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Korruption und Compliance im Sport

Gegenstand, Umfang und Folgen der Korruptionspräventionspflicht im Sportverein

von Marie Vaudlet (Autor:in)
©2021 Dissertation 286 Seiten

Zusammenfassung

Der Sport besitzt in der Gesellschaft eine herausragende Bedeutung, wodurch der sportliche Wettkampf auch zunehmend einen erheblichen Wirtschaftsfaktor darstellt. Hierdurch verstärken sich gleichzeitig die Risiken einer strafbaren Manipulation dieses Wettbewerbs, bspw. durch Doping oder Matchfixing. Gleichwohl spielt das Thema Compliance im Vereinsrecht bislang noch eine eher untergeordnete Rolle. Die Arbeit stellt die sportspezifischen, strafrechtlichen Risiken eines Sportvereins dar, deren Analyse die Grundlage der Präventionsarbeit bildet, und zeigt konkrete Maßnahmen zur Erfüllung der Präventionspflicht auf. Zudem werden die möglichen straf-, zivil- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Folgen einer mangelhaften oder fehlenden Ausübung dieser Pflicht beschrieben.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • A. Einleitung
  • B. Begriffsbestimmungen
  • I. Vereinsrechtliche Grundlagen
  • 1. Verein
  • a. Satzung
  • b. Organe
  • aa. Mitgliederversammlung
  • bb. Gesetzlicher Vorstand
  • cc. Fakultative Vereinsorgane
  • c. Mitgliedschaft
  • d. Finanzierung
  • 2. Verband
  • 3. Vereinsverband
  • 4. Vereinsformen
  • a. Rechtsfähige und nichtrechtsfähige Vereine
  • b. Nichtwirtschaftliche und wirtschaftliche Vereine
  • II. Korruptionsrechtliche Bestimmungen
  • 1. Doping
  • 2. Matchfixing
  • 3. Vergabesachen
  • 4. Sponsoring und Hospitality
  • a. Sponsoring
  • b. Hospitality
  • C. Strafbarkeit korruptiven Verhaltens von Vereinsmitgliedern und -mitarbeitern
  • I. Doping
  • 1. Verstoß gegen korruptionsrechtliche Normen
  • a. AntiDopG
  • aa. Eigendoping
  • (1) Täterkreis
  • (2) Tathandlungen
  • (3) Allgemeine Voraussetzungen
  • bb. Fremddoping
  • (1) Grundtatbestand, § 4 Abs. 1 Nr. 2 AntiDopG
  • (2) Qualifikationen, § 4 Abs. 4 AntiDopG
  • cc. Handlungen zum Zwecke des Dopings
  • b. StGB
  • 2. Verstoß gegen Vorschriften außerhalb des Korruptionsstrafrechts
  • a. BtMG und AMG
  • b. StGB
  • aa. Fremddoping
  • (1) Vorsätzliche Körperverletzungsdelikte, §§ 223 – 227 StGB
  • (2) Fahrlässige Körperverletzung, § 229 StGB
  • (3) Einwilligung
  • bb. Handlungen im Umfeld des Dopings
  • 3. Ergebnis
  • II. Matchfixing
  • 1. Wettbezogenes Matchfixing
  • a. § 265c StGB
  • aa. Täterkreis
  • bb. Tathandlungen
  • cc. Unrechtsvereinbarung
  • dd. Besonders schwerer Fall, § 265e StGB
  • b. § 263 StGB
  • 2. Nicht wettbezogenes Matchfixing
  • a. § 265d StGB
  • b. § 266 StGB
  • 3. Ergebnis
  • III. Vergabesachen
  • 1. § 299 StGB
  • 2. § 266 StGB
  • 3. Ergebnis
  • IV. Sponsoring und Hospitality
  • 1. Sponsoring
  • 2. Hospitality
  • 3. Ergebnis
  • D. Sanktionsmöglichkeiten gegen Sportvereine
  • I. Voraussetzungen des Gesetzes zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten
  • 1. Doping
  • 2. Matchfixing
  • 3. Vergabesachen
  • 4. Sponsoring und Hospitality
  • II. Folgen einer Verantwortlichkeit
