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Individualsanktionen des UN-Sicherheitsrates gegen Al Qaida und die Taliban

Zum Spannungsverhältnis zwischen Sicherheit und individueller Freiheit im Mehrebenensystem von Völkerrecht, Europarecht und nationalem Verfassungsrecht

von Mahdad Mir Djawadi (Autor:in)
©2016 Dissertation 450 Seiten

Zusammenfassung

Dieses Buch wurde mit den Peter Lang Young Scholars Award 2015 ausgezeichnet.

Seit dem 11. September 2001 ist die effektive Bekämpfung des Terrorismus zu einer der wichtigsten Aufgaben des UN-Sicherheitsrates erwachsen. Dieses Buch befasst sich mit dessen auf der Resolution 1267/1999 basierenden Sanktionsregime gegen Mitglieder von Al Qaida und den Taliban. Auf dieser Grundlage werden erstmals Privatpersonen mit weitreichenden Sanktionen belegt. Die Umsetzung der Sanktionsvorgaben in die Individuen bindendes Recht hat im Kern die EU für ihre Mitgliedstaaten übernommen. Der Autor widmet sich instruktiv den diffizilen und hochkomplexen Fragen, die sich im Mehrebenensystem von UN-, EU- und nationalem Verfassungsrecht hinsichtlich des Erfordernisses effektiver Terrorbekämpfung einerseits und der Achtung fundamentaler Menschenrechtsvorschriften andererseits stellen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsübersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Einleitung: Die Problematik des Erlasses von Individualsanktionen nach dem Sanktionsregime der SR-Res. 1267/1999
  • Teil I: Allgemeine Grundlagen zum Erlass von Sanktionen durch den Sicherheitsrat
  • Kapitel 1: Begriff und Formen von Wirtschaftssanktionen
  • § 1: Der Begriff der Sanktion
  • § 2: Der Begriff der Wirtschaftssanktion
  • § 3: Formen von Wirtschaftssanktionen
  • Kapitel 2: Die bisherige Sanktionspraxis des Sicherheitsrats
  • § 1: Allgemeiner Überblick
  • § 2: Die geringfügige Bedeutung von Wirtschaftssanktionen während des Ost-West-Konflikts (1945–1990)
  • § 3: Wirtschaftssanktionen als zentrales Handlungsinstrument der kollektiven Friedenssicherung – der Beginn der Sanktionsdekade (ab 1990)
  • A. Die Aufwertung von Wirtschaftssanktionen und ihre Gründe
  • B. Die verschärfte Diskussion um die Rechtmäßigkeit von Wirtschaftssanktionen
  • § 4: Die Entwicklung intelligenter (smart) bzw. gezielter (targeted) Sanktionen
  • A. Entstehungsgründe und Entstehungsgeschichte
  • B. Formen intelligenter/zielgerichteter Sanktionen
  • § 5: Individualsanktionen ohne staatlichen Bezug – das 1267er-Sanktionsregime
  • Teil II: Darstellung des 1267er-Sanktionsregimes
  • Kapitel 1: Die UN-Ebene
  • § 1: Die Sanktionsresolutionen des 1267er-Sanktionsregimes
  • A. Normative Grundlagen
  • I. Der Erlass der Sanktionsresolutionen auf Grundlage des Art. 41 UN-Charta
  • II. Die Umsetzungspflicht der Mitgliedstaaten nach Artt. 25, 48 UN-Charta
  • B. Die Entstehung und Entwicklung des Sanktionsregimes
  • I. Die Begründung des Sanktionsregimes mit Erlass der SR-Res. 1267/1999 vom 15.10.1999
  • 1. Der tatsächliche Hintergrund – die Anschläge von Nairobi und Daressalam vom 07.08.1998
  • 2. Der Inhalt der Resolution
  • II. Die Erstreckung der Sanktionen auf BIN LADEN und AL QAIDA mit dem Erlass der SR-Res. 1333/2000
  • III. Die Mutation zum globalen Individualsanktionsregime mit Erlass der SR-Res. 1390/2002
  • IV. Die Folgeresolutionen im Überblick
  • 1. Die Aufnahme von Ausnahmeregelungen mit dem Erlass der SR-Res. 1452/2002
  • a) Ausnahmeregelungen zu den Finanzsanktionen
  • b) Ausnahmeregelungen zu den Reisesanktionen
  • 2. Verbesserungen des Sanktionsregimes in rechtsstaatlicher Hinsicht
  • a) Erhöhung der Transparenz des Listungsverfahrens
  • b) Aufklärung der Zielpersonen über ihre Listung und deren Gründe
  • c) Verbesserung der Rechtsschutzmöglichkeiten gelisteter Personen
  • 3. Die Trennung der TALIBAN- von der AL QAIDA-Sanktionsliste mit Erlass der SR-Res. 1988/2011 und 1989/2011
  • C. Die Abgrenzung des 1267er- zum 1373er-Sanktionsregime
  • § 2: Die Verwaltung der Sanktionen durch den Sanktionsausschuss
  • A. Zusammensetzung und Aufgaben des Sanktionsausschusses
  • B. Die Richtlinien des Sanktionsausschusses
  • C. Grundsätzliches zur Arbeitsweise im Sanktionsausschuss
  • D. Das Listungsverfahren
  • I. Die Entwicklung des Listungsverfahrens
  • II. Das Verfahren im Einzelnen
  • § 3: Rechtsschutzmöglichkeiten auf UN-Ebene
  • A. Das Individualdelisting-Verfahren vor der Ombudsperson
  • I. Die Zulässigkeitsprüfung des Antrags
  • II. Die Informationssammelphase
  • III. Die Dialogphase
  • IV. Die Entscheidungsphase
  • B. Das Delisting-Verfahren bei von Staaten eingereichten Streichungsanträgen
  • § 4: Zusammenfassung
  • Kapitel 2: Die EU-Ebene
  • § 1: Die EU-Maßnahmen zur Umsetzung des 1267er-Sanktionsregimes
  • A. Die Rechtslage vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon
  • I. Die Annahme eines Gemeinsamen Standpunkts nach Art. 15 EUV a.F.
  • II. Der Erlass der Sanktionsverordnung nach Artt. 301,60 EGV i.V.m. Art. 308 EGV
  • 1. Die Auffassung des EuG
  • 2. Die Bestätigung der vom EuG ermittelten Kompentenznormen im 1. Kadi-Urteil des EuGH
  • B. Kompetenzgrundlagen nach dem Vertrag von Lissabon
  • I. Die Beschlussfassung nach Art. 28 EUV
  • II. Die Befugnisnorm für den Erlass der Sanktionsverordnung – Art. 75 Abs. 1 oder Art. 215 Abs. 2 AEUV?
  • 1. Problemaufriss
  • 2. Rechtliche Bewertung
