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Wettinische Klöster im 12. und 13. Jahrhundert

Die Gründungen Dietrichs des Bedrängten († 1221) und Heinrichs des Erlauchten († 1288)

von Bianca Else (Autor:in)
©2016 Dissertation 319 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch entschlüsselt ein für das Geschlecht der Wettiner sonst untypisches Handeln: Während der Zeit der deutschen Ostsiedlung begründen Dietrich der Bedrängte und sein Sohn Heinrich der Erlauchte zahlreiche Klöster in ihren Herrschaftsbereichen neben einer vorhandenen Grablege ihrer Stammlinie. Die Autorin analysiert sowohl die Persönlichkeiten der zwei Landesherren als auch das Entstehen der acht auf sie zurückgehenden Monasterien. Dabei geht sie detailliert und mit teils gewagter Methode vor. Zudem wird die Synthese von Theologie und Landesgeschichte genutzt. Die Studie hält auch so manche neue und überraschende Erkenntnis zu bekannt scheinendem Gut bereit.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort
  • I. Einleitung
  • I.1 Forschungslage und Aufgabenstellung
  • I.2 Die Genese der Klöster in Begriffen
  • I.3 Die territorialpolitische Situation in den Herrschaftsbereichen Dietrichs des Bedrängten und Heinrichs des Erlauchten von 1190–1288
  • I.4 Das dominierende religiöse Denken und Handeln im mittelalterlichen Europa
  • II. Zwei Wettiner und ihre Klostergründungen
  • II.1 Die Monasterien Dietrichs des Bedrängten
  • II.1.1. Charakteristik des Initiators
  • II.1.2. Die landesherrlich begründeten Klöster
  • II.1.2.1. Zwickau
  • II.1.2.2. Eisenberg
  • II.1.2.3. St. Thomas in Leipzig
  • II.1.2.4. Das Kloster des Heiligen Kreuzes bei Meißen
  • II.1.3. Das Entstehen der Klöster im Vergleich
  • II.2 Heinrich der Erlauchte und seine Klöster
  • II.2.1. Die Persönlichkeit
  • II.2.2. Die Klöster
  • II.2.2.1. Das Kloster der seligen Maria und des heiligen Laurencius
  • II.2.2.2. Seußlitz I
  • II.2.2.3. Neuzelle
  • II.2.2.3.1. Das erste urkundliche Zeugnis
  • II.2.2.3.2. Der Anfang des Klosters in Begriffen und Daten
  • II.2.2.3.3. Die Erstausstattung
  • II.2.2.3.3.1. Das Problem der acht Orte
  • II.2.2.3.3.2. Starczedel
  • II.2.2.3.3.3. Das Zeugnis der Neuzeller Mönche – Irrtum oder Lüge?
  • II.2.2.3.4. Die Motivation
  • II.2.2.3.4.1. Der Seußlitz-Ersatz
  • II.2.2.3.4.2. Persönliches und Familiäres
  • II.2.2.3.4.3. Territorialpolitisches
  • II.2.2.3.4.4. Gewichtung der Gründungsmotive
  • II.2.2.3.5. Die ersten Jahre des Klosters
  • II.2.2.4. Seußlitz II
  • II.2.3. Die Entstehung der Abteien im Vergleich
  • III. Die Klostergründungen Dietrichs des Bedrängten und Heinrichs des Erlauchten – Entstehung, Ziele, Grund ihrer Anzahl
  • IV. Schlussbetrachtung und Ausblick
  • Anhang
  • I. Urkundenedition
  • A. Einrichtung der Edition
  • B. Urkunden
  • Verzeichnisse
  • I. Abkürzungen und Zeichen
  • II. Quellen
  • A. Handschriften
  • B. Gedruckte und elektronische Quellen
  • III. Literatur und Internetseite
  • IV. Register zur Urkundenedition
  • A. Geographisches Register
  • B. Personenregister
  • C. Sachregister
  • V. Textregister
  • A. Geographisches Register
  • B. Personenregister
  • C. Sachregister
  • Reihenübersicht

Vorwort

Diese Forschungsarbeit wurde im Wintersemester 2013/14 von der Philosophischen Fakultät I der Humboldt-Universität zu Berlin als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung hat sie auch eine geringfügige inhaltliche Überarbeitung erfahren.

Ihr Entstehen war zunächst in der Theologie angesiedelt. Doch es zeigte sich schon bald, dass der Forschungsgegenstand einer Verortung in der Mediävistik bedurfte. Den dadurch nötigen Fachwechsel habe ich sehr gern vollzogen.

In den Jahren des Werdens und Reifens dieses Buches bis hin zu seiner Veröffentlichung gab es viele, die auf manche Weise hilfreich wirkten und so den erfolgreichen Abschluss meines Forschungsstudiums ermöglichten. Dafür gilt Ihnen mein ausdrücklicher Dank. Konkret möchte ich an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. Michael Menzel nennen, der dem Mangel an guter wissenschaftlicher Betreuung abhalf und nicht müde wurde, Möglichkeiten der Qualitätsverbesserung in meinen Darlegungen aufzuspüren. Unter seiner Regie gewann die Arbeit in vielfältiger Hinsicht. Ebenso habe ich Herrn Prof. Dr. Klaus Neitmann im Blick. Er übernahm trotz seiner Vielbeschäftigung die Funktion des Zweitgutachters und gab meinem Werk in der von ihm herausgegebenen Reihe „Quellen, Findbücher und Inventare des Brandenburgischen Landeshauptarchivs“ einen Platz. Darüber hinaus half die mir gewährte finanzielle Unterstützung aus dem Frauenförderfonds der Philosophischen Fakultät I der Humboldt-Universität zu Berlin in erheblichem Maß, den Druck zu verwirklichen. Frau Ulrike Hohensee, Herr Dr. Michael Lindner und Herr Dr. Mathias Lawo (MGH an der BBAW) sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kartenabteilung der Staatsbi­bliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Haus Unter den Linden standen mir immer wieder mit gutem fachlichem Rat zur Verfügung.

