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Die Spuren der Zehn Gebote in der Landesverfassung Nordrhein-Westfalens

von Laura Schwarz (Autor:in)
©2021 Dissertation 266 Seiten

Zusammenfassung

Auf Grund des Umstands, dass das Land Nordrhein-Westfalen in der politischen Farbenlehre nicht selten dem linken Lager zugeordnet und als „SPD-Stammland" bezeichnet wird, drängt sich die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen nicht eben auf, wenn man fragt oder fragen will, ob sie Spuren der Zehn Gebote enthält. Und doch ist bei genauerer Betrachtung erkennbar, dass der Ansatz gar nicht so fernliegend ist. Denn die Landesverfassung verdankt sich einem streitigen Mehrheitsbeschluss von Union und Zentrum und stellt sich als eine Verfassungsurkunde heraus, die in der Sache der Religion wie den Religionsgemeinschaften ähnlich viel Raum einräumt wie diejenigen aus dem süddeutschen Raum.
Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, in welchem Maße die nordrhein-westfälische Landesverfassung in ihrer heutigen Form noch Spuren der Zehn Gebote aufweist und an welchen Stellen sich die Landesverfassung in kritischer Dissonanz zu den Zehn Geboten wiederfindet. Dabei wird das Verhältnis von Staat und Kirche im Zeitpunkt der Entstehung der Landesverfassung umfassend analysiert und untersucht, welchen Einfluss die Kirchen im Entstehungsprozess der Landesverfassung Nordrhein-Westfalens im 20. Jahrhundert hatten. Darüber hinaus erfolgt eine Gesamtbewertung, die sich mit dem historischen Kontext der Zehn Gebote des Dekalogs befasst.

Inhaltsverzeichnis


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Abkürzungsverzeichnis

a. A. andere(r) Ansicht

ebda. ebenda

abgedr. abgedruckt

ABl. Amtsblätter

Abs. Absatz

a. F. alte Fassung

Alt. Alternative

Am Amos

Anm. Anmerkung

AöR Archiv des öffentlichen Rechts

Apg Apostelgeschichte

Art. Artikel

Beschl. Beschluss

BGB Bürgerliches Gesetzbuch

BT Bundestag

BVerfG Bundesverfassungsgericht

BVerfGE Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

BVerwGE Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

bzgl. bezüglich

bzw. beziehungsweise

Capit. Capitularia regum Francorum

CDU Christliche Demokratische Union Deutschlands

CIC Codex Iuris Canonici, 1983

CSU Christliche-​Soziale Union in Bayern

d. h. das heißt

DP Deutsche Partei

Drs. Drucksache

Dtn Deuteronomium

DZP Deutsche Zentrumspartei

etc. et cetera

Ex Exodus

f. folgend(e)

FeiertagsG NW Feiertagsgesetz Nordrhein-​Westfalen

ff. folgende

Fn. Fußnote

←17 | 18→ Gen Genesis

GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949

ggfs. gegebenenfalls

Hos Hosea

Hrsg. Herausgeber

i. V. m. in Verbindung mit

JA Juristische Arbeitsblätter

Jes Jesaja

JöR Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart

Jos Josua

Jura Juristische Ausbildung

JZ Juristenzeitung

KJ Kritische Justiz

Klgl Klagelieder

KPD Kommunistische Partei Deutschlands

KritV Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft

KuR Kirche und Recht

Lev Levitikus

LÖG Ladenöffnungsgesetz

LV NW Landesverfassung Nordrhein-​Westfalen

MedR Medizinrecht

MGH Monumenta Germaniae Historica

Mk Markus

m. w. N mit weiteren Nachweisen

NJW Neue Juristische Wochenzeitschrift

n. F. neue Fassung

Nr. Nummer

NRW Nordrhein-​Westfalen

Num Numeri

NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NWVBl. Nordrhein-​Westfälische Verwaltungsblätter. Zeitschrift für öffentliches Recht und öffentliche Verwaltung

n. F. neue Fassung

OVG Oberverwaltungsgericht

Prv Sprichwörter (Proverbia)

