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UPDATE: Aktuelle Anforderungen des Umweltschutzes in der Bauleitplanung

Fach- und Rechtsfragen der Stadt- und Regionalplanung

von Stephan Mitschang (Band-Herausgeber:in)
©2016 Konferenzband 318 Seiten

Zusammenfassung

Dieser Band versammelt die Beiträge der Tagung «UPDATE: Aktuelle Anforderungen des Umweltschutzes in der Bauleitplanung», die am 23. und 24. März 2015 an der Technischen UniversitTechnischen Universität Berlin stattfand. Die Bedeutung der Umweltbelange hat sich seit deren Einzug in das Städtebaurecht zunehmend erhöht. Dies macht es der Planungs- und Genehmigungspraxis nicht leicht, den Überblick zu behalten und auf den aktuellen Sachstand zurückzugreifen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Umweltprüfung, dem Hochwasserschutz, den immissionsschutzbezogenen Planungen, dem Flächenverbrauch, dem Störfallschutz, dem FFH- und Vogelschutz, dem Artenschutz und der Eingriffsbewältigung. Auch verfahrensrechtlich spielen Umweltbelange eine Rolle. Dieses Buch greift die wichtigsten planungsrelevanten Aspekte auf und bietet damit eine Hilfestellung für die Planungspraxis.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Wie strategisch ist die Umweltprüfung in Raumordnung und Bauleitplanung?
  • Hochwasserschutzbelange in der Bauleitplanung
  • Berücksichtigung von Planungen des Immissionsschutzes
  • Bodenschutz- und Umwidmungssperrklausel
  • Bewältigung störfallbezogener Anforderungen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zur SEVESO-II-Richtlinie und deren Konsequenzen für die Planungs- und Genehmigungspraxis
  • Aktuelle Anforderungen des Umweltschutzes in der Bauleitplanung – Probleme mit der FFH- und Vogelschutzrichtlinie
  • (Strategische) Umweltprüfung im internationalen Vergleich
  • Umweltbelange im beschleunigten und vereinfachten Verfahren nach §§ 13, 13a BauGB
  • Artenschutzrechtliche Anforderungen in der Bauleitplanung
  • Aktuelle Entwicklungen bei der Eingriffsregelung
  • Die Viererkette: Neueste Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung und zur Präklusion bei Bauleitplanungen
  • Umsetzung der UVP-Änderungs-Richtlinie
  • Autorenverzeichnis

← 8 | 9 →

Johann Köppel, Anke Rehhausen, Gesa Geißler

Wie strategisch ist die Umweltprüfung in Raumordnung und Bauleitplanung?

Abstract
Der Beitrag beschäftigt sich kritisch mit der strategischen Umweltprüfung. Er zeigt Merkmale auf und benennt Herausforderungen für die Raumordnung und die Bauleitplanung.

This article deals critically with the Strategic Environmental Assessment, indicating its characteristics as well as identifying challenges for spatial and land-use planning.

1. Einführung

Bei der Umsetzung der europäischen SUP-Richtlinie1 für Pläne und Programme in das Raumordnungsgesetz (ROG)2 und Baugesetzbuch (BauGB)3 in Deutschland wurde der Begriff „strategisch“ für die Umweltprüfung von Plänen und Programmen erst gar nicht eingeführt, während das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG)4 den Begriff „Strategische Umweltprüfung“ (SUP) eingeführt hat. In der Praxis weist bis heute die Umweltprüfung von Plänen und Programmen häufig noch eher den Charakter der Umweltverträglichkeitsprüfung für Projekte auf; so werden etwa mögliche Standorte für Windkraftanlagen in Regionalplänen auf ihre Verträglichkeit im Einzelnen überprüft oder einzelne gemeindliche Bebauungsplan-Optionen jeweils auf ihre Umweltwirkungen untersucht, an Stelle einer „strategischen“ Gesamtschau. Davon wird im Folgenden weitergehend die Rede sein. ← 9 | 10 →

