung der Verteidigungschancen
  • b) Negative Beeinflussung des Aussageverhaltens
  • c) Risiken für die Wahrheitsfindung
  • d) Missbrauchs- und Manipulationsgefahr
  • e) Mangelnde Praktikabilität und Kosten
  • 3. Fazit
  • IV. Ergebnis
  • C. Vernehmungsdokumentation im Kontext des transnationalen Beweistransfers
  • I. Grenzüberschreitender Beweisverkehr
  • 1. Richtlinie 2014/41/EU über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen
  • a) Geschaffene Möglichkeiten
  • b) Gleichgewichtsstörungen zwischen Strafverfolgungs- und Beschuldigteninteressen auf europäischer Ebene
  • 2. Verordnung (EU) 2017/1939 zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft
  • a) Grundsatz der freien Zulässigkeit von Beweismitteln
  • b) „Forum-Shopping“
  • c) Drohende Ungleichbehandlung von Beschuldigten
  • II. Die Bundesrepublik Deutschland als Adressat europarechtlicher Fürsorge- und Belehrungspflichten
  • 1. Übersicht pflichtenstatuierender Richtlinien
  • a) Richtlinie 2010/64/EU über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen
  • b) Richtlinie 2013/48/EU über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand
  • c) Richtlinie 2012/13/EU über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung
  • d) Richtlinie (EU) 2016/343 über die Stärkung der Unschuldsvermutung
  • e) Richtlinie (EU) 2016/1919 über Prozesskostenhilfe in Strafverfahren
  • 2. Rechtswirklichkeit und Funktionalität der Richtliniengarantien
  • III. Ergebnis
  • D. Zusammenfassung
  • 3. Teil Die audiovisuelle Aufzeichnung von Beschuldigtenvernehmungen im Ermittlungsverfahren
  • A. Rechtstatsächliches zur Bild-Ton-Aufzeichnung
  • B. Vernehmungsdokumentation nach Maßgabe des § 136 Abs. 4 StPO-neu
  • I. Grundkonzept und systematische Stellung
  • 1. Entlastung des § 163a Abs. 1 StPO
  • 2. Ausreichende Signalwirkung und Bestimmtheit
  • 3. Respektierung divergierender Interessen- und Konfliktlagen
  • 4. Ergebnis
  • II. Geltungs- und Anwendungsbereich
  • 1. Vernehmung des Beschuldigten
  • 2. Ermittlungsverfahren als zeitlicher Bezugspunkt
  • 3. Geltung im Jugendstrafverfahren
  • 4. Anordnungskompetenz
  • 5. Ergebnis
  • III. Inhalt und Umfang der Bild-Ton-Aufzeichnung
  • 1. Sog. „informatorische (Vor-)Gespräche“ und Teilaufzeichnungen
  • a) Maßstäbe aus der Gesetzesbegründung
  • b) Ausbau und Weiterentwicklung der Maßstäbe
  • aa) Notwendigkeit gesetzlicher Vorgaben
  • (1) Risiken nicht erfasster sog. „informatorischer (Vor-)Gespräche“
  • (2) Risiken von Teilaufzeichnungen
  • (3) Zwischenergebnis
  • bb) Folgerungen für eine gesetzliche Determinierung
  • (1) Orientierung an den Protokollierungsvorschriften
  • (2) Eigener Regelungsvorschlag
  • 2. Kommunikation zwischen Beschuldigtem und Verteidiger
  • 3. Ergebnis
  • IV. Die Aufzeichnungsmodalitäten des § 136 Abs. 4 StPO-neu
  • 1. Generalermächtigung des § 136 Abs. 4 S. 1 StPO-neu
  • a) Verhältnismäßigkeit als notwendiges Korrektiv
  • b) Konkretisierungsoptionen
  • aa) Maßstäbe der Expertenkommission
  • bb) Bemerkungen aus RiStBV und PDV
  • cc) Einzelfallaspekte
  • (1) Tatfaktoren
  • (2) Täterfaktoren
  • (3) Auslandsbezüge
  • (4) Willensäußerungen des Beschuldigten
  • c) Prognosebedingter Aufzeichnungsbeginn
  • d) Fazit
  • 2. Aufzeichnungspflichten des § 136 Abs. 4 S. 2 StPO-neu
  • a) Verhältnis der Tatbestandsalternativen
