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Die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II

von Panagiota Xylaki (Autor:in)
©2016 Dissertation XVI, 211 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch befasst sich mit dem Instrument der Eingliederungsvereinbarung des § 15 SGB II. Mit dem Vierten Gesetz für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz IV) ist das Instrument Teil der Massenverwaltung geworden und erlangt deswegen Modellcharakter für das Gebiet des Öffentlichen Rechts. Die Autorin analysiert zunächst die Grundsätze der Kooperation und der Aktivierung, welche die Rahmenbedingungen des Instruments darstellen. Im Lichte dieser beiden Prinzipien unternimmt sie eine kritische dogmatische Analyse der einzelnen tatbestandlichen Merkmale des § 15 SGB II. Parallel dazu zieht sie die Sanktionsregelung des § 31 SGB II, welche eng mit der Eingliederungsvereinbarung verknüpft ist, in Betracht. Abgerundet wird das Werk durch eine verfassungsrechtliche Untersuchung des Instruments der Eingliederungsvereinbarung.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Kapitel 1: Einleitung
  • A. Die Eingliederungsvereinbarung als Folge des sich ändernden Verhältnisses zwischen Bürger und Verwaltung
  • B. Forschungsstand
  • C. Ziel und Gang der Untersuchung
  • Kapitel 2: Rahmenbedingungen – Aktivierung und Kooperation
  • A. Arbeitsmarktpolitik in der Reform
  • I. Die Einberufung der Kommission für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt und erste Reformvorschläge
  • II. Das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt – Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe
  • III. Die Eingliederungsvereinbarung als zentrales Instrument der Grundsicherung für Arbeitssuchende
  • B. Die Vorstellungsbilder des aktivierenden und des kooperativen Staates
  • I. Das Vorstellungbild eines aktivierenden Staates und seine Bedeutung für die Eingliederungsvereinbarung
  • 1. Ein Blick in die Geschichte des Begriffs der Aktivierung
  • 2. Das Konzept des aktivierenden (Sozial-)Staates
  • 3. Die Reform der Arbeitsmarktpolitik unter dem Leitbild des aktivierenden Staates
  • 4. Der Grundsatz „Fördern und Fordern“
  • II. Das Vorstellungsbild eines kooperativen Staates und die Stellung der Eingliederungsvereinbarung
  • 1. Der Begriff der Kooperation
  • 2. Das Leitbild des kooperativen Staates
  • 3. Kooperatives Recht und kooperatives Verwaltungshandeln
  • 4. Ziele und Vorzüge kooperativen Handelns
  • 5. Risiken kooperativen Handelns
  • 6. Rahmen und Grenzen des kooperativen Handelns
  • a. Verfassungsrechtliche Grenzen
  • b. Grenzen aus dem Verfahrensrecht
  • c. Grenzen aus dem materiellen Recht
  • C. Die Verwirklichung von Aktivierung und Kooperation durch den öffentlich-rechtlichen Vertrag
  • I. Die Handlungsform des Vertrags und seine Begriffsmerkmale
  • II. Historische Entwicklung des verwaltungsrechtlichen Vertrags
  • III. Massenverwaltung durch Vertrag
  • D. Ausländische Vorbilder und Einflüsse
  • I. Europäische Beschäftigungsstrategie
  • II. Empfehlungen der OECD
  • III. Englisches Recht – jobseeker’s agreement
  • IV. Französisches Recht
  • E. Zwischenfazit
  • Kapitel 3: Die Rechtsnatur der Eingliederungsvereinbarung und vergleichbare Instrumente
  • A. Rechtliche Einordnung der Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II
  • I. Die Eingliederungsvereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag
  • II. Die Eingliederungsvereinbarung als unechter (hinkender) Austauschvertrag
  • III. Die Eingliederungsvereinbarung als „normersetzende öffentlich-rechtliche Handlungsform sui generis“
  • IV. Die Eingliederungsvereinbarung als Realakt
  • B. Vergleichbare Regelungen im Sozialrecht
  • I. Die Eingliederungsvereinbarung nach § 37 Abs. 2 SGB III
  • 1. Die Struktur der Vorschrift
  • 2. Dogmatische Einordnung
  • II. Die Leistungsabsprache nach § 12 SGB XII
  • C. Kooperative Instrumente im SGB II
  • I. Zielvereinbarung nach § 48 b SGB II
  • II. Vereinbarungen über Eingliederungsleistungen nach § 18 Abs. 3 SGB II
  • D. Zwischenfazit
  • Kapitel 4: Analyse der Norm
  • A. Der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II