Festzuhalten ist eingangs, dass die Bundesebene für die SUP in der Raumordnung bislang entfällt. Während in anderen Planungssektoren (Verkehr, Netzausbau, nukleare Entsorgung etc.)5, die strategisch oft bereits entscheidende Planung auf Bundesebene zwischenzeitlich deutlich an Bedeutung gewonnen hat, wird in Deutschland nicht einmal von der Möglichkeit sogenannter „Grundsätze“-Raumordnungspläne gemäß § 17 Abs. 1 ROG Gebrauch gemacht. Hier könnten angesichts der gewachsenen faktischen Kraft von föderalen Planungen, womöglich ähnlich wie bei der Verkehrsplanung und Netzausbauplanung, auch raumordnerisch bereits strategische Impulse gesetzt werden. Doch noch entfällt diese erste Einsatzebene somit auch für die Umweltprüfung in der räumlichen Planung. Die Verfasser gehen davon aus, dass gerade solche „Grundsätze“-Raumordnungspläne SUP-pflichtig wären, da viele der Kriterien nach Anlage 4 UVPG als erfüllt angesehen werden und solche Pläne durch ihre wegweisende Wirkung für nachfolgende Planungen auch erhebliche Umweltauswirkungen, positive wie negative, beinhalten werden. Erfahrungsgemäß würde die SUP-Pflicht jedoch erst eindeutig durch die Aufnahme der Pläne in die Liste SUP-pflichtiger Pläne und Programme (Anlage 3 UVPG) festgelegt werden und würde dann auch Berücksichtigung im ROG finden; beides steht bisher aus.

Aber was macht die SUP eigentlich strategisch und inwiefern kommt dem die Umweltprüfung in der Raumordnung und Bauleitplanung nach?

2. Was macht die Strategische Umweltprüfung (eigentlich) aus?

Im internationalen Vergleich wird die Strategische Umweltprüfung nicht nur für behördliche Pläne und Programme durchgeführt, sondern auch für Strategien, Konzepte und Politiken, zum Teil auch für Gesetzesentwürfe6. In Deutschland bleibt es jedoch einstweilen beim Anwendungsbereich „behördliche Pläne und Programme“, obwohl bei diesen Entscheidungsebenen die SUP ← 10 | 11 → in besonderem Maß das leisten könnte, was sie eigentlich „strategisch“ macht, also unter anderem:

  1. Eine SUP muss zu den „richtigen“ Entscheidungen durchgeführt werden, d. h. wegweisende, auch strategische (Vor-)Entscheidungen dürfen nicht von der SUP ausgeschlossen werden7.
  2. Eine SUP muss gegenüber der UVP auf Projektebene einen Mehrwert bzw. eine zusätzliche Perspektive entwickeln8.
  3. Eine SUP muss agieren statt nur zu reagieren, d. h. eine SUP ist in den Planungsprozess rechtzeitig zu integrieren9.
  4. Eine SUP muss echte Alternativen, kumulative Wirkungen und umweltpolitische Zielsetzungen prüfen10.
  5. Auch eine SUP darf nicht auf bürokratische Scheinübungen reduziert werden, ohne dass man noch erkennt, worum es im Kern eigentlich geht11.

Eine rechtzeitige Integration der SUP in den Planungsprozess (Punkt 3) kann erreicht werden, indem die SUP frühzeitig beginnt, sobald das Ziel der Planung grob definiert wurde. Die Umweltziele sollen bereits dazu verwendet werden, um die Planungszieldefinition zu beeinflussen12. Die Alternativenbetrachtung im Sinne der SUP soll in den Planungsfortschritt integriert werden, wenn die bevorzugte(n) Alternative(n) noch nicht bestimmt worden sind13. Zur weiteren Unterstützung des Agierens statt Reagierens sollte das Umweltmonitoring ← 11 | 12 → an ein Monitoring des Planungsfortschrittes, die Raumbeobachtung im Fall der Raumordnung und Bauleitplanung, angegliedert werden14. Die Ergebnisse des Umweltmonitorings sind in jedem Fall öffentlich zugänglich zu machen. Durch die SUP-Integration und das Monitoring wird auch das betreffende institutionelle Lernen gefördert15.