  • E. Verhinderung von strafbarem Handeln im Sportverein und -verband
  • I. Begriffsbestimmung Compliance
  • II. Compliance-Pflicht
  • 1. Analogie aus aktienrechtlichen Vorschriften
  • a. DCGK
  • b. Aktiengesetz
  • 2. § 27 Abs. 3 BGB
  • 3. Ergebnis
  • III. Übertragbarkeit der Compliance-Pflicht
  • IV. Reichweite der Compliance-Verantwortung
  • 1. Personelle Reichweite
  • 2. Gesellschaftsrechtliche Reichweite
  • V. Ausgestaltung der Compliance-Pflicht
  • 1. Gesetzliche Regelung
  • 2. Inhaltliche Ausgestaltung
  • a. Compliance-Vorgaben für Unternehmen
  • b. Vereins- und verbandsrechtliche Besonderheiten
  • aa. Maßnahmen für sämtliche Vereine und Verbände
  • (1) Regelwerke
  • (2) Tax-Compliance
  • bb. Maßnahmen für sämtliche Vereine
  • (1) Arbeitsvertragliche Maßnahmen
  • (2) Aufklärung
  • (a) Gesundheitsrisiken
  • (b) Strafrechtliches Risiko
  • (c) Arbeitsrechtliche Konsequenzen
  • cc. Spezielle Maßnahmen für wirtschaftlich tätige Vereine und Verbände
  • (1) Regelwerke
  • (a) Corporate Social Responsibility
  • (b) „Business-Partner-Check“
  • (2) Überwachungsmaßnahmen
  • (3) Kartellrechtliche Maßnahmen
  • (4) Maßnahmen zur Aufdeckung
  • (a) Hinweisgebersystem
  • (b) Ombudsmann
  • (5) Compliance-Beauftragter
  • c. Ergebnis
  • F. Konsequenzen der Nichtbeachtung der Compliance-Pflicht
  • I. Strafrechtliche Verantwortlichkeit des Compliance-Pflichtigen
  • 1. Garantenstellung
  • a. Compliance-Pflichtiger als Mitglied von Vorstand oder Geschäftsführung
  • aa. Herleitung der strafrechtlichen Geschäftsherrenhaftung
  • bb. Umfang der strafrechtlichen Geschäftsherrenhaftung
  • b. Delegation an einen Compliance-Beauftragten außerhalb des Vorstands
  • c. Compliance-Beauftragter qua Vertrag
  • d. Garantenpflicht des Vorstands trotz Delegation bzw. vertraglicher Übernahme
  • 2. Garantenpflicht bei Tätigkeitsdelikten
  • 3. Aufgaben des Compliance-Pflichtigen als Garant
  • 4. Kausalität und Vorsatz
  • II. Zivilrechtliche Haftung
  • 1. Schadenersatzpflicht des Compliance-Pflichtigen wegen mangelhafter Compliance-Organisation
  • a. Haftung im Außenverhältnis
  • b. Haftung im Innenverhältnis
  • aa. Pflichtverletzung
  • (1) Anwendbarkeit der Business Judgment Rule auf den Verein
  • (2) Anwendbarkeit der Business Judgment Rule auf den Compliance-Beauftragten
  • (3) Voraussetzungen der Business Judgment Rule
  • bb. Verschulden
  • (1) Haftungsprivilegierung aus § 31a BGB
  • (2) Haftungsprivilegierung per Satzung
  • cc. Beweislast
  • dd. Schaden
  • 2. Schadenersatzpflicht des Vorstands wegen mangelhafter Aufsichtsmaßnahmen
  • a. Compliance-Pflichtiger als Vorstandsmitglied
  • b. Compliance-Beauftragter als besonderer Vertreter, § 30 BGB
  • c. Haftungsgrundlagen
  • aa. §§ 27 Abs. 3, 664 ff. i.V.m. § 280 BGB
  • bb. §§ 831 i.V.m. 823 Abs. 2 BGB
  • cc. Haftungsaufteilung
  • 3. Schadenersatzpflicht des Vereins
  • III. Ordnungswidrigkeitenrechtliche Haftung
  • 1. Haftung des Vereins nach § 30 OWiG i.V.m. § 130 OWiG
  • 2. Haftung des Compliance-Pflichtigen
  • IV. Arbeitsrechtliche Folgen
  • G. Zusammenfassung
  • Literaturverzeichnis
  • Webquellen