  • I. Abschlusspflicht und Abschlussanspruch für die Agentur für Arbeit
  • II. Abschlusspflicht und Abschlussanspruch für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person
  • III. Festlegung durch Verwaltungsakt (§ 15 Abs. 1 S. 6 SGB II)
  • 1. Die Regelung des § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II
  • 2. Das Verhältnis zu einem Eingliederungsverwaltungsakt
  • B. Die Parteien der Eingliederungsvereinbarung
  • I. Die Agentur für Arbeit
  • 1. Der persönliche Ansprechpartner
  • 2. Prozedur des Fallmanagements
  • 3. Subjektives Recht auf Benennung eines persönlichen Ansprechpartners
  • II. Das Optionsmodell
  • 1. Die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II
  • 2. Das Einvernehmen mit dem kommunalen Träger
  • III. Die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person
  • 1. Altersvoraussetzungen (§ 7 Abs. 1 S. 1 SGB II)
  • 2. Vorliegen der Erwerbsfähigkeit (§ 8 SGB II)
  • a. Einleitende Bemerkungen
  • b. Die Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlicher Sicht
  • aa. Die Begriffsmerkmale Krankheit und Behinderung
  • bb. Auf nicht absehbare Zeit
  • cc. Mindestens drei Stunden täglich
  • dd. Übliche Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
  • c. Die Erwerbsfähigkeit aus rechtlicher Sicht (§ 8 Abs. 2 SGB II)
  • 3. Gewöhnlicher Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland
  • a. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland
  • b. Die Personen ohne festen Wohnsitz als Vertragspartner
  • 4. Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II
  • 5. Die Einbeziehung der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nach § 15 Abs. 2 SGB II
  • a. Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft
  • b. Die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft als Vertragspartner
  • C. Der Inhalt der Eingliederungsvereinbarung
  • I. Einleitende Bemerkungen zur inhaltlichen Gestaltung der Eingliederungsvereinbarung
  • II. Grundsätze zur Bestimmung der Leistungen
  • 1. Die Leistungsgrundsätze des § 3 Abs. 1 SGB II
  • 2. Die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit
  • III. Auswahl der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person
  • 1. Die Leistungen des § 16 SGB II
  • 2. Kommunale Eingliederungsleistungen (§ 16a SGB II)
  • a. Betreuung von Minderjährigen oder Behinderten
  • b. Schuldnerberatung
  • c. Psychologische Betreuung
  • d. Suchtberatung
  • 3. Das Einstiegsgeld (§ 16b SGB II)
  • 4. Leistungen zur Eingliederung von Selbstständigen (§ 16c SGB II)
  • 5. Arbeitsgelegenheiten (§ 16d SGB II)
  • 6. Förderung von Arbeitsverhältnissen (§ 16e SGB II)
  • 7. Freie Förderung (§ 16f SGB II)
  • 8. Förderung bei Wegfall der Hilfebedürftigkeit (§ 16g SGB II)
  • 9. Teilnahme an einem Integrationskurs
  • 10. Zwischenergebnis
  • IV. Die Pflichten der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person nach § 15 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 3 SGB II
  • 1. Eigenbemühungen des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach § 15 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II
  • a. Art der Eigenbemühungen („welche Bemühungen“)
  • b. Umfang der Eigenbemühungen („in welcher Häufigkeit mindestens“)
  • c. Nachweispflicht („in welcher Form diese Bemühungen nachzuweisen sind“)
  • 2. Beantragung von Leistungen Dritter gem. § 15 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II
  • 3. Festlegung einer Schadensersatzleistung der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person nach § 15 Abs. 3 SGB II
  • a. Allgemeines zur Schadensersatzpflicht
  • b. Voraussetzungen und Begriffsbestimmungen
  • c. Umfang des Schadensersatzes
  • D. Dauer und Form der Eingliederungsvereinbarung
  • I. Die Laufzeit der Eingliederungsvereinbarung
  • II. Schriftformerfordernis der Eingliederungsvereinbarung
  • E. Störungsfälle
  • I. Die Anwendung des § 58 SGB X auf die Eingliederungsvereinbarung
  • II. Nichtigkeit aus der Anwendung der Vorschriften des BGB (§ 58 Abs. 1 SGB X)
  • 1. Nichtigkeit bei Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 58 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 134 BGB)
