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Öffentlichkeit im Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss gemäß Art. 45 a Abs. 2 GG

Eine Untersuchung am Beispiel des Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages («Kunduz-Untersuchungsausschuss»)

von Marie-Christin Meier (Autor:in)
©2016 Dissertation 244 Seiten

Zusammenfassung

Der «Kunduz-Untersuchungsausschuss» führte als erster Verteidigungsausschuss seit Inkrafttreten des Parlamentarischen Untersuchungsausschussgesetzes (PUAG) öffentliche Beweiserhebungen durch. Marie-Christin Meier untersucht die Vereinbarkeit dieser Öffentlichkeitspraxis mit den Regeln des PUAG und den Vorgaben des Grundgesetzes. Sie erforscht den Einfluss einer einfachgesetzlichen Verfahrensordnung mittels eines Vergleichs der Öffentlichkeitspraxis vor und nach Inkrafttreten des PUAG. Bei der Untersuchung der Öffentlichkeitspraxis des «Kunduz-Untersuchungsausschusses» erfolgt eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob durch sie Minderheitenrechte verletzt wurden.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Einleitung
  • A. Problemstellung
  • B. Gang der Untersuchung, Methode und Aufbau der Arbeit
  • C. Themeneingrenzung
  • D. Stand der bisherigen Forschung
  • § 1. Geschichte des Untersuchungsrechts
  • A. Rechtsquellen für das Verfahren der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages
  • I. Das Untersuchungsrecht im Kaiserreich
  • II. Das Untersuchungsrecht in der Weimarer Republik
  • 1. Der Einfluss von Max Weber
  • 2. Art. 34 WRV
  • III. Der Verfassungskonvent von Herrenchiemsee 1948
  • IV. Der Parlamentarische Rat
  • V. Art. 44 Abs. 1 GG
  • B. Bestrebungen für die Schaffung einer Verfahrensordnung für die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse
  • I. Entwürfe zu gesetzlichen Regelungen und zur Reform der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse
  • 1. IPA-Regeln
  • 2. Das späte Zustandekommen eines Untersuchungsausschussgesetzes
  • II. Verfahrensgesetz zum Untersuchungsrecht im Bundestag
  • 1. Regelungsvorbehalt des Art. 44 Abs. 1 GG?
  • 2. Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (PUAG)
  • § 2. Rechtsquellen für öffentliche Verhandlungen des Deutschen Bundestages
  • A. Öffentliche Verhandlungen des Parlaments
  • I. Die Paulskirchenverfassung der Nationalversammlung 1848/1849
  • II. Reichsverfassung von 1871
  • III. Weimarer Reichsverfassung von 1919
  • IV. Grundgesetz von 1949
  • 1. Öffentlichkeitsfunktionen
  • 2. Nichtöffentliche Sitzungen der Bundestagsausschüsse
  • B. Öffentlichkeit der Beweiserhebungen von Untersuchungsausschüssen
  • I. Rechtsquellen
  • 1. Weimarer Reichsverfassung
  • 2. Der Parlamentarische Rat
  • II. Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG
  • III. Bedeutung der Öffentlichkeit für das Untersuchungsverfahren
  • 1. Kontrolle
  • 2. Transparenz
  • 3. Bedeutung der öffentlichen Beweisaufnahme für die Minderheit im Untersuchungsausschussverfahren
  • 4. Kritik an der Sitzungsöffentlichkeit
  • IV. Ausschluss der Öffentlichkeit, Art. 44 Abs. 1 S. 2 GG
  • C. Die Öffentlichkeitsregelungen des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (PUAG)
  • I. § 13 PUAG
  • 1. Grundsätzliche Öffentlichkeit der Beweiserhebung
  • 2. Die Möglichkeit von Ton- und Bildübertragungen
  • II. § 14 PUAG
  • 1. § 8 IPA-Regeln
  • 2. Die Ausschlussgründe des § 14 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 PUAG
  • 3. Ausschussbeschluss gemäß § 14 Abs. 4 PUAG
  • III. Bewertung der Öffentlichkeitsregelung des PUAG
  • § 3. Der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages
  • A. Art. 45 a GG
  • I. Geschichtlicher Hintergrund
  • II. Wehrverfassung
  • III. Ausschuss für Verteidigung
  • B. Art. 45 a Abs. 2 GG: Der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss
  • I. Enquête-Befugnis
  • II. Verfahrensregeln des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss
  • 1. Art. 45 a Abs. 2 S. 1 GG
  • 2. Art. 45 a Abs. 3 GG
  • C. Der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss innerhalb des PUAG
  • I. Allgemeine Regelungen
  • II. Spezielle Regelungen hinsichtlich der Verfahrensöffentlichkeit?
  • 1. Entwicklung des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss innerhalb der Entwürfe für eine Verfahrensordnung für das Recht der Untersuchungsausschüsse
  • 2. Kritik seitens der Literatur
  • 3. Bewertung
  • III. Berichtspflicht an den Bundestag
  • 1. Gegner
  • 2. Befürworter
  • 3. Stellungnahme
  • IV. Keine Diskontinuität im Falle des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss
  • § 4. Praxis des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss
  • A. Praxis des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (PUAG)