  • b) Vernehmung in Verfahren wegen vorsätzlichen Tötungsdelikten nach § 136 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StPO-neu
  • aa) Vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt
  • bb) Kein Entgegenstehen äußerer Umstände oder besonderer Dringlichkeit
  • cc) Fazit
  • c) Vernehmung besonders schutzbedürftiger Beschuldigter nach § 136 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 StPO-neu
  • aa) Zugehörigkeit zu einer Personengruppe
  • (1) Beschuldigte unter 18 Jahren
  • (2) Beschuldigte mit Beeinträchtigung
  • bb) Bessere Wahrung schutzwürdiger Interessen
  • cc) Fazit
  • 3. Widerspruch gegen die Aufzeichnung
  • a) Zulässigkeit heimlicher Aufzeichnungen?
  • b) Aufzeichnung entgegen dem Beschuldigtenwillen?
  • c) Behandlung des Widerspruchs
  • aa) Aussageverweigerung als Widerspruch
  • bb) Subsumtion unter die Ausschlussgründe
  • d) Fazit
  • 4. Richtlinienkonformität der Anordnungstatbestände
  • a) Vorgaben zur Richtlinienumsetzung
  • aa) Zielrichtung
  • bb) Anordnungskompetenz
  • cc) Anwendungsbereich
  • dd) Verhältnismäßigkeit der Aufzeichnung
  • b) Fazit: Regelungsbedarf im JGG
  • 5. Ergebnis und eigene Regelungsvorschläge
  • a) Vorschlag eines § 136 Abs. 4 V-StPO
  • b) Vorschlag eines § 44 Abs. 2 und 3 V-JGG
  • V. Anwesenheits-, Mitwirkungs- und Benachrichtigungsrechte
  • 1. Verteidigung
  • 2. Sonstige Personen
  • VI. Technische Durchführung der Bild-Ton-Aufzeichnung
  • 1. Sachliche und personelle Infrastruktur
  • 2. Das „Setting“
  • a) Abbildung und Positionierung der beteiligten Personen
  • b) Justierung technischer Apparaturen
  • aa) Kamerawinkel und Wahrnehmungspsychologie
  • bb) Folgerungen für die Vernehmungsaufzeichnung
  • 3. Ergebnis und eigener Regelungsvorschlag
  • C. Protokollierung der aufgezeichneten Vernehmung
  • I. Geltendes Recht: Schriftliches Vernehmungsprotokoll
  • 1. Wort- oder Inhaltsprotokoll?
  • 2. Protokollfunktion der Bild-Ton-Aufzeichnung
  • II. Überlegungen zur Protokollierung de lege ferenda
  • 1. Vorschläge zur Anerkennung der Bild-Ton-Aufzeichnung als Protokollsurrogat
  • 2. Bewertung der Vorschläge
  • III. Ergebnis
  • D. Die weitere Verwendung der Bild-Ton-Aufzeichnung
  • I. Verwendungsbeschränkung nach § 58a Abs. 2 S. 1 StPO
  • 1. Konkretisierungsbedarf
  • a) Speicherdauer
  • b) Gefahr des „Ausforschens“
  • 2. Fazit und eigener Regelungsvorschlag
  • a) Regelungsstandort
  • b) Regelungsinhalt
  • II. Löschung der Aufzeichnung nach § 58a Abs. 2 S. 2 i. V. m. § 101 Abs. 8 StPO
  • III. Akteneinsicht in die Vernehmungsaufzeichnung nach § 58a Abs. 2 S. 3 bis 6 (und Abs. 3) StPO
  • 1. Vorbemerkung zur „Originalaufzeichnung“
  • 2. Einsichtsberechtigter Personenkreis
  • 3. Akteneinsicht der Berechtigten aus § 406e StPO
  • a) Besichtigungsrecht der Aufzeichnung
  • aa) „Ausforschung“ als berechtigtes Interesse?
  • bb) Versagungsgründe
  • b) Überlassung von Aufzeichnungskopien
  • aa) Rechtsanspruch aus § 58a Abs. 2 S. 3 StPO
  • bb) Ausschluss der Widerspruchsmöglichkeit nach § 58a Abs. 3 StPO
  • (1) Gesetzgebungsgeschichtlicher Hintergrund
  • (2) Kritik
  • c) Erweiterte Formen der Einsichtnahme gemäß § 32f StPO?
  • d) Fazit und eigene Regelungsvorschläge
  • aa) Vorschlag eines § 136 Abs. 6 S. 3 bis 7 V-StPO und § 44 Abs. 5 S. 3 bis 7 V-JGG
  • bb) Vorschlag eines § 136 Abs. 7 V-StPO und § 44 Abs. 6 V-JGG
  • 4. Akteneinsicht des Verteidigers