Rückblickend ließ mich dieser Lebensabschnitt um viele wichtige Erfahrungen und Kenntnisse reicher werden. Sie bilden eine gute Grundlage für die Ziele, die ich mir in Wissenschaft und Forschung gesteckt habe.

Berlin, im März 2015                                 Bianca Else

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I.    Einleitung

I.1.    Forschungslage und Aufgabenstellung

Das erst seit dem 19. Jahrhundert im Interesse der Forschung stehende, in der deutschen Geschichtswissenschaft auch durch den jeweils herrschenden Zeitgeist kontrovers verstandene Phänomen der deutschen Ostsiedlung meint den Prozess von Besiedlung und Akkulturation in Gebieten östlich der Grenze des Reiches sowie in einigen seiner östlichen Randgebiete.1 Das Reich ist hierbei das im Verlauf des Mittelalters verschieden bezeichnete Herrschaftsgebiet der deutschen Könige und Kaiser, das seit dem 10./11. Jahrhundert Teile Mitteleuropas, Italiens und Burgunds umfasste.2 Der Zug Deutscher aus den stärker bewohnten westlichen Altsiedelgebieten Mitteleuropas gen Osten in dünn von anderen Völkern besiedelte Territorien vollzog sich in mehreren Wellen, von denen die erste im Mittelalter ablief.3 Er war kein isolierter Vorgang, sondern eingebettet in einen umfassenden, alle europäischen Länder betreffenden Ausbau- und Veränderungsprozess.4 Über die zeitliche Ausdehnung dieses mittelalterlichen Transformationsprozesses besteht in der Literatur kein vollständiger Konsens. Als sicher kann jedoch gelten, dass er eine Vorbereitungs- und eine Hauptzeit hatte. Letztere wird unterschiedlich datiert. So setzt W. Kuhn für sie ca. 1050 bis 13005, C. Higounet dagegen die Zeit von der Wende des 11. zum 12. Jahrhundert bis ins 14. Jahrhundert6. ← 9 | 10 → W. Irgang sieht die Hauptphase im Zeitraum von Mitte des 12. bis zum Ende des 14. Jahrhunderts7 und nach H. Conrad erstreckte sie sich vom 12. Jahrhundert bis zum Ende des Mittelalters8. J.M. Piskorski schließlich ermittelte in den 90er Jahren aus einem Querschnitt der Forschungsliteratur das 12. bis 14. Jahrhundert.9 In ihrer Ausbreitung betraf die Ostsiedlung Gebiete bis zum Finnischen Meerbusen, Schwarzen Meer und Fluss Save.10 Konkret handelte es sich dabei um Ostholstein, die mittelelbischen Lande, nämlich die Mark Meißen und ihre Nachbarländer Vogtland, Pleißenland, Egerland und Oberlausitz, des Weiteren um die Markgrafschaft Brandenburg mit ihren Landschaften Altmark, Mittelmark, Neumark, Prignitz, Havelland, Barnim, Uckermark, Teltow und der später Niederlausitz genannten Ostmark, darüber hinaus um die Ostseeländer Mecklenburg und Pommern, Österreich und die Alpenländer, Böhmen, Mähren und das Sudetenland, Schlesien, Ungarn, das Burgenland, Siebenbürgen, das Burzenland11, Groß- und Kleinpolen, Livland12 und schließlich um das Territorium des unter anderem Ostpreußen umfassenden, sich an der Osteeküste entlangziehenden Staates des Deutschen Ordens.13

In diesen Gegenden entstanden in jener Zeit des Auf- und Umbruchs, der Landerschließung und Städteentstehung, der Vernetzung und Verdichtung auch Klöster. Damit sind in der vorliegenden Arbeit alle geistlichen ← 10 | 11 → Einrichtungen gemeint, deren Angehörige ein rein monastisches oder ganz ähnlich geartetes Leben führten. Dazu werden auch die von Regularkanonikern besiedelten Institutionen gezählt. Und das aus folgendem Grund. Für Kanoniker galt zwar seit 816 die vita canonica, die von der vita monastica der Klöster unterschieden wurde. Aber im Zuge der durch ihren Verfall notwendigen, im 11. Jahrhundert einsetzenden Reform hatte ein Teil von ihnen eine weitgehend monastische Lebensweise angenommen. Diese sogenannten Regularkanoniker praktizierten ein gemeinsames Leben ohne Privatbesitz nach einer Ordensregel und unter den Gelübden der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams.14 Die Zwittrigkeit ihrer Institute bei einer überwiegenden Nähe zum Kloster zeigt sich auch darin, dass für sie in den Quellen unter anderem die doppeldeutigen Begriffe coenobium und monasterium gebraucht wurden.15 So erscheinen Regularkanonikerinstitute in ihrem Verfasstsein mehr als Klöster und nicht als Stifte, deren Insassen, später Säkularkanoniker genannt, die erwähnten Gelübde nicht ablegten, Privatbesitz behielten und kein vollständig gemeinsames Leben führten.16