  • a) Allgemeine Grundsätze zur Bestimmung der einschlägigen Rechtsgrundlage
  • b) Anwendung der gängigen Auslegungsregeln
  • aa) Grammatikalische Auslegung
  • bb) Systematische Auslegung
  • cc) Die teleologische Auslegung
  • dd) Ergebnis
  • c) Der verbleibende Anwendungsbereich des Art. 75 AEUV
  • § 2: Rechtsschutzmöglichkeiten auf EU-Ebene
  • A. Rechtsschutz gegen den GASP-Sanktionsbeschluss
  • B. Rechtsschutz gegen die Sanktionsverordnung
  • I. Die Kadi I-Rechtsprechung des EuG
  • 1. Annahme einer unmittelbaren Bindung an die Sanktionsresolutionen des Sicherheitsrates
  • 2. Der eingeschränkte Prüfungsmaßstab als Konsequenz
  • 3. Keine Verletzung von ius cogens-Rechten
  • a) Keine Verletzung des Rechts auf Eigentums
  • b) Keine Verletzung der Verteidigungsrechte
  • c) Keine Verletzung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz
  • II. Die KADI I-Rechtsprechung des EuGH
  • 1. Uneingeschränkte Justiziabilität der gemeinschaftsrechtlichen Sanktionsverordnung
  • 2. Feststellung einer Verletzung der Klägerrechte
  • a) Verletzung der Verteidigungsrechte sowie des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz
  • b) Bejahung einer Verletzung des Rechts auf Eigentum
  • 3. Der Urteilstenor
  • III. Der weitere Verlauf des Rechtsstreits – die KADI II-Urteile von EuG und EuGH
  • 1. Die tatsächlichen Geschehnisse nach dem Erlass des KADI I-Urteils des EuGH
  • 2. Das KADI II-Urteil des EuG
  • 3. Das KADI II-Urteil des EuGH
  • C. Zusammenfassung der Rechtsschutzmöglichkeiten gelisteter Personen auf EU-Ebene
  • § 3: Zusammenfassung
  • Kapitel 3: Die staatliche Ebene
  • § 1: Die staatlichen Umsetzungsmaßnahmen
  • A. Der Erlass von Strafvorschriften
  • B. Die Entscheidungen über Anträge auf Erteilung von Ausnahmegenehmigungen
  • C. Die Umsetzung des Reiseverbots und des Waffenembargos
  • § 2: Rechtsschutzmöglichkeiten vor deutschen Gerichten
  • § 3: Zusammenfassung
  • Teil III: Die Völkerrechtskonformität des 1267er-Sanktionsregimes
  • Kapitel 1: Methodologische Vorüberlegungen zur Auslegung der UN-Charta
  • § 1: Der Grundsatz der objektiven Auslegung der UN-Charta
  • § 2: Die Auslegungsfaktoren im Einzelnen
  • A. Der Wortlaut
  • B. Die systematische Auslegung
  • C. Die teleologische Auslegung
  • D. Die Vertragspraxis
  • I. Die Praxis der Mitgliedstaaten
  • II. Die Praxis des Sicherheitsrates
  • Kapitel 2: Fragen der grundsätzlichen Rechtsbindung des Sicherheitsrates
  • § 1: Überblick über die Befugnisse des Sicherheitsrates nach Kap. VII der UN-Charta
  • § 2: Der Sicherheitsrat als legibus solutus?
  • § 3: Die Bejahung einer grundsätzlichen Rechtsbindung des Sicherheitsrates
  • § 4: Chartaimmanente Beschränkungen der Sicherheitsratsbefugnisse
  • A. Die Artt. 39 ff. UN-Charta
  • B. Art. 24 Abs. 1 UN-Charta
  • C. Art. 24 Abs. 2 UN-Charta
  • I. Inhalt der Regelung
  • II. Dogmatische Einordnung der Regelung
  • III. Die als Begrenzung der Sicherheitsratsbefugnisse konkret in Betracht kommenden Ziele und Grundsätze
  • § 5: Die Bindung des Sicherheitsrates an das allgemeine Völkerrecht
  • A. Die Kontroverse um die Auslegung der Artt. 103, 1 Abs. 1 UN-Charta
  • B. Exemtion des Sicherheitsrates von den Bestimmungen des allgemeinen Völkerrechts?
  • C. Lockerung der Bindung des Sicherheitsrates an die Bestimmungen des allgemeinen Völkerrechts?
  • D. Stellungnahme
  • Kapitel 3: Die Vereinbarkeit des 1267er-Sanktionsregimes mit dem Kap. VII der UN-Charta
  • § 1: Die Terroraktivitäten Al Qaidas als Gefahrenlage i. S. d. Art. 39 UN-Charta
  • A. Der Terrorismusbegriff des Völkerrechts
  • I. Die bestehenden Definitionsschwierigkeiten und ihre Ursachen
  • II. Der gegenwärtige Grundkonsens
  • B. Die Praxis des Sicherheitsrates
  • I. Terrorhandlungen nichtstaatlicher Akteure als Friedensbedrohung
  • II. Die Einordnung in die bisherige Praxis
  • 1. Der Lockerbie-Fall
  • 2. Die Bestätigung der Lockerbie-Praxis im Falle des Sudans und der TALIBAN
  • 3. Die rechtliche Bewertung der bisherigen Praxis durch die Staatengemeinschaft und die Völkerrechtswissenschaft
  • III. Die Grenzen des Interpretations- und Beurteilungsspielraums des Sicherheitsrates
  • C. Die Vereinbarkeit der Sicherheitsratspraxis mit den Auslegungskriterien der WVRK
  • I. Die Auslegung nach dem Wortlaut
  • II. Die systematische Auslegung
  • 1. Der Abgleich mit den Artt. 40 ff. UN-Charta
  • 2. Der Begriff der internationalen Sicherheit in Art. 39 UN-Charta
  • III. Die teleologische Auslegung
  • IV. Ergebnis
  • D. Die konstitutiven Elemente friedensbedrohender Terrorhandlungen Privater
  • I. Allgemeine Überlegungen
  • II. Der gegen einen oder mehrere Staaten gerichtete Gewaltakt
  • III. Der grenzüberschreitende Bezug des Gewaltaktes
  • IV. Die Erheblichkeit des vom Gewaltakt verursachten oder drohenden Schadens
  • V. Abgleich der Tatbestandsvoraussetzungen mit dem 1267er-Sanktionsregime
  • § 2: Die Vereinbarkeit des 1267er-Sanktionsregimes mit Art. 41 UN-Charta
  • A. Art. 41 UN-Charta und das Individuum als Völkerrechtssubjekt
  • B. Individualsanktionen und das Interventionsverbot des Art. 2 Abs. 7 UN-Charta
  • C. Der innere Zusammenhang zwischen den Artt. 39, 41 UN-Charta
  • § 3: Die Zulässigkeit des Erlasses abstrakt-genereller Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung
  • Kapitel 4: Die prinzipielle Menschenrechtsbindung des Sicherheitsrates im Kontext des 1267er-Sanktionsregimes