  • 2. Nichtigkeit wegen Geschäftsunfähigkeit (§ 58 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 105 BGB)
  • 3. Nichtigkeit wegen Formmängeln (§ 58 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 125 BGB)
  • 4. Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit (§ 58 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 138 BGB)
  • III. Nichtigkeit aus besonderen Gründen (§ 58 Abs. 2 SGB X)
  • 1. Nichtigkeit gem. § 58 Abs. 2 Nr. 1 SGB X
  • 2. Nichtigkeit gem. § 58 Abs. 2 Nr. 2 SGB X
  • 3. Nichtigkeit gem. § 58 Abs. 2 Nr. 4 SGB X
  • IV. Teilnichtigkeit (§ 58 Abs. 3 SGB X)
  • V. Anpassung und Kündigung der Eingliederungsvereinbarung
  • 1. Gesetzliche Voraussetzungen
  • 2. Anpassung der Eingliederungsvereinbarung
  • 3. Kündigung der Eingliederungsvereinbarung
  • 4. Beendigung der Eingliederungsvereinbarung
  • VI. Gerichtlicher Rechtsschutz
  • 1. Feststellung der Nichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung
  • 2. Anspruch auf Erfüllung der Eingliederungsvereinbarung
  • 3. Rechtsschutz gegen den Sanktionsbescheid nach § 31a SGB II
  • 4. Rechtsschutzmöglichkeiten gegen den vereinbarungsersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II
  • 5. Rechtsschutz gegen fehlende Vertragsverhandlungen
  • F. Zwischenfazit
  • Kapitel 5: Verfassungsrechtliche Fragen
  • A. Die Eingliederungsvereinbarung und der Sanktionsmechanismus nach §§ 31 ff. SGB II
  • I. Der Begriff der Sanktion
  • II. Die Struktur der Regelung
  • 1. Die (Abschaffung der) Sanktionierung des Nichtabschlusses einer Eingliederungsvereinbarung (§ 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a SGB II a. F.)
  • 2. Pflichtverletzungstatbestände des neuen § 31 Abs. 1 SGB II
  • a. Der Fall des § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II
  • b. Der Fall des § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II
  • c. Der Fall des § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II
  • d. Notwendigkeit der vorherigen Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis (§ 31 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 2 SGB II)
  • e. Ausschluss der Verhängung von Sanktionen wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes (§ 31 Abs. 1 S. 2 SGB II)
  • f. Sonstige Pflichtverletzungen (§ 31 Abs. 2 SGB II)
  • 3. Rechtsfolgen der Pflichtverletzung (§ 31a SGB II)
  • 4. Beginn und Dauer der Verhängung von Sanktionen (§ 31b SGB II)
  • 5. Pflichtverletzung bei Meldeversäumnissen (§ 32 SGB II)
  • III. Das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum
  • 1. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum
  • 2. Die Bedeutung des Grundrechts für die Verhängung von Sanktionen nach §§ 31 ff. SGB II
  • B. Die Eingliederungsvereinbarung und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG)
  • I. Die Ungleichheit der Vertragspartner – unterschiedliche Arten von Vertragsfreiheit der Partner
  • II. Die Eingliederungsvereinbarung als Ausdruck der Privatautonomie des Arbeitssuchenden
  • III. Zweifel über die Begrenzung der Privatautonomie aufgrund des § 2 Abs. 1 S. 2 SGB II
  • IV. Begrenzung der Privatautonomie aufgrund des Nichtabschlusses einer Eingliederungsvereinbarung nach § 31 Abs. 1 S. 1 lit. a SGB II a. F.
  • C. Vereinbarkeit mit der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG
  • I. Berufswahlfreiheit und Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG
  • II. Freiheit der Wahl der Ausbildungsstätte
  • III. Die Prüfung der Zumutbarkeitsregelung des § 10 SGB II unter dem Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG
  • IV. Die Vereinbarkeit der Sanktionsregelung mit dem Verbot des Arbeitszwangs und der Zwangsarbeit (Art. 12 Abs. 2 und 3 GG)
  • D. Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG
  • I. Das Gebot des effektiven Rechtschutzes.
  • II. Die unterschiedlichen Rechtsschutzmöglichkeiten beim öffentlich-rechtlichen Vertrag und beim Verwaltungsakt
  • III. Bedenken aufgrund der (fehlenden) Rechte des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Eingliederungsprozess
  • Kapitel 6: Schlussfolgerungen
  • A. Zusammenfassung in Thesen
  • B. Ausblick
  • Literaturverzeichnis

