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Frau sein - Mann sein

Geschlechterrollen im östlichen Europa

von Michael Düring (Band-Herausgeber:in)
©2020 Sammelband 160 Seiten

Zusammenfassung

Der Sammelband enthält Beiträge einer interdisziplinären Ringvorlesung des Zentrums für Osteuropa-Studien an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, in denen aus fachlich sehr verschiedenen Perspektiven Geschlechterrollen im östlichen Europa in den Blick genommen werden. Das Spektrum reicht von rechtswissenschaftlichen, theologischen, historischen bis hin zu literaturwissenschaftlichen und linguistischen Ansätzen. Anhand derer wird das komplexe Verhältnis der Geschlechter im östlichen Europa in unterschiedlichen Epochen im ost-, west- und südslavischen Raum thematisiert.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort (Michael Düring)
  • Mann und Frau in Russland: ein gesellschaftliches Thema aus der Sicht des Rechts (Alexander Trunk)
  • Babuški und matuški – Das Frauenbild in der russischen Orthodoxie (Thomas Bremer)
  • Frauen im östlichen Christentum. Zur Entwicklung weiblicher Rollen in antiken und spätantiken Kirchenordnungen (Andreas Müller)
  • Gleichberechtigung unter Vorbehalt. Männer und Frauen bei Stiftung und Totengedenken in Altrussland (Ludwig Steindorff)
  • Von der Hausgenossenschaft zur sozialistischen Familie: Männer- und Frauenrollen bei den Südslawen im 19. und 20. Jahrhundert (Danijel Kežić)
  • Ein Mann, der nicht entscheiden können will – der tschechische Schriftsteller Karel Čapek zwischen Rollenklischees, Mutter, Vater, T.G. Masaryk und Olga Scheinpflugová (Michael Düring)
  • Grammatisches und natürliches Geschlecht im Russischen (Norbert Nübler)
  • Olga flucht nicht und Oleg tratscht nicht. Zur Rolle der Sprache beim Formen der Genderrollen am Beispiel der slavischen Sprachen (Petr Nádeníček)
  • Reihenübersicht

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Vorwort

Das Zentrum für Osteuropastudien der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel veranstaltet seit vielen Jahren Ringvorlesungen zu aktuellen, den ostmittel- und osteuropäischen Raum betreffenden Themen und ist bemüht, die für ein breiteres, nicht ausschließlich aus Wissenschaftler*innen bestehendes Publikum gehaltenen Vorträge in Sammelbänden zu veröffentlichen. Nun sind derartige Veröffentlichungen von verschiedenen Unwägbarkeiten abhängig, es geht immer um Fragen der Finanzierung, die Beiträge müssen rechtzeitig bei den Herausgeber*innen eingehen, sie müssen redigiert und gegengelesen sowie letztlich einem Verlag zur Verfügung gestellt werden. All diesen Aufgaben hat Frau Dr. Martina Thomsen sich bis zu ihrem Ausscheiden aus der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit großem Engagement gewidmet, aber die ihr bis zum Auslaufen ihres Vertrages verbleibende Zeit hat dann eben doch nicht gereicht, um den nun vorliegenden Band fertigzustellen. So geschah das, was oft genug geschieht, die Beiträge gerieten ein wenig in Vergessenheit.

Da aber nicht das Thema, das diese Beiträge verbindet, in Vergessenheit geriet, ganz im Gegenteil, die Entwicklungen der letzten Jahre, vor allem die #metoo-Debatte, belegen es, entstand im Frühjahr 2019 die Idee, die bislang eingegangenen Beiträge doch noch zu veröffentlichen, und zwar in der Gestalt, in der die Beiträger sie den Herausgeber*innen zur Verfügung gestellt haben, also die Fachspezifik und in gewisser Weise auch die „Mündlichkeit“ der Vorträge bewahrend. Auf diese Weise entsteht ein spannendes, auch einige Jahre nach Durchführung der Ringvorlesung „Frau sein – Mann sein. Geschlechterrollen im östlichen Europa“1 noch anregendes Panorama von – ausschließlich männlichen – Perspektiven auf Geschlechterrollen, das theologische, historische, juristische, linguistische sowie kultur- und literaturwissenschaftliche Themen vereint und dabei den west-, ost- und südslavischen Raum zusammenführt. Als Herausgeber ←7 | 8→bedanke ich mich bei den Kolleg*innen für ihre Mitarbeit an und Geduld bei der Endredaktion, bei Frau Dr. Martina Thomsen für die Vorbereitung des Materials und bei Anna-Maria Roth sowie Paul Scherer für ihre redaktionellen Mühen.

Michael Düring, Sommer 2020


1 Vgl. dazu https://www.zos.uni-kiel.de/de/rv-2012-2013: Frau sein - Mann sein. Geschlechterrollen im östlichen Europa.

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Alexander Trunk (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel)

Mann und Frau in Russland: ein
gesellschaftliches Thema aus der Sicht
des Rechts

Abstract: The article deals with the position of women and men in Russia from a legal perspective. The author concentrates upon women in Russian history and their relevance for the development of Russian law as well as with historical legal texts, contemporary sources of law, contemporary legal practice and statistics concerning the position of women and men in Russia. Last, but not least, the author presents an outlook on the further development of gender equality in Russia.

