Lade Inhalt...

Die Palingenesie der römischen Vormundschaftsgesetze

von Nikola Georgia Galaboff (Autor:in)
©2016 Dissertation 201 Seiten

Zusammenfassung

Die Möglichkeit, im klassischen römischen Recht Unmündigen und Frauen auf behördlichem Weg einen Vormund zu bestellen, geht auf die lex Atilia und die lex Iulia et Titia zurück. Diese Vormundschaftsgesetze sind der Nachwelt jedoch nicht erhalten. Die Autorin rekonstruiert einzelne Klauseln unter besonderer Berücksichtigung des sie prägenden sozio-kulturellen Rahmens. Als Grundlage dient hierbei das bekannte Phänomen der Verwendung sogenannter Spolien, also die Übernahme von Fragmenten aus älteren Gesetzen bei der Abfassung von neuen Gesetzen. So können aus den überlieferten normativen Quellen zur tutela decretalis einzelne Textteile, deren Ursprung sowohl in der lex Atilia als auch in der lex Iulia et Titia zu vermuten ist, gewonnen werden.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • Erstes Kapitel: Überblick über die geschichtliche Entwicklung des Wesens der Vormundschaft und Pflegschaft
  • § 1. Vormundschaft und Pflegschaft im römischen Recht
  • I. Die cura
  • II. Die tutela
  • § 2. Vormundschaft und Pflegschaft in den „deutschen“ Rechten
  • § 3. Vormundschaft, Pflegschaft und Betreuung im BGB
  • Exkurs: Die Rezeption des römischen Vormundschaftsrechts
  • Zweites Kapitel: Rechtsdogmatische Untersuchungen zur römischen tutela
  • § 4. Die tutela impuberum
  • I. Berufung zur Vormundschaft
  • 1. Die tutela legitima
  • 2. Die tutela testamentaria
  • 3. Die tutela decretalis
  • 4. Fähigkeit zur Vormundschaft und Ausschließungsgründe
  • a) Körperliche Gebrechen und geistige Krankheiten
  • b) Sklaven
  • c) Filii familias
  • d) Impuberes und puberes
  • e) Latini
  • f) Tutela virile officium est – die Frau als Vormünderin?
  • g) Das spätklassische und justinianische Recht
  • II. Die Aufgaben des Vormunds
  • 1. Die gestio im altrömischen Recht
  • 2. Die gestio im klassischen Recht
  • a) Negotia gerere im Besonderen
  • b) Einzelne Rechte und Pflichten des Tutors
  • c) Schranken der Verfügung
  • 3. Die Geschäftsführung bei einer Mehrheit von Tutoren
  • 4. Die Erteilung der auctoritas tutoris
  • 5. Kurzüberblick über die nachklassischen Entwicklungen
  • III. Der Rechtsschutz des Mündels – prozessuale Klageformen und Rechtsbehelfe als Fundament einer effizienten Vormundschaft
  • 1. Rechtsschutzmöglichkeiten des Mündels im altrömischen Recht
  • a) Die actio rationibus distrahendis
  • b) Die accusatio suspecti tutoris
  • 2. Rechtsschutzmöglichkeiten des Mündels im klassischen Recht
  • a) Die actio rationibus distrahendis
  • b) Die accusatio suspecti tutoris
  • c) Die actio tutelae
  • d) Die actio tutelae utilis
  • e) Sicherungen des Mündels – insbesondere die satisdatio rem pupilli salvam fore
  • f) Sonderformen im Rechtsschutz
  • 3. Überblick über die nachklassischen Entwicklungen
  • a) Die actio rationibus distrahendis
  • b) Die accusatio suspecti tutoris
  • c) Die actio tutelae
  • d) Sicherungen des Mündels
  • e) Sonderformen im Rechtsschutz
  • IV. Beendigung der Vormundschaft
  • § 5. Die tutela mulierum
  • I. Die soziale Rechtfertigung der tutela mulierum
  • II. Rechtsdogmatische Grundlagen der tutela mulierum
  • 1. Berufungsgründe zur tutela mulierum
  • 2. Aufgaben des Vormunds und Rechtsschutz
  • III. Überblick über die Zurückbildung und Aushöhlung der tutela mulierum
  • Drittes Kapitel: Palingenetische Überlegungen zu den römischen Vormundschaftsgesetzen
  • § 6. Der Rechtszustand vor dem Erlass der Vormundschaftsgesetze
  • I. Die Ansicht Watsons
  • II. Die Ansichten von Karlowa, Mitteis und Sachers
  • III. Die Ansicht Kasers
  • § 7. Zur Datierung der lex Atilia
  • I. Der Bericht bei Liv. 39, 9, 7
  • II. Der sozial-historische Hintergrund der Gesetzgebung
  • III. Zusammenfassung
  • § 8. Lex Iulia, lex Titia oder lex Iulia et Titia?
  • I. Die Ansicht von der Duplizität der Gesetze
  • II. Die Einheitshypothese
  • III. Zusammenfassung
  • § 9. Zum Verhältnis zwischen der lex Atilia und der lex Claudia
  • § 10. Zur „Grobstruktur“ der Vormundschaftsgesetze
  • I. Aufbau der lex Atilia
  • II. Aufbau der lex Iulia et Titia
  • § 11. Zum „ortsrechtlichen“ Vormundschaftsrecht in der lex Iulia et Titia
  • I. Die Institutionen des Gaius und das Munizipalrecht
  • II. Die Urkunden aus Herkulaneum, TH PP 4, 228; TH 88
  • III. Die „kommentierenden“ Notizen zu Ulpians libri ad Sabinum, insbesondere Scholia Sinaitica 17, 45 und 20,
  • IV. Ulpian im 38. und 39. Buch ad Sabinum
  • § 12. C. 29 lex municipi: de tutorum datione
  • § 13. Zur Rekonstruktion einzelner Klauseln in den Vormundschaftsgesetzen
  • I. Der Gesetzesanfang – oder cui tutor non erit incertusve erit
  • II. Kompetenzen zur datio tutoris – insbesondere collegae und absentes
  • III. Die Verfahrensschritte postulare und nominare quem dari volet
  • IV. Das den Tutor bestellende Dekret – causa cognita und si ei videbitur
  • V. Zur Vorbehaltsklausel quo ne a iusto tutore tutela abeat
  • VI. Zur doppelten Fiktion in c. 29 S. 3 lex municipi
  • 1. Fictio tutoris
  • 2. Fictio civitatis
  • § 14. Zusammenfassung der Ergebnisse – Palingenetische Vorschläge zu den Vormundschaftsgesetzen
  • I. Rekonstruktionsvorschlag zur lex Atilia
  • II. Rekonstruktionsvorschlag zur lex Iulia et Titia
  • Viertes Kapitel: Die datio tutoris im klassischen römischen Recht
  • § 15. Kompetenzen und Verfahren
  • § 16. Wesen der behördlichen Vormundschaft
  • § 17. Vormundschaften aus besonderem Anlass oder für begrenzte Zwecke
  • Schlussbetrachtungen
  • Literaturverzeichnis