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A. Einleitung

Die Schlagzeilen über korruptive Handlungsweisen im Sport waren zuletzt weltweit groß: Systematisches Doping unter staatlicher Aufsicht in Russland1 oder der Vorwurf der Bestechung im Zusammenhang mit der Vergabe der Fußball Weltmeisterschaft der Männer 2022 an Katar2 sind hierfür nur zwei Beispiele. Auch in Deutschland richtet sich der Fokus der Berichterstattung vermehrt auf Fälle korruptiven Verhaltens in Sportvereinen und -verbänden.3 Zu nennen sind hier nachgewiesene Beeinflussungen einer großen Anzahl von Fußballspielen durch Schiedsrichter,4 Koppelungsgeschäfte von Sponsoren mit Sportmannschaften5 oder die Verquickung von sportlichen Wettkämpfen mit Wirtschaft oder Politik.6 Die Vorwürfe beinhalten hierbei zumeist dieselben Delikte: Doping, Matchfixing, Vergabesachen, Sponsoring und Hospitality. Die handelnden Akteure eines Sportvereins variieren dabei zwischen aktiven Sportlern, die gedopt an einem Wettkampf teilnehmen, Trainern, die durch ihre Taktik absichtlich ein Spiel verschieben, und Funktionären, die sich bestechen lassen.

Durch die Vornahme dieser Straftaten setzen sich die Täter nicht nur einer eigenen strafrechtlichen Verfolgung aus, sondern bringen auch den Sportverein bei einer Aufdeckung der Tat in die Gefahr empfindlicher Sanktionen. Neben Geldzahlungen aus straf-, zivil- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfahren steht zudem ein enormer Reputationsverlust bevor, der dem Sportverein nicht nur ein schlechtes Image in der Presse einbringt, sondern auch zu schwindenden Mitgliederzahlen, nachlassenden Zuschauerzahlen, zurückgehenden Verkäufen ←13 | 14→von Merchandising-Artikeln und somit letztlich zu einem Umsatzverlust führt. Um diesen Gefahren zuvorkommen und die Reputation und das Vermögen des Vereins schützen zu können, ist es erforderlich, entsprechende Maßnahmen zur Prävention zu implementieren.

Gleichwohl spielt das Thema Compliance – anders als im Bereich der Kapitalgesellschaften – im Vereinsrecht bislang noch eine eher untergeordnete Rolle. Dabei kommt insb. Sportvereinen nicht nur in der Gesellschaft und Politik, sondern auch zunehmend in der Wirtschaft durchaus eine übergeordnete Rolle zu. Über 600.000 Vereine sind in den Vereinsregistern der zuständigen Amtsgerichte eingetragen,7 15%8 hiervon sind Sportvereine mit schätzungsweise 27 Millionen9 Sportlern als Mitgliedern. Die Politik attestiert dem Sport ein hohes Integrationspotential, wodurch die Begegnung von Menschen unterschiedlicher sozialer oder kultureller Herkunft gefördert und Werte wie Fair Play, Regelakzeptanz und Teamgeist vermittelt werden können.10 Um diesen Werten gebührend Geltung zu verschaffen, wird bereits seit langem darüber diskutiert, ob der Sport als eigenes Staatsziel in die Verfassung aufzunehmen sei.11 Bisweilen tritt der Staat durch seine Sportförderung den Sportvereinen unterstützend zur Seite, die sich nicht oder nicht vollständig aus eigenen Mitteln finanzieren können.12 Durch diese Wertschätzung stellt der Sportsektor daher zunehmend einen erheblichen Zweig in der Wirtschaft dar.13 Durch den Verkauf von Eintrittskarten für ←14 | 15→Sportveranstaltungen, Merchandising-Programme, Sportsponsoring oder die Vermarktung von Übertragungsrechten können Sportvereine und -verbände immense Einnahmen erzielen. So verbuchte bspw. die FIFA Fußball Weltmeisterschaft der Männer in Brasilien 2014 einen Gesamtertrag von USD 5718 Millionen, nach Abzug des Gesamtaufwands blieb ein Reingewinn von USD 338 Millionen.14