Klosterinitiatoren waren in der Regel weltliche und geistliche Fürsten deutscher und slawischer Herkunft. Doch mit welchem Hintergrund schufen sie während der Zeit der deutschen Ostsiedlung solche geistlichen Institute in ihren Herrschaftsgebieten? Gab es einen territorialpolitischen Zusammenhang zwischen ihrem Entstehen und dem Phänomen der deutschen Ostsiedlung oder entstanden sie völlig unabhängig davon allein aus religiösen Gründen? ← 11 | 12 →

Vor allem die Zisterzienserforschung hat zu dieser Frage schon ihren Beitrag geleistet. Sie erkannte, dass viele Klöster gegründet wurden, um den territorial- und siedlungspolitischen Interessen ihrer Initiatoren zu dienen, religiöse Gründe aber auch eine Rolle spielten.17 Doch war der Blick dabei vorrangig auf den Zisterzienserorden, sein Wirken und seine Ausbreitung gerichtet. W. Kuhn zeigte in seiner Untersuchung der kirchlichen Siedlung als Grenzschutz und bei der Betrachtung westslawischer Landesherren18 als Organisatoren der mittelalterlichen Ostsiedlung, dass sie und andere Initiatoren auch Klöster verschiedener Orden zu religiösen und territorialpolitischen Zwecken schufen.19 Seine Darstellungen bieten jedoch keine tiefgehende Untersuchung dieser Gründungen; er führt sie nur als Beispiele an. Da eine umfassende Analyse der Enstehungsmotive in Anzahl und Gewichtung somit nicht stattgefunden hat, können die von ihm jeweils angegebenen Motivationen leicht unvollständig und einseitig verschoben sein. In gewisser Weise bestätigte K. Petzoldt in seiner Untersuchung zum Kloster Chemnitz ← 12 | 13 → die Ausführungen Kuhns. Er kam als Nebeneffekt seiner Studie zu dem Schluss, dass die Initiatoren der zum Vergleich herangezogenen Klöster des Benediktiner- und des Augustiner-Chorherrenordens mit diesen Gründungen auch während der Zeit der deutschen Ostsiedlung auf eine Erweiterung oder zumindest Festigung der eigenen Herrschaft hofften und damit territorialpolitische Ziele verfolgten.20 Ob das allerdings jeweils das entscheidende oder alleinige Motiv war, beantwortet seine Untersuchung nicht.

Für die Seite der Klosterinitiatoren, speziell für die Landesherren, bleibt damit offen, ob territorialpolitische Motive in jener Zeit in den von der deutschen Ostsiedlung betroffenen Gebieten die dominierende Motivation ihrer Klostergründungen war, welche anderen Motive es gab und welchen Stellenwert sie jeweils hatten. Dem nachzugehen, lohnt sich, da diesbezügliche Erkenntnisse interessante Aufschlüsse über die Schwerpunkte der Entstehungsmotivation und Funktion der landesherrlich initiierten Klöster sowie deren Hintergründe erbringen können.

Zur Bearbeitung des Sachverhaltes bedarf es einiger im Folgenden dargelegter Festlegungen. Zunächst ist die Einschränkung auf einen bestimmten Orden für eine solche Untersuchung nicht sinnvoll. Weiter müssen für die konkrete Bestimmung des „Untersuchungsmaterials“ Auswahlkriterien gefunden werden. Dabei fällt die unterschiedliche Anzahl der Klostergründungen pro Landesherr in den Blick. War es oftmals nur eine, so schufen hin und wieder einzelne Herren auch mehrere Monasterien. Hierbei drängt sich die Frage nach dem Weshalb an sich, zu dieser Zeit und in diesem Gebiet auf. Infolge dessen sind nun Landesherren, die mehrere Klöster begründeten, im Fokus des Interesses. Bei deren Vergleich ragen zwei Wettiner hervor. Die durch sie besonders zahlreich entstandenen monastischen Institute bieten ausreichend „Material“ für die Untersuchung und empfehlen sich somit dafür.

Bei den beiden Landesherren handelt es sich um Dietrich den Bedrängten und seinen Sohn Heinrich den Erlauchten. Sie waren am Ende des 12. und im Verlauf des 13. Jahrhunderts Initiatoren von jeweils vier Klöstern; Heinrich plante bereits ein fünftes. So zahlreich wurden solche geistlichen Institutionen weder vor Dietrich noch in der Generation nach Heinrich bei den ← 13 | 14 → einzelnen wettinischen Stammlinien geschaffen. Darüber hinaus entstanden die Klöster neben einer bereits vorhandenen Grablege der Stammlinie.

