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Die Gesetzgebungslehre im Bereich des Privatrechts bei Christian Thomasius

von Takashi Izumo (Autor:in)
©2016 Dissertation 327 Seiten
Reihe: Rechtshistorische Reihe, Band 463

Zusammenfassung

Was können Rechtsvergleich und Rechtsgeschichte leisten? Der Autor beantwortet diese Frage mit Blick auf die Gesetzgebungslehre des deutschen Juristen und Philosophen Christian Thomasius (1655–1728). Er weist nach, dass dessen Gesetzgebungslehre sich im Bereich des Privatrechts grundsätzlich durchsetzte und auf die Gesetzgebung der frühen Neuzeit großen Einfluss hatte, obwohl Thomasius kein originales Gesetzbuch verfasste. Der Jurist war der Meinung, man könne durch Rechtsvergleich vermuten, dass eine heimische Sitte, die den gemeinsamen Sitten vieler Völker bzw. dem Völkergemeinrecht entspreche, geeignet sei, ins Gesetzbuch aufgenommen zu werden. Er stützte diesen Vergleich durch historische Betrachtungen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort
  • Abkürzungen
  • 1. Einleitung
  • 1.1 Thematische Einführung
  • 1.2 Forschungsstand
  • 1.2.1 Christian THOMASIUS
  • 1.2.2 Gesetzgebung in der frühen Neuzeit (1643–1794)
  • 1.3 Fragestellung und Methodik
  • 1.3.1 Fragestellung
  • 1.3.2 Methodik
  • 1.4 Quellen
  • 1.4.1 Zwei Hauptwerke zum Naturrecht
  • 1.4.2 Zwei Kommentare zum römischen Recht
  • 1.4.3 Dissertationen
  • 1.4.4 Sonstige Quellen
  • 2. Die allgemeine Gesetzgebungslehre von THOMASIUS
  • 2.1 Das Gesetzgebungsvorhaben von THOMASIUS
  • 2.1.1 Institutiones jurisprudentiae Germanicae
  • 2.1.2 Das Thema des Werks: Deutsche Rechtswissenschaft
  • 2.1.3 Die Struktur des zu erlassenden Gesetzbuches
  • 2.2 Das Ziel der Gesetzgebung und der absolute Wille des Gesetzgebers
  • 2.2.1 Das Ziel der Gesetzgebung
  • 2.2.2 Der Absolutismus des Willens des Gesetzgebers
  • 2.3 Rechtsquellen zur Gesetzgebung bei THOMASIUS
  • 2.3.1 Naturrecht als Wille Gottes
  • 2.3.2 Völkergemeinrecht als gemeinsame Sitten vieler Völker
  • 2.3.3 Gewohnheitsrecht
  • 2.3.4 Moses’ Recht: Ein Vorbild der Gesetzgebung
  • 2.3.5 Deutsches Recht
  • 2.3.6 Römisches Recht
  • 2.3.7 Kanonisches Recht
  • 2.3.8 Billigkeit
  • 2.3.9 Die Methode von THOMASIUS beim Rechtsvergleich
  • 3. Sachenrecht
  • 3.1 Sachen – res
  • 3.1.1 Die Stellung des Themas
  • 3.1.2 Die Klassifikation der Sachen im römischen Recht
  • 3.1.3 Die Klassifikation der Sachen im Naturrecht
  • 3.1.4 Die Klassifikation der Sachen im deutschen Recht
  • 3.2 Eigentum – dominium
  • 3.2.1 Das Eigentum im römischen Recht
  • 3.2.2 Das Eigentum im Naturrecht
  • 3.2.3 Das Eigentum im deutschen Recht
  • 3.2.4 Die Veräußerung im römischen Recht
  • 3.2.5 Die Veräußerung im Naturrecht
  • 3.2.6 Die Veräußerung im deutschen Recht
  • 3.3 Besitz – possessio
  • 3.3.1 Die Stellung des Themas
  • 3.3.2 Der Besitz im römischen Recht
  • 3.3.3 Der Besitz im Naturrecht
  • 3.3.4 Der Besitz im deutschen Recht
  • 3.4 Servitut – servitus
  • 3.4.1 Die Stellung des Themas
  • 3.4.2 Reales Servitut im römischen Recht
  • 3.4.3 Reales Servitut im Naturrecht
  • 3.4.4 Reales Servitut im deutschen Recht
  • 3.4.5 Persönliches Servitut im römischen Recht