Insb. diese wirtschaftliche Bedeutung gepaart mit den bestehenden (strafrechtlichen) Gefahren wirft die Frage auf, in welchem Umfang Sportvereine angehalten sind, zum Schutz entsprechende präventive Maßnahmen einzurichten. Hiermit beschäftigt sich die folgende Arbeit. Grundlage einer erfolgreichen Einleitung präventiver Schritte ist dabei das Sich-vergegenwärtigen der für den Sportverein bestehenden Gefahren. Diese Arbeit beschränkt sich dabei auf die (sportspezifischen) strafrechtlichen Risiken. Erst wenn der Gegenstand der Präventionsarbeit bekannt ist, können hierzu zielführende Maßnahmen ergriffen werden. Daher liegt ein Schwerpunkt dieser Arbeit in einer entsprechenden Bestimmung. Nach einer kurzen Begriffsbestimmung (unter B) werden die in Betracht kommenden korruptiven Handlungsweisen des Dopings, Matchfixings, der Vergabesachen, des Sponsorings und der Hospitality dargestellt und strafrechtlich bewertet (unter C). Im Anschluss wird zudem eine Verantwortlichkeit des Sportvereins in Betracht gezogen (unter D). Ist der Gegenstand der Präventionsarbeit bekannt, ist sodann zu entscheiden, welche konkreten Maßnahmen der Sportverein ergreifen kann, um die genannten Gefahren zu verhindern (unter E). Dabei ist zuvorderst der Frage nachzugehen, ob den Sportverein eine Präventionspflicht trifft und welchen Inhalt eine solche Pflicht innehaben kann. Sodann ist zu untersuchen, welche Folgen eintreten, wenn dieser Pflicht nicht nachgekommen wird (unter F). Hier kommen neben einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit, zivilrechtlichen und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Haftung auch arbeitsrechtliche Folgen in Betracht. Die Arbeit endet mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse (unter G).


1 Vgl. hierzu den McLaren Independent Investigation Report – Part I, https://www.wada-ama.org/sites/default/files/resources/files/20160718_ip_report_newfinal.pdf (letzter Abruf am 01.10.2020) und Part II, https://www.wada-ama.org/sites/default/files/resources/files/mclaren_report_part_ii_2.pdf (letzter Abruf am 01.10.2020).

2 Vgl. hierzu den Garcia Report on the inquiry into the 2018/2022 FIFA World Cup bidding process, https://img.fifa.com/image/upload/wnr43dgn3yysafypuq8r.pdf (letzter Abruf am 01.10.2020).

3 Beide Sportvereinigungen weisen dieselbe Rechtsform auf, siehe hierzu Kapitel B, I, 3. Daher beziehen sich sämtliche Ausführungen zum Sportverein grds. auch auf den Sportverband. Explizite Anmerkungen zum Sportverband erfolgen nur dann, wenn Abweichungen zu den Ausführungen zum Sportverein vorliegen.

4 Vgl. hierzu LG Berlin, BeckRS 2006, 5289 und Kapitel C, II.

5 Siehe hierzu Kapitel C, IV, 1.

6 Vgl. hierzu BGHSt 53, 6 = NJW 2008, 3580 (Fall EnBW) und Kapitel C, IV, 2.

7 Im Jahr 2018 waren es 607.995, vgl. die „Zusammenstellung der Geschäftsübersichten der Amtsgerichte für die Jahre 1995 bis 2018“ des Bundesamtes der Justiz.