Ps Psalm(en)

RGBl. Reichsgesetzblatt

←18 | 19→ RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

Ri Richter

Rn. Randnummer

S. Satz, Sätze, Seite(n)

Sir Sirach

sog. sogenannte(n)

Sp. Spalte

SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands

st. strittige Rechtsprechung

std. Rspr. ständige Rechtsprechung

StGB Strafgesetzbuch

u. a. unter anderem

U. S. United States (Court of Appeals for the Fifth Circuit)

v. vom

v. a. vor allem

v. Chr. vor Christus

VG Verwaltungsgericht

vgl. vergleiche

WRV Verfassung des Deutschen Reiches vom 11.8.1819 (Weimarer Reichsverfassung)

ZAR Zeitschrift für Altorientalische und Biblische Rechtsgeschichte

ZATW Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft

z. B. zum Beispiel

ZevKR Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht

zit. zitiert

ZNR Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte

ZThK Zeitschrift für Theologie und Kirche

2 Kön 2. Könige

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A. Einführung

Das Thema drängt sich zunächst nicht auf. Zwischen dem Landesverfassungstext Nordrhein-​Westfalens und den Zehn Geboten des Dekalogs liegen Jahrtausende menschlicher Zivilisation und Erfahrung. Und doch sind bei genauerer Betrachtung Verbindungslinien zwischen der Landesverfassung und den Zehn Geboten erkennbar, die zum Teil sehr nah an Probleme unseres Zeitalters heranführen.

Die Migrationsdebatte in Deutschland hat nicht unwesentlich dazu beigetragen1, dass das Thema Religion, vor allem in puncto Kulturbegriff, in das Zentrum öffentlicher Wahrnehmung zurückgekehrt ist2. Dabei gewann das Thema nicht nur im politischen Kontext an Bedeutung. Auch in der Rechtswissenschaft stellte sich die jahrhundertealte Frage nach dem Verhältnis von Recht und Religion erneut.

Herangezogen wird im Rahmen der nachstehenden Untersuchung eine Landesverfassung, deren Entstehungsprozess sich über fast vier Jahre hinzog. Ein Land, dessen Bestand auch über den Zusammenschluss durch die britische Besatzungsmacht hinaus recht ungewiss war3. Auf Grund des spannenden Verfassunggebungsprozesses und des Umstands, dass das Land Nordrhein-​Westfalen heutzutage in der politischen Farbenlehre nicht selten dem linken Lager zugeordnet oder auch als „SPD-​Stammland“ bezeichnet wird4, wurde diese Landesverfassung als Gegenstand der Untersuchung ausgewählt. Ein Landesverfassungstext, der diejenigen, die das Land Nordrhein-​Westfalen irrtümlicherweise in das politische linke Lage verorten5, dahingehend überraschen wird, in welcher Dichte er die Religion überhaupt behandelt6 und wie positiv der Text namentlich die Zehn Gebote konnotiert.

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Vor dem Hintergrund, dass die in der nordrhein-​westfälischen Landesverfassung verankerte abendländische Kultur durch die Zehn Gebote des Dekalogs so stark geprägt wurde, wie durch kaum eine andere jüdisch-​christliche Überlieferung7, ist Ziel dieser Arbeit die Suche nach Spuren der Zehn Gebote im Text der Landesverfassung. Die Zehn Gebote des Dekalogs dürften einer der prominentesten Texte der Bibel sein, auch wenn wohl immer weniger Menschen weder ihren Wortlaut kennen oder gar noch ihren ursprünglichen Sinn wiedergeben können. „Im kulturellen Gedächtnis der Gegenwart ist am wirksamsten die äußere Form geworden, die Zehnzahl und die Anreihung von Verboten und Geboten in bunter Mischung.“8

I. Gegenstand der Arbeit

Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Frage, ob und in welchem Maße die nordrhein-​westfälische Landesverfassung in ihrer heutigen Form noch Spuren der Zehn Gebote aufweist. Gleichzeitig wird analysiert, an welchen Stellen sich die nordrhein-​westfälische Landesverfassung in kritischer Dissonanz zu den Zehn Geboten wiederfindet.