  • § 1: Ansätze zur Herleitung einer Menschenrechtsbindung des Sicherheitsrates über Art. 1 Abs. 1 UN-Charta
  • A. Das Wortlautargument
  • B. Die Menschenrechte als Teil des Friedensbegriffs in Art. 1 Abs. 1 UN-Charta?
  • I. Überblick über das Meinungsspektrum
  • II. Stellungnahme
  • III. Ergebnis
  • § 2: Die Menschenrechtsbindung des Sicherheitsrates über Art. 1 Abs. 3 UN-Charta
  • A. Wortlaut
  • B. Systematik
  • C. Telos
  • D. Analyse der Sicherheitsratspraxis
  • I. Allgemeiner Überblick
  • II. Stellungnahme und Auswertung der Sanktionsresolutionen zu den Individualsanktionsregimen
  • III. Ergebnis
  • E. Zusammenfassung
  • § 3: Die inhaltliche Konturierung der von Art. 1 Abs. 3 UN-Charta ausgehenden Menschenrechtsbindung
  • A. Die Bindung des Sicherheitsrats an die Bestimmungen des IPBPR
  • I. Völkervertragsrechtliche Bindung des Sicherheitsrates an den IPBPR
  • II. Gewohnheitsrechtliche Bindung des Sicherheitsrates an den IPBPR
  • 1. Allgemeine Grundsätze zur Entwicklung von Völkergewohnheitsrecht aus Völkervertragsrecht
  • 2. Die Entstehungsvoraussetzungen nach der Rechtsprechung des IGH im Nordsee-Festlandsockel-Fall
  • a) Ein grundlegender Normbildungscharakter der vertraglichen Bestimmungen
  • b) Das Erfordernis einer umfangreichen und repräsentativen Staatenbeteiligung an dem Vertragswerk
  • 3. Die Anwendung der vom IGH entwickelten Kriterien auf den IPBPR
  • a) Der grundlegende Normbildungscharakter des IPBPR
  • b) Die umfangreiche und repräsentative Staatenbeteiligung am IPBPR
  • 4. Einordnung der vom IGH entwickelten Kriterien in die das Völkergewohnheitsrecht konstituierenden Elemente
  • a) Die restriktive Auffassung – das tatsächliche Staatenverhalten als entscheidendes Kriterium
  • b) Die „progressive“ Auffassung – die Vernachlässigung des tatsächlichen Staatenverhaltens
  • 5. Stellungnahme
  • a) Äußerungen und Erklärungen als untaugliches Substitut einer tatsächlichen Praxis
  • b) Die quasi-universelle Partizipation der Staaten an einem Völkerrechtsvertrag als taugliches Substitut einer tatsächlichen Praxis
  • c) Die Bestätigung durch die Rechtsprechung des IGH zu den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts
  • d) Weitere Argumente in Hinblick auf eine gewohnheitsrechtliche Geltung des IPBPR
  • aa) Die Vorschriften der Artt. 1 Abs. 3, 55 lit. c UN-Charta
  • bb) Die Eigenschaft der Menschenrechte als atypisches Völkerrecht
  • aaa) Ursprung und Entwicklung der Menschenrechtsidee
  • bbb) Die Rezeption des Vorstaatlichkeitsgedankens im Völkerrecht
  • ccc) Konsequenzen für die Entstehungsvoraussetzungen gewohnheitsrechtlicher Menschenrechtsnormen
  • 6. Ergebnis
  • B. Die Bindung des Sicherheitsrates an Art. 6 IPWSKR
  • C. Die Bindung des Sicherheitsrates an die AEMR
  • I. Problemaufriss
  • II. Die Beschränkung der Prüfung auf eine Bindung des Rates an IPBPR-fremde Rechte
  • III. Insbesondere die Bindung des Sicherheitsrates an die Eigentumsfreiheit nach Art. 17 AEMR
  • 1. Die völkerrechtliche Definition des Eigentums
  • 2. Die gewohnheitsrechtliche Geltung der Eigentumsfreiheit
  • a) Der fremdenrechtliche Eigentumsschutz als Ausgangspunkt
  • b) Ansätze zur Herleitung eines universellen Gewohnheitsrechts auf Eigentum
  • aa) Die Herleitung eines gewohnheitsrechtlichen Eigentumsschutzes aus internationalen Menschenrechtsverträgen
  • aaa) Die verneinende Auffassung der restriktiven Ansicht
  • bbb) Stellungnahme
  • bb) Schluss aus dem gewohnheitsrechtlich anerkannten Fremdenrecht
  • aaa) Die verneinende Auffassung der restriktiven Ansicht
  • bbb) Stellungnahme
  • cc) Die Verankerung der Eigentumsfreiheit in den nationalen Verfassungen als weiterer Beleg ihrer universellen Akzeptanz
  • c) Ergebnis
  • D. Einschluss des humanitären Völkerrechts in Art. 1 Abs. 3 UN-Charta?
  • § 4: Die Reichweite der Menschenrechtsbindung des Sicherheitsrates beim Tätigwerden nach Kap. VII UN-Charta
  • A. Das Meinungsspektrum
  • I. Der absolute Vorrang der Friedenssicherung
  • II. Die Gleichrangigkeit zwischen Friedenssicherung und Menschenrechtsschutz
  • III. Die vermittelnde Ansicht
  • 1. Die prinzipiell gelockerte Menschenrechtsbindung beim Tätigwerden nach Kap. VII UN-Charta
  • 2. Die strikte Bindung an die Menschenrechtsnormen des ius cogens
  • a) Definition des ius cogens
  • b) Die dogmatischen Grundlagen des ius cogens
  • c) Der Umfang des ius cogens
  • aa) Die Probleme bei der Bestimmung von ius cogens-Normen und ihre Gründe
  • bb) Die Menschenrechtsnormen des ius cogens
  • aaa) Die enge Auffassung
  • bbb) Die weite Auffassung
  • B. Stellungnahme
  • I. Erste Einordnung der verschiedenen Meinungen
  • II. Die grundsätzliche Kritik an einem engen ius cogens-Verständnis der Menschenrechte
  • 1. Die historisch-statische Auslegung des ius cogens-Begriffs
  • 2. Die Inkonsistenz des engen ius cogens-Ansatzes
  • 3. Das Außerachtlassen gegenläufiger Staatenpraxis
  • 4. Die Vernachlässigung menschenrechtsdogmatischer Aspekte
  • III. Die strenge Menschenrechtsbindung des Sicherheitsrates beim Erlass von Individualsanktionen
  • 1. Die Unterschiede beim Erlass von Kollektiv- und Individualsanktionen aus spezifisch menschenrechtlicher Sicht
  • a) Die Menschenrechtssituation beim Erlass von kollektiven Wirtschaftssanktionen
  • b) Die Menschenrechtssituation beim Erlass von Individualsanktionen
  • c) Ergebnis