  • a) Personenidentität von Mandanten und Vernommenem
  • b) Personenverschiedenheit von Mandanten und Vernommenem
  • 5. Akteneinsicht des Beschuldigten
  • a) Personenidentität von Beschuldigtem und Vernommenem
  • b) Personenverschiedenheit von Beschuldigtem und Vernommenem
  • 6. Akteneinsicht öffentlicher und sonstiger Stellen
  • IV. Ergebnis
  • E. Zusammenfassung und Überblick über die erarbeiteten Regelungsvorschläge
  • 4. Teil Die Einführung audiovisuell aufgezeichneter Vernehmungen in die Hauptverhandlung
  • A. Problemaufriss: Ambivalenz der Bild-Ton-Aufzeichnung
  • B. Beweisaufnahme
  • I. Beweisführung mittels Bild-Ton-Aufzeichnungen
  • 1. Vorführung von Bild-Ton-Aufzeichnungen nach § 254 StPO
  • a) Verhältnis der Bild-Ton-Aufzeichnung zur Vernehmungsniederschrift
  • aa) Neutralität des Gesetzes
  • bb) „Erforderlichkeitsklausel“ des § 58a Abs. 2 S. 1 StPO
  • cc) Grundsatz des bestmöglichen Beweises
  • dd) Zwischenergebnis
  • b) Beweisrechtliche Einordnung und Beweiserhebung
  • c) Anwendungsbereich des § 254 StPO
  • aa) Ausdehnung auf Bild-Ton-Aufzeichnungen nicht-richterlicher Vernehmungen
  • bb) Bewertung der Einbeziehung nicht-richterlicher Vernehmungen
  • cc) Zwischenergebnis
  • d) Die Vorführungstatbestände des § 254 StPO
  • aa) Vorführung zur Beweisaufnahme über ein Geständnis nach § 254 Abs. 1 Var. 2 StPO
  • bb) Vorführung zur Behebung von Widersprüchen nach § 254 Abs. 2 StPO
  • e) Fazit
  • 2. Weitere Vorführungsmöglichkeiten zur Vernehmungsersetzung
  • 3. Formloser Vorhalt von Bild-Ton-Aufzeichnungen
  • a) Problem der Suggestivwirkung
  • b) Gedanken zur Behandlung des Problems
  • 4. Inaugenscheinnahme von Bild-Ton-Aufzeichnungen
  • 5. Fazit
  • II. Zulässigkeit der Vernehmung der Verhörsperson
  • III. Beweisantragsrecht
  • IV. Ergebnis
  • C. Verwertung
  • I. Beweisverwertungsverbote
  • 1. Verstöße gegen die Aufzeichnungspflicht
  • a) Rechtswidriges Unterlassen der Bild-Ton-Aufzeichnung
  • aa) Vorschriftscharakter
  • (1) Bewegung in der Rechtsprechung zu § 136 Abs. 1 S. 2 StPO
  • (2) Verfahrenszweck
  • (3) Wortlaut
  • (4) Meinungsstand zur Aufzeichnung der Zeugenvernehmung nach § 58a Abs. 1 StPO
  • (5) Zwischenergebnis
  • bb) Verwertbarkeit?
  • cc) Fazit und eigener Regelungsvorschlag
  • b) Defizite im Aufzeichnungsumfang
  • aa) Fehlende Angaben zu sog. „informatorischen Gesprächen“
  • bb) Teilaufzeichnungen
  • cc) Fazit
  • 2. Rechtswidrige Bild-Ton-Aufzeichnungen
  • II. Vorführverbot
  • III. Beweiswürdigung
  • 1. Problem: Überangebot und Überbewertung
  • a) Bedeutung aussagebegleitenden Verhaltens
  • aa) Paraverbales Aussageverhalten
  • bb) Nonverbales Aussageverhalten
  • b) Legitimität technischer Wahrnehmungserweiterungen?
  • 2. Qualitativ mangelhafte Bild-Ton-Aufzeichnungen
  • a) Technische Mängel
  • b) Sonstige Qualitätsminderungen
  • 3. Fazit
  • IV. Ergebnis
  • D. Zusammenfassung
  • 5. Teil Rechtsbehelfsmöglichkeiten
  • A. Beschwerde
  • I. Anordnung der Bild-Ton-Aufzeichnung
  • II. Ablehnung der Bild-Ton-Aufzeichnung
  • B. Revision
  • I. Revisionsrechtliche Bedeutung der Bild-Ton-Aufzeichnung
  • II. Revisionsrechtliche Grundsätze und Grenzen
  • III. Bedeutung und Konsequenzen für den Rückgriff auf Bild-Ton-Aufzeichnungen
  • IV. Ergebnis
  • C. Zusammenfassung
  • Gesamtergebnis und Ausblick
  • Literaturverzeichnis