Die Stellung von Mann und Frau in der Gesellschaft ist in Russland, wie in allen Staaten der Welt, auch ein Thema des Rechts und rechtlicher Gestaltung. Die rechtliche Betrachtung eines Themengebiets nimmt ihren Ausgangspunkt üblicherweise bei der Verfassung eines Landes, dem höchsten innerstaatlichen Gesetzeswerk, dem meist auch die grundlegenden rechtlichen Wertungen zur Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens innerhalb des betreffenden Staates entnommen werden können.

Die wichtigste Vorschrift der russischen Verfassung vom 12. Dezember 19931 über die Rechtsstellung von Mann und Frau ist Art. 19 Abs. 3. Sie lautet: „Mann und Frau haben gleiche Rechte und Freiheiten und gleiche Möglichkeiten zu ihrer Verwirklichung.“ Art. 19 Abs. 3 befindet sich im Kapitel über die Grundrechte und ist eine spezielle Ausprägung des in Art. 19 Abs. 1 der Verfassung geregelten allgemeinen Gleichheitssatzes. Art. 19 Abs. 3 ist zwar, wie die Grundrechtsbestimmungen der russischen Verfassung allgemein, unmittelbar geltendes Recht, er bedarf aber der Konkretisierung durch die einfache Gesetzgebung und die Anwendungspraxis. Soweit Art. 19 Abs. 3 Mann und Frau „gleiche Möglichkeiten“ zur ←9 | 10→Verwirklichung ihrer Rechte zuspricht, ist darin sicher auch ein rechtspolitisches und gesellschaftliches Postulat enthalten.

Inwieweit Art. 19 Abs. 3 der Verfassung im heutigen russischen Recht und in der Rechtswirklichkeit umgesetzt wird, soll nachfolgend genauer betrachtet werden. Zu Beginn des Beitrags werfen wir jedoch einen Blick in die russische Geschichte.

1. Frauengestalten in der russischen Geschichte und ihre Bedeutung für das Rechtswesen

Eine der frühesten Frauengestalten in der russischen Geschichte ist die später von der orthodoxen Kirche kanonisierte Kiever Fürstin und Regentin Ol’ga (945–962), Gemahlin des zweiten Kiever Großfürsten Igor (912–945), des Sohnes des sagenhaften Gründers der Rjurikiden-Dynastie, Rjurik (ca. 830–879). Mit ihrem Namen sind einige für die frühe russische Geschichte wichtige Geschehnisse verbunden, die sich auch juristisch interpretieren lassen: die Taufe Ol’gas in Konstantinopel (955), die Aufnahme von Kontakten zum Ostfrankenreich unter König Otto I. und Reformen der Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen der Kiever Rus’.2

Die wichtigste politische Persönlichkeit der neueren russischen Geschichte ist ohne Zweifel die aus Anhalt-Zerbst stammende russische Zarin Katharina II. (1762–1796), Vertreterin des aufgeklärten Absolutismus, Brieffreundin von Voltaire und anderer Aufklärer, Reformatorin nach innen, aber auch Verfechterin russischen Herrschaftsstrebens nach außen (Teilungen Polens, Eroberung der Krim und der heutigen Südukraine etc.). Für Juristen verbindet sich der Name von Katharina II. insbesondere mit der so genannten Großen Instruktion aus dem Jahr 1767, mit der eine ←10 | 11→umfassende Kodifizierung und Modernisierung des russischen Rechts eingeleitet werden sollte.3

Zieht man die geschichtliche Linie weiter, tritt eine ganze Reihe bedeutender russischer Frauen in den Blick, deren Leben und Wirken auch aus rechtlicher Perspektive Türen aufgestoßen hat. Wohl an erster Stelle zu nennen ist die russische Mathematikerin Sof’ja Kovalevskaja (1850–1891), die sich unter äußerst schwierigen persönlichen Verhältnissen zu einer Zeit, in der Frauen eine wissenschaftliche Laufbahn kaum möglich war, die Promotion an der Universität Göttingen und eine Professur an der Universität Stockholm erkämpfte. Nach ihr ist der Sofja Kovalevskaja-Preis der Alexander von Humboldt-Stiftung, einer der bedeutendsten deutschen Forschungspreise, benannt.4

Details

Seiten
160
Jahr
2020
ISBN (PDF)
9783631824306
ISBN (ePUB)
9783631824313
ISBN (MOBI)
9783631824320
ISBN (Hardcover)
9783631821855
DOI
10.3726/b17057
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (August)
Schlagworte
Östliches Europa Geschlechterverhältnisse Russische Geschichte Slavische Sprachen Russisches Recht Tschechische Literaturgeschichte
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2020. 160 S., 6 s/w Abb., 11 Tab.

Biographische Angaben

Michael Düring (Band-Herausgeber:in)

Michael Düring ist Professor am Institut für Slavistik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Autor zahlreicher Veröffentlichungen zur polnischen, russischen und tschechischen Literatur, vor allem des 20. Jahrhunderts.

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