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Mehrsprachigkeit und Englischunterricht

Fachdidaktische Perspektiven, schulpraktische Sichtweisen

von Jenny Jakisch (Autor:in)
©2015 Dissertation 376 Seiten

Zusammenfassung

Die Autorin untersucht aus der Perspektive der Englischdidaktik, welchen Beitrag der Englischunterricht zur Entwicklung individueller Mehrsprachigkeit leisten kann. Sie skizziert potenzielle Mehrsprachigkeitsfelder und gibt Einblicke in die Sichtweisen der Beteiligten, die über eine Befragung von über 250 Schülerinnen und Schülern und 15 Lehrkräften rekonstruiert wurden. Dabei zeigt sich, dass nicht nur Vorteile, sondern auch Risiken mit einer Öffnung des Englischunterrichts für Mehrsprachigkeit verbunden sind. Die Ergebnisse tragen zu einem besseren Verständnis des im Schulalltag Möglichen bei und geben wichtige Impulse für die weitere fremdsprachendidaktische Forschung.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Danksagung
  • Inhaltsverzeichnis
  • Tabellenverzeichnis
  • Abbildungsverzeichnis
  • 1 Einleitung
  • 1.1 Mehrsprachigkeit – ein allgegenwärtiges Thema
  • 1.2 Ziele der Arbeit und Vorgehensweise
  • 1.3 Gliederung der Arbeit
  • Teil I: Fachdidaktische Perspektiven
  • 2 Individuelle Mehrsprachigkeit als Ziel der Sprachen- und Bildungspolitik Europas
  • 2.1 Mehrsprachigkeit – Versuch einer definitorischen Annäherung
  • 2.2 Wann ist man mehrsprachig? Zur Kompetenzfrage und zur Anzahl der zu lernenden Sprachen
  • 2.3 Mit welchen Sprachen ist man mehrsprachig? Zur Auswahl der zu lernenden Sprachen
  • 2.4 Wie wird man mehrsprachig? Zur Rolle der Schule bei der Entwicklung individueller Mehrsprachigkeit
  • 2.5 Grundzüge der Mehrsprachigkeitsdidaktik
  • 2.6 Resümee
  • 3 Begründungen für eine Erziehung zur Mehrsprachigkeit
  • 3.1 Die sprachen- und bildungspolitische Perspektive
  • 3.2 Die interkulturelle Perspektive
  • 3.3 Die schulpädagogische Perspektive
  • 3.4 Die lerntheoretische Perspektive
  • 3.5 Weitere Aspekte
  • 3.6 Resümee
  • 4 Englischunterricht im Kontext von Mehrsprachigkeit
  • 4.1 Zur Rolle des Englischen in Europa
  • 4.2 Zum Potenzial des Englischunterrichts für die Entwicklung von Mehrsprachigkeit
  • 4.3 Aufgaben und Ziele eines mehrsprachigkeitsförderlichen Englischunterrichts
  • 4.4 Mehrsprachigkeit im Englischunterricht fördern? Vorteile und Bedenken
  • 4.5 Mehrsprachigkeit in curricularen Vorgaben
  • 4.6 Resümee
  • Teil II: Schulpraktische Sichtweisen
  • 5 Die empirische Studie: Methodische Überlegungen
  • 5.1 Erkenntnisinteresse und Forschungsfragen
  • 5.2 Eigene forschungsrelevante Vorannahmen
  • 5.3 Methodische Verortung der Studie und Forschungsansatz
  • 5.4 Zur Auswahl der Untersuchungsgruppen und zur Stichprobe
  • 5.5 Befragung der Schüler: Fragebogen
  • 5.5.1 Begründung der Wahl des Forschungsinstruments
  • 5.5.2 Konzeption und Anlage des Fragebogens