←22 | 23→

Einleitung

Die Wiege der audiovisuellen Aufzeichnung1 von Vernehmungen im Ermittlungsverfahren ist der Schutz von Opferzeugen, denen durch die Videokonservierung ihrer ersten Vernehmung für das spätere Verfahren Mehrfachvernehmungen erspart werden sollen.2 In den Fokus gesetzgeberischer Intentionen gerieten aber auch die Vorteile einer solchen Dokumentation für die „Erforschung der Wahrheit“ (vgl. § 58a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StPO), die alle nachfolgenden Gesetzesänderungen zur Aufzeichnung von Zeugenvernehmungen dominierten. Die „Gefahr eines Beweismittelverlusts“3 bewegte den Gesetzgeber schließlich dazu, die Videotechnik auch als Instrument zur Dokumentation von Vernehmungen des Beschuldigten zu nutzen und mit dem 2013 in Kraft getretenen Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltlichen Verfahren4 mittels Verweises des § 163a Abs. 1 S. 2 StPO auf die gesetzliche Vorschrift zur Videokonservierung von Zeugenvernehmungen in § 58a Abs. 1 S. 1 StPO zu regeln.5 Diese Entwicklung findet ihren (vorläufigen) Höhepunkt in der mit dem Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens6 beschlossenen Rechtslage (§ 136 Abs. 4 StPO-neu), die erstmals in der Geschichte des Strafverfahrensrechts die Bild-Ton-Aufzeichnung von Beschuldigtenvernehmungen für bestimmte Tat- und Tätergruppen verpflichtend vorsieht.

Mit der Erweiterung der audiovisuellen Dokumentationsmöglichkeiten von Vernehmungen im Ermittlungsverfahren gab der Gesetzgeber zumindest partiell dem Reformdruck nach, der seit Jahren stetig zunimmt.7 Konkreten Anlass ←23 | 24→gaben ferner gravierende Justizirrtümer, die in den letzten Jahren bekannt wurden,8 wie der Fall des Bauern Rudolf Rupp:9 Das LG Ingolstadt verurteilte im Mai 2005 die Ehefrau und die Töchter des Rudolf Rupp sowie den Freund einer der Töchter wegen Beteiligung am Totschlag des Bauern, der im Oktober 2001 samt Auto spurlos verschwand. Es gab zwar keine Leiche oder etwaige Spuren, aber Geständnisse aus den Vernehmungen im Ermittlungsverfahren, die der Strafkammer – ungeachtet des zwischenzeitlichen Widerrufs durch die Angeklagten mit der Begründung, die Polizei habe sie während der Vernehmung unter Druck gesetzt – zur Verurteilung und zu der Feststellung gereichten, Rudolf Rupp sei durch Schläge auf die Genick- und Kopfpartie zu Tode gekommen, die Leiche am darauffolgenden Tag zerstückelt und an die Schweine verfüttert worden. Als im März 2009 das vermeintliche Tatopfer an einer nahegelegenen Staustufe der Donau in seinem Auto entdeckt und geborgen wird, stellt man fest: Der Bauer ist zwar tot, sein Leichnam aber unversehrt, und auch im Kopf- und Halsbereich lassen sich keinerlei Anzeichen von Gewalteinwirkungen ausmachen.