  • 2. Die strikte Menschenrechtsbindung der Staaten bei der eigenständigen Umsetzung von Individualsanktionen
  • a) Die Voraussetzungen einer Derogation nach Art. 4 Abs. 1 IPBPR
  • b) Die terroristische Bedrohung durch AL QAIDA als öffentlicher Notstand?
  • 3. Der Ansatz zur Übertragung dieser Bindung auf den Sicherheitsrat
  • 4. Prinzipielle Befreiung des Sicherheitsrates bei der Friedenssicherung?
  • 5. Konsequenzen für die Menschenrechtsbindung des Sicherheitsrates beim Erlass von 1267er-Sanktionen
  • C. Ergebnis
  • Kapitel 5: Die Menschenrechtsprüfung im Einzelnen
  • § 1: Die betroffenen Menschenrechte
  • A. Betroffene Menschenrechte natürlicher Personen
  • I. Das Recht auf Freizügigkeit, Art. 12 IPBPR
  • 1. Schutzbereich
  • 2. Eingriff
  • 3. Ergebnis
  • II. Das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie auf Schutz der Ehre und des Rufes, Art. 17 IPBPR
  • 1. Der Schutz des Privatlebens
  • a) Schutzbereich
  • b) Eingriff
  • 2. Der Schutz der Ehre und des Rufes
  • a) Schutzbereich
  • b) Eingriff
  • 3. Der Schutz des Familienlebens
  • a) Schutzbereich
  • b) Eingriff
  • 4. Ergebnis
  • III. Die Achtung der Berufsfreiheit, Art. 6 Abs. 1 IPWSKR
  • IV. Das Recht auf Achtung des Privateigentums, Art. 17 AEMR
  • 1. Schutzbereich
  • 2. Eingriff
  • 3. Ergebnis
  • V. Zwischenergebnis
  • B. Betroffene Menschenrechte von Personenvereinigungen
  • C. Ergebnis
  • § 2: Die Eingriffsrechtfertigung
  • A. Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage
  • B. Die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs
  • I. Legitimer Zweck
  • II. Geeignetheit
  • III. Erforderlichkeit
  • IV. Angemessenheit
  • C. Zwischenergebnis und weiterer Gang der Untersuchung
  • § 3: Das Recht auf rechtliches Gehör und effektiven Rechtsschutz
  • A. Das Recht auf rechtliches Gehör
  • I. Inhalt und dogmatische Herleitung
  • II. Das Recht auf Information über die zur Last gelegten Tatsachen
  • 1. Die gegenwärtigen Regelungen des Sanktionsregimes
  • 2. Das Problem der Benachrichtigung nach Vornahme der Listung
  • 3. Das Problem des Zurückhaltens vertraulicher Informationen
  • a) Die Zulässigkeit einer Einschränkung des Informationsrechts gelisteter Personen
  • b) Die einzelnen Voraussetzungen
  • aa) Wahrung des Kerngehalts des Informationsrechts
  • bb) Ausgleich der Informationszurückhaltung im Rechtsschutzverfahren
  • cc) Der Umfang des gerichtlichen/beschwerdeinstanzlichen Überprüfungs- und Bewertungsrechts
  • c) Abgleich mit dem gegenwärtigen Sanktionsregime
  • d) Ergebnis
  • III. Das Recht auf Anhörung
  • 1. Die Anhörung vor der erstmaligen Vornahme einer Listung
  • 2. Die Anhörung bei der Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Listung
  • 3. Ergebnis
  • IV. Zusammenfassung
  • B. Das Recht auf effektiven Rechtsschutz
  • I. Die Bestimmung des einschlägigen Grundrechts
  • 1. Anwendungsvoraussetzungen des Art. 14 Abs. 1 IPBPR
  • a) Individualsanktionen als Strafmaßnahme?
  • aa) Die rechtliche Qualifikation der Sanktionen durch den Sicherheitsrat und die Mitgliedstaaten
  • bb) Die Art/Natur des Vergehens
  • cc) Die Schwere des Eingriffs
  • dd) Ergebnis
  • b) Individualsanktionen als zivilrechtliche Streitigkeit?
  • 2. Ergebnis
  • II. Die einzelnen Rechtsschutzanforderungen des Art. 14 Abs. 1 IPBPR
  • 1. Anforderungen an das Gericht
  • a) Gerichtsbegriff
  • aa) Autonome Definition
  • bb) Die vollständige Jurisdiktionsgewalt als konstitutives Merkmal eines Gerichts
  • aaa) Definition
  • bbb) Abgleich mit dem gegenwärtigen Sanktionsregime
  • cc) Ergebnis und Verbesserungsvorschlag
  • b) Die Unparteilichkeit des Gerichts
  • aa) Definition
  • bb) Abgleich mit dem gegenwärtigen Sanktionsregime
  • c) Kompetenz der dem Gericht angehörenden Personen
  • d) Die Unabhängigkeit des Gerichts
  • aa) Definition
  • bb) Abgleich mit dem gegenwärtigen Sanktionsregime
  • cc) Ergebnis
  • e) Beruhen auf Gesetz
  • f) Zusammenfassung
  • 2. Das Recht auf ein faires Verfahren
  • a) Überblick
  • b) Insbesondere das Recht auf Anhörung
  • aa) Abgleich mit dem gegenwärtigen Sanktionsregime
  • bb) Ergebnis
  • c) Insbesondere das Recht auf Anwesenheit während der Verhandlung
  • d) Zusammenfassung
  • 3. Die Öffentlichkeit des Verfahrens
  • 4. Das Recht auf zeitnahe Urteilsverkündung
  • III. Zusammenfassung zum effektiven Rechtsschutz
  • § 4: Der Bestimmtheitsgrundsatz
  • A. Inhalt
  • B. Prüfung der gegenwärtigen Listungskriterien auf ihre Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz
  • I. Die Entwicklungen in der Organisationsstruktur AL QAIDAS
  • 1. Die nationalen Ableger AL QAIDAS
  • 2. Formell AL QAIDA beigetretene bzw. mit ihr assoziierte islamistische Organisationen
  • 3. Neu entstehende Terrorzellen ohne personellen oder organisatorischen Bezug zur Kern-AL QAIDA
  • II. Konsequenzen für die Operationalität des Tatbestandsmerkmals „AL QAIDA-Mitgliedschaft“
  • III. Das Kriterium des Verbundenseins mit AL QAIDA
  • 1. Die einzelnen Tatbestände
  • 2. Erste Systematisierung der Tatbestände
  • 3. Die Bestimmtheitsanforderungen an den Tatbestand des „Verbundenseins“ im Einzelnen
  • 4. Abgleich mit dem gegenwärtigen Sanktionsregime
  • a) Das Problem der Auffangtatbestände der „Erleichterung von Handlungen und Aktivitäten“ sowie der „sonstigen Unterstützung“
  • b) Die fehlende Unterscheidung von AL QAIDA-spezifischen und sonstigen islamistischen Terroraktivitäten