| 13 →

Einleitung

Im Rahmen der Beschäftigung mit dem römischen Vormundschaftsrecht wird man zunächst feststellen, dass es hierzu bereits eine Vielzahl sowie Vielfalt an Arbeiten gibt. Recht schnell gelangt man jedoch zu der Erkenntnis, dass es sich in den meisten Fällen um umfassende rechtsdogmatische Darstellungen und abstrakte Synthesen handelt, die in hohem Maße von der Methodik der Pandektistik geprägt sind. Sie konzentrieren sich von ihrem Anspruch her weniger auf einzelne problematische Teilaspekte der tutela und bemühen sich daher auch nur selten um eine Zusammenführung juristischer Daten mit sozialen oder historischen Ereignissen.1

Gerade bei der Sichtung und insbesondere Bewertung älterer Literatur ist zudem zu beachten, dass viele Quellen zum Vormundschaftsrecht der Wissenschaft erst im Laufe des 19. bzw. 20. Jahrhunderts zugänglich gemacht werden konnten. Vor diesem Hintergrund ist es aber auch nicht verwunderlich, wenn in ihnen so manches Problemfeld unerwähnt bleibt. Einige der mittlerweile zuverlässig rekonstruierten normativen Texte zur tutela beziehen sich auf die (uns nicht überlieferten) römischen Vormundschaftsgesetze, die das behördliche Verfahren der datio tutoris in Rom und in den Provinzen bzw. in Italien regelten. Die Bereicherung durch die jüngsten Quellenfunde führte zu einer Erweiterung des Kontexts im Bereich des Vormundschaftswesens und schuf damit neue Räume zur Interpretation. Dennoch haben von den zeitgenössischen Rechtshistorikern bislang nur sehr Wenige einen palingenetischen Versuch gewagt. Zuletzt widmete sich Dieter Nörr in eindrucksvoller Weise der komplexen und schwierigen Thematik in seiner Abhandlung „Zur Palingenesie der römischen Vormundschaftsgesetze“ (ZSS 118 (2001), 1ff). Obgleich er darin stets die Vorläufigkeit seiner Erkenntnisse betont, hat es sich seither niemand zum Ziel gesetzt, diese in einer neuen, umfassenden Untersuchung gewissermaßen auf den „Prüfstand“ zu stellen.2 Dem will die vorliegende Arbeit entgegentreten und diese schmerzlich bestehende Lücke in der modernen Literatur schließen.