Als Aufhänger für die vorliegende Untersuchung eignet sich der prominente Fall des Bauern Rupp, weil er instruktiv für die zentrale Fehlerquelle des Ermittlungsverfahrens und eine der Ursachen10 von Fehlurteilen steht, die sich durch Bild-Ton-Aufzeichnungen beheben ließen: die unzureichende Protokollierung von Beschuldigtenvernehmungen.11 Mangelnde Sorgfalt bei der Dokumentation steht nicht nur im Widerspruch zur Relevanz, die ihr im Strafverfahren zur ←24 | 25→Erforschung des wahren Sachverhalts zukommt, sondern auch zu ihrer Schlüsselrolle für die Garantie eines fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 EMRK) und einer effektiven Verteidigung (Art. 6 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 lit. c EMRK).12

Dennoch wurden die polizeilichen Vernehmungen im besagten Fall weder durchgehend chronologisch noch vollständig dokumentiert, was sich aus entsprechenden Vermerken sowie daraus ergibt, dass die stundenlangen Verhöre nur auf wenigen Seiten schriftlich festgehalten wurden. Von der Protokollierung ausgenommen wurden ferner die sog. „informatorischen Vorgespräche“, die offenbar über mehrere Stunden hinweg mit den Beschuldigten geführt und in denen – so viel lässt sich den Akten entnehmen – die im Anschluss verschriftlichten Aussagen ausgehandelt wurden. Eine Rekonstruktion, wie es zu den offensichtlich falschen Geständnissen kam, ist anhand der vorhandenen Unterlagen nicht möglich. Genauso wenig lässt sich der Frage nachgehen, ob die Geständnisse – wie von den Beschuldigten behauptet – unter Druck erlangt wurden. Diese für Vernehmungsniederschriften charakteristischen Unzulänglichkeiten sind seit langem der Grund, warum zum einen an der herkömmlichen Protokollierungsmethode vehemente Kritik geübt und zum anderen die wortwörtliche Fixierung der Beschuldigtenvernehmung durch eine audiovisuelle Aufzeichnung gefordert wird.13

Für die Angehörigen des Rudolf Rupp nahmen die Defizite der Vernehmungsdokumentation ein weiteres Nachspiel: Nachdem die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zunächst abgelehnt worden war, ordnete das OLG München auf die sofortige Beschwerde der Verteidigung hin die Wiederaufnahme des Verfahrens an. In der erneuten Hauptverhandlung sprach das LG Landshut die vier Angeklagten schließlich frei, verweigerte ihnen jedoch eine Haftentschädigung nach dem StrEG unter Hinweis auf ihre Falschaussagen, mit denen die Strafverfolgungsmaßnahmen ausgelöst wurden14 – eine Begründung, die bei eindeutiger Nachweisbarkeit der Ausübung von (unzulässigem) Druck, der die ←25 | 26→Beschuldigten zur Ableistung der Geständnisse überhaupt erst veranlasste, so nicht haltbar gewesen wäre.15

Die vorstehenden Verfahrensschilderungen erlauben den Schluss, dass eine authentische Dokumentation der Beschuldigtenvernehmung im Ermittlungsverfahren durch audiovisuelle Aufzeichnung den Beschuldigten schützende Wirkung vor falscher Verurteilung entfalten kann. Folgerichtig ist der Gesetzgeber für Aufzeichnungen nach Maßgabe des § 136 Abs. 4 StPO-neu dazu übergegangen, neben der Optimierung der Wahrheitsfindung durch eine verbesserte Dokumentation des Ermittlungsverfahrens den Schutz des Beschuldigten vor unsachgemäßen und rechtswidrigen Vernehmungsmethoden als Regelungszweck anzuerkennen.16 Das wird an vielen Stellen deutlich: Die in Satz 2 Nr. 2 lit. a, aber auch lit. b normierte Aufzeichnungspflicht knüpft an die besondere Schutzbedürftigkeit des Beschuldigten an und schließlich kann man auch der Aufzeichnung von Aussagen im Zusammenhang mit Kapitaldelikten, wie sie Satz 2 Nr. 1 verpflichtend vorsieht, eine beschuldigtenschützende Komponente nur schwer in Abrede stellen, weil insbesondere dort eine Neigung zur Verwendung unlauterer Vernehmungspraktiken zu befürchten steht.