Die Forschungslage zur Entstehung der geistlichen Institutionen weist folgendes Bild auf. H.G. Hasses Arbeit von 1888 beinhaltet im Rahmen einer Darstellung der Geschichte sämtlicher namhafter sächsischer Mönchs- und Nonnenklöster in der Mark Meißen und Oberlausitz, die bis zur Reformation Luthers und teils darüber hinaus bestanden haben, auch die Geschichte von fünf Untersuchungsobjekten. Konkret sind das St. Thomas, Heilig Kreuz und Zwickau, die Dietrich der Bedrängte begründete, sowie Seußlitz II und Nimbschen als Gründungen Heinrichs des Erlauchten.21 Doch diese Arbeit ist inzwischen recht veraltet, fehlerhaft und lässt bei der Beschreibung der Klosterentstehungen vieles offen. Einige Jahre später, 1962, fasste W. Schlesinger in einer Art Handbuch unter anderem kurz die wesentlichen Informationen zu allen hier interessierenden Klöstern zusammen.22 Seine Arbeit ist jedoch im dargebotenen Forschungsstand ebenso veraltet und aus der Art der Darstellung resultierend in mancher Hinsicht sehr kurz gehalten. Die Entstehung aller vier Klöster Dietrichs des Bedrängten sprach in der neueren Literatur S. Pätzold knapp an. Es geschah als Bestandteil seiner 1997 veröffentlichten Forschungsarbeit zu den frühen Wettinern unter dem Aspekt „Die Grundlagen der wettinischen Herrschaft“.23 Da seine Darstellung auf den Blickwinkel der Herrschaft ausgerichtet ist, bleiben verschiedene Seiten der Klosterentstehung unberücksichtigt.

Neben diesen Sammeldarstellungen sind zu einigen Klöstern auch Einzelstudien vorhanden. So die Arbeit von E.-H. Lemper zur Kirche des Klosters St. Thomas. Lemper beabsichtigte damit 1954 die historischen, bau- und kunstgeschichtlichen Erkenntnisse zu diesem bedeutenden Teil des Klosters auf einen aktuellen Stand zu bringen und die Geschichte der Kirche als ein Stück deutscher Kulturgeschichte darzulegen.24 Seine Arbeit bleibt jedoch in der Hauptsache auf die Baugeschichte der Thomaskirche beschränkt. ← 14 | 15 →

Des Weiteren wurde Neuzelle verschiedentlich näher betrachtet. Von den vorhandenen Darstellungen seien an dieser Stelle nur die wichtigsten genannt. Bereits 1937 erschien eine Untersuchung W. Oelmanns zur Quellenkunde und Besitzgeschichte des Klosters. Neuzelles Entstehung wurde hier mit Schwerpunkt auf den Besitzverhältnissen beleuchtet.25 In das Jahr 2003 gehört eine Monographie W. Töplers, die sich in der Hauptsache mit den Beziehungen Neuzelles zu weltlichen und geistlichen Mächten beschäftigt. Bei der Darstellung der Klosterentstehung beschränkt sie sich im Wesentlichen auf die Wiederholung der bekannten und in der Literatur vielfach verbreiteten Fakten und Ansichten, die der Autor auch an anderer Stelle in der Forschungsliteratur vertritt.26 Die seit langem bestehenden Unstimmigkeiten und Unklarheiten wurden nicht beseitigt. Schließlich gibt es bau- und kunstgeschichtliche Zugänge zur Geschichte Neuzelles aus den Jahren 1936, 1982 und 2007, die die Zeit bis zum Tod des Gründers aber nur minimal und singulär mit berücksichtigen.27

Seußlitz II war ebenso schon Gegenstand mancher Untersuchung. In seinem Werk über die Entstehung und Ausbreitung des Klarissenordens besonders in den deutschen Minoritenprovinzen ging E. Wauer 1906 auch auf die erste Zeit dieses Klosters sowie auf Seußlitz I kurz ein.28 P. Markus gab 1909 eine Art Überblick über die Geschichte von Seußlitz II29 und R. Butz betrachtete 1999 dessen Anfangszeit im Rahmen einer Vergleichsstudie30. Baugeschichtliche Erkenntnisse präsentierten 2004 G. Kavacs und N. Oelsner.31

Bei Nimbschen wurde 1911 der Besitzstand des Klosters von seinem Beginn an bis ins 16. Jahrhundert durch K. Seidel eingehend untersucht.32 ← 15 | 16 → Der wichtige Beitrag, den Seidel damit auch für die Entstehung geleistet hat, bleibt jedoch auf die materielle Situation beschränkt. Ganz kurz ging auch H. Koestler 1936 im Rahmen einer schwerpunktmäßig auf das 16. Jahrhundert ausgerichteten Darstellung zu Nimbschen auf dessen Entstehung ein33, doch ist dies unvollständig und veraltet. Die Gründung des Klosters ist im Zusammenhang seiner gesamten Geschichte von A.-K. Köhler in einer 2003 veröffentlichten Studie knapp dargestellt worden; so manches bleibt dabei aber unberührt.34 Baugeschichtliche Betrachtungen bot ein Autorenkollegium um G. Kavacs im Jahr 2000.35

Allen vorhandenen Studien ist gemein, dass sie über die Entstehungshintergründe der betreffenden Klöster entweder nichts oder nur knappe Informationen, die teils Vermutungen sind, aufweisen. Darüber hinaus berücksichtigen sie bei der Klostergenese den theologischen Hintergrund nicht oder kaum und blenden den Einfluss der Gründerpersönlichkeit sowie die begriffliche Beschreibung des Klosteranfangs durch die Quellen aus. Eine Forschungsarbeit, die ausführlich die Entstehung der von Dietrich dem Bedrängten und Heinrich dem Erlauchten geschaffenen Klöster im Rahmen der deutschen Ostsiedlung behandelt und auch all das in den aufgeführten Studien bisher Fehlende bietet, gibt es nicht.