  • c) Ausreichende Konkretisierung durch die Praxis des Sanktionsausschusses?
  • d) Ergebnis
  • 5. Lösungsvorschlag
  • a) Konkretisierung der inkriminierten Verhaltensweisen
  • b) Konkretisierung des AL QAIDA-spezifischen Verhaltensbezugs
  • C. Zusammenfassung
  • § 5: Die notwendige Verknüpfung von Sanktionierung und strafrechtlicher Verfolgung
  • A. Problemaufriss
  • B. Der Sayadi/Vinck-Fall des MRA
  • I. Die tatsächlichen Hintergründe
  • II. Die rechtliche Bewertung durch den MRA
  • 1. Die Ausführungen zu Art. 12 IPBPR
  • 2. Die Ausführungen zu Art. 17 Abs. 1 IPBPR
  • III. Bewertung
  • C. Das System aus nationaler Strafverfolgung und internationaler Sanktionierung
  • I. Mögliche Schwierigkeiten der Implementierung
  • 1. Das Problem ineffizienter Strafverfolgung
  • a) Problemaufriss
  • b) Bewertung
  • 2. Das Problem politisch motivierter Strafverfolgung
  • 3. Die Notwendigkeit einer objektiven und unabhängigen Vorabprüfung der Listungsanträge
  • a) Herleitung
  • b) Umsetzung
  • c) Ergebnis
  • 4. Gesamtergebnis
  • II. Zulässigkeit der Vornahme von Listungen bei anschließender Strafverfolgung?
  • III. Anforderungen an den Tatverdacht
  • D. Die Bündelung von strafrechtlicher Verfolgung und Sanktionserlass auf UN-Ebene
  • E. Zusammenfassung
  • § 6: Zusammenfassung des Kapitels
  • Kapitel 6: Die rechtlichen Konsequenzen rechtswidriger Sicherheitsresolutionen
  • § 1: Die Kontroverse um die Auslegung des Art. 25 UN-Charta
  • § 2: Das Verfahren zur Feststellung der Rechtswidrigkeit von Sicherheitsratsresolutionen
  • Kapitel 7: Zusammenfassung des Teils III
  • Teil IV: Die Rechtmäßigkeit der EU-Maßnahmen zur Umsetzung des 1267er-Sanktionsregimes
  • Kapitel 1: Die Völkerrechtskonformität des 1. KADI-Urteils des EuGH
  • Kapitel 2: Das Verhältnis zwischen der UN-Charta und den nationalen Rechtsordnungen bzw. dem EU-Recht
  • § 1: Die gängigen Theorien zum Verhältnis von Völkerrecht und nationalem Recht
  • A. Monismus und Dualismus
  • B. Die Lösung von Konflikten zwischen beiden Rechtsebenen
  • I. Allgemeine Grundsätze
  • II. Die rechtliche Situation in Deutschland
  • § 2: Die Übertragbarkeit der für das nationale Recht entwickelten Grundsätze auf das Verhältnis von EU-Recht und UN-Charta
  • A. Der Grundsatz der Autonomie des Unionsrechts
  • B. Keine Sonderstellung von Sicherheitsratsmaßnahmen auf Grundlage des Art. 351 Abs. 1 AEUV
  • C. Keine Sonderstellung von Sicherheitsratsmaßnahmen aufgrund ihres politischen Charakters
  • D. Ergebnis
  • Kapitel 3: Die Grundrechtskonformität der EU-Sanktionsmaßnahmen
  • § 1: Die Bewertung der EuGH-Entscheidung zur prinzipiellen Aufrechterhaltung der EU-Sanktionsverordnung
  • § 2: Das Problem der ungeprüften Übernahme von Listungsbeschlüssen des Sanktionsausschusses durch die EU
  • A. Problemaufriss
  • B. Das Prüfungsverfahren vor der EU-Kommission
  • C. Der einstweilige Rechtsschutz vor den Unionsgerichten
  • § 3: Ergebnis
  • Kapitel 4: Zusammenfassung
  • Teil V: Die EU-Sanktionsmaßnahmen als Gegenstand von Gerichtsverfahren vor dem BVerfG und dem EGMR
  • Kapitel 1: Die EU-Sanktionsmaßnahmen als Gegenstand eines Verfahrens vor dem BVerfG
  • Kapitel 2: Die EU-Sanktionsmaßnahmen als Gegenstand eines Verfahrens vor dem EGMR
  • § 1: Überblick
  • § 2: Das NADA-Urteil des EGMR
  • A. Vorgeschichte
  • B. Die Erwägungen des Gerichtshofs
  • I. Verletzung des Art. 8 EMRK
  • II. Verletzung des Art. 13 EMRK
  • III. Keine Verletzung der übrigen Grundrechte
  • IV. Verurteilung zur Zahlung einer Entschädigung
  • C. Erste Bewertung des NADA-Urteils
  • § 3: Die Rechtsprechung des EGMR zum Verhältnis von EMRK und den staatlichen Verpflichtungen aus Mitgliedschaften in internationalen Organisationen
  • A. Allgemeine Grundsätze
  • B. Sonderregime für staatliche Maßnahmen zur Umsetzung von Sicherheitsratsresolutionen? – das Behrami/Saramati-Urteil des EGMR
  • § 4: Bewertung des NADA-Urteils im Lichte der bisherigen EGMR-Rechtsprechung
  • § 5: Konsequenzen für eine mögliche Prüfung der EU-Sanktionsmaßnahmen durch den EGMR
  • Kapitel 3: Zusammenfassung
  • Teil VI: Synopse der Arbeit und ihrer Ergebnisse
  • Kapitel 1: Problemaufriss
  • Kapitel 2: Terminologie und Einordnung des Sanktionsregimes in die bisherige Sanktionspraxis des Sicherheitsrates
  • § 1: Der Begriff der Wirtschaftssanktion
  • § 2: Die Einordnung des 1267er-Sanktionsregimes in die bisherige Sanktionspraxis des Sicherheitsrates
  • Kapitel 3: Darstellung des 1267er-Sanktionsregimes
  • § 1: Die UN-Ebene
  • § 2: Die EU-Ebene
  • § 3: Die staatliche Ebene
  • Kapitel 4: Die Rechtmäßigkeit des 1267er-Sanktionsregimes
  • § 1: Terroraktivitäten AL QAIDAS als Gefahrenlage i. S. d. Art. 39 UN-Charta
  • § 2: Die Vereinbarkeit des 1267er-Sanktionsregimes mit den internationalen Menschenrechten
  • A. Rechtsquellen einer Menschenrechtsbindung des Sicherheitsrates
  • B. Die inhaltliche Konkretisierung
  • C. Der Umfang der Menschenrechtsbindung des Sicherheitsrates bei einem Tätigwerden nach Kap. VII UN-Charta
  • D. Die Grundrechtsprüfung im Einzelnen
  • E. Rechtsfolgen chartawidriger Sanktionsresolutionen
  • Kapitel 5: Die Rechtmäßigkeit der EU-Maßnahmen zur Umsetzung des 1267er-Sanktionsregimes
  • Kapitel 6: Die EU-Sanktionsmaßnahmen als möglicher Gegenstand von Gerichtsverfahren vor dem BVerfG und dem EGMR
  • Schlussbemerkung
  • Literaturverzeichnis