Obwohl der Gesetzgeber mit Inkrafttreten des § 136 Abs. 4 StPO-neu zum 1. Januar 202017 eine rechtliche Grundlage schafft, die in größerem Umfang als bisher die Videokonservierung von Beschuldigtenvernehmungen veranlassen wird, ist festzustellen, dass das Potential, welches Bild-Ton-Aufzeichnungen im Rahmen dieser Zielsetzung bieten, damit nicht vollständig ausgeschöpft wird. Der in Teilen verpflichtende Aufzeichnungstatbestand soll aber zunächst auch nur der „Erprobung zeitgemäßer Instrumente zur Ermittlung des wahren Sachverhalts“18 dienen und zudem die teleologische Erweiterung auf den Schutz des Beschuldigten lediglich zweitrangig sein.19 Einen vernünftigen Grund für diese ←26 | 27→bewusste Prokrastination gibt es allerdings nicht, wie positive Erfahrungen aus dem Ausland belegen.20 Gerade der als Nebenintention gehandhabte Beschuldigtenschutz drängt – wie die Reihe von Fehlurteilen ersehen lässt – zu einem „Mehr“ an audiovisueller Dokumentation, insbesondere vor dem Hintergrund internationaler und europäischer Entwicklungen sowie den Möglichkeiten des transnationalen Beweistransfers.21

Ein Untersuchungsschwerpunkt wird daher im Bereich des Beschuldigtenschutzes liegen. Die Arbeit wird den Versuch unternehmen, die Videoaufzeichnung zu diesem Zweck hervorzuheben und auszubauen. Die protektive Komponente der Videodokumentation muss zunächst aber deutlicher eruiert und deren Vor- und Nachteile müssen aufgezeigt werden,22 bevor ausgehend vom geltenden (§ 163a Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 58a Abs. 1 S. 1 StPO) und absehbaren (§ 136 Abs. 4 StPO-neu) Recht Regelungsvorschläge erarbeitet werden, die die Anfertigung von Vernehmungsaufzeichnungen vorteilhafter gestalten sollen.23

Auch unter diesem Gesichtspunkt können und müssen Lehren aus dem Verfahren gegen die Angehörigen des Rudolf Rupp gezogen werden, denn es verdeutlicht, dass den beschriebenen Defiziten nicht jede, sondern nur die sachgemäß ausgeführte Videoaufzeichnung Abhilfe verschaffen kann: Die bei der Tatortbegehung unternommenen Vernehmungen der Töchter und des Freundes zum unmittelbaren Tathergang wurden zwar gefilmt, die Kamera für ein „kurzes Gespräch“ zur Erläuterung der Widersprüche aber aus- und erst zur Dokumentation der plötzlich stimmigen, neuen „Version“ wieder eingeschaltet.24 Der Fall demonstriert damit eindrucksvoll, dass dem „Wie“ der Aufzeichnung entscheidende Bedeutung bei der Verhütung altbekannter Probleme zukommt. Die Arbeit widmet sich daher ausführlich den Aufzeichnungsstandards zu Inhalt und Umfang des Vernehmungsvideos sowie dem Erlass von Richtlinien, die bei der Erstellung zu beachten sind, um die Vorzüge der Videotechnologie vollumfänglich zu nutzen und ihre Nachteile größtmöglich einzudämmen.25 Der Schutz des Beschuldigten spielt außerdem im Kontext des weiteren Umgangs mit der ←27 | 28→Videokonserve, der von Löschungs- und Speicherungsvorgaben bis hin zur Akteneinsicht reicht, eine Rolle und macht diffizile Überlegungen zu Datensicherheit und Datenschutz erforderlich, denn das sensible Filmmaterial verlangt die Gewähr höchster Sicherheit vor unberechtigten Zugriffen und Veröffentlichungen.26