  • 3.4.6 Persönliches Servitut im Naturrecht
  • 3.4.7 Persönliches Servitut im deutschen Recht
  • 3.5 Ersitzung – usucapio
  • 3.5.1 Die Stellung des Themas
  • 3.5.2 Die Ersitzung im römischen Recht
  • 3.5.3 Die Ersitzung im Naturrecht
  • 3.5.4 Die Ersitzung im deutschen Recht
  • 3.6 Pfand – pignus
  • 3.6.1 Die Stellung des Themas
  • 3.6.2 Das Pfand im römischen Recht
  • 3.6.3 Das Pfand im Naturrecht
  • 3.6.4 Das Pfand im deutschen Recht
  • 3.7 Natürlicher Eigentumserwerb – adquisitio naturalis
  • 3.7.1 Die Stellung des Themas
  • 3.7.2 Aneignung – occupatio
  • 3.7.3 Teilung – divisio
  • 3.7.4 Sonstige natürliche Erwerbsweisen – accessio
  • 4. Schuldrecht
  • 4.1 Allgemeine Vertragslehre
  • 4.1.1 Die Definition von Vertrag
  • 4.1.2 Die Einordnung von Verträgen
  • 4.2 Die Preislehre
  • 4.2.1 Das Wesen des Preises
  • 4.2.2 Die Ablehnung des gerechten Preises
  • 4.3 Fahrlässigkeit – Culpa
  • 4.3.1 Die Stellung des Themas
  • 4.3.2 Die Culpa im römischen Recht
  • 4.3.3 Die Culpa im Naturrecht
  • 4.3.4 Die Culpa im deutschen Recht
  • 4.4 Wohltätige Verträge
  • 4.4.1 Allgemeine Regeln über unentgeltliche Verträge
  • 4.4.2 Schenkung – donatio
  • 4.4.3 Leihe – commodatum
  • 4.4.4 Darlehen – mutuum
  • 4.4.5 Aufbewahrung – depositum
  • 4.4.6 Auftrag – mandatum
  • 4.5 Lästige Verträge
  • 4.5.1 Tausch – permutatio
  • 4.5.2 Kauf – emptio venditio
  • 4.5.3 Miet-, Pacht- Werkvertrag, Anstellung – locatio conductio
  • 4.5.4 Gesellschaft – societas
  • 5. Erbrecht
  • 5.1 Die Stellung des Themas
  • 5.2 Intestaterbfolge
  • 5.2.1 Ist die Intestaterbfolge ein Naturrecht?
  • 5.2.2 Die Ordnung der Intestaterbfolge im Naturrecht
  • 5.2.3 Die Ordnung der Intestaterbfolge im deutschen Recht
  • 5.3 Testament
  • 5.3.1 Die Stellung des Themas
  • 5.3.2 Das Testament im römischen Recht
  • 5.3.3 Das Testament im Naturrecht
  • 5.3.4 Das Testament im deutschen Recht
  • 5.3.5 Das Obligationsteil
  • 5.3.6 Die Enterbung
  • 6. Personenrecht
  • 6.1 Die Stellung des Themas
  • 6.1.1 Was bedeutet hier ius singulare?
  • 6.1.2 Der Umfang des Personenrechts
  • 6.2 Allgemeine Einteilung der Menschen
  • 6.2.1 Die erste Einteilung in liber und servus
  • 6.2.2 Die zweite Einteilung in ingenui und libertini
  • 6.3 Der Hausvater
  • 6.3.1 Die Einordnung des Themas
  • 6.3.2 Die Hausgewalt des Hausvaters im römischen Recht
  • 6.3.3 Die Hausgewalt des Hausvaters im Naturrecht
  • 6.3.4 Die Hausgewalt des Hausvaters im deutschen Recht
  • 6.4 Die Frauen
  • 6.4.1 Die Einordnung des Themas
  • 6.4.2 Die Erfordernisse der Ehe
  • 6.4.3 Die Hindernisse der Ehe
  • 6.4.4 Mitgift
  • 6.5 Die Kinder
  • 6.5.1 Die Einordnung des Themas
  • 6.5.2 Legitimes und natürliches Kind
  • 6.5.3 Die Adoption
  • 6.5.4 Die Selbstständigkeit der Kinder
  • 6.6 Die Vormundschaft
  • 6.6.1 Die Einordnung des Themas
  • 6.6.2 Das Ziel der Vormundschaft
  • 6.6.3 Unterschiede zwischen dem römischen und dem deutschen Recht
  • 6.6.4 Wer braucht einen Vormund?
  • 6.6.5 Der Vormund
  • 6.6.6 Die Macht des Vormundes
  • 6.6.7 Die Ablehnung der Übernahme einer Vormundschaft
  • 6.6.8 Das Ende der Vormundschaft
  • 7. Zusammenfassung
  • Bibliographie