  • 5.5.3 Aufbau und Inhalt des Fragebogens
  • 5.5.4 Datenerhebung, -aufbereitung und -auswertung
  • 5.6 Befragung der Lehrer: Interview
  • 5.6.1 Begründung der Wahl des Forschungsinstruments
  • 5.6.2 Das Experteninterview: Zur Auswahl der geeigneten Interviewform
  • 5.6.3 Aufbau und Inhalt des Interviewleitfadens
  • 5.6.4 Datenerhebung, -aufbereitung und -auswertung
  • 6 Ergebnisse der Schülerbefragung
  • 6.1 Beschreibung der Gruppe
  • 6.2 Gründe und Motive für das Fremdsprachenlernen
  • 6.2.1 Die 1. Fremdsprache
  • 6.2.2 Die 2. Fremdsprache
  • 6.2.3 Die Bedeutung des Englischen
  • 6.2.4 Zwischenfazit
  • 6.3 Das Ziel Mehrsprachigkeit
  • 6.3.1 Mehrsprachigkeit als sprachenpolitische Vorgabe
  • 6.3.2 Der ‚Mehrwert‘ der 2. Fremdsprache
  • 6.3.3 Zwischenfazit
  • 6.4 Englischunterricht und Mehrsprachigkeit
  • 6.4.1 Englischunterricht und weiteres Sprachenlernen
  • 6.4.2 Bezugnahme auf andere Sprachen im Englischunterricht
  • 6.4.3 Englisch und andere Sprachenfächer
  • 6.4.4 Die 2. Fremdsprache und Kenntnisse aus dem Englischunterricht
  • 6.4.5 Einschätzung des eigenen Sprachenlernens
  • 6.4.6 Zwischenfazit
  • 6.5 Schülersichtweisen auf Mehrsprachigkeit und Englischunterricht: Zusammenfassung
  • 7 Ergebnisse der Lehrerinterviews
  • 7.1 Vorstellung der Befragten
  • 7.2 Gründe und Motive für das Fremdsprachenlernen
  • 7.2.1 Die Bedeutung der 1. Fremdsprache
  • 7.2.2 Die Bedeutung der 2. Fremdsprache
  • 7.2.3 Die Rolle des Englischen in und für Europa
  • 7.2.4 Zwischenfazit
  • 7.3 Überlegungen zur Mehrsprachigkeit
  • 7.3.1 Begriffliche und konzeptuelle Assoziationen
  • 7.3.2 Lebensweltliche Mehrsprachigkeit
  • 7.3.3 Mehrsprachigkeit als sprachenpolitische Vorgabe
  • 7.3.4 Rezeptive Mehrsprachigkeit
  • 7.3.5 Zwischenfazit
  • 7.4 Englischunterricht als Vorreiter für weiteres Sprachenlernen
  • 7.4.1 Ziele des Englischunterrichts
  • 7.4.2 (Fremd-)Sprachliches Selbstverständnis
  • 7.4.3 Reaktionen auf die ‚neue‘ Rolle des Englischunterrichts
  • 7.4.4 Der Beitrag des Faches Englisch: Mehrsprachigkeitsfelder aus Sicht der Lehrer
  • 7.4.4.1 Methodenlernen
  • 7.4.4.2 Grammatikalische Parallelen
  • 7.4.4.3 Lexikalische Parallelen
  • 7.4.4.4 Sprachlernmotivation
  • 7.4.4.5 Terminologische Gemeinsamkeiten
  • 7.4.4.6 Interkulturelles Lernen
  • 7.4.5 Zwischenfazit
  • 7.5 Vernetzendes Fremdsprachenlernen
  • 7.5.1 Vor- und Nachteile für die Schüler
  • 7.5.2 Vorzüge und Hemmnisse für die Lehrer
  • 7.5.3 Vorstellungen von integrativem Fremdsprachenunterricht
  • 7.5.4 Zwischenfazit
  • 7.6 Lehrersichtweisen auf Mehrsprachigkeit und Englischunterricht: Zusammenfassung
  • Teil III: Zusammenschau
  • 8 Mehrsprachigkeit im Englischunterricht fördern: Möglichkeiten und Grenzen
  • 8.1 Wünsche an Theorie und Praxis
  • 8.2 Anregungen für einen mehrsprachigkeitsförderlichen Englischunterricht
  • 9 Rückschau
  • Literaturverzeichnis
  • Anhang

