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Die Dienstleistungsbetriebsstätte im Abkommensrecht

Begriffsbestimmung, Abgrenzung und Analyse eines alternativen Betriebsstättentatbestands

von Matthias Ernst (Autor:in)
©2015 Dissertation 485 Seiten

Zusammenfassung

Der Autor behandelt sämtliche Aspekte der Dienstleistungsbetriebsstätte im Abkommensrecht. Er betrachtet dabei zunächst die sogenannte unechte Dienstleistungsbetriebsstätte und die Frage, unter welchen Voraussetzungen die bloße Erbringung von Dienstleistungen im Quellenstaat eine Betriebsstätte nach Art. 5 OECD-MK zu begründen vermag. Schwerpunkt ist die anschließende umfassende Untersuchung der im OECD-Musterkommentar 2008 eingeführten Tatbestandsalternative einer echten Dienstleistungsbetriebsstätte. Neben einer dogmatischen Einordnung erfolgt eine Betrachtung der Tatbestandsmerkmale der Alternativvorschrift unter besonderer Berücksichtigung praxisrelevanter Konstellationen und möglicher Implikationen für das nationale Steuerrecht Deutschlands de lege lata et de lege ferenda.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsübersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • Kapitel 1: Das Betriebsstättenprinzip im Abkommensrecht
  • A. Grundlagen des Abkommensrechts
  • I. Verhältnis von Doppelbesteuerungsabkommen zu innerstaatlichem Recht
  • II. Funktion und Wirkungsweise von Doppelbesteuerungsabkommen
  • III. Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen
  • 1. Allgemeine Auslegungsgrundsätze völkerrechtlicher Verträge
  • a. Die Allgemeine Auslegungsregel in Art. 31 WÜRV
  • b. Weitere Auslegungsregeln der WÜRV
  • 2. Besondere Auslegungsregeln bei Doppelbesteuerungsabkommen
  • a. Abkommensautonome Auslegung
  • b. Die lex-fori-Klausel
  • c. Das Gebot der Entscheidungsharmonie
  • 3. Die Bedeutung des OECD-Musterabkommens und seines Kommentars
  • a. Dynamische oder statische Berücksichtigung des Musterkommentars
  • b. Bedeutung der Änderungen des OECD-Musterkommentars
  • c. Eigene Stellungnahme
  • B. Funktion und Begriff der Betriebsstätte im Abkommensrecht
  • I. Voraussetzung für die Quellenbesteuerung von Unternehmensgewinnen
  • II. Grundlage für die Abgrenzung von Unternehmensgewinnen
  • III. Der Betriebsstättenvorbehalt
  • IV. Die abkommensrechtliche Betriebsstättendefinition
  • C. Verhältnis zum nationalen Betriebsstättenbegriff
  • I. Systematisches Verhältnis
  • II. Funktionales Verhältnis
  • III. Verhältnis im Rahmen der Abkommensauslegung
  • IV. Inhaltliches Verhältnis
  • Kapitel 2: Die Dienstleistungsbetriebsstätte im Abkommensrecht – Bedeutung und Begründung
  • A. Einkünftequalifikation bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen
  • I. Einkünfte aus Unternehmensgewinnen
  • II. Abgrenzung zu Einkünften aus selbständiger Arbeit
  • 1. Streichung des Art. 14 OECD-MA (a.F.) durch Update 2000
  • 2. Einkünfte aus selbständiger Arbeit
  • III. Abgrenzung zu Einkünften aus Schiff- und Luftfahrt
  • 1. Sachlicher Anwendungsbereich
  • 2. Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten
  • 3. Abgrenzung gemischter Tätigkeit
  • IV. Abgrenzung zu Einkünften aus Lizenzgebühren
  • 1. Abgrenzung von Know-how-Vertrag gegenüber Dienstleistungsvertrag
  • 2. Der Know-how-Begriff im Abkommensrecht
  • 3. Mitteilung von Know-how gegenüber Verwendung von Know-how
  • 4. Gemischte Tätigkeiten
  • 5. Einbeziehung technischer Dienstleistungen in den Lizenzgebührenartikel
  • a. Begriff der technischen Dienstleistungen
  • b. Quellenbesteuerung technischer Dienstleistungen
  • V. Abgrenzung zu Einkünften aus Aufsichts- und Verwaltungsratstätigkeit
  • VI. Abgrenzung zu Einkünften von Künstlern und Sportlern
  • 1. Abgrenzung von Art. 17 OECD-MA gegenüber Art. 7 OECD-MA
  • 2. Begriff des Künstlers
  • 3. Begriff des Sportlers
  • 4. Unmittelbare und mittelbare Zahlungen
  • 5. Einkünfte des Künstlers oder Sportlers
  • B. Die Dienstleistungsbetriebsstätte in Art. 5 OECD-MK
  • I. Die Dienstleistungsbetriebsstätte als feste Geschäftseinrichtung
  • 1. Geschäftseinrichtung
  • a. Erfordernis der örtlichen Fixierung
  • b. Zeitliche Anforderungen
  • aa. Mindestzeitspanne einer örtlichen Verfestigung
  • bb. Eigene Stellungnahme
  • cc. Besondere zeitliche Anforderungen bei Dienstleistungserbringung
  • (1) Zeitlich begrenzte Tätigkeiten
  • (2) Kurzfristige Dienstleistungserbringung im Quellenstaat
  • (3) Ausschließlich im Quellenstaat erbrachte Geschäftstätigkeiten
  • (4) Zusammenrechnung von Dienstleistungsprojekten
  • (aa) Wirtschaftliche Einheit
  • (bb) Geographische Einheit
  • (5) Unterbrechung der Dienstleistungserbringung
  • 2. Unternehmenstätigkeit
  • a. Keine produktive oder aktive Geschäftstätigkeit
  • b. Dienstleistungen im Zusammenhang mit Vermietung und Verpachtung
  • 3. Ausüben durch die Geschäftseinrichtung
  • 4. Erfordernis einer Verfügungsmacht
  • a. Auslegung durch die deutsche Rechtsprechung
  • aa. Entscheidung vom 3. Februar 1993: „Hotelmanagementurteil“
  • bb. Entscheidung vom 14. Juli 2004: „Flughafen-Urteil“
  • cc. Entscheidung vom 4. August 2008: „NATO-Urteil“
  • dd. Entscheidung vom 24.08.2011: „Private-Equity- Urteil“
  • b. Auslegung durch die deutsche Finanzverwaltung
  • c. Auslegung im OECD-Musterkommentar
  • d. Auslegung in der deutschsprachigen Literatur
  • e. Auslegung des Merkmals der Verfügungsmacht in Österreich