8 Der 14. Sportbericht der Bundesregierung aus 2019 spricht von rund 91.000 Sportvereinen, vgl. BT-Drs. 19/9150, S. 125.

9 Vgl. BT-Drs. 19/9150, S. 125.

10 BT-Drs. 19/9150, S. 15, 125.

11 Vgl. das Positionspapier des DOSB aus 2006, https://cdn.dosb.de/user_upload/www.dosb.de/uber_uns/Grundsatzpapiere/Staatsziel-Sport.pdf (letzter Abruf am 01.10.2020); den Antrag der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 17/6152; den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD, BT-Drs. 17/10644. Zur aktuellen Bewertung vgl. die Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, WD 10 – 3000 – 069/18.

12 Der Haushaltsetat für 2020 legt den Sportetat auf ca. 279 Millionen EUR fest, vgl. den Bundeshaushaltsplan 2020 – Einzelplan 06 – des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat, S. 16, https://www.bundeshaushalt.de/fileadmin/de.bundeshaushalt/content_de/dokumente/2020/soll/Epl_Gesamt_mit_HG_und_Vorspann.pdf (letzter Abruf am 01.10.2020).

13 Der Sport trägt mit ca. 70 Milliarden EUR zum gesamtwirtschaftlichen Bruttoinlandsprodukt bei, das entspricht einem Anteil von ca. 2,3%, vgl. hierzu die Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Textsammlungen/Branchenfokus/Wirtschaft/branchenfokus-sportwirtschaft.html (letzter Abruf am 01.10.2020).

14 Vgl. den FIFA Finanz Bericht 2014, S. 18.

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B. Begriffsbestimmungen

Zum besseren Verständnis werden die im Weiteren verwendeten Begrifflichkeiten im Folgenden erläutert.

I. Vereinsrechtliche Grundlagen

1. Verein

Der Verein stellt die Urform aller rechtsfähigen juristischen Personen des Zivilrechts dar.15 Eine Legaldefinition des zivilrechtlichen Vereinsbegriffs besteht gleichwohl nicht.16 Die Voraussetzungen eines Vereins sind jedoch durch die herrschende Auffassung festgelegt und beinhalten „eine auf Dauer berechnete Verbindung einer größeren Anzahl von Personen17 zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks, die nach ihrer Satzung körperschaftlich organisiert ist, einen Gesamtnamen führt und auf einen wechselnden Mitgliederbestand angelegt ist.“18 Im Sportbereich wird der Begriff des „Sportvereins“ dabei nicht nur für Vereine benutzt, die den genannten Voraussetzungen entsprechen. Ebenfalls unterfallen hierunter umgangssprachlich die Vereine, die als Profiabteilung ihres Vereins ausgegliedert und als Kapitalgesellschaften organisiert sind.19 Im Folgenden wird unter dem Begriff „Verein“ daher lediglich der auch so organisierte verstanden.

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a. Satzung

Aus der Vereinsautonomie aus Art. 9 Abs. 1 GG leitet sich das Recht zur freien Wahl der Organisationsform ab, welche auch die freie Gestaltung einer Satzung beinhaltet.20 Vereinsrechtlich regelt § 25 BGB das Recht zur Implementierung einer eigenen Vereinssatzung. Diese kann in vielen Punkten von den gesetzlichen Vorgaben der §§ 26 ff. BGB abweichen, § 40 BGB. Grds. beinhaltet die Satzung als Teil der Vereinsverfassung sämtliche wesentliche Grundentscheidungen, welche für das Vereinsleben entscheidend sind.21 Hierzu gehören neben dem Namen, Zweck und Sitz des Vereins22 auch Regelungen über die Mitgliedschaft, Aufgaben und Tätigkeiten der Vereinsorgane und deren Zusammensetzung, die Berufung der Mitgliederversammlung und die Beitragspflicht.23 Im Übrigen regeln die §§ 26 ff. BGB weitere wichtige Punkte der Vereinsverfassung. Darüber hinaus bestimmen sich die weiteren Grundentscheidungen nach den Besonderheiten des jeweiligen Vereins.24 Dies kann bspw. der Umfang von Vereinsgewalt oder die Vermögensverwaltung sein.25 § 57 Abs. 1 BGB schreibt zudem vor, dass sich aus der Satzung ergeben muss, dass der Verein eingetragen werden soll.