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Abkürzungsverzeichnis

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Einleitung:  Die Problematik des Erlasses von Individualsanktionen nach dem Sanktionsregime der SR-Res. 1267/1999

„Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“ Mit diesen Worten beginnt Kafkas berühmter Roman „Der Process“, in dem sich der Protagonist mit einem Mal als Beschuldigter eines obskuren Verfahrens wiederfindet. Über die konkret gegen ihn erhobenen Vorwürfe wird er bis zuletzt nichts in Erfahrung bringen können. Seine Verteidigungsversuche bleiben dementsprechend verzweifelt und erfolglos. Am Ende kostet K. das Verfahren sogar sein Leben.

Vielen Personen, die zu Unrecht zu Adressaten des 1267er-Sanktionsregimes1 des UN-Sicherheitsrates gemacht wurden, dürfte die im Roman beschriebene Verzweiflung K.’s bekannt vorkommen. Dies hängt mit Inhalt und Ausgestaltung des Sanktionsregimes zusammen. Beides lässt sich – zusammen mit den hieraus resultierenden rechtlichen Problemen – am einfachsten am Beispiel der Kadi/Yusuf-Urteile von EuG2 und EuGH3 darstellen.4 ← 43 | 44 →

In beiden Verfahren stand die Rechtmäßigkeit einer Verordnung der damaligen Europäischen Gemeinschaft (EG)5 zur Diskussion, die zur Umsetzung des 1267er-Sanktionsregimes erlassen worden war. Dieses Sanktionsregime hatte der Sicherheitsrat mit der SR-Res. 1267/1999 zur Bekämpfung der von AL QAIDA und den TALIBAN ausgehenden terroristischen Gefahr errichtet. Hierbei setzt ein dem Sicherheitsrat unterstellter Sanktionsausschuss die Namen von Personen und Organisationen, die verdächtig sind, Verbindungen zu AL QAIDA bzw. den TALIBAN zu unterhalten, auf eine Sanktionsliste (sog. Black List). Die an eine Listung anknüpfenden Sanktionen bestehen neben weitgehenden Einschränkungen der Reisefreiheit und einem Waffenembargo in einer umfassenden finanziellen Sanktionierung der Zielpersonen. Deren Gelder und sonstige wirtschaftliche Ressourcen werden bis auf das für die Bestreitung des Lebensunterhalts Notwendige6 für unbestimmte Zeit eingefroren (sog. freezing assets). Diese Maßnahmen haben eine beträchtliche Reichweite. So fallen unter den Begriff der Gelder

„finanzielle Vermögenswerte oder wirtschaftliche Vorteile jeder Art einschließlich von — aber nicht beschränkt auf — Bargeld, Schecks, Geldforderungen, Wechsel, Geldanweisungen oder andere Zahlungsmittel, Guthaben bei Finanzinstituten oder anderen Einrichtungen, Guthaben auf Konten, Schulden und Schuldverschreibungen, öffentlich und privat gehandelte Wertpapiere und Schuldtitel einschließlich Aktien und Anteilen, Wertpapierzertifikate, Obligationen, Schuldscheine, Optionsscheine, Pfandbriefe, Derivate; Zinserträge, Dividenden oder andere Einkünfte oder Wertzuwächse aus Vermögenswerten; Kredite, Rechte auf Verrechnung, Bürgschaften, Vertragserfüllungsgarantien oder andere finanzielle Zusagen; Akkreditive, Konnossemente, Sicherungsübereignungen, Dokumente zur Verbriefung von Anteilen an Fondsvermögen oder anderen Finanzressourcen und jedes andere Finanzierungsinstrument für Ausfuhren“7,

und unter den sonstigen wirtschaftlichen Ressourcen

„Vermögenswerte jeder Art, unabhängig davon, ob sie materiell oder immateriell und beweglich oder unbeweglich sind, die keine Gelder sind, aber für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen verwendet werden können.“8

Das Einfrieren von Geldern ist gleichzusetzen mit ← 44 | 45 →

„der Verhinderung jeglicher Form von Bewegungen, Transfers, Veränderungen, Verwendung von Geldmitteln und Handel mit ihnen, die deren Volumen, Beträge, Belegenheit, Eigentum, Besitz, Eigenschaften, Zweckbestimmung verändern oder andere Veränderungen bewirken, mit denen eine Verwendung der Gelder einschließlich der Vermögensverwaltung ermöglicht wird“,9

das von wirtschaftlichen Ressourcen mit

„der Verhinderung ihrer Verwendung für jeden Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen, einschließlich von – aber nicht beschränkt auf – den Verkauf, das Vermieten oder das Verpfänden dieser Ressourcen.“10

Spiegelbildlich zu diesen Einfrierungsmaßnahmen ist es Dritten verboten, gelisteten Personen oder Gruppierungen Gelder oder sonstige wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Damit werden Letztere im Ergebnis quasi vollständig vom rechtsgeschäftlichen Verkehr abgeschnitten.11 Ziel dieses Vorgehens ist es, die Finanzquellen von AL QAIDA und den TALIBAN auszutrocknen. Dadurch sollen beide Gruppierungen ihrer Handlungsfähigkeit beraubt werden. Die Liste der verdächtigten Personen wird durch den Sanktionsausschuss veröffentlicht und in bestimmten Zeitintervallen aktualisiert.12