Als Aufgabenstellung für die vorliegende Studie ergibt sich daher Folgendes. Es gilt aufzuklären, weshalb Dietrich der Bedrängte und sein Sohn Heinrich der Erlauchte während der Zeit der deutschen Ostsiedlung neben einem bereits vorhandenen Hauskloster so auffällig viele Klöster in ihrem jeweiligen Herrschaftsbereich gründeten, welche Ziele die beiden damit verfolgten und wie sich das Entstehen dieser Klöster bis zum Tod ihres jeweiligen Gründers in weltlicher und geistlicher Hinsicht gestaltete. Dabei sind das initiierende Geschehen, die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung durch den Gründer und die klösterliche Besiedlung von Interesse. Die Untersuchung beschränkt sich demzufolge auf die Herrschaftsgebiete der zwei genannten Wettiner.

Methodisch ist es sinnvoll, facettenreich vorzugehen. Die Analyse kann dadurch Fakten bieten, die in den genannten bisherigen Forschungsarbeiten ← 16 | 17 → fehlen. Zunächst ist es nötig, die Möglichkeiten des Vergleichs zu nutzen. Die bei allen Klöstern nebeneinander zu stellenden Aspekte sind Begriffe und Daten für die Entstehung, die Erstausstattung, die zur Entstehung führenden Motive und deren Gewichtung, die Besiedlung sowie das Verhältnis des jeweiligen Initiators zu seinen Gründungen bis zum eigenen Tod und deren Entwicklung während dieser Zeit. Zudem ist eine Synthese aus landesgeschichtlicher und theologischer Sichtweise erforderlich, da das Entstehen von Klöstern in beiderlei Hinsicht Relevanz besitzt. Die territorialpolitische Situation in den Herrschaftsbereichen der Gründer sowie das dominierende religiöse Denken und Handeln im mittelalterlichen Europa bilden den Kontext, aus dem heraus die Klöster geschaffen und in den sie gesetzt wurden. Seine Betrachtung öffnet einen erheblichen Teil der Hintergründe ihres Entstehens. Um den Leser in ihn einzuführen, hat die Einleitung der Studie zwei entsprechende, skizzenhaft gestaltete Abschnitte.

Motive, ein Kloster zu gründen, wurzeln auch in der Persönlichkeit eines Menschen. Daher ist eine nähere Betrachtung der beiden Wettiner nötig, um den Anteil ihrer Persönlichkeitsstruktur am Gründen der Klöster in solcher Anzahl erschließen zu können. Bei der jeweils zu erstellenden Charakteristik sind folgende Momente im Blick: das Verhalten der Klostergründer in verschiedenen Situationen ihres Lebens, ihre materielle Ausstattung, Religiosität, Hauptinteressen, Intelligenz und Bildung sowie ihr Verhältnis zur Kirche allgemein, zu Orden und zum Hauskloster. Methodisch so vorzugehen, ist ein Wagnis. Und doch ist es möglich, die Züge einer Persönlichkeit auch aus jahrhundertealten Schriftzeugnissen herauszuarbeiten. Hierbei wird zwar die Grenze zur Psychologie überschritten, aber dieses Vorgehen ist nicht neu. Im Rahmen oder in Verbindung mit der Mentalitätsgeschichte sind in dieser Richtung schon seit geraumer Zeit Wege beschritten worden, die das Denken, Fühlen und Verhalten mittelalterlicher Menschen mit psychologisch und psychoanalytisch orientierten Forschungsansätzen untersuchen und damit zu wichtigen Erkenntnissen über deren Persönlichkeit führen. Konkret sind hier die sogenannte Psychohistorie, die Emotionsgeschichte und die Historische Verhaltensforschung zu nennen.36 ← 17 | 18 →

Die vorliegende Studie ist der Stiftungsforschung zuzuordnen, auch wenn sie sich begrifflich davon absetzt. Sie bietet Erkenntnisse auf dem Weg, die Bedeutung von Gründungen im gesamtgesellschaftlichen Gefüge zu erhellen. Dabei liegt der Blick auf solchen, die Landesherren desselben Adelsgeschlechts in den von ihnen beherrschten Territorien vollzogen. Dass solche Forschungsarbeiten notwendig sind, sprach M. Borgolte bereits 1992 an.37 Die vorliegende Studie kommt seinem Postulat nach.

Als Quellen standen vor allem edierte Urkunden zur Verfügung. Den Schwerpunkt bildete hierbei der Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae. Hinzu kamen Handschriften aus den Beständen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs in Potsdam, des Sächsischen Staatsarchivs/ Hauptstaatsarchivs Dresden sowie der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz. Darüber hinaus wurden chronistische Schriften in edierter und handschriftlicher Form in die Arbeit mit einbezogen.

Die bisher noch nicht im Rahmen einer Edition vorliegenden, in dieser Forschungsarbeit zitierten Urkunden zu Kloster Neuzelle wurden gesondert im Anhang als kleine Edition angefügt. Sie stellt eine Ergänzung des Urkundenbuches zu dieser geistlichen Institution dar. Auf die editorische Anfügung der im Weiteren benutzten handschriftlichen Urkunden ist verzichtet worden, da sie besser in der größeren Edition des Codex Diplomaticus Saxoniae platziert sind.