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Vorwort

Dieses Buch beruht auf meiner Dissertation, die 2015 an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main angenommen worden ist. Nach der Disputation (04.02.2015) ist meine Doktorarbeit mit Zustimmung meines Doktorvaters sowohl grammatikalisch als auch stilistisch verbessert worden. Es ist eine große Ehre für mich, dass einem Japaner wie mir die Gelegenheit geboten worden ist, in Deutschland Rechtsgeschichte zu studieren und eine Dissertation publizieren zu dürfen. Dafür danke ich allen, die mich bei diesem Vorhaben unterstützt haben, ohne jedoch jeden Einzelnen namentlich aufführen zu können.

Zunächst möchte ich mich bei meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Thomas DUVE bedanken, der mir ein Forschungsvorhaben am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte ermöglicht hat. Mein Dank gilt sowohl Herrn Prof. em. Dr. Dr. h. c. mult. Michael STOLLEIS, der freundlicherweise das zweite Gutachten übernommen hat, als auch Herrn Prof. em. Dr. Dr. h. c. Joachim RÜCKERT, der als Vorsitzender meine Disputation realisiert hat. Darüber hinaus möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Albrecht CORDES dafür bedanken, dass er als Mitherausgeber der Rechtshistorischen Reihe des Peter Lang Verlages meine Dissertation überprüft und mir die Gelegenheit für eine Publikation geboten hat. Inhaltlich bin ich auch Herrn Dr. Heinz MOHNHAUPT dafür sehr dankbar, dass er mich umfangreich mit der Gesetzgebungslehre der frühen Neuzeit vertraut gemacht hat.

Des Weiteren möchte ich noch vier Personen anführen, unabhängig von den vielen anderen, denen ich Dank schulde. Die grammatikalische Korrektur verdanke ich Herrn Volker WECK, der keine Mühe gescheut hat, mein Manuskript zweimal durchzulesen und auf Fehler hinzuweisen. Zum Studium und Leben haben mich meine langjährigen Freunde ermutigt, besonders Ractua ROSA, Latywa ORGOAL und Alois KIPPHARDT. Ohne ihre Hilfe hätte ich diese Arbeit nicht vollenden können. Zuletzt möchte ich natürlich auch meiner Familie Dank sagen.

Christian THOMASIUS fasziniert mich bereits eine lange Zeit, und zwar seitdem ich mich mit Rechtsgeschichte beschäftigt habe. Ich habe bisher den Eindruck, dass man seine einzelnen Rechtsgedanken am besten dadurch verstehen kann, indem man sie mit seiner Gesetzgebungslehre verbindet. Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn ein Japaner wie ich mit dieser Arbeit etwas zur deutschen Rechtsgeschichte beitragen könnte.

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Abkürzungen

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1.  Einleitung

1.1  Thematische Einführung

Sigrid EMMENEGGER fragte sich in der Monographie Gesetzgebungskunst, ob die Gesetzgebungslehre eine geschichtslose Disziplin sei oder nicht,1 und sie schrieb: „Jedoch setzt sich eine historisch unfundierte Gesetzgebungslehre der Gefahr aus, als bloß vorübergehende Modeströmung des späten 20. Jahrhunderts eingeordnet und abgetan zu werden – und vor allem: Sie droht mangels historischer Reflexion hinter ein längst erreichtes Argumentationsniveau zurückzufallen.“2 In ihrer Arbeit konzentrierte sie sich auf die Zeit um 1900 und es wurde von ihr nachgewiesen: „Die konkrete Gestalt der Gesetzgebungslehre ist allerdings geprägt von den spezifischen (verfassungsrechtlichen, politischen, gesellschaftlichen etc.) Rahmenbedingungen. Für eine historisch reflektierte Gesetzgebungslehre folgt daraus, dass sie sich der Relativität und Revisibilität ihrer Antworten bewusst ist.“3 Demnach muss nicht nur die Gesetzgebung sondern auch die Gesetzgebungslehre an sich eine eigene Geschichte haben, die sich nach den spezifischen Rahmenbedingungen in unterschiedlichen Formen widerspiegelt.4