  • aa. Auffassung der österreichischen Rechtsprechung
  • bb. Auffassung der österreichischen Finanzverwaltung
  • f. Eigene Stellungnahme
  • aa. Verfügungsmacht als Wesensmerkmal des Betriebsstättenprinzips
  • bb. Zeitliche Grenze kein gleichwertiger Schwellenwert
  • cc. Keine Wertungsinkonsistenzen zwischen Art. 5 Abs. 1 und Abs. 3
  • dd. Inhaltliche Anforderungen an eine Verfügungsmacht
  • (1) Synopsis der Rechtsprechung zum Merkmal der allgemeinen rechtlichen Absicherung der Verfügungsmacht
  • (aa) Eigenständiger vertraglicher Anspruch auf Nutzung
  • (bb) Qualität der zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten
  • (cc) Funktionale Beziehung zwischen Tätigkeit und Räumen
  • (dd) Zwischenergebnis
  • (ee) Fallbeispiel
  • • Anspruch auf Zurverfügungstellung von Räumen
  • • Qualitative Anforderung an Räume
  • • Funktionale Beziehung zur Tätigkeit
  • (2) Zusammenfassung
  • II. Besondere Tatbestände der Dienstleistungsbetriebsstätte
  • 1. Die Dienstleistungsbetriebsstätte im E-Commerce
  • a. Dienstleistungen im E-Commerce
  • aa. Einkünftequalifikation bei Dienstleistungen im E-Commerce
  • bb. Dienstleistungen im E-Commerce als technische Dienstleistungen
  • b. Betriebsstättenbegründung durch einen Internet-Server
  • aa. Feste Geschäftseinrichtung
  • bb. Verfügungsmacht
  • cc. Unternehmenstätigkeit durch natürliche Personen
  • c. Vorbereitende Tätigkeiten und Hilfstätigkeiten
  • d. Geeignetheit der Betriebsstätte als Nexus im E-Commerce
  • 2. (Zweit-)Wohnung als Dienstleistungsbetriebsstätte
  • 3. Wohnung eines Angestellten als Betriebsstätte des Arbeitgebers
  • 4. Hotelzimmer als Dienstleistungsbetriebsstätte
  • 5. Dienstleistungsbetriebsstätte bei konzerninternen Dienstleistungen
  • a. Betriebsstätte des dienstleistungsempfangenden Konzernunternehmens
  • b. Betriebsstätte des dienstleistungserbringenden Konzernunternehmens
  • c. Zentrale Dienstleistungsabteilungen
  • d. Konzerninterne Managementleistungen
  • III. Die Dienstleistungsbetriebsstätte im Positivkatalog des Art. 5 Abs. 2
  • 1. Fabrikations- und Werkstätten
  • 2. Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen
  • IV. Die Dienstleistungsbetriebsstätte im Negativkatalog des Art. 5 Abs. 4
  • 1. Einrichtung zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von Waren
  • 2. Einrichtung zum Einkauf von Waren oder zur Informationsbeschaffung
  • 3. Andere Tätigkeiten vorbereitender Art und Hilfstätigkeiten
  • V. Bauausführungen und Montagen, Artikel 5 Abs. 3 OECD-MA
  • 1. Der Begriff der Bauausführungen und Montage
  • a. Technische Dienstleistungen als Teil der Bau- und Montagetätigkeit
  • b. (Dienst-)Leistungen bei der Errichtung und Fertigstellung der Anlage
  • c. Zwischenergebnis
  • 2. Die Behandlung von Bauplanungs- und Bauüberwachungstätigkeiten
  • a. Bauplanung und –überwachung als Baunebentätigkeit
  • b. Bauausführung durch Überwachung von Subunternehmern
  • aa. Verantwortliche Überwachung
  • bb. Beratende Überwachung
  • c. Generalunternehmerbetriebsstätte
  • aa. Deutsche Auffassung
  • bb. Internationale Auffassung
  • cc. Eigene Stellungnahme
  • 3. Fristdauer bei vergleichbaren Dienstleistungsbetriebsstätten
  • VI. Vertreterbetriebsstätte, Art. 5 Abs. 5 OECD-MA
  • 1. Vertreter mit Vertretungsmacht
  • 2. Kein unabhängiger Vertreter
  • 3. Vertretungsmacht
  • 4. Gewöhnliche Ausübung der Vertretungsmacht
  • 5. Zusammenfassung
  • VII. Feste Einrichtung, Art. 14 OECD-MA (a.F.)
  • C. Alternativer Tatbestand einer echten Dienstleistungsbetriebsstätte im OECD-Musterkommentar
  • I. Historische Entstehung der Neukommentierung
  • II. Funktion und Systematik – Ein zweigliedriger Tatbestand
  • III. Verhältnis zum Grundtatbestand des Art. 5 OECD-MA
  • 1. Erweiterung der Betriebsstättendefinition durch Fiktion
  • 2. Verhältnis zur Betriebsstättengrunddefinition, Art. 5 Abs. 1 OECD-MA
  • 3. Verhältnis bei Abhängigkeit von einer festen Geschäftseinrichtung
  • 4. Verhältnis zur Bau- und Montagebetriebsstätte
  • 5. Abgrenzung zur Vertreterbetriebsstätte
  • IV. Allgemeine Tatbestandsmerkmale der echten Dienstleistungsbetriebsstätte
  • 1. Der Begriff der Dienstleistung
  • a. Abkommensautonome Auslegung
  • b. Auslegung nach dem Recht des Anwenderstaates
  • c. Zwischenergebnis
  • 2. Dienstleistungen eines Unternehmens eines Vertragsstaates
  • 3. Dienstleistungserbringung an Dritte
  • 4. Dienstleistungen als aktive Geschäftstätigkeiten
  • 5. Dienstleistungserbringung im Quellenstaat
  • a. Ort der Leistungserbringung
  • b. Ort der Leistungsverwertung
  • c. Gebiet des anderen Vertragsstaates
  • d. Ort der Leistungserbringung bei Unterlassen und Zurverfügunghalten
  • 6. Dienstleistungserbringung durch natürliche Personen
  • a. Natürliche Person
  • b. Leistungserbringung durch die natürliche Person
  • aa. Persönliche Leistungserbringung
  • bb. Zurechenbarkeit der leistungserbringenden Person
  • (1) Zurechnung von Leiharbeitnehmern
  • (2) Zurechnung von Subunternehmern
  • (3) Zurechnung von Personen aufgrund Überwachung, Leitung oder Kontrolle
  • (aa) Überwachung, Leitung und Kontrolle
  • (bb) Überwachung
  • (cc) Leitung
  • (dd) Kontrolle
  • (ee) Vorschlag einer Neuformulierung
  • cc. Vertragserfüllung durch Konsortium oder Arbeitsgemeinschaft
  • V. Tatbestandsalternative Buchstabe a)
  • 1. Leistungserbringung durch eine natürliche Person
  • 2. Die 183-Tage-Anwesenheitsgrenze