I.2.    Die Genese der Klöster in Begriffen

Zur Erforschung einer Klostergenese gehört es, den initiierenden Vorgang näher zu betrachten. Ob die einzelnen Klöster einen oder mehrere Entstehungsakte hatten, ob es ein punktuelles Geschehen oder ein längerer Prozess war, lässt sich auf diese Weise erkennen. Dabei ist es notwendig, das Entstehen in Begriffe zu fassen und dafür eine geeignete Methode zu finden.

In der Literatur ist es verbreitet, für den Beginn eines Klosters Gründung , Schenkung und Stiftung sowie die dazugehörigen Verbformen zu gebrauchen.38 Doch werden hierbei die Begriffe nicht definiert. Auch bleibt ← 18 | 19 → es unbeachtet, ob sie in unserem heutigen Verständnis mit den Aussagen in den Quellen kompatibel sind oder ob die Begriffe die Quellenaussagen nicht etwa einengen, ja vielleicht sogar verfälschen. Somit empfiehlt sich dieses Vorgehen nicht als Methode für die vorliegende Studie.

Eine andere Verfahrensweise ergibt sich aus den wissenschaftlichen Beiträgen Michael Borgoltes. Er definierte die Begriffe Schenkung und Stiftung für seine Mittelalter-Forschungen. Zu prüfen ist nun, ob diese bedenkenlos bei der Beschreibung eines mittelalterlichen Klosterbeginns anwendbar sind.

Schenkung ist Borgoltes Meinung nach ein einmaliger Akt, bei dem die Gabe in die freie Verfügung des Beschenkten übergeht.39 Angemerkt sei hierzu, dass diese Begriffsbestimmung weder auf mittelalterlichem Quellenmaterial noch auf einschlägigen Studien basiert. Sie ist eine moderne Sichtweise und stimmt mit der mittelalterlichen Definition dieses Begriffs nicht überein. Diese war, erkennbar an verschiedenen europäischen Rechtstexten, nicht einheitlich.40 Im Querschnitt bezeichnete Schenkung die Übergabe von materiellem Besitz an Empfänger durch einen Schenkenden. Das galt im zeitgenössischen Recht aber nicht als rein altruistische, einseitige Handlung, sondern verlangte eine Gegengabe. Das volle Eigentumsrecht am Geschenkten bestand für den Empfänger nur, wenn es in einer eigenen Rechtsverfügung so festgelegt wurde. Außerdem konnte die Schenkung bei echter Not des Gebenden oder mangelndem Dank und Untreue des Beschenkten vom Schenker zurückgefordert werden.41 Diese Begriffsbestimmung galt noch nicht einmal einheitlich im deutschen Raum des 12. und 13. Jahrhunderts. Hier existierte in der betreffenden Zeit römisches Recht neben verschiedenem einheimischem.42 Und bei der Rezeption des römischen Schenkungsrechts kam es zu einer vielgestaltigen gegenseitigen Durchdringung einheimischer und gemeinrechtlicher Grundsätze.43 ← 19 | 20 →

Offenbar ohne sich an dieser Diskrepanz zwischen der mittelalterlichen Definition des Begriffs Schenkung und seiner modernen Bestimmung durch Borgolte zu stören, wurde letztere von R. Lusiardi, B. Scheller und T. Lohse übernommen.44

Stiftung versteht M. Borgolte als etwas auf unbestimmte Zukunft Angelegtes mit sich ständig wiederholender Gabe an bestimmte bedürftige Empfänger aus einem vom Geber zur Verfügung gestellten, „ewig“ bestehenden, unveräußerbaren Stiftungsgut.45 Den Begriff selbst setzt er mit dem lateinischen Begriff fundatio gleich.46 Diese Bestimmung ist keine mittelalterliche, denn Stiftung definierte diese Epoche nicht47. Die Ursache liegt darin, dass bis ins 13. Jahrhundert eine rechtsdogmatische Begründung von Stiftung als juristische Person fehlte und somit ein das Rechtsgeschäft beschreibender Begriff entbehrlich war.48 Borgoltes Stiftungsbegriff ist auch keine aus eigenen Studien an mittelalterlichen Quellen gewonnene Erkenntnis. Er stützt sich hierbei auf eine stiftungsrechtliche Handbuch-Definition dieses Begriffs, die sich vor allem von der Moderne leiten lässt, nur nebenher die rechtsgeschichtliche Entwicklung aufnimmt und die selbständige Stiftung beschreibt.49 Sein Verständnis von Stiftung gibt im Grunde die moderne juristische Definition der unselbständigen Stiftung wieder. Darunter versteht man Vermögen, das von einem Stifter an eine meist kirchliche juristische Person mit der Maßgabe übertragen wird, damit oder mit dessen Erträgen in der Regel dauerhaft einen bestimmten Zweck zu erfüllen. Eine solche Stiftungsform erlangt keine eigene Rechtspersönlichkeit.50 ← 20 | 21 →

Moderne Begriffsdefinitionen für Mittelalter-Studien zu verwenden, ist nicht unproblematisch. Und gerade in dieser Hinsicht sprach Borgolte vor geraumer Zeit für den Stiftungsbegriff eine deutliche Warnung aus.51 Dennoch schloss er sich dem Konsens über die Existenz von Stiftungen im engen juristischen Sinn auch schon im Mittelalter an und nutzte fortan den modernen juristischen Begriff der unselbständigen Stiftung.52 Die von ihm an den Stiftungsurkunden Heinrichs II. durchgeführte Untersuchung mag hierfür als Beleg genügen.53 Diesen modernen Stiftungsbegriff rezipierte man in der mediävistischen Forschung, meist unter Berufung auf Veröffentlichungen zur Rechtsgeschichte, vielfach.54 Lediglich F. Theisen stellte ihn in Frage, indem er die von Mediävisten mit dem modernen Stiftungsbegriff als Stiftungen bezeichneten Verfügungen als vollständig in das Eigentum der Empfänger übergehende, keine Stiftung im modernen Sinn begründende Schenkungen unter Auflage ansah.55