← XVI | 1 →

Kapitel 1: Einleitung

A. Die Eingliederungsvereinbarung als Folge des sich ändernden Verhältnisses zwischen Bürger und Verwaltung

Es sind bereits mehrere Jahrzehnte vergangen, seitdem eine fruchtbare Diskussion über die Transformation des Staates und die Stellung des Bürgers gegenüber der Verwaltung eingesetzt hat. Das Bild von der obrigkeitlichen Stellung des Staates gegenüber dem Bürger hat langsam für das Modell eines partnerschaftlicheren Verhältnisses Platz gemacht. Diesem Wandel folgend verändern sich ebenso die Handlungsformen, welcher sich die Verwaltung bedient. Dementsprechend hat die Handlungsform des Vertrags, der eine Zusammenarbeit der Partner voraussetzt, in der Verwaltungstheorie und -praxis erheblich an Bedeutung gewonnen.

Die hohe Arbeitslosigkeit ist in Deutschland der Anlass gewesen, um dieses in der Theorie veränderte Verhältnis zwischen Staat und Bürger in der Praxis des Sozialrechts anzuwenden. In diesem Rahmen sind die Reform der Arbeitsmarktpolitik und die Einführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende stark vom Konzept der Kooperation geprägt. Die Arbeitsverwaltung und der Bürger werden nunmehr aufgefordert, zusammenzuarbeiten, damit die Arbeitslosigkeit des Letzteren bekämpft werden kann. Die Verwaltung handelt demzufolge nicht mehr einseitig-hoheitlich. Sie ist vielmehr auf die Mitarbeit des Bürgers angewiesen, und zwar mit dem Ziel, eine sinnvolle Eingliederungsstrategie zu gestalten. In diesem Rahmen hat der Gesetzgeber in § 15 SGB II die Eingliederungsvereinbarung als das zentrale Instrument der Grundsicherung für Arbeitssuchende vorgeschrieben. Die Eingliederungsvereinbarung soll die Rechte und Pflichten sowohl der Arbeitsverwaltung als auch des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten verbindlich festschreiben. Diese Vereinbarung ist als Vertrag konzipiert.

Mit der Einführung der Eingliederungsvereinbarung ist die Handlungsform des öffentlich-rechtlichen Vertrags Teil der Massenverwaltung geworden. Millionen von Arbeitssuchenden haben bis heute eine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen. Der kooperative Staat ist insofern Realität geworden.

Das SGB II und seine Instrumente sind im Zusammenhang mit dem Konzept des aktivierenden Sozialstaates zu analysieren. Die Idee der Aktivierung des Arbeitsmarktes ist im Gesetz als Grundsatz des Förderns und Forderns zu finden, vgl. Kapitel 1 des SGB II. Die neue Annäherung an das Problem der ← 1 | 2 → Arbeitslosigkeit schreibt eine neue Balance von Rechten und Pflichten vor.1 Der Soziallleistungsempfänger muss aktiv darin unterstützt werden, „vom passiven Objekt staatlicher Hilfe zum aktiven Subjekt und Gesellschaftsmitglied zu werden“.2 Die Eingliederungsvereinbarung soll den Grundsatz des Förderns und Forderns zur Geltung bringen und zielt darauf, den Arbeitssuchenden zu aktivieren. Gleichzeitig beinhaltet sie nicht nur die aktiven Leistungen, die dem Arbeitssuchenden gewährleistet werden, sondern auch seine Pflichten, um diese zu bekommen. Hält sich der Leistungsberechtigte nicht an das Vereinbarte, zieht dies Sanktionen nach sich.