  • a. Aufenthalt im anderen Vertragsstaat
  • b. Der Zwölfmonatszeitraum
  • c. Aufenthaltstage ohne Dienstleistungserbringung
  • 3. Die 50 v.H.-Grenze
  • a. Bruttoeinnahmen aus Dienstleistungen
  • aa. Abkommensautonome Auslegung
  • bb. Auslegung nach dem Recht des Anwenderstaates
  • b. Alternativformulierung des Musterkommentars
  • c. Einnahmen aus aktiver Geschäftstätigkeit
  • d. Zeitlicher Rahmen der Berechnung
  • e. Dienstleistungserbringung im Quellenstaat durch natürliche Person
  • f. Zusammenfassung
  • VI. Tatbestandsalternative Buchstabe b)
  • 1. Die 183-Tage-Tätigkeitsgrenze
  • 2. Dienstleistungen für dasselbe Projekt oder zusammenhängende Projekte
  • a. Einheitliches Projekt
  • b. Zusammenhängende Projekte
  • c. Fristberechnung bei Bestehen einer festen Geschäftseinrichtung
  • aa. Beispielsfälle
  • bb. Fragestellung
  • cc. Lösungsvorschlag
  • VII. Wirkung als Betriebsstättenfiktion
  • 1. Tätigkeiten beim Erbringen der Dienstleistungen
  • 2. Gemischte Tätigkeiten
  • 3. Ausschluss von Hilfstätigkeiten
  • VIII. Missbrauchsverhinderungsvorschrift
  • 1. Verbundene Unternehmen eines Vertragsstaates
  • 2. Erbringung ähnlicher Dienstleistungen im Quellenstaat
  • 3. Zurechnung der Dienstleistungserbringung
  • IX. Die Behandlung von Grenzpendlern
  • 1. Begriffsbestimmung des Grenzpendlers
  • 2. Bedeutung der echten Dienstleistungsbetriebsstätte für Grenzpendler
  • 3. Mögliche steuerlich nachteilige Wirkungen für Grenzpendler
  • 4. Aufnahme einer Sonderregelung für Grenzpendler
  • X. Bedeutung der Dienstleistungsbetriebsstätte bei Arbeitnehmerüberlassung
  • 1. Betriebsstättenbegründung durch gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung
  • 2. Arbeitnehmerüberlassung als Dienstleistung
  • 3. Ausübung der Dienstleistung im Quellenstaat
  • 4. Zuordnung der Leiharbeitnehmer an Entleiher
  • 5. Arbeitnehmerüberlassung als aktive Dienstleistung
  • XI. Vereinbarkeit mit europäischem Unionsrecht
  • 1. Niederlassungsfreiheit
  • 2. Dienstleistungsfreiheit
  • 3. Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit durch Alternativvorschrift
  • 4. Unionsrechtskonforme Ausübung der Besteuerungsbefugnis
  • XII. Abkommensrechtliches Betriebsstättendiskriminierungsverbot
  • D. Die Dienstleistungsbetriebsstätte im UN-Musterabkommen
  • I. Begriff und Bedeutung des UN-Musterabkommens
  • II. Dienstleistungsbetriebsstätte in Art. 5 Abs. 3 Buchst. b UN-MA
  • 1. Dienstleistungen einschließlich Beratungsleistungen
  • 2. Dienstleistungen durch Angestellte oder anderes Personal
  • 3. Sechs-Monats-Frist
  • 4. Dienstleistungen für dasselbe oder ein verbundenes Projekt
  • 5. Selbständige Dienstleistungen im UN-MA
  • 6. Zusammenfassung
  • E. Die Dienstleistungsbetriebsstätte in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen
  • I. Regelung einer echten Dienstleistungsbetriebsstätte
  • 1. Echte Dienstleistungsbetriebsstätte im DBA-Liberia 1970
  • 2. Echte Dienstleistungsbetriebsstätte im DBA-Türkei 2011
  • 3. Echte Dienstleistungsbetriebsstätte im DBA-Taiwan 2012
  • II. Dienstleistungsbetriebsstätte bei Erdölförderung im DBA Indien 1995
  • III. Fachliche und technische Dienstleistungen im DBA Trinidad/Tobago
  • IV. Besteuerung von Dienstleistungen im Rahmen selbständiger Arbeit
  • Kapitel 3: Auswirkungen der Einführung einer echten Dienstleistungsbetriebsstätte
  • A. Auswirkungen auf das innerstaatliche Steuerrecht
  • I. Auslandsinvestitionen von Steuerinländern (Outbound-Gestaltungen)
  • II. Inlandsinvestitionen von Steuerausländern (Inbound-Gestaltungen)
  • 1. Bedeutung für die beschränkte Steuerpflicht im Inland
  • 2. Bedeutung für die Lohnsteuer bei Inbound-Gestaltungen
  • 3. Bedeutung für die Gewerbesteuer bei Inbound-Gestaltungen
  • III. Mögliche Änderungen de lege ferenda
  • 1. Ergänzung des § 12 AO um einen Dienstleistungstatbestand
  • 2. Änderung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG
  • 3. Änderung des § 12 AO gegenüber des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG
  • 4. Lohnsteuer
  • 5. Exkurs: Umsatzsteuerliche Betrachtung
  • B. Abkommensrechtliche Auswirkungen
  • I. Bedeutung für bestehende Abkommen
  • II. Einwirkungen auf zukünftige Abkommenspraxis
  • 1. Auswirkungen auf die Auslegung des Betriebsstättengrundtatbestands
  • 2. Besondere Anforderungen an Informationsaustausch
  • 3. Veränderte Verhandlungsposition von Industriestaaten
  • 4. Konkurrenz mit dem Konzept der technischen Dienstleistungen
  • a. Kumulative Aufnahme
  • b. Alternative Aufnahme
  • c. Abkehr vom Prinzip der technischen Dienstleistung?
  • C. Wirtschaftspolitische Auswirkungen
  • Kapitel 4: Schlussbetrachtung
  • Zusammenfassung der Ergebnisse
  • Literaturverzeichnis
  • Rechtsprechungsverzeichnis
  • I. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes
  • II. Entscheidungen deutscher Gerichte
  • 1. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
  • 2. Entscheidungen des Reichsfinanzhofs
  • 3. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs
  • 4. Entscheidungen der Finanzgerichte
  • 5. Entscheidung des Bundesgerichtshofs
  • III. Entscheidungen des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofes
  • Verzeichnis von Veröffentlichungen der Verwaltungsbehörden
  • I. Veröffentlichungen der deutschen Finanzverwaltung
  • II. Veröffentlichungen der österreichischen Finanzverwaltung