Auch wenn Borgolte nun den modernen juristischen Stiftungsbegriff durch ein sozialhistorisches Verständnis im Sinne des Mittelalters interpretiert hat56, B. Scheller darüber hinaus noch die kulturhistorische Dimension dieses so verstandenen Stiftungsbegriffs im Mittelalter in den Blick rückte57 und R. Lusiardi die Dauerhaftigkeit der modernen Stiftung im ← 21 | 22 → mittelalterlich-sozialen Sinn verstand58, so bleibt der von ihnen verwandte Stiftungsbegriff trotzdem ein moderner. Ihn wie eine Schablone auf mittelalterliches Quellenmaterial aufzulegen, um es damit zu analysieren und zu klassifizieren, ist schwierig. Bereits bei F. Rexroths Untersuchungen deutscher Universitätsstiftungen zeigte sich, dass der moderne juristische Stiftungsbegriff für die Analyse seines Materials untauglich war. Denn dessen Bestimmung enthält mit der wiederholten Gabe aus dem Stiftungsgut die materielle Versorgung der neu eingerichteten Institutionen. Das aber stimmte mit der mittelalterlichen „Realität“, die den Stiftungsakt von der Dotation getrennt auswies, nicht überein.59 Die alte These S. Reickes, dass Stiftungsakt und Dotation einer neuen Einrichtung im Mittelalter getrennt gewesen sein können60, hat mit Rexroths Untersuchungsergebnis ein Exempel gefunden, das den modernen Stiftungsbegriff in diesem Punkt negiert.

Als ein weiteres Ergebnis der Studie Rexroths präsentierte sich Stiftung seiner Meinung nach als Prozess.61 Zu demselben Schluss gelangte W.E. Wagner bei der Analyse spätmittelalterlicher Universitätsstifte und Kollegien.62 Dabei gingen beide vom modernen juristischen Stiftungsbegriff aus und subsumierten ihm alle Entscheidungen und Vorgänge, die für das Zustandekommen der jeweiligen untersuchten Stiftungen wichtig waren. Auf diese Weise musste ihnen Stiftung als Prozess erscheinen. Der angewandte Stiftungsbegriff an sich bezeichnet jedoch einen Vorgang, der nicht als Prozessgeschehen erkennbar ist. Er zeigt Stiftung eher als einen punktuellen Akt. Diskrepanzen zwischen diesem Begriff und mittelalterlichen Befunden sind also auch in dieser Hinsicht vorhanden.

Ebenso lassen die Ausführungen R. Lusiardis in seiner Forschungsarbeit zum Stiftungsverhalten in der spätmittelalterlichen Stadt Stralsund Schwie ← 22 | 23 → rigkeiten bei der Nutzung des modernen juristischen Stiftungsbegriffs anklingen.63 Die breite Vielfalt und Individualität seines zu bearbeitenden Quellenmaterials ließ sich mit diesem Stiftungsbegriff nicht vollständig erfassen und zeigt so dessen Begrenztheit.

An diesen Beispielen dürfte spürbar geworden sein, dass beim Anwenden des von Borgolte genutzten modernen Stiftungsbegriffs die Gefahr besteht, mittelalterliche Quellenaussagen in ein unzeitgemäßes Schema zu pressen und ihrer Eigenart nicht gerecht zu werden. Dasselbe gilt für den von Borgolte geprägten Begriff der Schenkung. Beide Begriffe sind somit für Mittelalter-Studien problematisch. Indem die Forschung sie nutzt, nimmt sie sich selbst wichtige Erkenntnismöglichkeiten. Sinnvoller erscheint es mir daher, dem Postulat R. Schulzes zu folgen. Er betonte, dass sich die Begrifflichkeit des geltenden deutschen Stiftungsrechts nicht auf die vormodernen europäischen Stiftungen übertragen lässt und demzufolge eine Kennzeichnung aus dem jeweiligen kulturellen Zusammenhang notwendig ist.64 In diesem Sinne ist die Begriffsbestimmung aus dem mittelalterlichen Quellenmaterial abzuleiten. Dass das jedoch beim Stiftungsbegriff Schwierigkeiten in sich birgt, hat Borgolte erkannt und in einer 2009 erschienenen Veröffentlichung angesprochen. Er resümiert darin, dass wort- und begriffsgeschichtliche Untersuchungen kaum weiterhelfen und die historischen Variationen Definitionsversuchen des Begriffs widerstehen.65 Es ist sicher ein mühsames Unterfangen, einen allgemeingültigen Stiftungsbegriff für das Mittelalter von den Quellen her zu prägen, ohne dabei, wie beim modernen juristischen Stiftungsbegriff, zu sehr zu verallgemeinern. Der Weg dazu kann nur über Studien an jeweils gleich geartetem Material und den Vergleich führen.