B. Forschungsstand

Die Grundsicherung für Arbeitssuchende hat einen wichtigen Beitrag zur Reform des Sozialrechts geleistet. Das Leistungssystem wurde umgebaut und die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ist dadurch Tatsache geworden. Kaum ein anderes Gesetz hat so viel Beachtung gewonnen und so viel Kritik verursacht. Demzufolge hat sich die Wissenschaft intensiv mit dem neuen Gesetz beschäftigt. Der größte Teil dieser Beschäftigung fand allerdings in Form von Aufsätzen statt.

Doch bleibt die vorliegende Arbeit nicht die einzige, die die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II monographisch untersucht. Sie teilt sich vielmehr den Untersuchungsgegenstand mit der Monographie von Kai-Holmger Kretschmer.3 Der Autor untersucht das Recht der Eingliederungsvereinbarung im Rahmen der Theorie zum Verwaltungsvertrag und der Rechtsverhältnislehre. Ausgangspunkt der Monographie ist eine Beobachtung der Eingliederungsvereinbarung in der Praxis. Dafür ist eine bundesweite Tatsachenforschung bei den Arbeitsgemeinschaften, Arbeitsagenturen und Optionskommunen des SGB II unternommen worden, welche sie Qualifizierung der Eingliederungsvereinbarung als öffentlich-rechtlichen Vertrag bestätigt und zu einer positiven Bewertung dieses Instruments kommt. Danach widmet sich die Untersuchung der rein rechtlichen Grundlagen des Instruments mit dem Ziel, das Recht der Eingliederungsvereinbarung umfassend darzustellen. In dieser Hinsicht wird die Auffassung vertreten, dass die Rechtsverhältnislehre den geeigneten Rahmen bietet, um dies zu erreichen, dass also die Handlungsform des Vertrags nicht genügt. Das ← 2 | 3 → „Eingliederungs-Rechtsverhältnis“ stellt ein eigenes typisiertes Rechtsverhältnis dar, das einen Dauerschuldnercharakter hat. Das Eingliederungs-Rechtsverhältnis wird nach Kretschmer in folgende Phasen aufgeteilt: die vorvertragliche Phase, die Phase der Vertragsdurchführung, die die Vertragsanpassung und -fortentwicklung beinhaltet, und die nachvertragliche Phase. Anhand dieser Phasen analysiert der Autor die Stellung der Rechtssubjekte und die Abwicklung ihrer Beziehung. Er beginnt mit dem Moment, in dem sich die Perspektiven eines späteren Vertragsschlusses verbinden, und schließt seine Untersuchung mit der nachvertraglichen Phase, die beendet ist, wenn die letzte Pflicht erlischt.

Im Gegensatz zu Kretschmers Untersuchung konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf die Handlungsform des Vertrags und versucht, mit den einschlägigen Vorschriften zum öffentlich-rechtlichen Vertrag die Eigliederungsvereinbarung des § 15 SGB II zu erfassen und zu untersuchen. Der Verwaltungsvertrag erweist sich zunächst als die geeignete Handlungsform, um die kooperierenden und aktivierenden Elemente des SGB II zur Geltung zu bringen. Neben der Darstellung der einzelnen Vorschriften des § 15 SGB II werden in der vorliegenden Arbeit weitere systematisch relevante Vorschriften beachtet. Letztere sind unentbehrlich für die Gestaltung der Eingliederungsvereinbarung. In dieser Hinsicht werden sowohl die Leistungsgrundätze und die einzelnen Eingliederungsleistungen als auch die Sanktionsregelung untersucht, weil sie den fordernden und fördernden Teil der Eingliederungsvereinbarung gestalten. Etwaige Mängel des Gesetzes oder Unsicherheiten der dogmatischen Analyse werden hier als Mängel und Unklarheiten des Vertragsverfahrens erfasst. Somit wird nicht außerhalb der Lehre des öffentlich-rechtlichen Vertrags nach Lösungen gesucht. Schließlich wird, im Gegensatz zu Kretschmers Monographie, eine verfassungsrechtliche Würdigung vorgenommen, welche die einschlägigen Risiken stärker in den Vordergrund treten lässt.