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Tabellenverzeichnis

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Abbildungsverzeichnis

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1 Einleitung

1.1 Mehrsprachigkeit – ein allgegenwärtiges Thema

Das Thema Mehrsprachigkeit als sprachenpolitische Forderung der Europäischen Union ist derzeit fester Bestandteil in den Diskursen der mit dem Lehren und Lernen befassten Disziplinen. Die Fähigkeit, sich in mehreren Sprachen verständigen zu können, erhält im Kontext des zusammenwachsenden Europas eine besondere Bedeutung. Fremdsprachliche Kompetenzen sind nicht länger nur eine wünschenswerte individuelle Bereicherung, sondern werden zur unabdingbaren Voraussetzung für Mobilität innerhalb Europas, interkulturelles Verstehen und die Bewältigung praktischer Kommunikationssituationen. Um die für Europa charakteristische Situation der sprachlichen und kulturellen Vielfalt zu erhalten, den Prozess der wechselseitigen Annäherung zu fördern und die Grundlagen für die Entwicklung einer europäischen Identität zu schaffen, sollen alle Europäerinnen und Europäer1 in der Lage sein, zusätzlich zur Muttersprache in zwei weiteren, vorzugsweise europäischen, Sprachen kommunizieren zu können („M+2“).

Die Umsetzung dieser Vorgabe obliegt den jeweiligen Mitgliedsländern. Daraus ergibt sich, dass Bildungseinrichtungen wie der Schule eine besondere Aufgabe bei der Entwicklung von Mehrsprachigkeit zukommt. Gerade weil das Englische derzeit allgemein als en vogue gilt, immer mehr Bereiche des Alltagslebens durchzieht und in vielen Forschungsfeldern die dominante (und oft einzige) Wissenschaftssprache ist, sollte dem Prozess der zunehmenden Anglifizierung von bildungspolitischer Seite ein Gegengewicht entgegengestellt werden. Individuelle Mehrsprachigkeitsprofile lassen sich über schulisches Fremdsprachenlernen prägen, können aber auch aus einer bereits zu Beginn des institutionellen Fremdsprachenunterrichts vorhandenen lebensweltlichen Mehrsprachigkeit resultieren, wie sie immer häufiger in den Klassenzimmern anzutreffen ist.

Mehrsprachigkeit ist damit in vielen Fällen gleichzeitig Ziel und Ausgangsbedingung des Sprachenlernens. Es geht daher nicht nur darum, die Schüler zur Bewältigung von Kommunikationssituationen in mehr als einer Fremdsprache zu befähigen, sondern ihnen aufzuzeigen, wie sie bereits vorhandenes Wissen und ← 15 | 16 → schon erworbene Kompetenzen gewinnbringend für das Lernen einer weiteren Sprache nutzen können. Dies ist umso wichtiger, als die Vorstellung, sich mittels der schulisch erworbenen Fremdsprachenkenntnisse für ein ganzes (Berufs-)Leben rüsten zu können, angesichts der Dynamik gesellschaftlicher Veränderungen nicht mehr zeitgemäß ist (vgl. SCHRÖDER 1999: 3). Neben der Kompetenzvermittlung in Einzelsprachen sollte es daher ein weiteres Anliegen des Fremdsprachenunterrichts sein, das Bewusstsein der Schüler für sprachliche Diversität in all ihren Facetten zu schärfen und sie zum eigenständigen Weiterlernen zu animieren. Damit einher geht die Forderung nach einem stärker integrativen Fremdsprachenunterricht statt eines bisher vorwiegend additiv ausgerichteten Fremdsprachenlernens.2 Sollen die Schüler erkennen, wie sie ihr Vorwissen gewinnbringend in das Lernen einer neuen Sprache einfließen lassen können, müssen die verschiedenen Sprachenunterrichte besser miteinander vernetzt und anders aufeinander abgestimmt werden. Die Gestaltung eines solchen transcurricularen Fremdsprachenunterrichts würde demnach voraussetzen, dass die Fremdsprachenlehrer einer Schule intensiver miteinander kooperieren.

Wichtige Impulse zur Entwicklung einer Mehrsprachigkeitsdidaktik (vgl. exemplarisch: MEISSNER/REINFRIED 1998c, MARTINEZ/REINFRIED 2006) wurden bisher vor allem von Seiten der Romanistik in die Diskussion eingebracht, während sich die Englischdidaktik erst in den letzten Jahren gegenüber der Idee der Mehrsprachigkeit geöffnet hat. Dies verwundert angesichts der Sonderrolle einer Sprache, für die viele die Bezeichnung ‚Fremdsprache‘ nicht mehr als angemessen empfinden, und der daraus resultierenden Konsequenzen für die Stellung des Faches in Schule und Hochschule allerdings kaum. Entgegen den offiziellen sprachenpolitischen Bekundungen und der Forderung nach „M+2“ lässt sich feststellen, dass häufig „nur eine Fremdsprache, nämlich das Englische, ernsthaft und in der nötigen Breite gelehrt wird“ (AHRENS 2008: 9).