Die Untersuchungen werden zu dem Ergebnis kommen, dass in der Landesverfassung Spuren der Zehn Gebote zu finden sind und namentlich das Sabbatgebot, das Elterngebot sowie das Ehebruchverbot in der nordrhein-​westfälischen Landesverfassung bis heute fortwirken. Die Begründung dieses Ergebnisses erfolgt dabei anhand folgender Fragestellungen: Wie war das Verhältnis von Staat und Kirche im Zeitpunkt der Entstehung der Landesverfassung? Welchen Einfluss hatte die Kirche im Entstehungsprozess der Landesverfassung Nordrhein-​Westfalens im 20. Jahrhundert und was bewirkte sie? Welchen historischen Kontext haben die Zehn Gebote des Dekalogs? Finden sich im Landesverfassungstext noch Spuren dieser Zehn Gebote oder steht der Text den Dekaloggeboten eher kontrovers gegenüber? Werden die Zehn Gebote als christlich geprägte Kulturwerte auch in Zukunft noch in die landesverfassungsrechtliche Ordnung einbezogen werden?

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II. Gang der Untersuchung

Hauptziel der Arbeit ist es, zu überprüfen, ob und in welchem Maße der Landesverfassungstext noch Spuren des Dekalogs aufweist oder sich umgekehrt in kritischer Dissonanz zu den Zehn Geboten wiederfindet. Der Text weist dann noch Spuren der Zehn Gebote auf, wenn er diese entweder explizit oder implizit positiv konnotiert. Um dies zu beurteilen, ist zunächst ein Grundverständnis des Verfassunggebungsprozesses, insbesondere die Einflussnahme der wesentlichen Akteure auf den Entstehungsprozess einerseits sowie der Zehn Gebote andererseits zu ermitteln. Die Untersuchung gliedert sich insgesamt in fünf Abschnitte.

1. Historischer Kontext der nordrhein-​westfälischen Lan-​ desverfassung

Zunächst wird der Verfassunggebungsprozess in seinen historischen Kontext eingeordnet. Dabei wird die jahrhundertelange Verflechtung von Staat und Kirche bis hin zur Trennung der beiden Institutionen im 20. Jahrhundert beleuchtet [ B. I.]. Allein vor diesem historischen Hintergrund lässt sich erklären, weshalb an unterschiedlichen Stellen im Landesverfassungstext Spuren des Dekalogs zu finden sind. In diesem Zusammenhang wird auch der fast vier Jahre währende Verfassunggebungsprozess erläutert und die nicht unerhebliche Rolle der Kirche bei den Entstehungsarbeiten der Landesverfassung skizziert, die letztlich zu einer kirchen-​ und religionsfreundlichen Akzentuierung des Religionsverfassungsrechts führte [ B. II.].

2. Historischer Kontext der Zehn Gebote

Der Dekalog wird nicht selten als Erbe unserer Kultur gesehen [ C. I.]. Um die positive Konnotation der Zehn Gebote des Dekalogs im Text der Landesverfassung abschließend beurteilen zu können, wird die Entstehungsgeschichte der Zehn Gebote überblicksartig dargestellt [ C. II.].