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Einleitung

Überblick über den Untersuchungsgegenstand

Die Besteuerung des internationalen Wirtschaftsverkehrs befindet sich seit jeher in einem Spannungsfeld mit den auf dem Grundsatz der Territorialität basierenden nationalen Steuerordnungen. Die Nationalstaaten nehmen dabei eine janusköpfige Stellung ein, indem sie als sog. Wohnsitz- bzw. Ansässigkeitsstaaten die gesamte Leistungsfähigkeit der in ihrem Staatsgebiet residierenden Steuerpflichtigen auf Grundlage des Welteinkommensprinzips (Universalitätsprinzip) besteuern1 und gleichzeitig als sog. Quellenstaaten auch die im Inland erzielten Einkünfte und das dort belegene Vermögen von Steuerausländern nach dem Ursprungsprinzip (Quellenprinzip) ihrer Steuerhoheit unterwerfen. Aufgrund dieser Dichotomie2 der Besteuerung begegnet der vermehrt durch grenzüberschreitende Sachverhalte multinationaler Unternehmen gekennzeichnete Wirtschaftsverkehr der Gefahr einer überlappenden Besteuerung und damit einer Doppelbesteuerung in Ansässigkeits- und Quellenstaat. Um daher nicht jegliche grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeiten diesem Dualismus auszusetzen, hält das Abkommensrecht für die Besteuerung von Unternehmensgewinnen das Rechtsinstitut der Betriebsstätte vor, das in diesem Kontext die Funktion eines Schwellenwerts einnimmt, da dem Quellenstaat nur unter der Voraussetzung der Begründung einer solchen Betriebsstätte in seinem Staatsgebiet die Besteuerungsbefugnis an dem Betriebsstättengewinn zugewiesen wird.

Die Grunddefinition der Betriebsstätte verlangt hierfür als integrales Tatbestandsmerkmal das Vorliegen einer festen Geschäftseinrichtung des Unternehmens und damit eine Materialisierung der Geschäftstätigkeit im Inland. Die Betriebsstätte stellt mithin ein territoriales Anknüpfungsmerkmal dar, wodurch eine Radizierung der Besteuerungsbefugnis des Quellenstaates stattfindet. Damit inkongruent scheint der Charakter des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs zu sein, der sich durch eine hohe Mobilität des Leistungserbringenden in Bezug auf Arbeitsort und Arbeitszeit auszeichnet und auch mit seinen primär immateriellen Leistungselementen ← 23 | 24 → dem auf einer physischen Verfestigung basierenden Betriebsstättenbegriff zuwider läuft. Denn während produzierende und weiterverarbeitende Industriezweige für ihre Unternehmenstätigkeit typischerweise einer örtlich festen Arbeitsstätte3 bedürfen, werden Dienstleistungen im Wesentlichen durch die persönliche Tätigkeit des Leistungsverpflichteten oder dessen Personal und damit örtlich ungebunden ausgeübt. Zu denken ist dabei an unterschiedlichste gewerbliche, aber auch freiberufliche Dienstleistungen, die typischerweise in den Unternehmens- oder Wohnräumen des Auftraggebers oder durch den Einsatz moderner Kommunikations- und Datenverarbeitungsmittel ohne jede körperliche Anwesenheit im Ansässigkeitsstaat des Leistungsempfängers ausgeübt werden.