Das Scoping stellt einen wesentlichen Schritt zur Vorstrukturierung der SUP dar, der frühzeitig und kooperativ (einschließlich der Öffentlichkeit) stattfinden sollte. Die SUP sollte einmal gedanklich durchgespielt und diskutiert werden, mit potentiell zu untersuchenden Alternativen, zu verwendenden Methoden und einzubeziehenden Akteuren. Darüber hinaus sollten die Ergebnisse transparent dokumentiert und zugänglich gemacht werden16.

Die Umweltprüfung selbst sollte alle vernünftigen Alternativen untersuchen, wobei als Alternativen im Vergleich zur UVP eher übergeordnete und grundsätzliche Planungsalternativen im Sinne der SUP zu verstehen sind17. Die Umweltprüfung sollte sich an politischen und rechtlichen Umweltzielvorgaben orientieren und diese als Bewertungsmaßstab heranziehen. Bei der Prüfung von kumulativen Effekten sind auch anderweitige Planungen einzubeziehen und es können keinesfalls nur die kumulativen Effekte des entsprechenden Planwerkes betrachtet werden18. Natürlich sind mit der Umweltprüfung bei Plänen und Programmen teilweise erhebliche Unsicherheiten verbunden, die klar anzusprechen sind, damit entsprechend informierte Entscheidungen getroffen und entsprechend fortgeschrieben werden können. Nicht unerheblich für die Glaubwürdigkeit der Umweltprüfung ist die ← 12 | 13 → Unabhängigkeit („Objektivität“ nach aktueller UVP-Änderungsrichtlinie) der Entscheidungs- und Planungsträger und der Umweltprüfung19. Sicherlich stellt letzteres bei der derzeitigen legal-institutionellen Verantwortlichkeit für die SUP („behördliche“ Pläne und Programme), nämlich bei den planerstellenden Institutionen selbst, eine noch kaum behandelte Herausforderung dar.

Die strategischen Qualitäten der Umweltprüfung in Deutschland scheinen jedoch in diesen wesentlichen Faktoren eingeschränkt zu sein20. Die Alternativenprüfung besteht häufig aus Rechtfertigungen, warum die bevorzugten Planungsoptionen alternativlos sind. Die Prüfung von kumulativen Wirkungen in Verbindung mit anderen Planungsaktivitäten fällt gerne weitgehend unter den Tisch. Trotz etablierter Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung erlebt man vermehrt Formen direkter Demokratie auch zu stadtplanerischen Entscheidungen. Beispielsweise hat die Anzahl von direktdemokratischen Verfahren, welche auf kommunaler Ebene durchgeführt werden, seit den 1990er Jahren zugenommen und pendelte sich bei ca. 250 bis 350 Fällen pro Jahr ein21.

Gleichzeitig finden sich durchaus Ansätze und Bemühungen, den genannten Kriterien und Anforderungen gerecht werden zu wollen. Zunächst ist zur Alternativenprüfung festzuhalten, dass schon durch die eher unglückliche Positionierung in den Rechtsgrundlagen und der Ausformulierung dieses so entscheidenden Schrittes einer Umweltprüfung dem soeben benannten Hang zur Rechtfertigung der Vorzugsvariante Vorschub geleistet wird. Nach § 14g Abs. 2 UVPG ist die Auswahlbegründung der geprüften Alternativen erst an achter Stelle im Umweltbericht gefordert. Ein gesetzgeberischer Fokus auf Alternativenprüfung lässt sich daraus nicht ableiten. Auch im BauGB werden die geforderten Angaben zu „in Betracht kommenden anderweitigen Planungsmöglichkeiten“ erst spät chronologisch in Anlage 1 BauGB aufgelistet. Bereits so wird eher dazu eingeladen, nicht von vornherein die vernünftig in Frage kommenden Planungsalternativen in ← 13 | 14 → gleicher Tiefe hinsichtlich ihrer Umweltwirkungen zu behandeln. Voraussetzung für eine transparente und faire Diskussion darüber, was sachgerechte und vernünftige Alternativen jeweils sein können und wer das eigentlich (und mit wem) entscheiden kann, setzt ein besonders sorgfältiges, diskursives und letztlich konsensorientiertes Scoping der Umweltprüfung voraus. Letzteres stellt jedoch einen steten Schwachpunkt in unserem europäischen wie deutschen System der Umweltprüfungen dar22.