Die Gesetzgeber sind sich jedoch der Relativität und der Revisibilität nicht immer bewusst. Ein Beispiel ist das letzte Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und zwar versuchten damalige Naturrechtsautoren, „die Diskrepanzen zwischen dem Naturrecht und dem positiven Recht aufzuzeigen, zu ← 15 | 16 → kritisieren und die dem positiven Recht übergeordnete Stellung des Naturrechts zu betonen.“5 Dieser Glaube an das einzige Naturrecht als Gesetzgebungsleitbild ging während der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter und der neue Begriff „die Kunst der Gesetzgebung“ kam zur Sprache.6 Danach schwankte die terminologische Bezeichnung dieses Gebietes zwischen der Gesetzgebungswissenschaft und der Gesetzgebungskunst, aber in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts etablierte sich der neue Begriff „Gesetzgebungslehre“, um die methodisch-technische Thematik zu behandeln.7

Gerade in diesem Beispiel kann man die Revisibilität der Gesetzgebungslehre erkennen, weil man vor dem obigen Zeitraum eher geglaubt hat, dass „das Naturrecht zwar die politischen Positionen des aufgeklärten Absolutismus begründen und legitimieren sollte, darunter die Gesetzgebungskompetenz des Herrschers, nicht aber dessen Tätigkeit zugunsten der salus publica allzu sehr einschränken durfte.“8 Dazu stelle ich mir die Frage, ob dies bedeutet, dass man sich schon in der frühen Neuzeit der Relativität und der Revisibilität bewusst gewesen ist, die EMMENEGGER für die Erfordernisse der historischen reflektierten Gesetzgebungslehre hält, oder es aus einem anderen Grund zum Ausgleich zwischen dem Staatsabsolutismus und der Gesetzgebungsrelativität gekommen ist. In der vorliegenden Dissertation möchte ich diese Frage teilweise beantworten, indem ich Christian THOMASIUS (1655–1728) als Beispiel anführe, der sich vor der Kodifikationszeit im 18. Jahrhundert mit dieser Aufgabe beschäftigt und auf die Nachwelt Einfluss gehabt hat.9

1.2  Forschungsstand

1.2.1  Christian THOMASIUS

Da THOMASIUS sich nicht nur mit der Rechtswissenschaft sondern auch mit anderen Gebieten beschäftigt hat, kann man ihn durch verschiedene Rollen kennzeichnen.10 Hier möchte ich lediglich die vier Charaktere Philosoph, Rechtsgelehrter, Praktiker ← 16 | 17 → und Pädagoge behandeln, die sich mittelbar oder unmittelbar auf die Gesetzgebung beziehen.11

(1.)  THOMASIUS als Philosoph

Schon früher veröffentlichte THOMASIUS einige Schriften über Philosophie, nämlich Introductio ad philosophiam aulicam (1688), Einleitung zur Vernunftlehre (1691) und Ausübung zur Vernunftlehre (1691). Damalige Philosophen, z. B. LEIBNIZ, schätzten jedoch seine Philosophie nicht hoch ein.12 Erik WOLF wies darauf hin, dass THOMASIUS verschiedene Meinungen von anderen Philosophen entlehnte, beispielsweise von BAYLES, MALEBRANCHE, SPINOZA oder DESCARTES, aber sein Ziel bestand hauptsächlich darin, seine Kritik im Hinblick auf seine Gegner zu begründen, besonders gegenüber den Scholastikern, und er deshalb etwa den Begriff cogitare von DESCARTES falsch interpretierte.13 Laut LIEBERWIRTH wendete THOMASIUS seine philosophischen Kenntnisse sogar auf die Auslegung des römischen Rechts an,14 und tatsächlich fragte er sich in Annotationes theoretico practicae in Johannis Strauchii dissertationes (1683), ob der Besitz eine „Substanz“ (substantia) sei.15

THOMASIUS versuchte, die Theologie von säkularen Wissenschaften scharf zu trennen.16 Dies bedeutet, dass die Philosophie von THOMASIUS keine theologischen Elemente enthält, und es wird dabei in Institutiones jurisprudentiae divinae (1688) vorausgesetzt, dass die Rechtswissenschaft zur Erlösung im Jenseits nichts beitrage.17 Diese Voraussetzung, das heißt, der sogenannte Vernunftglaube, den KANT als rationalen Glauben bezeichnete, wurde erst von THOMASIUS vorgelegt.18 Dies führte möglicherweise dazu, dass THOMASIUS nichts von Orthodoxie oder Pietismus hielt.19