Relevanz

Die bloße Erbringung von Dienstleistungen im Quellenstaat erfüllt daher vielfach nicht die Voraussetzungen des Betriebsstättengrundtatbestands, wodurch der Quellenstaat an der Besteuerung der daraus erzielten Einkünfte gehindert ist. Um dennoch einen Zugriff auf dieses Steuersubstrat zu erhalten, legen insbesondere Entwicklungs- und Schwellenländer die Tatbestandsmerkmale der Betriebsstättendefinition hinsichtlich der in ihrem Vertragsstaat ausgeübten oder diesem auch nur wirtschaftlich zuzuordnenden Dienstleistungen extensiv aus.4 Bestärkt wurde dieses Bestreben durch das mit der Globalisierung interdependent einhergehende Anwachsen des grenzüberschreitenden Dienstleistungssektors und der regelmäßig negativen Bilanz von Schwellen- und Entwicklungsländern hinsichtlich grenzüberschreitender Dienstleistungen. Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass hinter dem Reizwort der Dienstleistungsbetriebsstätte dem Grunde nach die seit jeher diskutierte Frage steht, wie die Aufteilung des Steueraufkommens zwischen Industrie- und Entwicklungsländern gerecht vorzunehmen sei.5

Verwendet man nun in diesem Kontext den Begriff der Dienstleistungsbetriebsstätte, so geschieht dies nicht auf dem Boden einer feststehenden Definition im Sinne eines terminus technicus.6 Vielmehr wurde dieser Begriff bisher in erster Linie als Schlagwort für die Frage verwendet, welche konkreten Anforderungen an das ← 24 | 25 → Merkmal der festen Geschäftseinrichtung zu stellen sind, wenn ein Unternehmen im Quellenstaat lediglich Dienstleistungstätigkeiten ausübt, ohne dort eine auf gewisse Dauer angelegte körperliche Einrichtung, typischerweise in Gestalt von Geschäftsräumen, zu unterhalten.7 Soweit in dieser Konstellation eine Betriebsstätte angenommen wird, kann von einer „unechten“ Dienstleistungsbetriebsstätte gesprochen werden.8 Davon abzugrenzen ist die Aufnahme eines eigenständigen Tatbestands für Dienstleistungen innerhalb der Betriebsstättendefinition, der als „echte“9 Dienstleistungsbetriebsstätte bezeichnet werden kann10 und bisher ein eher stiefmütterliches Dasein in dem für die Abkommenspraxis wenig relevanten UN-Musterabkommen gefristet hat. Dies mag sich allerdings ändern, da nunmehr auch in den OECD-Musterkommentar 200811 ein alternativer Betriebsstättentatbestand für die Erbringung von Dienstleistungen aufgenommen und mit einer ausführlichen Kommentierung versehen wurde. In Anbetracht der besonderen Bedeutung des OECD-Musterabkommens und seines Kommentars für die internationale Abkommenspraxis ist davon auszugehen, dass zukünftig vermehrt entsprechende Betriebsstättentatbestände für grenzüberschreitende Dienstleistungen in neu geschlossene und revidierte Doppelbesteuerungsabkommen aufgenommen werden, worauf die jüngste Abkommenspraxis tatsächlich hindeutet.

Ebensowenig wie für die Dienstleistungsbetriebsstätte, besteht im internationalen Steuerrecht für den grundlegenden Begriff der Dienstleistung ein fest umgrenztes Begriffsverständnis. Die Bezeichnung als Dienstleistung hat vielmehr in vielfältiger Weise Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden hat und wird nicht in erster Linie als spezifischer Rechtsbegriff verwendet. Wirft man danach zunächst einen Blick auf die Definition in universalen Bedeutungswörterbüchern, so wird darin eine Dienstleistung definiert als „Leistung oder Arbeit in der Wirtschaft, die nicht unmittelbar der Produktion von Gütern dient“.12 Hiernach kann zunächst eine erste ← 25 | 26 → negative Abgrenzung gegenüber der industriellen oder handwerklichen Produktion von Sachgütern, d.h. dem produzierenden Gewerbe, vorgenommen werden.13 Den übrigen Begriffsmerkmalen kommt allerdings keine einschränkende Funktion zu, da sich quasi sämtliche Wirtschaftsvorgänge darunter fassen lassen. Von einem weiten Begriffsverständnis geht auch die Volkswirtschaftslehre aus, die den Begriff der Dienstleistungen im Rahmen der sog. Drei-Sektoren-Theorie verwendet und unter Dienstleistungen als Sektor III sämtliche Wirtschaftsvorgänge erfasst, die nicht der Urproduktion in Gestalt von Land- und Forstwirtschaft (Sektor I) oder dem Waren produzierenden Gewerbe (Sektor II) zuzuordnen sind.14 Danach kommt dem Dienstleistungsbegriff im Ergebnis die Funktion eines Auffangtatbestands zu, wie dies auch im Rahmen der europarechtlichen Grundfreiheiten festzustellen ist. Nach Art. 57 AEUV sind Dienstleistungen „Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen“. Es schließt sich eine beispielhafte Aufzählung an, wonach insbesondere gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten hierzu zählen. Dieses Begriffsverständnis kann als „Dienstleistungsbegriff im weiteren Sinne“ bezeichnet werden und soll zunächst als Ausgangspunkt der Betrachtung der Dienstleistungsbetriebsstätte im Abkommensrecht zu Grunde gelegt werden.