  • I. 1. Untersuchungsausschuss gemäß Art. 45 a Abs. 2 GG der 2. Wahlperiode Äußerungen des Generalmajors Paul Hermann am 13. August 1956 über Kriegsdienstverweigerer
  • II. 2. Untersuchungsausschuss gemäß Art. 45 a Abs. 2 GG der 2. Wahlperiode Vorwürfe gegen Abgeordnete im Zusammenhang mit Rüstungsaufträgen
  • III. 1. Untersuchungsausschuss gemäß Art. 45 a Abs. 2 GG der 4. Wahlperiode Dokumentenaffäre (Spiegel): Weitergabe geheimhaltungsbedürftiger Vorgänge aus dem Verteidigungsausschuss an Unbefugte
  • IV. 1. Untersuchungsausschuss gemäß Art. 45 a Abs. 2 GG der 5. Wahlperiode Tödlicher Unfall des Starfighter-Piloten Siegfried Arndt
  • V. 1. Untersuchungsausschuss gemäß Art. 45 a Abs. 2 GG der 8. Wahlperiode Spionagefall Lutze/Wiegel
  • 1. Der Beschluss zum Verfahren im Falle des Art. 45 a Abs. 2 GG des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung der 8. Wahlperiode
  • 2. Interpretation des Beschlusses durch den Untersuchungsausschuss
  • 3. Bewertung
  • VI. 2. Untersuchungsausschuss gemäß Art. 45 a Abs. 2 GG der 8. Wahlperiode Krawalle in Bremen anlässlich des öffentlichen Gelöbnisses von Soldaten am 6. Mai 1980
  • VII. 1. Untersuchungsausschuss gemäß Art. 45 a Abs, 2 GG der 9. Wahlperiode Finanzierungsprobleme des Waffensystems „Tornado“
  • VIII. 1. Untersuchungsausschuss gemäß Art. 45 a Abs. 2 GG der 10. Wahlperiode Prüfung der Grundlagen der vorzeitigen Zurruhesetzung des Generals Dr. Kießling
  • IX. 1. Untersuchungsausschuss gemäß Art. 45 a Abs. 2 GG der 11. Wahlperiode Unglück bei den Flugtagen in Ramstein und Nörvenich
  • X. 1. Untersuchungsausschuss gemäß Art. 45 a Abs. 2 GG der 13. Wahlperiode Untersuchung zu rechtsextremistischen Vorkommnissen an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg und an anderen Standorten der Bundeswehr
  • XI. Zusammenfassende Bewertung
  • B. Praxis des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (PUAG)
  • I. 1. Untersuchungsausschuss gemäß Art. 45 a Abs. 2 GG der 16. Wahlperiode Misshandlungsvorwurf des ehemaligen Guantánamo-Häftlings Murat Kurnaz gegenüber Angehörigen des Kommandos Spezialkräfte im US-Gefangenenlager Kandahar, Afghanistan
  • 1. Vorgeschichte
  • 2. Rechtsgrundlagen für die Arbeit des Untersuchungsausschusses
  • 3. Öffentlichkeit / Nichtöffentlichkeit der Sitzungen
  • II. 1. Untersuchungsausschuss gemäß Art. 45 a Abs. 2 GG der 17. Wahlperiode Untersuchung zur Informationspolitik der Bundesregierung in Bezug auf Abläufe und Folgen des Bombardements von zwei entführten Tanklastern im Kunduz-Fluss am 4. September 2009
  • 1. Vorgeschichte
  • 2. Besonderheit: Gemeinsamer Antrag aller Fraktionen auf die Konstituierung als Untersuchungsausschuss
  • 3. Die Öffentlichkeitspraxis im Untersuchungsausschuss Kunduz
  • III. Mögliche Verletzung von Minderheitenrechten durch die Öffentlichkeitspraxis des Untersuchungsausschusses
  • 1. Recht der Minderheit im Untersuchungsausschuss auf Mitwirkung an der Beweisaufnahme
  • 2. Recht der Minderheit auf Durchführung einer öffentlichen Beweisaufnahme
  • 3. Recht der Ausschussminderheit auf willkürfreie Entscheidung über die Durchführung öffentlicher Beweisaufnahmen
  • 4. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Minderheitenrechte im Parteispendenuntersuchungsausschuss
  • 5. Verletzung des Rechts der Ausschussminderheit auf willkürfreie Entscheidung hinsichtlich der Durchführung öffentlicher Beweisaufnahmen im Verteidigungsausschuss
  • 6. Bewertung
  • IV. Rechtsschutzmöglichkeiten der Minderheit
  • 1. Die Einsetzung eines weiteren Untersuchungsausschusses
  • 2. Rechtsschutzmöglichkeiten im PUAG
  • 3. Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5 BVerfGG
  • 4. Geschäftsordnungsausschuss des Deutschen Bundestages
  • 5. Zusammenfassung
  • V. Zusammenfassende Bewertung der Öffentlichkeitspraxis des „Kunduz-Untersuchungsausschusses“ vor dem Hintergrund des PUAG
  • 1. Lösungsansätze für das Problem des Ausschlusses der Öffentlichkeit im Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss
  • 2. Stellungnahme
  • C. Zusammenfassender Vergleich der Öffentlichkeitspraxis des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss vor und nach Inkrafttreten des PUAG
  • § 5. Geheimschutz
  • A. Geheimschutzproblematik innerhalb der Untersuchungsausschüsse gemäß Art. 44 Abs. 1 GG mit sicherheitsrelevantem Untersuchungsgegenstand
  • I. „Telefon-Abhöraffäre“, 1963
  • II. „Nachrichtendienste“, 1968/1969
  • III. „Spionageabwehr-Untersuchungsausschuss“, 1985/1986
  • IV. „BND-Untersuchungsausschuss“, 2006/2009
  • V. „NSU-Untersuchungsausschuss“, 2012/2013
  • VI. Stellungnahme
  • B. Geheimschutz innerhalb des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss
  • I. Kollision von Geheimhaltung und Pressefreiheit
  • II. Was bedarf der Geheimhaltung?
  • III. Ergebnis der Gegenüberstellung
  • Zusammenfassende Betrachtung
  • Literaturverzeichnis
  • Thesen