Was bei der Betrachtung kumulativer Wirkungen gerne zu kurz kommt, ist die Betrachtung anderweitiger Planungsimpulse auf denselben Raum, wie im kommunalen Raum häufig bei z. B. Verkehrsplanungen und Bauflächenpolitik, die in ihrem Zusammenwirken in der Bauleitplanung naheliegende Kumulierungen von Umwelteffekten hervorrufen können. Als günstig für die Umweltprüfung erweist es sich, wenn zumindest der Flächennutzungsplan (FNP) und der Verkehrsentwicklungsplan zeitgleich fortgeschrieben bzw. erstellt werden. Dies war z. B. in jüngerer Zeit in Bremen der Fall. Ein solcher paralleler Aufstellungsprozess erlaubt eine Abstimmung bei der Erstellung der Planwerke wie auch eine wechselseitige Datenbereitstellung.23 Ein gemeinsamer Umweltbericht könnte im Sinne einer horizontalen Abschichtung hilfreich sein.

Wie nahezu hilflos sich immer noch die Orientierung an Umweltzielen in der Umweltprüfung sowie ihre Operationalisierung im Planungsalltag gestalten kann, wird gerade bei dem in Raumordnung und Bauleitplanung eigentlich zentralen Thema des Flächenverbrauchs deutlich; einem Aspekt, dem allein schon im Zuge der Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie von 2014 noch vermehrt Aufmerksamkeit zu widmen ist. Jenseits von manchen Befassungen in Forschungsvorhaben24 findet sich bis heute keine substantielle Bewältigung der angestrebten Ziele zur deutlichen Reduzierung ← 14 | 15 → der Flächeninanspruchnahme in Deutschland (wie etwa im Ausmaß der Zielsetzung in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung). Zwar hat sich zuletzt der Zuwachs an Siedlungs- und Verkehrsfläche abgeschwächt (auf ca. 75 ha/Tag), das Reduktionsziel (30 ha/Tag) ist aber auch bei diesem Trend bis 2020 noch nicht zu erreichen25.

Weiterhin findet sich hinsichtlich der Zielsetzungen zur Vermeidung und auch zur Anpassung beim Klimawandel eine zunehmend breitere Auseinandersetzung mit den betreffenden Umweltzielen. Zum jüngsten Landesentwicklungsprogramm Sachsen wurde dies etwa vertieft im Umweltbericht mit „Klimacheck“26 behandelt und im Landesentwicklungsplan in Zielen und Grundsätzen aufgenommen sowie mit Abschichtungsvorgaben und -hinweisen im Sinne der Umweltprüfung für die Regionalplanung versehen27. Behandelt wurden Fragestellungen zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel, z. B. auch im Kontext eines zukünftig wärmer und trockener erwarteten Sachsen, sowie der jeweilige Beitrag des Landesentwicklungsplans dazu.