Erkenntnisinteresse und Gang der Untersuchung

So polymorph wie der Dienstleistungsbegriff, so vielfältig sind auch die bei der Untersuchung einer Dienstleistungsbetriebsstätte im Abkommensrecht auftretenden Fragestellungen, die beinahe sämtliche abkommensrechtlichen Normen durchwirken und daher einen breit gefächerten Blick verlangen.

Der erste Teil dieser Arbeit soll dementsprechend die Grundlagen für die im Anschluss behandelten spezifischen, abkommensrechtlichen Problemstellungen schaffen, indem im ersten Kapitel die wesentliche Dogmatik des Abkommensrechts und seines Betriebsstättenprinzips dargelegt wird und eine Abgrenzung zum Betriebsstättenbegriff des nationalen Steuerrechts erfolgt.

Das zweite Kapitel stellt den Schwerpunkt dieser Arbeit dar und beschäftigt sich zunächst mit der Frage, inwieweit Einkünfte aus grenzüberschreitenden Dienstleistungen nach der abkommensrechtlichen Einkünftequalifikation als Unternehmensgewinne zu qualifizieren sind und damit überhaupt erst dem Betriebsstättenprinzip unterliegen. Anschließend wird der derzeitige Betriebsstättenbegriff in Artikel 5 des OECD-Musterabkommens im Lichte der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung betrachtet und der alternative Tatbestand einer echten Dienstleistungsbetriebsstätte im OECD-Musterkommentar 2008 ausführlich untersucht. Schließlich ← 26 | 27 → werden die Dienstleistungsbetriebsstättentatbestände im UN-Musterabkommen und der aktuellen deutschen Abkommenspraxis, insbesondere im Vergleich mit dem alternativen Betriebsstättentatbestand des OECD-Musterkommentars, behandelt.

Das dritte Kapitel widmet sich den Auswirkungen der Einführung einer echten Dienstleistungsbetriebsstätte auf das nationale Steuerrecht de lege lata und de lege ferenda. Im Anschluss werden mögliche Konsequenzen auf bestehende Doppelbesteuerungsabkommen und die zukünftige Abkommenspolitik erörtert.

Nach einer Untersuchung wirtschaftspolitischer Auswirkungen schließt die Arbeit mit einer zusammenfassenden Betrachtung in ihrem vierten Kapitel.

1 Der Grundsatz der formellen Territorialität verbietet zwar die Vornahme von Hoheitsakten im Ausland und zwingt dadurch, die Besteuerung immer mit inländischen Zugriffsmerkmalen auszustatten (im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht ist dies der Wohnsitz, gewöhnliche Aufenthalt, Geschäftsleitung oder Sitz, §§ 8–11 AO), es gibt aber völkerrechtlich kein Prinzip der materiellen Territorialität, das es verbieten würden, Rechtsfolgen des innerstaatlichen Steuerrechts auch an ausländische Sachverhalte anzuknüpfen (vgl. Seer in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 1, Rn. 84)

2 So Lehner/Reimer, Generalthema I: Quelle versus Ansässigkeit – Wie sind die grundlegenden Verteilungsprinzipien des Internationalen Steuerrechts austariert?, IStR 2005, S. 542.

3 Beispielsweise in Gestalt von Fabriken, Werkstätten, Lagerhallen, Bürogebäuden usw.

4 Vgl. Rosenberger/Vitali/Zieher, Die Dienstleistungsbetriebsstätte: Internationale Entwicklungen und ihre Rezeption im Internationalen Steuerrecht Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, IStR, Beilage zu Heft 18/2010, S. 2.

5 Bereits im Jahr 1979 konstatierte Ritter hierzu: „Doch die Frage, welche Regeln die steuerlichen Beziehungen zwischen einem Industrie- und einem Entwicklungsland bestimmen sollen, sind noch immer heiß umstritten.“, vgl. Ritter, Steuerbeziehungen mit der Dritten Welt, DStZ 1979, S. 419. Ein Befund, der seitdem nichts von seiner Gültigkeit eingebüßt hat.

6 Bezeichnenderweise verwenden weder das OECD-Musterabkommen noch der OECD-Musterkommentar den Begriff der „Dienstleistungsbetriebsstätte“, sondern sprechen allgemein von der Quellenbesteuerung von Dienstleistungen, vgl. exemplarisch die Überschrift vor Art. 5 Tz. 42.11 OECD-MK.

7 Vgl. Wassermeyer in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 5, Rn. 10a, der die Begriffe „Dienstleistungsbetriebsstätte“ und „Tätigkeitsbetriebsstätte“ gleichbedeutend versteht und dadurch das seiner Ansicht nach charakterisierende Merkmal der Betriebsstättenbegründung durch eine reine Tätigkeitsverrichtung in den Vordergrund stellt.

8 Vgl. Rosenberger/Vitali/Zieher, Die Dienstleistungsbetriebsstätte: Internationale Entwicklungen und ihre Rezeption im Internationalen Steuerrecht Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, IStR, Beilage zu Heft 18/2010, S. 2.

9 Man könnte auch von einer Dienstleistungsbetriebsstätte im technischen Sinn sprechen.

10 Vgl. Rosenberger/Vitali/Zieher, Die Dienstleistungsbetriebsstätte: Internationale Entwicklungen und ihre Rezeption im Internationalen Steuerrecht Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, IStR, Beilage zu Heft 18/2010, S. 2.