Hier zeichnet sich also ein Ungleichgewicht zwischen der Realität an vielen Schulen und den sprachenpolitischen Vorstellungen des vereinten Europas ab: Auf der einen Seite findet sich das Englische, das mehrheitlich als erste Fremdsprache gelernt wird und sowohl innerhalb Europas als auch weltweit als Lingua franca mit hohem kommunikativem Nutzen fungiert. Sie lässt aber das Erlernen ← 16 | 17 → weiterer Fremdsprachen zunehmend weniger notwendig erscheinen, und so steht auf der anderen Seite der Anspruch nach Kenntnissen in mindestens zwei modernen Fremdsprachen. VOLLMER (2001: 92) bringt das Dilemma auf den Punkt:

[Z]um einen besteht die Notwendigkeit, sich das Englische als globales Verständigungsmittel anzueignen und sich dieser Sprache für vielfältige Zwecke kompetent zu bedienen […], zum anderen kann Englisch tendenziell als Bedrohung oder gar Sackgasse für Mehrsprachigkeit gelten.

Auch die Ergebnisse der letzten Eurobarometer-Studie zeigen, dass nur ein Teil der Unionsbürger über die gewünschten plurilingualen Kompetenzen verfügt. Den Angaben des Spezial Eurobarometers 386 von 2012 zufolge sind 66% der Deutschen in der Lage, eine Fremdsprache gut genug zu sprechen, um sich darin zu unterhalten, während dies nur für 28% der Befragten für zwei Fremdsprachen zutrifft (vgl. EUROPÄISCHE KOMMISSION 2012: 18). Die Sprache, in der die EU-Bürger neben ihrer Muttersprache am besten kommunizieren können, ist Englisch (vgl. ebd.: 24).

Vor diesem Hintergrund ergeben sich neue Herausforderungen für das Fach Englisch. Da die Mehrheit der Schüler diese Fremdsprache zuerst in der Schule lernt, wäre es vor allem der Englischunterricht, der einen Beitrag zur Entwicklung von Mehrsprachigkeit leisten müsste und den Schülern zu verdeutlichen hätte, dass das Fremdsprachenlernen nicht mit Englisch beginnt und aufhört. Wenngleich bereits der muttersprachliche Unterricht hierzu einen wesentlichen Teil leistet (vgl. dazu die Beiträge in ROTHSTEIN 2011b), hat doch die 1. Fremdsprache eine besondere Verantwortung für die Entfaltung von Mehrsprachigkeit und Mehrsprachigkeitskompetenz, da hier in der Regel zum ersten Mal im Rahmen der schulischen Ausbildung eine vertiefende Auseinandersetzung mit anderen Sprachen angeregt wird. Auf fremdsprachendidaktischer Ebene – vor allem seitens der romanischen Sprachen – setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass die Entwicklung von Mehrsprachigkeit auf dem Englischen aufbauen muss und dass dort der Grundstein für das lebenslange Sprachenlernen zu legen wäre. Will der Englischunterricht seiner Rolle als „Gateway to Languages“ (SCHRÖDER 2009) gerecht werden, ist er angehalten, sein Selbstverständnis zu durchdenken und seine didaktisch-methodische Ausrichtung ggf. neu zu profilieren. Denn es müssten nicht nur die Kompetenzen der Schüler in der Zielsprache Englisch (weiter-)entwickelt werden, sondern es wären darüber hinaus im Rück- bzw. Vorgriff auf schon vorhandene bzw. noch zu lernende Sprachen Grundlagen affektiv-motivationaler, sprachlich-kognitiver, methodischer und interkultureller Art für das Lernen weiterer Fremdsprachen zu legen (vgl. u.a. VOLLMER 2001, KURTZ 2011, SCHRÖDER 2009). ← 17 | 18 →

Zu bedenken ist jedoch, dass nicht alle dieser ‚neuen‘ Aufträge zum ‚Kerngeschäft‘ des Englischunterrichts gehören, sodass die Sorge einer möglicherweise drohenden „Überfrachtung des regulären Englischunterricht mit immer neuen Aufgaben“ (KURTZ 2008: 138) ernst genommen werden muss. Diese Überlastung könnte sich auf konzeptioneller Ebene manifestieren und dazu führen, dass die derzeitigen Ziele des Englischunterrichts – die Vermittlung interkultureller kommunikativer Kompetenzen – nicht mehr erreicht werden können. Sie hat aber auch Auswirkungen auf die beteiligten Akteure. Lernende und Lehrende haben möglicherweise andere Ansprüche an das Fremdsprachenlernen und fühlen sich unter Umständen angesichts der Forderung, neben der Beschäftigung mit einer Sprache zusätzlich weiteres Sprachenlernen anzubahnen, überlastet. Es müsste daher ein Weg gefunden werden, „sich dieser Öffnung nicht zu verschließen, freilich ohne dabei die eigentlichen sprachbezogenen Lernziele des Englischunterrichts zu reduzieren oder gar aufzugeben“ (KÖNIGS 2006: 220).