Der Begriff Palingenesie (auch Palingenese oder Palingenesis) stammt ursprünglich aus dem Griechischen (von πάλιν, „wieder“ und γένεσις, „Entstehung, Schöpfung, Geburt“) und bedeutet Wiederherstellung, Wiedergeburt, ← 13 | 14 → Wiederverkörperung oder auch Neuschöpfung.3 Macht man sich die Palingenesie der römischen Vormundschaftsgesetze zur Aufgabe, ist damit aber keineswegs der Anspruch verbunden, ganze Gesetzestexte zu rekonstruieren. Das hat bereits Nörr klargestellt4 und es wird sich zeigen, dass er Recht behalten wird. Dieses Unterfangen würde einige unüberwindbare Hürden bereithalten und daher von Anfang an zum Scheitern verurteilt sein. Die wenigen Quellen verraten – zumindest auf den ersten Blick – nämlich so gut wie nichts über den Text und nur sehr wenig über ihren Inhalt. Die Basis der Untersuchungen erscheint also angesichts der spärlichen Überlieferung zunächst recht dünn.

Es wird jedoch aufgezeigt werden, dass einige Stadtrechte (lex coloniae Genetivae Iuliae seu Ursonensis, lex Salpensana, lex Irnitana) sowie Urkunden zur Frauentutel aus Herkulaneum und Ägypten durchaus wertvolles Material zum besseren Verständnis und zur Wiederherstellung einzelner Fragmente der Vormundschaftsgesetze liefern. Hinzu treten kurze, aber deshalb nicht weniger bedeutsame Berichte aus den Institutionen des Gaius und den Institutionen Justinians, Teile der epitome Ulpiani sowie Passagen aus der Paraphrase des Theophilos. Von zentraler Bedeutung sind auch die erläuternden Bemerkungen des spätklassischen Juristen Ulpian im 38. bzw. 39. Buch ad Sabinum, für deren vollständige Erfassung wiederum die „kommentierenden“ Notizen des unbekannten Verfassers der Scholia Sinaitica unerlässlich sind.

Anhand dieser Quellen sollen die zentralen Regelungsinhalte der beiden Vormundschaftsgesetze, lex Atilia und lex Iulia et Titia, im Hinblick auf ihren jeweiligen Geltungsbereich, die Zuständigkeiten und das Verfahren bei der behördlichen Bestellung des tutor veranschaulicht werden. Darüber hinaus entbindet das Vorhaben der Palingenesie freilich nicht von dem Versuch der Rekonstruktion einzelner Klauseln, um schließlich einen eigenen Vorschlag zur Veranschaulichung eines Kapitels der in Frage stehenden Gesetze geben zu können. Mit diesen Zielen wollen wir uns den einschlägigen Texten nähern.


1 Dies beklagt auch Nörr, ZSS 118 (2001), 3.

2 Vgl. aber immerhin Grelle, in: Capogrossi Colognesi/Gabba (Hrsg.), Gli Statuti Municipali, 411ff.

3 Der Begriff wird sowohl in der Theologie und Philosophie als auch in der Geologie, Biologie sowie in den Sozialwissenschaften verwendet.

4 Siehe Nörr, ZSS 118 (2001), 65.

| 15 →

Erstes Kapitel: Überblick über die geschichtliche Entwicklung des Wesens der Vormundschaft und Pflegschaft

Zunächst soll ein kurzer Überblick über die historische Entwicklung des Wesens der Vormundschaft und der Pflegschaft gegeben werden. Die Vormundschaft als übergeordnete Institution umfasst ganz allgemein den Beistand und die Vertretung von Personen, die trotz voller Rechtsfähigkeit aufgrund ihrer Individualität eines besonderen Schutzes sowie einer besonderen Fürsorge bedürfen und entsprechend ihrer Willensbeschaffenheit in der rechtlichen Handlungsfähigkeit beschränkt sind.5

§ 1. Vormundschaft und Pflegschaft im römischen Recht

Im römischen Recht sind uns zwei vormundschaftliche Institute überliefert, die tutela und die cura. Ihre geschichtlichen Anfänge reichen – soweit sie für die Nachwelt anhand von Quellen nachvollziehbar sind – bis in die Zeit der Zwölftafeln zurück.