(2.)  THOMASIUS als Rechtsgelehrter

Wenn man auf seine Rolle als Jurist achtet, dann bemerkt man sofort, dass er als Kämpfer gegen römisches Recht, genauer gesagt gegen die Überbetonung des römischen Rechts angesehen wird. Der Charakter wurde schon von Wolfgang EBNER ← 17 | 18 → im Allgemeinen nachgewiesen.20 Besonders einige Themen, bei denen THOMASIUS römisches Recht stark kritisierte, und seine Kritik auf spätere Juristen einen großen Einfluss hatte, wurden ausführlich erforscht.21 Klaus LUIG hat im Zusammenhang mit dem gerechten Preis nachgewiesen, dass Thomasius’ Lehre über das Privatrecht den frühen Liberalismus zeigt, soweit von seinem Staatsabsolutismus abgesehen wird.22 Der Absolutismus bedeutet bei THOMASIUS nicht die absolute Stelle des römischen Reiches sondern den fürstenstaatlichen Absolutismus gegen das Reich, die Kirche und die Städte.23 Die absolute Macht des Fürsten führt bei der Gesetzgebung dazu, dass der Fürst aus Gründen der Staatsräson vom Naturrecht abweichen, die Sitten im Land pflegen und Stadtrechte abschaffen kann.24 LUIG wies jedoch auch darauf hin, dass die staatsrechtliche und strafrechtliche Lehre von THOMASIUS ausführlicher als seine Privatrechtslehre erforscht worden sei,25 und dies motiviert mich, die Privatrechtslehre von THOMASIUS überblickend zu erforschen.

(3.) THOMASIUS als Praktiker

Horst DREITZEL hat im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Kirche nachgewiesen, dass sich der Absolutismus bei THOMASIUS nicht auf dem philosophischen oder naturwissenschaftlichen Rationalismus sondern auf dem Eklektizismus und Opportunismus begründet.26 Dieser Hinweis entspricht vor allem dem praktischen Charakter von THOMASIUS. Er hat beispielsweise in einem Fall begutachtet, dass man die Regel „laesio enormis“ anwenden kann, wenn nachweisbar ist, dass der gerechte Preis um mehr als die Hälfte abweicht, obwohl er früher diese Regel aus Deutschland hat verbannen wollen.27 Dieser Eklektizismus zeigt sich auch bei der Gesetzgebung. Als er wissenschaftlichen Mitarbeitern an der Universität Halle vorschlug, eine neue Prozessordnung zu entwerfen, erwiderten diese, dass sie dafür nicht genügend vorbereitet wären, und daraufhin gab THOMASIUS den Plan einfach auf.28 Aus diesem Grund versuchte THOMASIUS als Praktiker, den Staat zu respektieren und sich mit anderen Rechtswissenschaftlern abzustimmen, obwohl er als Theoretiker ziemlich polemisch war. ← 18 | 19 →

(4.)  THOMASIUS als Pädagoge

THOMASIUS wollte auch als Pädagoge das Problem lösen, dass Juristen die Justiz in Preußen nur mittelbar beeinflussen konnten. Er unterrichtete nämlich seine Schüler und schickte sie ins Zentrum des Staates, damit die Schüler, die seine Lehre umfassend verstanden, unmittelbar in der Lage waren, die Justiz zu verbessern. Einer der berühmtesten Schüler war Samuel von COCCEJI, der die Aufgabe ernst nahm und mit FRIEDRICH II. zusammenarbeitete.29 Auch im theoretischen Bereich folgte er mit STRYK, LUDEWIG und GUNDLING der sogenannten Halleschen Schule, aus der viele berühmte Rechtsgelehrte hervorgingen.30 Es ist ebenso bekannt, dass sich THOMASIUS nach seinem Aufklärungsgedanken gegen die Hexenprozesse und die Tortur ausgesprochen hat.31

1.2.2  Gesetzgebung in der frühen Neuzeit (1643–1794)

Den Stand der Gesetzgebung von Hermann CONRING (1606–1681) in Deutschland überblicke ich hier chronologisch bis zum ALR, weil sich in diesem Zeitraum THOMASIUS und andere Juristen oder Gesetzgeber gegenseitig spürbar beeinflusst haben.