Um dem dargelegten Begründungsansatz folgen zu können, ist jedoch zuerst eine Positionsbestimmung des Beschuldigten im verfassungs- und verfahrensrechtlichen Gesamtgefüge notwendig, die Klarheit darüber verschafft, ob und in welchem Umfang Beschränkungen von Strafverfolgungs- und Verletzteninteressen überhaupt möglich sind, da bei der legislativen Umsetzung von Beschuldigtenschutzbestrebungen typischerweise eine Kollisionsgefahr mit diesen gewichtigen Gegeninteressen besteht.27 Zwar wird die Verwendung neuer Medien größtenteils einen Ausgleich der betroffenen Interessen im Sinne praktischer Konkordanz zulassen, teilweise treffen die Interessenlager jedoch unvereinbar aufeinander, wodurch auch die Überprüfung und Rechtfertigung einer dann vorzunehmenden Bevorzugung einzelner Aspekte zur Aufgabe dieser Arbeit wird.

Wenn die Untersuchung auch schwerpunktmäßig die Durchführung der Aufzeichnung gemäß § 136 Abs. 4 StPO-neu behandelt, ist mit dem Einsatz der Bild-Ton-Aufzeichnung als Dokumentationsmedium im Ermittlungsverfahren ihre Verwendung als Reproduktionsmedium im späteren Strafprozess, insbesondere in der Hauptverhandlung, untrennbar verbunden. Gegenstand der Ausführungen sind daher auch die Einführungsmöglichkeiten und allem voran der um die Beweisführung über ein Geständnis mittels Videoaufzeichnungen erweiterte § 254 StPO.28 In seiner neuen Fassung gilt dieser schon seit Inkrafttreten des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens zum 24. August 2017, um bereits jetzt den gemäß § 163a Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 58a Abs. 1 S. 1 StPO erstellten Aufzeichnungen zu einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage zu verhelfen. Notwendig wird aufgrund des Informationsgehalts von Videoaufzeichnungen, der weit über den Erkenntnisgewinn schriftlicher Protokolle hinausreicht, eine Auseinandersetzung mit der Frage, inwiefern die bisherigen Möglichkeiten, Erklärungen des Angeklagten einzuführen, bestehen bleiben und ob sich das Gericht mit der Verlesung des Vernehmungsprotokolls begnügen darf oder stattdessen die Bild-Ton-Aufzeichnung ←28 | 29→vorführen muss. Das Überangebot an filmisch übermittelten Informationen lässt außerdem im Rahmen der Beweisaufnahme Probleme erwarten, insbesondere wenn die Aufzeichnung nicht sachgerecht erfolgt ist.29 Diese Schwierigkeiten setzen sich in der Beweisverwertung und -würdigung fort, können Gefahren für den Beschuldigten und seine Verteidigung bergen und bedürfen besonders sorgfältiger Reflexion.30

Abschließend wendet sich die Arbeit der verfahrensmäßig letzten Instanz und dabei der Befürchtung zu, die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung in der Hauptverhandlung habe Auswirkungen auf das Rechtsmittelverfahren im Allgemeinen und auf das Revisionsverfahren im Besonderen, die sich für das eigentliche Ziel der Gesetzgebung – die effektivere und praxistauglichere Verfahrensgestaltung – als kontraproduktiv erweisen.31

←29 | 30→

1 Von der Videoaufzeichnung zu unterscheiden ist die Videoübertragung von Vernehmungen ohne Speicherung. Als Synonyme bedient sich die vorliegende Untersuchung der Begrifflichkeiten, die diese Konservierungsfunktion ebenfalls zum Ausdruck bringen.

2 Vgl. BT-Drs. 13/7165, S. 5, 7; BT-Drs. 16/12098, S. 12; BT-Drs. 17/6261, S. 1, 8, 10.

3 BT-Drs. 17/12418, S. 2, 15.

4 Gesetz v. 25.4.2013, BGBl. I S. 935.

5 Zur Entwicklung der Gesetzgebung vgl. auch Altenhain, ZIS 2015, 269, 270 und hier ausführlich 1. Teil, S. 31 ff.

6 Gesetz v. 17.8.2017, BGBl. I S. 3202.

7 Vgl. etwa die rechtspolitischen Forderungen der BRAK und des AE-Beweisaufnahme (dazu 1. Teil, Kapitel G., S. 51 ff.) oder die von der vom Bundesjustizminister eingerichteten Expertengruppe erarbeiteten Reformvorschläge (dazu 1. Teil, Kapitel F. I., S. 40 f.).