11 Vgl. Art. 5 Tz. 42.23 OECD-MK.

12 Vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, S. 401.

13 So auch Hemmelrath in: Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 14, Rn. 13.

14 Vgl. Krol/Schmid, Volkswirtschaftslehre, S. 384.

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Kapitel 1: Das Betriebsstättenprinzip im Abkommensrecht

Im ersten Kapitel dieser Arbeit sollen die Grundlagen für die anschließende, detaillierte Behandlung der Dienstleistungsbetriebsstätte im Abkommensrecht geschaffen werden. Hierfür wird neben der wesentlichen Dogmatik des Abkommensrechts insbesondere die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen näher behandelt. Dies ist vor dem Hintergrund erforderlich, dass im weiteren Verlauf dieser Arbeit wiederholt die Auslegung von Abkommensbestimmungen zu erfolgen hat, denen noch kein international einheitliches Begriffsverständnis zu Grunde liegt und die daher anhand der allgemeinen abkommensrechtlichen Auslegungsgrundsätze zu betrachten sind. Im Anschluss hieran werden die Funktion und allgemeine Definition des abkommensrechtlichen Betriebsstättenbegriffs, insbesondere im Hinblick auf sein Verhältnis zum Betriebsstättenbegriff des nationalen Rechts in § 12 AO, dargestellt.

A. Grundlagen des Abkommensrechts

Das Abkommensrecht, auch Recht der Doppelbesteuerung oder Doppelbesteuerungsrecht genannt, umfasst alle Normen, deren Rechtsquelle Verträge zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, sog. Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), sind.15 Das Abkommensrecht ist somit ein äußerst heterogenes Rechtsgebiet, da sein Inhalt von einer äußerst hohen Anzahl16 vornehmlich bilateraler17 Doppelbesteuerungsabkommen ← 29 | 30 → bestimmt wird, deren Inhalt teilweise erheblich differiert.18 Sachlich anwendbar sind Doppelbesteuerungsabkommen regelmäßig auf Doppelbesteuerungstatbestände im Rahmen der Ertragssteuern, d.h. der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer sowie der Gewerbesteuer.19

Das Abkommensrecht ist ein Teilgebiet des internationalen Steuerrechts.20 Um dessen genaue Begriffsbestimmung rankt sich eine ebenso lange wie fruchtlose Diskussion,21 wobei mittlerweile überwiegend ein weit gefasstes Begriffsverständnis vertreten wird. Danach umfasst das internationale Steuerrecht alle nationalen, völker- und europarechtlichen Rechtsvorschriften, die sich speziell auf die Besteuerung von Sachverhalten mit Berührung zu mehr als einem Staatsgebiet, sog. grenzüberschreitende Sachverhalte, beziehen.22 Abzugrenzen ist das Abkommensrecht vom deutschen Außensteuerrecht, das alle Normen der nationalen Steuerrechtsordnung umfasst, die eine Besteuerung auslandsbezogener Sachverhalte zum Gegenstand haben.23

Weiter ist das Abkommensrecht nach der Dogmatik der Rechtsquellen dem besonderen24 Völkerrecht und dabei genauer dem Völkervertragsrecht zuzuordnen,25 ← 30 | 31 → da die dem Abkommensrecht zugrunde liegenden Doppelbesteuerungsabkommen als völkerrechtliche Verträge qualifizieren,26 deren Abschluss und Wirksamkeit nach den Regeln des Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WÜRV) vom 27. Januar 198027 bestimmt werden.28

Funktional ist das Abkommensrecht schließlich der internationalen Steuerkoordination zuzurechnen, worunter die Ordnung der steuerlichen Beziehungen von Staaten als Träger eigenständiger Abgabenhoheit mittels internationaler Konventionen und bilateraler Verträge zu verstehen ist.29

I. Verhältnis von Doppelbesteuerungsabkommen zu innerstaatlichem Recht

Doppelbesteuerungsabkommen sind Teil des besonderen Völkerrechts, so dass dogmatischer Ausgangspunkt das Grundverhältnis zwischen Völkerrecht und innerstaatlichem Recht ist. Dieses folgt nach herrschender Meinung30 der sog. „dualistischen Theorie“,31 wonach Völkerrecht und innerstaatliches Recht zwei voneinander verschiedene, sich nicht überschneidende Rechtskreise darstellen. Davon ausgehend ← 31 | 32 → fordert das Grundgesetz32 für die innerstaatliche Anwendbarkeit eines Abkommens ein Zustimmungsgesetz33 in Form eines Bundesgesetzes,34 wodurch der Vertrag als solcher innerstaatlich anwendbar wird.

Unabhängig davon, welcher Theorie35 man hinsichtlich des Wesens der Umsetzung von Völkerrechtsverträgen in innerstaatliche Verbindlichkeit auch folgen mag, ist allen Auffassungen der Grundsatz gemein, dass mit Wirksamwerden des Zustimmungsgesetzes die Doppelbesteuerungsabkommen unmittelbar anwendbar ← 32 | 33 → sind (sog. „self-executing“-Charakter)36 und mit diesem Zeitpunkt37 den allgemeinen innerstaatlichen Steuergesetzen als leges speciales vorgehen, vgl. § 2 AO. In der Normenhierarchie steht das Abkommensrecht mithin über dem innerstaatlichen Steuerrecht und beansprucht insoweit dem Grunde nach38 Geltungsvorrang. Die damit verbundene Frage, ob dem Abkommensrecht zugleich ein Anwendungsvorrang zukommt, d.h. ob das Abkommensrecht vor dem innerstaatlichen Steuerrecht zu prüfen ist, wird in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet.39 Eine ← 33 | 34 → praktische Relevanz kommt dieser Streitfrage indes nicht zu, da die Prüfungsreihenfolge im Ergebnis letztlich keine Auswirkung auf die konkrete Steuerpflicht hat und daher eine pragmatische Entscheidung im Einzelfall getroffen werden sollte.40

Rechtstechnisch bewirken die Normen der Doppelbesteuerungsabkommen eine inhaltliche Beschränkung des innerstaatlichen Steuerrechts der Vertragsstaaten, indem durch die abkommensrechtlichen Zuteilungs- und Vermeidungsnormen41 die Ausübung von Steueransprüchen der Vertragsstaaten eingeschränkt werden, die nach dem nationalen Recht der Vertragsstaaten grundsätzlich unbeschränkt bestehen bleiben.42 Durch ein Doppelbesteuerungsabkommen kann dagegen weder ein nach innerstaatlichem Recht nicht bestehender Steueranspruch begründet werden noch ein bestehender Steueranspruch in seinem Umfang erweitert werden.43 In diesem Sinne sind die Normen der Doppelbesteuerungsabkommen daher zutreffend als Schrankenrecht zu charakterisieren.44