Bei der Vereinssatzung handelt es sich um einen Vertrag26, der durch die Gründer des Vereins aufgesetzt wird.27 Hierbei werden jedoch nicht die persönlichen Interessen der Gründer festgehalten; vielmehr besteht die Satzung ←18 | 19→als Teil der Verfassung und dient lediglich dem Wohl und Interesse des gesamten Vereins, somit der Verfolgung des Vereinszwecks und dem Interesse seiner Mitglieder.28

Der Vereinszweck bestimmt die „große Linie (…), um derentwillen sich die Mitglieder zusammengeschlossen haben“ und stellt den „Charakter eines Vereins“ dar.29 Jegliche Entscheidungen von Vereinsorganen, die im Widerspruch zum Vereinszweck stehen, sind unwirksam.30 Aufgrund des Vereinszwecks fällt auch die Entscheidung zwischen nichtwirtschaftlichen und wirtschaftlichen Vereinen.31

Jedes Mitglied, das dem Verein beitritt, ist an die Satzung gebunden, unabhängig davon, ob ihm der Inhalt der Satzung bekannt ist.32 Dies gilt jedoch zuvorderst nur für die Satzung des Vereins, in dem der Sportler unmittelbares Mitglied ist. Die Satzung eines übergeordneten Vereinsverbands richtet sich dem Grunde nach nur an die einzelnen Mitgliedsvereine.33 Eine darüber hinaus gehende Geltung auch für die Einzelmitglieder kann nur dann erfolgen, wenn der Vereinsverband in seiner Satzung deutlich macht, welche Regeln auch für die Einzelmitglieder gelten sollen und darüber hinaus die Satzung des Mitgliedsvereins einen entsprechenden Verweis und den Hinweis auf die Verbindlichkeit der Mitglieder beinhaltet.34 Besteht eine solche Verankerung nicht, kann der Sportler sich nur vertraglich der Satzung des Dachverbands unterwerfen.35

b. Organe

Die Pflichtorgane des Vereins sind die Gesamtheit der Mitglieder (Mitgliederversammlung), § 32 Abs. 1 S. 1 BGB und der gesetzliche Vorstand, § 26 Abs. 1 S. 1 BGB.

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aa. Mitgliederversammlung

Die Mitgliederversammlung als Zusammenschluss der Gesamtheit der Mitglieder des Vereins stellt das oberste Vereinsorgan dar.36 Gem. § 32 Abs. 1 S. 1 BGB werden alle Angelegenheiten des Vereins, soweit nicht anders geregelt, durch Beschlussfassung der Mitgliederversammlung geordnet.

Die Aufgaben der Mitgliederversammlung bestehen insb. aus der Bestellung des Vorstands, § 27 Abs. 1 BGB, der Vornahme von Satzungsänderungen, § 33 BGB, und der Beaufsichtigung und Entlastung der Vereinsorgane.37 Soll der Verein aufgelöst werden, erhält die Mitgliederversammlung das Recht hierzu aus § 41 BGB. Im Verhältnis zum gesetzlichen Vorstand ist die Mitgliederversammlung weisungsbefugt, §§ 32, 27 Abs. 3 i.V.m. 665 BGB.

Die Vorschrift des § 32 BGB fällt unter die abdingbaren Vorschriften des § 40 BGB. Durch Satzung können die Rechte der Mitgliederversammlung somit beschränkt oder auf andere Vereinsorgane übertragen werden.38 Da es sich bei der Mitgliederversammlung um ein Pflichtorgan des Vereins handelt, können die Rechte jedoch nicht ausschließlich von anderen Organen ausgeübt werden. Eine Grenze ist dann überschritten, „wenn die Geschicke des Vereins in jeder Hinsicht praktisch ausschließlich von bestimmten Mitgliedern gestaltet werden, auf deren Bestellung und Kontrolle die übrigen Mitglieder keinen Einfluss haben.“39