Ursprünglich richtete sich das vom Sicherheitsrat initiierte Sanktionsregime allein gegen die TALIBAN, die zu jener Zeit fast ganz Afghanistan unter ihre Herrschaft gebracht hatten. Diese sollte zur Auslieferung von OSAMA BIN LADEN gezwungen werden, der seit Anfang der 1990er Jahre mit verschiedenen Terroranschlägen auf amerikanische Einrichtungen in Verbindung gebracht wurde. Die Erweiterung der Sanktionen auf Mitglieder von AL QAIDA und ihre Verbündeten erfolgte erst zu einem späteren Zeitpunkt13 und hatte zunächst nur ergänzende Funktion. Mit dem Sturz des TALIBAN-Regimes durch die von den USA angeführten internationalen Streitkräfte Ende 2001 entfiel der territoriale Bezugspunkt des Sanktionsregimes zu Afghanistan. Seitdem liegt sein Fokus auf der globalen Bekämpfung von AL QAIDA und deren Anhängern.14

Die vom Sicherheitsrat verhängten Sanktionen wirken nicht unmittelbar gegenüber den Zielpersonen; sie bedürfen dazu der Umsetzung durch die UN-Mitgliedstaaten. Diese haben die Sanktionslisten zu übernehmen und die vorgegebenen ← 45 | 46 → Sanktionsmaßnahmen durchzuführen.15 In Europa besteht die Besonderheit, dass die Finanzsanktionen – die den Kern der Sanktionsregimes ausmachen – durch die EU und nicht durch deren Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Diese erließ dazu zunächst einen gemeinsamen Standpunkt im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), der als Grundlage für eine entsprechende Sanktionsverordnung der damaligen Europäischen Gemeinschaft16 diente.17 Ebendiese Sanktionsverordnung wurde von den Klägern KADI18 und YUSUF19/AL-BARAKAAT20 im Rahmen einer Individualbeschwerde nach Art. 230 Abs. 4 EGV21 angegriffen.22 Sie befanden sich allesamt auf der Sanktionsliste des Sicherheitsrates und wurden dementsprechend von ← 46 | 47 → der EU23 mit Sanktionen belegt.24 Hierdurch sahen sie sich in ihrer Eigentumsfreiheit sowie in ihren Rechten auf rechtliches Gehör und effektiven Rechtsschutz verletzt.

Das in erster Instanz zuständige EuG wies beide Klagen als unbegründet ab.25 Es weigerte sich, die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Sanktionsverordnung am Maßstab der Gemeinschaftsgrundrechte zu prüfen, weil es dadurch zu einer unzulässigen Inzidentprüfung der inhaltsgleichen Sanktionsresolutionen gekommen wäre. Verbleibe der Gemeinschaft bei der Umsetzung von Rechtsakten des Sicherheitsrates kein eigener Spielraum, könne die Rechtmäßigkeit der von ihr erlassenen Maßnahmen lediglich am Maßstab des ius cogens überprüft werden. Unter das ius cogens fallen die zwingenden Normen des Völkerrechts, von denen die Völkerrechtssubjekte wegen ihrer grundlegenden Bedeutung unter keinen Umständen abweichen dürfen.26 Zur Begründung führt das EuG aus, dass auch der Sicherheitsrat an das ius cogens gebunden sei und in diesem Bereich einer inzidenten Rechtskontrolle durch das Gericht unterliege. Einen von der Sanktionsverordnung ausgehenden ius cogens-Verstoß verneinte es jedoch.

Die Rechtsprechung des EuG ist in der Wissenschaft zum Teil auf Zustimmung27, zum Teil aber auch auf harsche Kritik gestoßen.28 Bemängelt wurde insbesondere, dass die betroffenen Individuen durch das Urteil praktisch rechtsschutzlos gelassen würden. Der Sonderermittler des Europarates MARTY bezeichnete die Sanktionslisten gar als „zivile Todesstrafe“ und monierte, dass ein „Serienkiller heutzutage mehr Rechte“ hätte „als ein Mensch, der auf einer Terrorliste steht.“29 ← 47 | 48 →

Mit großer Spannung wurde daher das Berufungsurteil des EuGH erwartet, das dieser am 03.09.2008 erließ. Darin hob der Gerichtshof die vorinstanzlichen Urteile des EuG auf.30 Den Empfehlungen des GAs Maduro in seinen Schlussanträgen folgend31, erklärte er unter Betonung der Eigenständigkeit des Gemeinschaftsrechts, dass Rechtsakte der Gemeinschaft zur Umsetzung verbindlicher Sicherheitsratsresolutionen auch dann vollumfänglich auf ihre Vereinbarkeit mit den Gemeinschaftsgrundrechten zu prüfen seien, wenn der Gemeinschaft bei ihrer inhaltlichen Ausgestaltung kein eigener Gestaltungsspielraum verbleibe.32 Durch die angegriffene Sanktionsverordnung würden die Kläger in ihren Verteidigungsrechten, ihrem Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz sowie in ihrer Eigentumsfreiheit verletzt, weil sie über die gegen sie erhobenen Vorwürfe nicht ausreichend aufgeklärt werden würden und sich dadurch nicht effektiv verteidigen könnten. Gleichzeitig jedoch hat der Gerichtshof den Erlass von Individualsanktionen als vom Prinzip her rechtmäßig anerkannt.

Mittlerweile hat der Sicherheitsrat auf das 1. KADI-Urteil des EuGH33 reagiert und mit der SR-Res. 1904/200934 einige Änderungen am Sanktionsregime vorgenommen, mit denen er die vom Gerichtshof geäußerten rechtsstaatlichen Bedenken auszuräumen versucht. So hat er eine Ombudsperson berufen, die von nun an die Delistungsanträge von Individuen annimmt, alle für die Entscheidung relevanten Informationen inhaltlich aufbereitet und dem Sanktionsausschuss eine Beschlussempfehlung vorlegt. Bereits zuvor wurde die Transparenz des Listungsverfahrens erhöht; außerdem unterliegt der Sanktionsausschuss bei seiner Entscheidungsfindung von nun an festen Zeitlimits. Die Problematik des Erlasses von Individualsanktionen ist damit aber immer noch nicht gelöst.

Der Sanktionsausschuss besitzt weiterhin die Möglichkeit, auf Verdacht und ggf. über Jahre hinweg, ohne vorherige unabhängige Prüfung, Grundrechte von Personen wegen deren mutmaßlicher Verstrickung in terroristische Aktivitäten in erheblichem Maße einzuschränken. Nachdem feststeht, dass die entsprechenden Umsetzungsakte der EU vollständig am Maßstab der EU-Grundrechte zu messen sind, müssen nunmehr vor allem die exakten Grenzen bestimmt werden, die sich aus der Anwendung dieser Rechte ergeben. Trifft die Auffassung des EuGH zu, wonach das Sanktionsregime grundsätzlich mit den Unionsgrundrechten35 vereinbar ist? Falls nicht, stellt sich die Frage, inwieweit nationale Gerichte – wie z. B. das ← 48 | 49 → Bundesverfassungsgericht – oder eine internationale Menschenrechtsinstitution – wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) – entsprechende Defizite ausgleichen könnten.36 Die jeweils ersten KADI-Urteile von EuG und EuGH bieten zudem Anlass, das Verhältnis von UN-Charta und EU-Recht näher zu beleuchten. Gleiches gilt für das Verhältnis von Charta- und nationalem Recht.