C. Ziel und Gang der Untersuchung

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II ausführlich zu analysieren. Alle tatbestandlichen Elemente der Regelung sollen dargestellt und kritisch betrachtet werden. Die Aufwertung des Vertrags und die Bedeutung dieser Aufwertung für die Beziehungen zwischen Bürger und Verwaltung sowie die Eigengesetzlichkeit werden gezeigt, die der öffentlich-rechtliche Charakter des Vertrags in diesem Fall mit sich bringt. Es wird in diesem Rahmen versucht, zu pointieren, dass die Eingliederungsvereinbarung das oben erwähnte veränderte Verhältnis zwischen Bürger und ← 3 | 4 → Verwaltung institutionalisiert und gleichzeitig eine Ausprägung des Gebots des Förderns und Forderns darstellt.

In diesem Kontext werden zunächst die Rahmenbedingungen, die zur Arbeitsmarktreform und zur Einführung der Eingliederungsvereinbarung geführt haben, untersucht. Da der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit seit Jahren im Mittelpunkt der deutschen Politik steht, hat die Grundsicherung für Arbeitssuchende nicht nur zur Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe geführt, sondern auch die veränderte Stellung des Arbeitssuchenden im Eingliederungsprozess unterstrichen. Die Eingliederung in den Arbeitsmarkt soll nicht durch einseitige Anordnungen der Arbeitsverwaltung erreicht werden, sondern durch Kooperation mit dem Arbeitssuchenden und durch Aktivierung des Letzteren. Beide Begriffe, nämlich die Kooperation und die Aktivierung, sind für das Verständnis und die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften der Eingliederungsvereinbarung von erheblicher Bedeutung. Deswegen widmet sich das zweite Kapitel der Arbeit insbesondere der Analyse beider Begriffe. Darüber hinaus werden in demselben Kapitel die Handlungsform des Vertrags und seine Begriffsmerkmale erfasst, damit der Grund beleuchtet wird, der den Vertrag als die geeignete Handlungsform auszeichnet, um den Grundsätzen der Aktivierung und der Kooperation zu dienen. Am Ende des Kapitels werden ähnliche ausländische Instrumente und der Einfluss der europäischen und internationalen Tendenzen auf den deutschen Gesetzgeber dargestellt.

Die dogmatische Analyse der Eingliederungsvereinbarung im dritten Kapitel beginnt mit der Frage nach der Rechtsnatur dieses Instruments. Dies hat, insbesondere kurz nach der Einführung des Gesetzes, eine lebhafte Diskussion hervorgerufen. In der vorliegenden Untersuchung wird die vertragliche Natur der Eingliederungsvereinbarung favorisiert. Darüber hinaus werden Instrumente im Sozialrecht und im SGB II selbst kurz mit dem Ziel dargestellt, einerseits die Annahme der vertraglichen Natur der Eingliederungsvereinbarung zu bekräftigen und andererseits den kooperativen Charakter dieser zu unterstreichen.

§ 15 SGB II bildet die Basisregelung für den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung. Die Vorschrift stellt keine in sich geschlossene Regelung dar; sie ist vielmehr eng in Verbindung mit einer Reihe anderer Vorschriften zu lesen. Dies bedeutet, dass ihre Darstellung unvollständig wäre, wenn diese Vorschriften nicht gleichzeitig untersucht und mit dem hauptsächlich analysierten Instrument in Zusammenhang gesetzt würden. Aus diesem Grunde konzentriert sich die vorliegende Arbeit zwar grundsätzlich auf das Instrument der Eingliederungsvereinbarung, lässt jedoch die für das systematische Verständnis der Eingliederungsvereinbarung wichtigen Vorschriften nicht außer Acht. ← 4 | 5 →