Die Mitgliederversammlung kommt in den Fällen zusammen, die in der Satzung (§ 58 Nr. 4 BGB) festgeschrieben sind oder dann, wenn das Interesse des Vereins es erfordert, § 36 BGB.40

Die Beschlussfassung hat nach § 32 Abs. 1 BGB in der Versammlung der Mitglieder zu erfolgen. Erforderlich nach § 32 Abs. 1 S. 3 BGB ist hierbei die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Ausnahmsweise kann nach § 32 Abs. 2 BGB auch ohne Versammlung ein Beschluss gefasst werden; der Beschluss ist jedoch nur dann gültig, wenn – abweichend von Absatz 1 – alle Mitglieder ihre Zustimmung zu dem Beschluss schriftlich41 ←20 | 21→erklären.42

bb. Gesetzlicher Vorstand

§ 26 Abs. 1 S. 1 BGB schreibt vor, dass der Verein einen Vorstand haben muss. Regelungen über die Bildung des Vorstands sollen in der Satzung enthalten sein, § 58 Nr. 3 BGB. Liegen keine entsprechenden Ausführungen vor, so besteht der Vorstand aus einer Person.43 Es besteht jedoch die Möglichkeit, den Vorstand mit mehreren Personen zu besetzten, §§ 26 Abs. 2 S. 1, 28 BGB. Das von § 26 Abs. 2 S. 1 BGB vorgegebene Mehrheitsprinzip ist dabei gem. § 40 BGB satzungsdispositiv und berechtigt den Vereinsvorstand, eine Aufteilung der Geschäftsführungsaufgaben nach Sachgebieten vorzunehmen.44

Der gesetzliche Vorstand eines Vereins wird gem. § 27 Abs. 1 BGB45 von der Mitgliederversammlung gewählt und untersteht grds. deren Weisungsrecht,46 insb. bei risikobehafteten und besonders bedeutsamen Geschäften.47 Darüber hinaus muss der Vorstand gegenüber der Mitgliederversammlung mehreren Informationspflichten nachkommen, die sich durch den Verweis in § 27 Abs. 3 BGB aus § 666 BGB ergeben. Umfasst sind hier die Berichtspflicht, Auskunftspflicht und Rechenschaftspflicht.48

Die Aufgaben des gesetzlichen Vorstands umfassen die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung des Vereins, § 26 Abs. 1 S. 2 BGB. Grds. fällt dem Vorstand die Geschäftsführung zu, § 27 Abs. 3 BGB.49 Hiervon kann jedoch nach § 40 BGB durch eine entsprechende Satzungsbestimmung abgewichen werden.

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Das Gesetz sieht in § 27 Abs. 3 S. 2 BGB vor, dass die Mitglieder des Vorstands unentgeltlich tätig sind. Ein Anspruch auf Aufwendungsersatz ergibt sich über § 27 Abs. 3 S. 1 BGB aus § 670 BGB.50 Trotz dieser Regelung kann zwischen Verein und Vorstand auch eine Vergütung vereinbart werden. Das ergibt sich zum einen aus § 40 BGB, der § 27 Abs. 3 BGB als abdingbare Vorschrift einordnet. Zum anderen spricht § 27 Abs. 2 S. 1 BGB von einer „vertraglichen Vergütung“. Ist in der Satzung die Möglichkeit einer Vergütung des Vorstands enthalten, so kann der Vorstand für seine Arbeit entlohnt werden.51 Der Anstellungsvertrag, aus dem sich der Anspruch auf Entlohnung ergibt, ist dann ein Dienstvertrag in Form eines Geschäftsbesorgungsvertrages, §§ 675, 611 ff. BGB.52

cc. Fakultative Vereinsorgane

Es besteht die Möglichkeit, durch Satzung53 weitere, sog. fakultative Vereinsorgane zu schaffen, § 32 Abs. 1 S. 1 BGB. Diese „anderen Vereinsorgane“ können insb. besondere Vertreter i.S.v. § 30 BGB sein. Der besondere Vertreter wird i.d.R. in einem Dienstverhältnis zum Verein stehen. Seine Bestellung erfolgt grds. gem. § 27 BGB analog54 durch die Mitgliederversammlung.55 Die Satzung kann jedoch regeln, dass der Vorstand diese Aufgabe wahrnimmt.56