Um in der vorliegenden Forschungsarbeit dem Quellenmaterial gerecht zu werden, bedarf es einer adäquaten Methode. Eine solche ist die der Übersetzung. Hierbei sollen Aussagen zur Klosterentstehung in ihrem mittelalterlichen und urkundlichen Kontext gesehen und jeweils mit einem ihnen inhaltlich entsprechenden Begriff der deutschen Gegenwartssprache ← 23 | 24 → erfasst werden. Beides wird also zueinander in Beziehung gesetzt und bleibt in seiner jeweiligen Eigenart bestehen.

Da ein Kloster im Mittelalter ein Rechtsobjekt darstellte, haben die Quellenaussagen zu seiner Entstehung mit Sicherheit auch eine juristische Ebene. Somit reicht es nicht aus, sie jeweils mit einem deutschen Begriff allgemein denotativ zu erfassen. Es muss zusätzlich auch auf juristischem Gebiet eine begriffliche Entsprechung gefunden werden. Ob beides im Einklang steht oder voneinander abweicht, wird im Einzelfall zu sehen sein.

Selbstverständlich ist dieses Vorgehen der Übersetzung zugleich auch schon eine Interpretation der Quellenaussagen. Doch die Gefahr, dem mittelalterlichen Material dabei nicht gerecht zu werden, besteht kaum.

I.3.    Die territorialpolitische Situation in den Herrschaftsbereichen Dietrichs des Bedrängten und Heinrichs des Erlauchten von 1190–1288

Das Gründen von Klöstern kann im Mittelalter auch eine Reaktion auf die territorialpolitische Situation in einem Gebiet gewesen sein. War es beispielsweise noch nicht oder nur wenig erschlossen, konnten die geistlichen Institute des Zisterzienserordens bei der Aufsiedlung und Kultivierung behilflich sein. Wurde das Land von Seuchen, Hunger oder Kriegen geplagt, musste als Gegenmaßnahme der sich so äußernde Zorn Gottes mit einer größeren Bußleistung gestillt werden. Das Gründen eines Klosters erfüllte gemäß dem damaligen Zeitgeist diese Funktion. Auch um ein Territorium von einer verhängten Kirchenstrafe zu befreien, ist es denkbar, dass die mit Kirchenvertretern ausgehandelte, zu leistende Buße in Form einer neuen geistlichen Einrichtung zu erfolgen hatte. So drängt sich die Frage auf, wie die Lage in den für die Untersuchung relevanten, von den Wettinern Dietrich dem Bedrängten und Heinrich dem Erlauchten beherrschten Landstrichen war. Ob es hier Faktoren oder Ereignisse gab, die beide dazu veranlassten, so reichlich neue Klöster zu schaffen.

Die Territorien, über die die zwei im Laufe ihres Lebens geboten, befanden sich in der östlichen Randlage des Reiches. Ihr Herrschaftsraum war in seinen Ausmaßen nicht starr; er erfuhr mehrere Veränderungen. So konnten beide Landesherren die Territorien, über die sie jeweils zu Beginn ihrer Herrschaft verfügten, mehrfach erweitern. Beherrschte Dietrich zunächst ← 24 | 25 → seit 1190 die Grafschaft Weißenfels, so kamen 1198 die Markgrafschaft Meißen, wohl 1210 die Ostmark66 sowie die Grafschaften Groitzsch und Eilenburg, 1217 Eigenbesitz der Grafen von Wettin und schließlich Kirchenlehen hinzu.67 Bei Letzterem handelte es sich um Leipzig und seine Umgebung, um Besitzungen des Stiftes Naumburg zwischen Oschatz, Strehla und dem östlichen Grenzwald sowie um Land in der Umgebung von Bosau bei Zeitz.68 Dietrichs Sohn Heinrich vermehrte diese Herrschaftsgebiete 1247 noch um die Landgrafschaft Thüringen und die Pfalzgrafschaft Sachsen sowie 1253 um das Pleißenland.69 Er besaß damit unter anderem nun vier Reichslehen: die Markgrafschaft Meißen, die Ostmark, die Landgrafschaft Thüringen und die Pfalzgrafschaft Sachsen. Ein fünftes, die Mark Landsberg, schuf er selbst aus dem Westteil der Ostmark und Teilen der Mark Meißen. Konkret umfasste sie das Gebiet zwischen Saale und Mulde nördlich und südlich von Leipzig.70 Diese Territorien bildeten keine durchgängig geschlossene Fläche. Die Markgrafschaft Meißen bestand im 12. und 13. Jahrhundert aus Streubesitz im Bereich zwischen Elbe, Weißer Elster und Erzgebirgsvorland, der von Herrschaftsgebieten anderer Herren durchdrungen war.71 Ähnlich verhielt es sich mit dem sonstigen Machtbereich der zwei Landesherren.72

Details

Seiten
319
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653063271
ISBN (ePUB)
9783653953091
ISBN (MOBI)
9783653953084
ISBN (Hardcover)
9783631670781
DOI
10.3726/978-3-653-06327-1
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (März)
Schlagworte
Monasterien Landesherrschaft Ostsiedlung
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 319 S.

Biographische Angaben

Bianca Else (Autor:in)

Bianca Else studierte Theologie sowie Kirchenmusik in Berlin und wurde in Mediävistik promoviert. Sie war Mitarbeiterin in Forschungs- und Editionsprojekten am Leipziger Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO), an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften sowie am Brandenburgischen Landeshauptarchiv, an dem sie weiterhin projektgebunden wissenschaftlich wirkt.

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Titel: Wettinische Klöster im 12. und 13. Jahrhundert
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