← 16 | 17 →Einleitung

Die vorliegende Arbeit widmet sich der Frage der Öffentlichkeit im Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss vor dem Hintergrund der abgeschlossenen Arbeit des zuletzt innerhalb der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages tätigen1 Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss gemäß Art. 45 a Abs. 2 GG2 („Kunduz-Untersuchungsausschuss“3).

A.Problemstellung

Das Grundgesetz regelt das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Art. 44 GG. Das Privileg und Sonderrecht des Verteidigungsausschusses, sich selbst, ohne Mitwirkung des Gesamtparlaments, als Untersuchungsausschuss zu konstituieren, findet sich in dem nachträglich im Zuge der Wehrreform eingefügten Art. 45 a GG, dort in Abs. 2.

Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG ordnet für Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages ausdrücklich die öffentliche Verhandlung an. Für den Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss hingegen sieht der Negativverweis in Art. 45 a Abs. 3 GG, wonach Art. 44 Abs. 1 GG auf dem Gebiet der Verteidigung keine Anwendung findet, nach einhelliger Meinung die grundsätzliche Nichtöffentlichkeit der Beweiserhebungen vor. Die Frage, ob hierdurch absolute Nichtöffentlichkeit der Beweiserhebungen des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss angeordnet wird, oder ob Ausnahmen vom Grundsatz zulässig sind, ist umstritten. In seiner Praxis hat der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss jedenfalls seit der 8. Wahlperiode immer wieder öffentliche Zeugenvernehmungen durchgeführt.