Demzufolge werden im vierten Kapitel sowohl die tatbestandlichen Elemente des § 15 SGB II als auch die weiteren für das Verständnis bzw. für den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung nötigen gesetzlichen Vorschriften analysiert. Es wird zuerst die Frage behandelt, wer seitens der Arbeitsverwaltung für den Abschluss der Eingliederungsvereinbarung in Betracht kommt. In diesem Kontext wird die Rolle des persönlichen Ansprechpartners erörtert, der für die Zusammenarbeit mit dem Bürger zuständig ist. Auf Seiten des Anspruch stellenden Bürgers kommt § 7 SGB II, der eine Legaldefinition des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beinhaltet, erhebliche Bedeutung zu. Nur wer erwerbsfähiger Leistungsberechtigter ist, hat Zugang zu den (aktiven und passiven) Leistungen des SGB II und darf eine Eingliederungsvereinbarung abschließen. Anschließend wird der Inhalt der Eingliederungsvereinbarung näher behandelt. Im Hinblick auf die inhaltlichen Regelungen der Eingliederungsvereinbarung sind §§ 3 und 16 a–g SGB II einschlägig, die die Grundsätze der Erbringung von Leistungen und die einzelnen aktiven Leistungen regeln, welche für die Gestaltung der Eingliederungsstrategie maßgebend sind. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit können zwar die einzelnen Leistungen nicht ausführlich analysiert werden. Es ist aber trotzdem sinnvoll, sie darzustellen, um ein möglichst präzises Bild des möglichen Inhalts der Eingliederungsvereinbarung zu haben. Zum Inhalt der Eingliederungsvereinbarung gehören ebenso die Pflichten des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die deshalb im selben Kapitel der Arbeit analysiert werden. Die Eingliederungsvereinbarung soll der Ausdruck eines gut ausbalancierten Verhältnisses zwischen Rechten und Pflichten sein.

Im fünften Kapitel wird eine verfassungsrechtliche Würdigung der Eingliederungsvereinbarung vorgenommen. § 15 SGB II ist an sich verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Tatsache allerdings, dass es sich um eine offene Regelung handelt, die mit anderen gesetzlichen Vorschriften gekoppelt ist, kann möglicherweise verfassungsrechtliche Vorgaben tangieren. Für die verfassungsrechtliche Prüfung sind jeweils die Umstände des Einzelfalls in Betracht zu ziehen. Von erheblicher Bedeutung für die dogmatische Analyse der Eingliederungsvereinbarung und zugleich entscheidend für ihre verfassungsrechtliche Würdigung ist schließlich der Sanktionsmechanismus nach §§ 31 ff. SGB II, der eng mit der Erfüllung der inhaltlichen Bestimmungen der Eingliederungsvereinbarung verbunden ist. Die Sanktionsregelung, die in demselben Kapitel ausführlich untersucht wird, ist mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches mit Wirkung zum 1. April 2011 umfassenden Änderungen unterworfen worden. Die neuen Vorschriften, die als Ausdruck des Grundsatzes des Forderns anzusehen sind, werden näher analysiert. ← 5 | 6 →


1 Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 1 Rdnr. 1.

2 Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 1 Rdnr. 1.

3 Kretschmer, Das Recht der Eingliederungsvereinbarung des SGB II – Zugleich ein Beitrag zum Verwaltungsvertrag und zur Rechtsverhältnislehre, Berlin, 2012.

Details

Seiten
XVI, 211
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653060072
ISBN (ePUB)
9783653957242
ISBN (MOBI)
9783653957235
ISBN (Paperback)
9783631668245
DOI
10.3726/978-3-653-06007-2
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Oktober)
Schlagworte
Dienstleistungen Arbeitsmarkt Hartz IV
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. XVI, 211 S.

Biographische Angaben

Panagiota Xylaki (Autor:in)

Panagiota Xylaki, promovierte Juristin, studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Athen, Hannover und Straßburg. Sie arbeitet als Rechtsanwältin in Athen.

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Titel: Die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II
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