Die Rechtsstellung des besonderen Vertreters leitete sich nicht vom Vorstand ab, vielmehr wird ihm ein eigener Tätigkeitsbereich zugeteilt, dessen Aufgaben er eigenverantwortlich nachzukommen hat.57 Über diesen Bereich erstreckt sich nach § 30 S. 2 BGB die Vertretungsmacht des besonderen Vertreters.

§ 30 S. 1 BGB sieht vor, dass der besondere Vertreter für „gewisse Geschäfte“ zu bestellen ist. Umstritten ist hierbei, welchen Inhalt diese Geschäfte aufweisen dürfen. Es wird vertreten, dass der Wortlaut vorgäbe, dem besonderen Vertreter ←22 | 23→dürfen nur einzelne, konkretisierte Aufgaben übertragen werden58 wie z.B. Personalangelegenheiten. Zudem würde sich aus dem Sinn und Zweck der Norm ableiten, dass der Aufgabenbereich des besonderen Vertreters im Vergleich zu dem des gesetzlichen Vorstands eingeschränkt sein müsse.59 Hier kann entgegengehalten werden, dass das Wortlautargument auch umgekehrt werden kann. Die Rechtsprechung führt hierzu aus, dass der Begriff der „gewissen“ Geschäfte nur vorschreibe, dass konkret bestimmt sein müsse, für welche Aufgaben der besondere Vertreter zuständig sei. Es stehe dem Wortlaut nicht entgegen, dass mit „gewissen“ Geschäften alle Geschäfte gemeint seien.60 Der besondere Vertreter sei berechtigt, sämtliche Geschäfte der laufenden Verwaltung zu übernehmen.61 Dieser Ansicht ist zuzustimmen. § 40 BGB sieht die Geschäftsführung des Vorstands aus § 27 Abs. 3 S. 1 BGB als abdingbare Vorschrift an. Somit besteht die Möglichkeit, auch die gesamte Geschäftsführung zu übertragen.62 Eine Ausnahme besteht nur für die Aufgaben, die zwingend dem gesetzlichen Vorstand zugeschrieben sind.63 Dem Argument der lediglich untergeordneten Aufgabenwahrnehmung des besonderen Vertreters kann entgegen gehalten werden, dass § 30 BGB vorsieht, dass der besondere Vertreter „neben“ den gesetzlichen Vorstand zu bestellen ist. Ein Über-Unter-Verhältnis wird hierdurch nicht vorgeschrieben. I.E. können dem besonderen Vertreter somit sämtliche Aufgaben des gesetzlichen Vorstands, wie bspw. die Ausübung der Compliance-Pflicht,64 übertragen werden. Diese sind dann in der Satzung festzuhalten.

Details

Seiten
286
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783631844489
ISBN (ePUB)
9783631844496
ISBN (MOBI)
9783631844502
ISBN (Hardcover)
9783631837153
DOI
10.3726/b17935
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Februar)
Schlagworte
Doping Sponsoring Leitungspflicht Compliance-Maßnahmen Haftungsprivilegierung Compliance-Pflichtiger Geschäftsherrenhaftung Compliance-Pflicht Hospitality Matchfixing
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 286 S.

Biographische Angaben

Marie Vaudlet (Autor:in)

Marie Vaudlet studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bremen. Im Anschluss an ihr Referendariat in Bremen und Berlin belegte sie ein Weiterbildungsstudium im Sportrecht an der Fernuniversität Hagen. Sie arbeitete als Wissenschaftliche Mitarbeiterin mit einem Fokus auf wirtschaftsstrafrechtlichen und sportstrafrechtlichen Projekten an der Leibniz Universität Hannover und der Freien Universität Berlin, wo auch ihre Promotion erfolgte.

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