Das innerstaatliche Steuerrecht regelt demnach das Ob und Wie der Steuerpflicht, während die Doppelbesteuerungsabkommen die zwischenstaatliche Zuordnung des ← 34 | 35 → Besteuerungsrechts bestimmen, d.h. darüber entscheiden, ob der jeweilige Vertragsstaat seinen Steueranspruch auch ausüben kann.45

II. Funktion und Wirkungsweise von Doppelbesteuerungsabkommen

Das übergeordnete Ziel und die maßgebliche Funktion aller Doppelbesteuerungsabkommen liegen in der Vermeidung einer internationalen Doppelbesteuerung im Rechtssinn.46 Darunter wird im Allgemeinen ein steuerlicher Sachverhalt verstanden, in dem mindestens zwei souveräne Staaten von demselben Steuerpflichtigen (Steuersubjekt) für denselben Steuergegenstand (Steuerobjekt) und – bei zeitraumbezogenen Steuern – denselben Zeitraum eine gleichartige Steuer erheben.47 Fehlt es dagegen an der Steuersubjektidentität, d.h. besteuern mindestens zwei souveräne Staaten dasselbe Steuerobjekt in demselben Zeitraum bei verschiedenen Steuerpflichtigen, so spricht man von einer sog. wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, die nur zum Teil abkommensrechtlich geregelt ist.48

Zwar gibt es völkerrechtlich kein ausdrückliches Verbot der Doppelbesteuerung,49 allerdings widerspricht eine juristische Doppelbesteuerung den international anerkannten Besteuerungsprinzipien der Leistungsfähigkeit, dem Diskriminierungsverbot und der steuerlichen Wettbewerbsneutralität, die eine einmalige Besteuerung desselben Steuerobjekts im Verhältnis zu verschiedenen Hoheitsträgern fordern (Prinzip der Einmalbesteuerung).50 Für Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) bestand bis zur ersatzlosen Streichung des Art. 239 EGV mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 01. Dezember 2009 eine unmittelbare Verpflichtung,51 Maßnahmen ← 35 | 36 → zur Beseitigung einer Doppelbesteuerung zu ergreifen. Da die Unionsbürger nach der Rechtsprechung des EuGH52 aus Art. 239 EGV ohnehin keine Rechte ableiten konnten, sind praktische Auswirkungen durch der Streichung der Norm nicht anzunehmen,53 zumal sich das unionsrechtliche Ziel und damit verbunden die Verpflichtung zum Treffen von Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung aus den Grundfreiheiten ableiten lässt.54 Ob darüber hinaus den Grundfreiheiten – entgegen der Rechtsprechung des EuGH55 – auch ein unmittelbares Verbot der Doppelbesteuerung zu entnehmen ist, wird in der Literatur uneinheitlich beurteilt.56

Die Ursache der Doppelbesteuerung liegt in erster Linie57 darin, dass die überwiegende Mehrheit der Staaten nach dem Welteinkommensprinzip oder ← 36 | 37 → Globalitätsprinzip im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht58 inländischer natürlicher und juristischer Personen auch ausländische Wirtschaftsvorgänge und Vermögen besteuern und gleichzeitig bei Nichtansässigen nach dem Quellen- oder Ursprungsprinzip im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht59 diesen zuzurechnende Wirtschaftsvorgänge und Vermögen im eigenen Staatsgebiet besteuern.60 Aufgrund dieser steuerlichen Doppelanknüpfung sowohl an die Person des Steuerpflichtigen als auch an steuerlich relevante Vorgänge auf dem Staatsterritorium entstehen systemimmanent Überschneidungen von Steuertatbeständen, die für die daraus resultierenden Schnittmengen eine Doppelbesteuerung im Rechtssinn bewirken können. Es ist Ziel und Charakteristikum von Doppelbesteuerungsabkommen, die unbeschränkte Besteuerung im Wohnsitz- oder Ansässigkeitsstaat des Steuersubjekts mit der gleichzeitigen Besteuerung im Quellenstaat der erzielten Einkünfte zum Ausgleich zu bringen,61 indem die Vertragsstaaten dafür ihre Besteuerungsbefugnis, oder anders ausgedrückt das „Steuergut“62 untereinander aufteilen.63 Diese Abgrenzungsfunktion macht Doppelbesteuerungsabkommen zum wichtigsten Instrument der sog. internationalen Steuerkoordination, die als ← 37 | 38 → oberstes Ziel die Vermeidung der Doppelbesteuerung und die gerechte Aufteilung von Steuerquellen aus internationalen Sachverhalten zwischen den beteiligten Staaten ausgibt.64

Details

Seiten
485
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653059458
ISBN (ePUB)
9783653951257
ISBN (MOBI)
9783653951240
ISBN (Hardcover)
9783631666234
DOI
10.3726/978-3-653-05945-8
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (September)
Schlagworte
Internationales Steuerrecht Doppelbesteuerungsabkommen Betriebsstätte Grenzüberschreitende Dienstleistungen
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 485 S.

Biographische Angaben

Matthias Ernst (Autor:in)

Matthias Ernst studierte Rechtswissenschaft an der Universität Augsburg und war dort Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Steuerrecht. Nach einer Tätigkeit als Strafrichter am Amtsgericht Neuburg a. d. Donau und Augsburg arbeitet er als Staatsanwalt in Augsburg.

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Titel: Die Dienstleistungsbetriebsstätte im Abkommensrecht
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