Seit der 14. Wahlperiode steht allen Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages ein Verfahrensgesetz in Form des am 26. Juni 2001 in Kraft ← 17 | 18 →getretenen Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (PUAG)4 zur Verfügung. Es sieht für den Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss ebenso wie für die übrigen parlamentarischen Untersuchungsausschüsse die Beweiserhebung in öffentlicher Sitzung vor.

Während der nunmehr zwölfjährigen Geltung des PUAG hat sich der Verteidigungsausschuss dreimal als Untersuchungsausschuss konstituiert. Zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Arbeit hat zuletzt der „Kunduz-Untersuchungsausschuss“ seinen Untersuchungsbericht am 25. Oktober 2011 vorgelegt.5

Der „Kunduz-Untersuchungsausschuss“ führte als erster Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss seit Inkrafttreten des PUAG öffentliche Zeugenvernehmungen durch, wobei er sich im Grundsatz auf die Nichtöffentlichkeit seiner Verhandlungen festgelegt hatte.

Das Verfahren hinsichtlich der Durchführung öffentlicher Zeugenvernehmungen hat im Fall des „Kunduz-Untersuchungsausschusses“ zu einer heftigen Kontroverse geführt, die – klassischerweise – zwischen der Mehrheit im Untersuchungsausschuss und den Minderheitsfraktionen der Opposition ausgetragen wurde.

Gegenstand dieser Arbeit ist die Frage, auf welcher Grundlage der „Kunduz-Untersuchungsausschuss“ öffentliche Beweiserhebungen durchgeführt hat, ob er hierzu also befugt war, und inwieweit er sich dabei zulässigerweise auf das PUAG gestützt hat.

In diesem Rahmen wird auch überprüft, ob dem Gesetzgeber mit den Vorschriften des PUAG eine zutreffende Interpretation der einschlägigen Verfassungsregeln hinsichtlich der Öffentlichkeit im speziellen Fall des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss geglückt und ob ihm gleichzeitig das lange herbeigesehnte6 Verfahrensgesetz gelungen ist, welches das Untersuchungsausschussverfahren nicht nur beschleunigen und vereinfachen, sondern gleichzeitig mehr Rechtssicherheit schaffen sollte.

Letzteres war im Rahmen der Beratungen zum PUAG die erklärte Absicht des Gesetzgebers. Der später durch das Parlament einstimmig beschlossene Entwurf des Untersuchungsausschussgesetzes sollte nach dem Willen der ihn einbringenden Fraktionen klare gesetzliche Vorgaben schaffen, um das ← 18 | 19 →Aufklärungspotential der Untersuchungsausschüsse zu stärken. Hierbei vertrat man die Auffassung, das Verfahrensrecht müsse klar und eindeutig sein und dürfe keinen Platz für Willkür lassen, sondern solle Streitigkeiten über prozessuale Fragen gerade vorbeugen.7

B.Gang der Untersuchung, Methode und Aufbau der Arbeit

Im ersten Teil der Arbeit wird eine Einführung in die Thematik anhand der ursprünglichen Rechtsquellen des Untersuchungsausschussverfahrens als solchem gegeben und werden die Bemühungen um die Schaffung einer verbindlichen Verfahrensordnung für die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages aufgezeigt (§ 1 Geschichte des Untersuchungsrechts).

In einem zweiten Schritt folgt eine rechtshistorische Darstellung der Quellen der Öffentlichkeit und ihre Funktionen im demokratischen Parlamentarismus, sowie speziell im Untersuchungsausschussverfahren. Diese Ausführungen dienen der daran anknüpfenden Darstellung der Öffentlichkeitsregelungen innerhalb des PUAG (§ 2 Rechtsquellen für öffentliche Verhandlungen des Deutschen Bundestages).

Die Betrachtung der Institution des Verteidigungsausschusses innerhalb des Verfassungsgefüges leitet die Darstellung seines verfassungsimmanenten Monopols, sich unabhängig vom Parlament als Untersuchungsausschuss konstituieren zu können, ein.

Anschließend wird erläutert, welche Verfahrensregeln sich für das Untersuchungsausschussverfahren des Verteidigungsausschusses aus der Verfassung selbst ergeben und welche Direktiven das PUAG für den Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss enthält (§ 3 Der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages). An den hierbei erarbeiteten Grundsätzen wird im Anschluss die Praxis des „Kunduz-Untersuchungsausschusses“ gemessen werden.