3. Herausforderungen für Raumordnung und Bauleitplanung

Die meisten Plan-Umweltprüfungen werden in Deutschland tatsächlich in der Raumordnung und Bauleitplanung durchgeführt (vgl. Abb. 1). Durch eine Online-Recherche konnten lediglich ca. 100 SUP-Prozesse im Zeitraum ← 15 | 16 → zwischen 2004 und 2014 nicht der Raumordnung und Bauleitplanung zugeordnet werden28. Dabei wurden die Umweltprüfungen zu Bebauungsplänen nicht einmal erfasst und es wurden nur die SUP-Prozesse zu Flächennutzungsplänen in den Stadtstaaten (Berlin, Bremen und Hamburg) recherchiert, wobei es sich ausschließlich um FNP-Änderungen handelte. Auch bei den Umweltprüfungen zu den Landesentwicklungsplänen und Regionalplänen handelte es sich oftmals um Teilfortschreibungen z. B. im Themenbereich Windenergienutzung und nicht um Gesamtfortschreibungen, welche einen strategischen Ansatz erwarten ließen29.

Abbildung 1: Umweltprüfungen zu Raumordnungsplanungen im Vergleich zu anderen SUP-pflichtigen Planungen.

Aufgrund der dargestellten Vielzahl von (S)UPs in der Bauleitplanung und Raumordnung kommt den betreffenden regionalen und kommunalen Akteuren eine hohe Verantwortung für einen eigentlich beabsichtigten strategischen Umgang mit der Umweltprüfung zu. Die aktuellen ← 16 | 17 → Herangehensweisen der Raumordnungspläne und Bauleitpläne erscheinen allerdings wenig strategisch, das Paradigma der Rechtssicherheit dominiert. So werden etwa bei Regionalplänen zur Ausweisung von Windeignungs- oder Vorranggebieten häufig Planungen nach Ausschlusskriterien angewandt, die keine echte Alternativenprüfung bedeuten. Ganzheitliche und strategische Planungen auf der Ebene der vorbereitenden Bauleitplanung werden dann systematisch umgangen, wenn z. B. der Flächennutzungsplan allzu lange nur im Parallelverfahren bei der Aufstellung einzelner Bebauungspläne fortgeschrieben wird (117 betreffende Umweltprüfungen allein in den Stadtstaaten30). In Berlin z. B. stammt die letzte gesamtstädtische Fortschreibung des Flächennutzungsplanes aus dem Jahre 1994. Zwar gab es seitdem mehrere FNP-Berichte und FNP-Neubekanntmachungen, aber eine gesamtheitliche, strategische Überarbeitung fehlt weiterhin. Stattdessen werden informelle Stadtentwicklungskonzepte und -pläne erstellt, die kreative Lösungen und echte Alternativen diskutieren können, aber bei denen Umweltprüfungen formal nicht zum Zuge kommen.

4. SUPPORT oder was möglich wäre

Was eine gesamtstädtisch-strategische Umweltprüfung in Berlin z. B. leisten können sollte, haben die Verfasser in einem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Vorhaben („SUPPORT“) mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung aufzuzeigen versucht. Besonderes Augenmerk galt der Alternativenbetrachtung und der Frage kumulativer Effekte31. Fragestellungen, die dabei exemplarisch mit GIS sowie teilweise modellbasiert behandelt wurden, richteten sich unter anderem darauf, ob es kumulativ ← 17 | 18 → und gesamtstädtisch durch veränderte KFZ-Verkehrsströme zu Be- oder Entlastungen im Zuge der Flughafen-Planungen kommen kann bzw. wie und in welchem Ausmaß sich die Verteilung von Feinstaubimmissionen verändern kann32.

Als 1996 die Entscheidung für die Schließung des Berliner Flughafens Tegel zugunsten des Ausbaus von Berlin-Schönefeld (BER) getroffen wurde, spielten neben einschlägigen politischen Begründungen auch Entlastungen gerade beim Lärmaufkommen eine Rolle. Demgegenüber kam die SUPPORT-Studie zum Schluss, dass zwar im Umfeld des Flughafens Tegel mit entsprechenden Entlastungen im Verkehrsbereich zu rechnen ist, insbesondere aber in den Stadtbezirken Tempelhof-Schöneberg, aber auch Treptow-Köpenick und Neukölln von einer Zunahme des Straßenverkehrslärms und der Feinstaubbelastung auszugehen ist. Lägen solche Einschätzungen bereits in frühen Planungsstadien vor und in vergleichbarer Tiefe für die einzelnen Planungsalternativen, ergäben sich womöglich auch differenziertere Diskurse und weiterführende Überlegungen, sei es im Zuge der Verkehrsplanung, sei es in der Stadtentwicklung.