Nach dem rechtlichen Verständnis der Römer waren Unmündige, Geisteskranke und verschwendungssüchtige Personen entweder gar nicht oder nur in beschränktem Umfang fähig, einen vernünftigen Willen zu bilden. Dies hatte zur Folge, dass ihr Handeln keine oder lediglich unvollkommene rechtliche Wirkungen entfalten konnte.6 In gleicher Weise wurden Frauen, denen wie in beinahe allen archaischen Rechten mit patriarchalischer Gesellschaftsstruktur vorrangig die soziale Rolle als Mutter und Aufgaben im Haushalt zugedacht waren, zumindest in der älteren Zeit von der eigenverantwortlichen Führung ihrer Rechtsgeschäfte ausgeschlossen.7

Die Stellung, die dem Menschen innerhalb einer sozialen Gemeinschaft und damit letztlich auch im Recht zukommt, unterliegt ständigen Umwälzungen – diese allgemeingültige Erkenntnis gilt ebenso für das antike Rom. Die altrömische Epoche sah den Menschen weniger als Individuum, sondern vor allem als Teil der jeweiligen Verbände: vom Staat als größte Vereinigung aller Bürger bis hin zur kleinsten, aber dadurch nicht weniger bedeutsamen Einheit, die römische ← 15 | 16 → Kleinfamilie.8 Der monokratisch organisierte und geschlossene Hausverband einer Familie war vor allem gekennzeichnet durch das für die römische Ordnung bedeutsamste Herrschaftsrecht, die patria potestas.9 Neben der uxor in manu unterstanden dieser lebenslangen Vollgewalt des Vaters als Oberhaupt der altrömischen familia seine Kinder aus rechtswirksamer Ehe (iustum matrimonium), soweit sie nicht anderweitig emanzipiert worden waren, d.h. die Söhne und deren uxores in manu sowie die Töchter, wenn sie nicht durch Heirat in fremde manus gelangt waren.10 Solange diese Personen noch keinen eigenen Interessenkreis hatten, da sie sich unter der patria potestas oder in einer manus-Ehe befanden und damit alieni iuris waren, bestand kein Bedürfnis für ein besonderes Schutzverhältnis: Eigenes Vermögen besaßen sie nicht und den Schutz für die Person hatte der Inhaber der patria potestas oder der manus zu gewährleisten. Erforderlich wurde ein solches Fürsorgeverhältnis folglich erst nach Befreiung aus einer dieser Gewalten (in der Regel mit dem Tod des paterfamilias), wenn sie dadurch einen eigenen Interessenkreis erhielten.11 Sie galten dann zwar personenrechtlich als sui iuris, aufgrund mangelnder Handlungs- und Geschäftsfähigkeit unterstanden sie fortan aber bestimmten Schutzgewalten: sowohl die Unmündigen vor Eintritt der Geschlechtsreife (impuberes12) als auch die Frauen zeitlebens der des Tutors, die Geisteskranken (furiosi) und entmündigten Verschwender (prodigi) der des Kurators.13

I. Die cura

Die ältesten Anwendungsfälle der römischen cura bilden die cura furiosi und die cura prodigi. Bereits das Zwölftafelgesetz hatte bestimmt, dass geisteskranke Personen und entmündigte Verschwender der Pflegegewalt ihrer Agnaten und Gentilen unterworfen waren. Die Bestimmung Si furiosus escit, adgnatum gentiliumque in eo pecuniaque eius potestas esto (tab. V, 7a) dürfte dahingehend zu deuten sein, dass die cura furiosi zunächst den gradnächsten Agnaten zufiel und ← 16 | 17 → nur dann, wenn diese nicht vorhanden waren, den Gentilen.14 Die gleichen Personen sah das Gesetz für die cura prodigi vor: Lex duodecim tabularum furiosum, itemque prodigum, cui bonis paternis et avitis interdictum est, in curatione iubet esse agnatorum (Ulp. ep. XII, 2). Fehlte es an tauglichen Agnaten (die cura der Gentilen kam schon während der Republik außer Übung), wurde der Kurator vom Prätor ernannt15: Saepe ad alium e lege duodecim tabularum curatio furiosi aut prodigi pertinent, alii praetor administrationem dat, scilicet cum ille legitimus inhabilis ad eam rem videatur (Gai. D. 27, 10, 13).