Die Untersuchung, ob und – falls ja – inwieweit die Schaffung einer Verfahrensordnung die Verfahrenspraxis des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss hinsichtlich der Durchführung öffentlicher Beweisaufnahmen beeinflusst hat, erfordert einen Vergleich der Praxis des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss vor und nach Inkrafttreten des PUAG.

Schwerpunktmäßig werden in diesem Teil der Arbeit die Öffentlichkeitspraxis des „Kunduz-Untersuchungsausschusses“ sowie deren Rechtsgrundlagen analysiert. Insbesondere die durch den Untersuchungsausschuss ← 19 | 20 →vorgenommene Änderung des Verfahrensbeschlusses zur Nichtöffentlichkeit der Sitzungen des Untersuchungsausschusses am 17. Juni 2010 soll im Rahmen dieser Analyse kritisch gewürdigt werden. Einen zentralen Bestandteil dieser Würdigung bildet die Prüfung, ob durch die Öffentlichkeitspraxis des „Kunduz-Untersuchungsausschusses“ Rechte der Minderheit im Untersuchungsausschuss verletzt wurden. Als Resulat dieser Analyse werden Konsequenzen und Handlungsvorschläge im Sinne einer Modifikation der einschlägigen PUAG-Regelungen aufgezeigt (§ 4 Praxis des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss).

Zuletzt erfolgt eine Auseinandersetzung mit Sinn und Zweck der Vorschrift des Art. 45 a Abs. 3 GG, dem Schutz militärischer Geheimnisse. Durch eine Gegenüberstellung der Geheimhaltungspraxis innerhalb ausgewählter Untersuchungsausschüsse gemäß Art. 44 Abs. 1 GG und derjenigen innerhalb des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss wird ausgewertet, inwieweit es sich bei der Geheimschutzproblematik um eine verteidigungsausschuss-immanente handelt (§ 5 Geheimschutz).

Schließlich wird eine konkrete Regelung paraphrasiert, die im Einklang mit den Vorgaben der Verfassung steht und gleichzeitig das Verfahren künftiger Verteidigungsausschüsse als Untersuchungsausschuss vereinfachen und beschleunigen würde. Mit einer diesem Vorschlag entsprechenden Regelung im Untersuchungsausschussgesetz könnten langwierige Diskussionen über das einzuhaltende Verfahren und Streitigkeiten hinsichtlich der Zulässigkeit öffentlicher Beweisaufnahmen vermieden und Rechtssicherheit geschaffen werden.

C.Themeneingrenzung

Die tatsächliche Praxis der Untersuchungsausschüsse lieferte zentrale Impulse für die Ausgestaltung des PUAG. Grundsätzlich wird das Erfordernis, ein Gesetz zu ändern, oftmals durch seine Anwendung und Handhabung deutlich.

Diese Arbeit orientiert sich deshalb an der bisherigen Untersuchungsausschusspraxis und befasst sich vor dem Hintergrund der Praxis des „Kunduz-Untersuchungsausschusses“ nur mit der Problematik der Durchführung öffentlicher Beweiserhebungen des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss. Der Streit um die Reichweite der Anordnung der grundsätzlichen Nichtöffentlichkeit des Art. 45 a Abs. 3 GG kann und soll im Rahmen dieser Untersuchung nicht abschließend entschieden werden.

Ebenso werden weitere Defizite des PUAG lediglich am Rande behandelt. Diese Schwachstellen des Gesetzes sollen lediglich festgestellt werden, um die herausgearbeiteten Ergebnisse dieser Arbeit zu stützen.

← 20 | 21 →Auch beschränkt sich die vorliegende Untersuchung auf die Tätigkeit des „Kunduz-Untersuchungsausschusses“, da dieser – wie bereits aufgezeigt – als einziger Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss seit Inkrafttreten des PUAG bis zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Arbeit öffentliche Zeugenvernehmungen durchgeführt hat.