5. Schlussfolgerungen

Derzeit bietet sich für die Umweltprüfung in Raumordnung und Bauleitplanung eine bescheidene Situationseinschätzung: von den stetig bedeutsameren informellen, häufig gerade die strategischen Fragen diskutierenden Planungskonzepten („Policies“) bislang ausgeschlossen, kommt die Umweltprüfung schon eingangs häufig zu spät. Nur wenn die Raumordnung und die Bauleitplanung ihre Planungen strategischer ausrichten, kann auch die Strategische Umweltprüfung in diesen Bereichen ihre Potenziale entfalten und das tun, wofür sie eingeführt wurde.

Zum anderen ist den Verfassern derzeit nicht einmal im Überblick bekannt, wie häufig substanzielle Umweltprüfungen angesichts des eingeschränkten Anwendungsbereichs durch insbesondere beschleunigte Verfahren nach § 13a BauGB überhaupt durchgeführt werden. Gerade weil Nachverdichtung und Innenentwicklung keineswegs einen seltenen Ausnahmefall in Deutschland darstellen, dürfte sich die Einschränkung der ← 18 | 19 → Umweltprüfung auf einige große Bebauungsplanverfahren als womöglich nachhaltig erweisen. Inwiefern die Umweltbelange (insbesondere jenseits des Artenschutzrechts) in einzelnen Bauleitplanverfahren materiell dennoch behandelt werden, ist ebenfalls nicht breit empirisch belegt. Hinzu kommt im Falle der Anwendung von § 13a BauGB die nicht erforderliche Flächennutzungsplan-Änderung, die Möglichkeit die Öffentlichkeitsbeteiligung einzuschränken sowie zusätzlich das Entfallen der Eingriffsregelung.

An dieser Situation dürfte sich zunächst durch die Umsetzung der EU-Änderungsrichtlinie nichts wesentlich ändern. Inwiefern der seitens der EU begonnene Evaluationsprozess zur Strategischen Umweltprüfung in Deutschland hier zu Veränderungen (zumal in welcher Richtung?) beitragen mag, liegt derzeit noch ganz im Bereich des Spekulativen. Umso größere Bedeutung und Verantwortung kommt also den Akteuren und Stakeholdern in der Praxis der Raumordnung und Bauleitplanung zu, um die rechtlich-sprachlich entfallenen „strategischen“ Elemente der Umweltprüfung dennoch mit Leben zu füllen.

6. Literatur

BauGB: Baugesetzbuch vom 23.09.2004 (BGBl. I S. 2414), zuletzt geändert durch Art. 1 d. G. vom 20.11.2014 (BGBl. I S. 1748).

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Details

Seiten
318
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653062601
ISBN (ePUB)
9783653953473
ISBN (MOBI)
9783653953466
ISBN (Paperback)
9783631670484
DOI
10.3726/978-3-653-06260-1
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Oktober)
Schlagworte
Umweltprüfung Immissionsschutz Artenschutz Eingriffsregelung Bodenschutz- und Umwidmungssperrklausel
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 318 S., 6 Tab.

Biographische Angaben

Stephan Mitschang (Band-Herausgeber:in)

Stephan Mitschang ist Universitätsprofessor am Fachgebiet «Städtebau und Siedlungswesen – Orts-, Regional- und Landesplanung» am Institut für Stadt- und Regionalplanung der Technischen Universität Berlin. Daneben ist er Direktor des Instituts für Städtebau Berlin der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL).

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