1.2 Ziele der Arbeit und Vorgehensweise

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen erscheint es geboten, sich dem Thema „Mehrsprachigkeit und Englischunterricht“ mit einer gewissen Zurückhaltung zu nähern. Entgegen der Tendenz zu einem vorschnellen Enthusiasmus hinsichtlich der durch mehrsprachige Ansätze zu erwartenden Gewinne wäre zunächst kritisch zu untersuchen, welche Möglichkeiten und Grenzen mit Mehrsprachigkeit verbunden sein könnten. Die vorliegende Arbeit setzt den Schwerpunkt dabei auf die durch Lehr- und Lernprozesse des institutionellen Fremdsprachenunterrichts zu entwickelnde schulische Mehrsprachigkeit. Dies schließt jedoch die Berücksichtigung von Formen der lebensweltlichen Mehrsprachigkeit insofern nicht aus, als diese in vielen Klassenzimmern existierende Dimension nicht ‚künstlich‘ ausgeklammert werden kann. Es ist jedoch nicht vorrangiges Ziel der Untersuchung, in besonderem Maße auf die durch außerschulische Spracherwerbsprozesse entstandene Mehrsprachigkeit einzugehen und ein Konzept zu entwickeln, das sich ausschließlich mit dieser Form bereits vorhandener sprachlicher Kenntnisse beschäftigt. Da ein Großteil der Deutschen, wie dargestellt, noch nicht über die geforderte Art und Anzahl an Sprachenkenntnissen verfügt, stehen vielmehr Überlegungen zur Rolle des Faches Englisch bei der Entwicklung von „M+2“ im Vordergrund der Arbeit. Die zentrale Forschungsfrage lautet daher:

Welchen Beitrag kann Englischunterricht zur Entwicklung von Mehrsprachigkeit leisten? ← 18 | 19 →

Diese Forschungsfrage soll aus der Perspektive der „Theorie“ (hier verstanden als die Gesamtheit der gegenwärtigen fremdsprachendidaktischen Diskurse) und aus der Sichtweise der „Praxis“ (bezogen auf diejenigen, die die Unterrichtsrealität an Schulen erleben und mitgestalten) untersucht werden. In Anlehnung an HALLETs (2008) Charakterisierung der Fremdsprachendidaktik als Empirie und Theorie sehe ich dabei beide Bereiche als gleichberechtigte Handlungsfelder an, die sich wechselseitig beeinflussen und durchdringen. Wenn ich daher mit Blick auf das Lern- und Bildungsziel Mehrsprachigkeit von einer Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis ausgehe, geht dies für mich nicht notwendigerweise mit einer „Theoriehoheit“, wie sie VIEBROCK (2009: 44) anspricht, und damit einem wertenden Urteil einher. Ausgehend von der Auffassung, dass sich „Praxis und Theorie auf gleicher Augenhöhe begegnen“ (WESKAMP 2007: 165), aber unterschiedliche Sichtweisen auf das Phänomen repräsentieren, liegt meiner Untersuchung in ihrer Anlage das Bestreben zugrunde, beide Seiten gleichermaßen in angemessener Form zu berücksichtigen.

Details

Seiten
376
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653059991
ISBN (ePUB)
9783653949674
ISBN (MOBI)
9783653949667
ISBN (Hardcover)
9783631665725
DOI
10.3726/978-3-653-05999-1
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (August)
Schlagworte
Fremdsprachendidaktik Unterrichtsforschung Mehrsprachigkeitsdidaktik
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 376 S., 32 s/w Abb., 14 Tab.

Biographische Angaben

Jenny Jakisch (Autor:in)

Jenny Jakisch studierte Anglistik, Germanistik und Deutsch als Fremdsprache an der TU Braunschweig. Ihr Referendariat absolvierte sie an einem Braunschweiger Gymnasium. Sie ist als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Englischen Seminar der TU Braunschweig tätig.

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