Das Institut der Pflegschaft weist insbesondere im Hinblick auf seine historischen Wurzeln gewisse Parallelen zur römischen Tutel über Unmündige und Frauen auf und hat daher eine ähnliche Entwicklung genommen: In ihrer ursprünglichsten Erscheinungsform stellte sie ein reines Herrschaftsrecht dar, das – allenfalls durch Sakralrecht und Sitte beschränkt – dem Kurator im Interesse sowohl des Familienverbands als auch des Pfleglings selbst zustand.16 Ähnlich wie dem tutor kam auch dem curator über die Person und das Vermögen des Schutzbefohlenen eine treuhänderische Gewalt (domini loco) zu.17 Im Unterschied zur tutela stellte die cura als Maßnahme gegen eine an sich mündige Person sui iuris den rechtlichen Ausnahmefall dar.18 Gegenstand und Inhalt der Pflegegewalt richteten sich folglich nach den jeweiligen Bedürfnissen, so dass sie zwar beim Geisteskranken die Sorge für die Person sowie den Schutz des Vermögens19, beim Verschwender hingegen nur das ererbte Familienvermögen umfasste20: Lege duodecim tabularum prodigo interdicitur bonorum suorum administratio, quod moribus quidem ab initio introductum est (Ulp. D. 27, 10, 1 pr.).

Trotz dieser Ähnlichkeiten zwischen cura und tutela trat bei Ersterer alsbald viel schneller sowie energischer die Pflichtenseite hervor und entwickelte sich allmählich von einem nutzbaren Recht zu einem unter staatlicher Aufsicht stehenden Pflichtamt.21 Der Ausgangspunkt dieser Umbildung ist im Aufkommen der jüngeren cura minorum zu erblicken, die von Beginn an den Charakter eines fremdnützigen Amts im ausschließlichen Interesse des Pfleglings aufwies.22 ← 17 | 18 →

Nach Erlass der lex Laetoria (oder auch lex Plaetoria) um 200 v.Chr., die einem minor viginti quinque annorum, der von seinem Vertragspartner aufgrund seiner geschäftlichen Unerfahrenheit und seines jugendlichen Leichtsinns übervorteilt worden war, einen Anspruch aus Delikt und die Möglichkeit einer Popularklage gegen diesen gewährte, kam in der jüngeren Republik die eben erwähnte cura minorum hinzu.23 Dabei handelte es sich um die von den Prätoren zur Weiterentwicklung dieses Schutzes geschaffene Pflegschaft über männliche und in den Fällen, in denen die tutela mulieris nicht griff, weibliche puberes, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten: Ei etiam a praetore curator dandus est, qui, licet pubes sit, adhuc tamen perfectae aetatis non sit, donec ad eam aetatem pervenerit, in qua res suas tueri possit, sicuti apud peregrinas gentes custodiri superius indicavimus (Gai. inst. 1, 197).

Details

Seiten
201
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653060478
ISBN (ePUB)
9783653955019
ISBN (MOBI)
9783653955002
ISBN (Paperback)
9783631669488
DOI
10.3726/978-3-653-06047-8
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (November)
Schlagworte
lex Atilia lex Iulia et Titia Spolien Vormundschaft Tutela
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 201 S.

Biographische Angaben

Nikola Georgia Galaboff (Autor:in)

Nikola Georgia Galaboff studierte Rechtswissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Nach Tätigkeiten als Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Assistentin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Römisches Recht und Antike Rechtsgeschichte in Erlangen wechselte die Autorin in den bayerischen Justizdienst zur Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth.

Zurück

Titel: Die Palingenesie der römischen Vormundschaftsgesetze
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
book preview page numper 26
book preview page numper 27
book preview page numper 28
book preview page numper 29
book preview page numper 30
book preview page numper 31
book preview page numper 32
book preview page numper 33
book preview page numper 34
book preview page numper 35
book preview page numper 36
book preview page numper 37
book preview page numper 38
book preview page numper 39
book preview page numper 40
204 Seiten