3. Spuren der Zehn Gebote in der nordrhein-​westfälischen Lan-​ desverfassung

Die Suche nach Spuren der Zehn Gebote im Landesverfassungstext bildet das Herzstück der Arbeit. Dieser Teil gliedert sich in drei Abschnitte. In dem ersten Abschnitt unter [ D. I.] wird die eingangs erwähnte These begründet, dass Spuren des Sabbatgebotes, des Elterngebotes sowie des Ehebruchverbotes in der Landesverfassung (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) –​ namentlich in dem Sonn-​ und Feiertagsschutz (Art. 25 LV NW), dem Verfassungsrang der Eltern ←23 | 24→(Art. 5 Abs. 1 LV NW, Art. 8 Abs. 1 S. 2 LV NW und Art. 6 GG i. V. m. Art. 4 Abs. 1 LV NW) sowie dem Schutz der Ehe (Art. 5 Abs. 1 LV NW) –​ zu finden sind. Sodann werden in einem zweiten Abschnitt diejenigen Gebote untersucht, die durch die über Art. 4 LV NW rezipierten Grundrechte zumindest implizit konnotiert wurden [ D. II.]. Den Abschluss bildet die Suche nach denjenigen Geboten, die sich in kritischer Dissonanz zum Landesverfassungstext befinden [ D. III.].

Dabei wird bei der Suche nach Spuren jedes einzelnen Gebots wie folgt vorgegangen: In einem ersten Schritt wird das jeweilige Ge-​ oder Verbot aus dem Kontext des übrigen Dekalogs herausgelöst und dessen ursprünglicher Sinn analysiert. Dabei wird standardmäßig die Dtn-​Fassung herangezogen. Sofern es auf einen Vergleich der beiden biblischen Kompositionen im Einzelfall ankommt, wird Ex 20 vereinzelt hinzugezogen. Sodann wird in einem zweiten Schritt unabhängig hiervon die Entwicklung des (entsprechenden) staatlichen Rechts bis hin zum landesverfassungsrechtlichen Schutz des jeweiligen Rechtsguts beleuchtet. In einem dritten Schritt wird im Rahmen einer sog. Synopse abschließend untersucht, inwieweit der Landesverfassungstext selbst oder die über Art. 4 Abs. 1 LV NW rezipierten Grundrechte das jeweilige Dekaloggebot entweder explizit oder implizit positiv konnotieren oder sich von diesem kritisch distanzieren.

Nachdem sich die Begehrensverbote, die neben dem Grundbesitz auch die Ehefrau und die bewegliche Habe des Nächsten vor Zugriffen schützen möchten, mit dem Ehebruchs-​ und dem Diebstahlverbot überschneiden9, werden diese nicht gesondert geprüft. Die Suche nach den Spuren der Begehrensverbote im Text der Landesverfassung wird insofern in der Suche nach Spuren der Ehebruch-​ und Diebststahlverbote aufgehen.

4. Ausblick

Abschließend soll ein Ausblick auf die Einbeziehung der Zehn Gebote als christlich geprägte Kulturwerte in die landesverfassungsrechtliche Ordnung gegeben werden [ E.].

5. Zusammenfassung in Thesen

Details

Seiten
266
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783631852750
ISBN (ePUB)
9783631852767
ISBN (MOBI)
9783631852774
ISBN (Paperback)
9783631846841
DOI
10.3726/b18320
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Mai)
Schlagworte
Dekalog Sonntagsgebot Ehegebot Elterngebot Staat und Kirche Kulturerbe Verfassungsrechtliche Ordnung Landesverfassungsrecht Dissonanz Positive Konnotation
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 266 S.

Biographische Angaben

Laura Schwarz (Autor:in)

Laura Schwarz studierte von 2010 bis 2015 Rechtswissenschaften an der Universität Passau und der Université de Lausanne (Schweiz). Erstes Juristisches Staatsexamen 2015. Referendariat am Oberlandesgericht Düsseldorf mit Stationen in Düsseldorf und Washington, D.C. (Vereinigte Staaten) von 2016 bis 2018. Zweites Juristisches Staatsexamen 2018. Promotionsstudium an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster bei Prof. Wittreck. Seit 2019 Rechtsanwältin in einer führenden internationalen Sozietät.

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