8 Belastbare Zahlen darüber, wie viel Prozent der rechtskräftigen Entscheidungen Fehlurteile sein mögen, liegen nicht vor. Peters, Fehlerquellen Bd. I, S. 9 f. kommt auf geschätzte 150 bis 300 Fehlurteile im Jahr. Jehle, FPPK 7 (2013), 220, 227 gelangt zu einer Fehlurteilsquote von ca. 0,5 % und stützt sich dabei auf die Untersuchung von Barton, Revisionsrechtsprechung. Von einer größeren Dunkelziffer als vermutet geht Neuhaus, StV 2015, 185, 186 aus; vgl. ferner Bock/Eschelbach/Geipel/Hettinger u.a., GA 2013, 328, 330; Schwenn, StV 2010, 705, 706. Andere herausragende Fälle sind etwa die des Harry Wörz (vgl. etwa Darnstädt, Der Richter und sein Opfer, S. 28 ff.; Käppner, Profiler, S. 224 ff.) oder des Ulvi Kulac (vgl. etwa Darnstädt, Der Richter und sein Opfer, S. 109 f.); weitere Fälle nennt Neuhaus, StV 2015, 185 m. Fn. 9.

9 Ausdrücklich in Bezug genommen von der Entwurfsbegründung, vgl. den RegE eines Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens, BT-Drs. 18/11277, S. 28; ausführlich zum Fall des Bauern Rupp Nestler, ZIS 2014, 594 ff.; Rick, StraFo 2012, 400 ff.

10 Zu weiteren möglichen Ursachen vgl. etwa Neuhaus, StV 2015, 185 ff.

11 Vgl. zum Folgenden Nestler, in: Schünemann, Zum Zustand des kontinentaleuropäischen Strafverfahrens, 51 f. (Sachverhalt); ders., ZIS 2014, 594, 596 ff.; Rick, StraFo 2012, 400, 401 f.

12 Ausführlich 2. Teil, Kapitel B. I. 2., S. 102 f. sowie III. 1. d), S. 113 f.

13 So beenden auch Nestler, ZIS 2014, 594, 602 und Rick, StraFo 2012, 400, 405 ihre Beiträge zu dem Fall des Bauern Rupp mit der Forderung nach verlässlicherer Vernehmungsdokumentation mittels Videoaufzeichnung; ausführlich zu den Nachteilen schriftlicher Protokolle 2. Teil, Kapitel B. II. 2., S. 106 ff.

14 Dazu Rick, StraFo 2012, 400, 404 f.; den Freispruch nach Wiederaufnahme des Verfahrens ohne Gewährung einer Entschädigung nach dem StrEG hält Neuhaus, StV 2015, 185 m. Fn. 7 für „bemerkenswert“.

15 Zu der möglichen Unterbrechung des für die Bejahung des Entschädigungsausschlusses oder -versagens erforderlichen Ursachenzusammenhangs unter dem Aspekt der rechtsfehlerhaften Sachbehandlung und des zu erfüllenden Prüfungsmaßstabs noch im 2. Teil, Kapitel B. III. 1. d), S. 113 f.; schon die geschilderte Entstehungsgeschichte der Aussagen hätte aber zumindest Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihres Zustandekommens und ihrer Richtigkeit aufwerfen müssen, vgl. Nestler, ZIS 2014, 594, 601.

16 Vgl. RegE eines Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens BT-Drs. 18/11277, S. 24 f.

Details

Seiten
410
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631799284
ISBN (ePUB)
9783631799291
ISBN (MOBI)
9783631799307
ISBN (Hardcover)
9783631788998
DOI
10.3726/b16030
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (August)
Schlagworte
Beschuldigtenvernehmung Videoaufzeichnung Ermittlungsverfahren Digitalisierung Beschuldigtenschutz
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019. 410 S.

Biographische Angaben

Annegret Michel (Autor:in)

Annegret Michel studierte Rechtswissenschaften an der Universität Passau. Sie war Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Deutsches, Europäisches und Internationales Strafrecht und Strafprozessrecht sowie Wirtschaftsstrafrecht von Prof. Dr. Robert Esser.

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Titel: Die audiovisuelle Aufzeichnung von Beschuldigtenvernehmungen im Ermittlungsverfahren
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