Der Schwerpunkt der Arbeit liegt indes auf der Frage der völkerrechtlichen Rechtmäßigkeit des Sanktionsregimes.37 Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang, ob der Sicherheitsrat überhaupt Sanktionsmaßnahmen gegen nichtstaatliche Akteure erlassen darf, und falls ja, welchen Menschenrechtsbindungen er hierbei unterliegt.38 Beide Aspekte geben zudem Anlass, sich allgemein mit den Konsequenzen rechtswidriger Sicherheitsratsresolutionen und den bestehenden Möglichkeiten einer Rechtskontrolle seines Handelns zu befassen.39 ← 49 | 50 →


1 Das hier zu untersuchende Individualsanktionsregime wurde mit der SR-Res. 1267/1999 v. 15.10.1998 errichtet und durch mehrere Folgeresolutionen erweitert und modifiziert. Zur sprachlichen Erleichterung wird es fortan als „1267er-Sanktionsregime“ bzw. als „Sanktionsregime der Res. 1267“ bezeichnet.

2 EuG, Urteile v. 21. 09.2005, Rs. T-315–01 (KADI/Rat und Kommission), Slg. 2005, II-3649; Rs. T-306/01, (YUSUF und AL BARAKAAT/Rat und Kommission), Slg. 2005, II-3533. Aus der umfangreichen Literatur zu den Urteilen s. nur Tomuschat, CML Rev. 43 (2006), 537 ff.; Hörmann, AVR 44 (2006), 267 ff.; v. Arnauld, AVR 44 (2006), 201 ff.; Steinbarth, ZEuS 2006, 269 ff.; Schmalenbach, JZ 2006, 349 ff.; Kotzur, EuGRZ 2006, 19 ff.; Schmahl, EuR 2006, 566 ff.; Möllers, EuR 2006, 426 ff.; Harings, EuZW 2005, 705; Bartelt/Zeitler, EuZW 2003, 712 ff.; Lavranos, EFA Rev. 2006, 471 ff.; Nettesheim, CML Rev. 44 (2007), 567, 573 ff.; Karayigit, Legal Issues of Economic Integration 33 (2006), 379 ff.; Bainham, CLJ 65 (2006), 281 ff.

3 EuGH, Urteil v. 03.09.2008, in den verbundenen Rs. C-402/05 P (KADI/Rat und Kommission) und C-415/05 P (AL BARAKAAT/Rat und Kommission), Slg. 2008, I-06351. S. hierzu statt vieler Kämmerer, EuR 2009, 114 ff.; Ohler, EuZW 2008, 630 ff.; Schmalenbach, JZ 2009, 35 ff.; Menz/Scholz, Eur.J.Crime.Cr.J. 2009, 61, ff.; Heun-Rehn, European Law Reporter 2008, 322 ff.; Schneider/Pfeiffer, Humanitäres Völkerrecht 2009, 4 ff.; Witte, ÖstZöffR 67 (2012), 679 ff.; Fassbender, DÖV 2010, 333 ff.; Sauer, NJW 2008, 3685 ff.; Johnston, CLJ 68 (2009), 1 ff.

4 Beide Sachverhalte wurden durch Beschluss des EuG miteinander verbunden, s. dazu Rn. 66 der unter Fn. 2 aufgeführten Urteile.

5 Die EG ist mittlerweile in der Europäischen Union aufgegangen.

6 Das 1267er-Sanktionsregime sieht Ausnahmen von den Finanzsanktionen vor, u. a. werden auf Antrag der Sanktionsadressaten Finanzmittel zum Bestreiten des Lebensunterhalts freigegeben. Ausführlich hierzu Teil II, Kap. 1 § 2 B IV 1.

7 So Art. 1 Nr. 1 der EU-Verordnung 881/2002, die zur Umsetzung des Sanktionsregimes erlassen worden ist und exemplarisch zur Konkretisierung der Sanktionsmaßnahmen herangezogen werden kann. S. dazu Schulte, Der Schutz individueller Rechte gegen Terrorlisten, 69.

8 Art. 1 Nr. 2 der VO 881/2002.

9 Art. 1 Nr. 3 der VO 881/2002.

10 Art. 1 Nr. 4 der VO 881/2002.

11 Instruktiv zu den einzelnen Folgen einer Sanktionierung am Beispiel des deutschen Rechts Meyer/Macke, HRRS 2007, 445.

12 Die aktuelle Liste kann auf der Homepage des Sanktionsausschusses unter http://www.un.org/sc/committees/1267/consolist.shtml abgerufen werden (Letzter Aufruf am 31.12.2013).

13 Mit der SR-Res. 1333/2000 v. 19.12.2000, dazu ausführlich Teil II, Kap. 1 § 2 B II.

14 SR-Res. 1390/2002 v. 28.01.2002, dazu ausführlich Teil II, Kap. 1 § 2 B III.

15 Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Umsetzung der vom Sicherheitsrat erlassenen friedenssichernden Maßnahmen ergibt sich aus den Artt. 25, 48 UN-Charta. Weiterführend hierzu Teil II, Kap. 1 § 2 A II.

16 Jetzt EU.

17 Ausführlich zum Umsetzungsverfahren in der EU Teil II, Kap. 2 § 1. Vgl. zum alten Recht auch Brandl, AVR 38 (2000), 376; Meng, ZaöRV 42 (1982), 780 ff.; Zeleny, ZÖR 1997, 197 ff.

18 HERR KADI ist ein international tätiger Geschäftsmann saudi-arabischer Staatsangehörigkeit mit erheblichen finanziellen Interessen in der Europäischen Union. So Rn. 136 des EuG-Urteils v. 21.09.2005, Rs. T-315–01 (Kadi/Rat und Kommission), Slg. 2005, II-3649.

Details

Seiten
450
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653063448
ISBN (ePUB)
9783653952919
ISBN (MOBI)
9783653952902
ISBN (Hardcover)
9783631670927
DOI
10.3726/978-3-653-06344-8
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (November)
Schlagworte
Rechtsbindung des UN-Sicherheitsrates Menschenrechte UN-Charta Terrorismusbekämpfung
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 450 S.

Biographische Angaben

Mahdad Mir Djawadi (Autor:in)

Mahdad Mir Djawadi studierte Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln und Nancy II/Frankreich. Er arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht der Universität zu Köln.

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Titel: Individualsanktionen des UN-Sicherheitsrates gegen Al Qaida und die Taliban
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