D.Stand der bisherigen Forschung

Das PUAG ist seit seinem Inkrafttreten von der Fachliteratur vielfach, sowohl positiv als auch negativ, kommentiert worden.8

Vereinzelt befassten sich Dissertationen mit speziellen Regelungen des neuen Untersuchungsausschussgesetzes.9

Nach den Recherchen der Verfasserin existieren bislang lediglich zwei Kommentare zum PUAG, davon ein Onlinekommentar.10 Daneben beschäftigt sich ein Handbuch mit dem Gesetz.11 Zu den hier untersuchten Regelungen des PUAG hinsichtlich öffentlicher Zeugenvernehmungen des Verteidigungsausschusses ← 21 | 22 →als Untersuchungsausschuss liegen nach den Erkenntnissen der Verfasserin keine Bearbeitungen vor.

Die Literatur zu parlamentarischen Untersuchungsausschüssen ist hingegen mannigfaltig, diejenige speziell hinsichtlich des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss demgegenüber quantitativ schon geringer. Die älteren Werke darunter befassen sich mit der Problematik öffentlicher Zeugenvernehmungen im Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss zudem lediglich vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben. Nach dem Inkrafttreten des PUAG im Jahr 2001 war das Thema wegen lediglich zweier konstituierter Verteidigungsausschüsse als Untersuchungsausschuss auch kaum von praktischer Relevanz und steht deshalb in keinem der Werke im Mittelpunkt der Untersuchung.

Ausdrückliche Erwähnung der in der vorliegenden Arbeit thematisierten Problematik findet sich nur bei Hernekamp, der die Öffentlichkeit der Beweisaufnahmen im „Kunduz-Untersuchungsausschuss“ mit der Begründung, Art. 45a Abs. 3 GG ordne aufgrund seines Wortlauts die ausnahmslose Nichtöffentlichkeit der Beweiserhebung vor dem Verteidigungsausschuss an, als verfassungswidrig bezeichnet.12

Ebenso sind Gerichtsentscheidungen zum Untersuchungsausschussrecht selten, so dass Auslegungsschwierigkeiten in der Anwendung des PUAG nur allmählich einer Klärung zugeführt werden können.13

Deshalb ist es angebracht, aktuelle Probleme eines erst kürzlich beendeten Untersuchungsausschusses aufzugreifen, zu analysieren und Lösungsvorschläge zu formulieren. Die, wie aufgezeigt, wenigen Entscheidungen zum Untersuchungsausschussgesetz hängen hierbei nicht zuletzt mit der nur sporadischen Einsetzung von Untersuchungsausschüssen und der hierbei noch selteneren Konstituierung des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss (14 Mal seit der 2. Wahlperiode, davon nur dreimal unter Anwendung des PUAG) zusammen.


1 Der Verteidigungsausschuss als 2. Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode, der sich anlässlich der sog. Euro Hawk-Affäre am 26. Juni 2013 konstituierte, wird im Rahmen dieser Untersuchung nicht berücksichtigt.

2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. I), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 21. Juli 2010 (BGBl. I, S. 944).

3 In der Vergangenheit haben sich Untersuchungsausschüsse zur besseren Orientierung in der Öffentlichkeit teilweise inoffizielle Kurztitel gegeben, BT-Drucks. 15/2100, S. 28. Im Folgenden wird deshalb zur Verbesserung des Leseflusses die Bezeichnung „Kunduz-Untersuchungsausschuss“ verwendet.

4 Untersuchungsausschussgesetz vom 19. Juni 2001 (BGBl. I, S. 1142), das durch Artikel 4 Absatz 1 des Gesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I, S. 718) geändert worden ist.

5 BT-Drucks. 17/7400.

6 Schneider, NJW 2001, 2604 (2604, 2607); Kretschmer, DVBl. 1988, 811 (812 Anm. 4 m. w. N.); zur Notwendigkeit eines Gesetzes vgl. zusammenfassend Schröder, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 46 Rn. 47; Schick, WR 1968, 1 (15); Wiefelspütz, NVwZ 2002, 10 (10).

7 Verh. d. BT, 14/82, S. 7617.

Details

Seiten
244
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653061147
ISBN (ePUB)
9783653954555
ISBN (MOBI)
9783653954548
ISBN (Paperback)
9783631669792
DOI
10.3726/978-3-653-06114-7
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Oktober)
Schlagworte
Parlamentarisches Untersuchungsausschussgesetz Parlamentsrecht PUAG Minderheitenrechte
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 244 S.

Biographische Angaben

Marie-Christin Meier (Autor:in)

Marie-Christin Meier studierte Rechtswissenschaften in Berlin und wurde an der Friedrich-Schiller-Universität Jena promoviert.

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