Die erste Phase (1643–1690): Die Entdeckung des deutschen Rechts

Es hatte entscheidenden Einfluss auf damalige Juristen, dass CONRING in De origine iuris Germanici (1643)32 die Lotharische Legende verneinte.33 Obwohl er anfangs von Zeitgenossen gar nicht verstanden wurde,34 änderte sich die Lage langsam im späten 17. Jahrhundert und im Jahr 1682 schrieb Johann Georg KULPIS unter dem fiktiven Namen Conradus SINCERUS die Abhandlung De Germanicarum legum veterum ac Romani juris in Republica nostra origine autoritateque praesenti. In diesem Aufsatz behauptete er, dass man unter dem Wort „gemeines Recht“ (ius commune) nicht das Justinianische Recht sondern die „deutschen heimischen Rechte“ (jura Germanica domestica) verstehen sollte: „Warum darf man also in unseren Reichsabschieden unter der Formulierung ,gemeines Recht‘ (ius commune) nicht ,deutsche ← 19 | 20 → heimische Rechte‘ (iura Germanica domestica) verstehen, die teilweise aus geschriebenen, von Kaisern und Königen erlassenen Gesetzen, teilweise aus Gewohnheiten entstehen?“35 THOMASIUS nahm in Notae ad Institutiones (1712) diese Abhandlung mit seinen eigenen Anmerkungen auf.36

Neben der theoretischen Bewegung verloren die Städte ihren Einfluss und der Monarch wurde alleiniger Gesetzgeber und höchster Richter.37 Nicht nur im juristisch-theoretischen sondern auch im politisch-praktischen Sinne war man bereit, ein eigenes Gesetzbuch herauszugeben und durchzusetzen. Man beschäftigte sich jedoch in der Praxis zunächst mit der noch dringenderen Aufgabe, an welcher Stelle man sich auf das römische oder das deutsche Recht berufen durfte. Die Anwendungsregeln oder sogar die Anwendbarkeit an sich waren von Land zu Land unterschiedlich.38 Wenn man diese Frage auf das Umfeld von THOMASIUS beschränkt,39 dann kommt man nicht um Johann SCHILTER (1632–1705) herum, der deutsches Recht von römischem Recht unterschied und auch jenes heimische Recht als gemeines Recht bezeichnete.40

Danach veröffentlichte Samuel von STRYK sein Hauptwerk Specimen usus modernus Pandectarum (1690). Er äußerte sich im Vorwort: „Ich möchte jedoch nur unseren Zweck erreichen und zwischen unterschiedlichen Meinungen von Doktoren, die die Autorität römischen Rechts in Gerichtshöfen in Deutschland behandeln, einen Kompromiss zu suchen. Ich habe schon aus solchen Meinungen abgeleitet, was ich für sicher halte, nämlich dass das Justinianische Recht in öffentlichen Gesetzen des Reichs, die durch die Vereinbarung aller Stände gegeben worden sind, als gemeines Recht angesehen werden sollte. Dies bedeutet allerdings nicht, dass nur römische Gesetze in Deutschland zu gelten hätten und alles gründlich ausgeschlossen werden sollte, das früher durch Gewohnheiten der Vorfahren eingeführt worden ist. ← 20 | 21 → Man kann nämlich so gut wie keine Texte in kaiserlichen Konstitutionen finden, in denen sich gemeines oder kaiserliches Recht und angenommene Gewohnheiten nicht miteinander verbinden.“41 Das heißt, es war von jetzt an die Aufgabe der Rechtsgelehrten zu überprüfen, welche Regeln des Justinianischen Rechts in Deutschland zu rezipieren waren, sozusagen Usus modernus Pandectarum.42 Dies führte dazu, dass man das römische Recht als „ergänzendes Mittel“ (subsidiarium) ansah, das nur bei der Abwesenheit des heimischen Rechts anzuwenden war: „Wo früher beachtete Gewohnheiten angenommen worden sind, hatten sie den Vorrang vor geschriebenem Recht, sodass man nur dann zu römischem Recht zurückkehren sollte, wenn es im vorliegenden Fall keine legitime deutsche Gewohnheit gibt, und deshalb spiegelt dieses Recht erst in einem solchen Fall die juristische Autorität in Deutschland wider.“43

Die zweite Phase (1690–1714): Usus modernus oder ein neues Gesetzbuch?

Kann man alle juristischen Probleme lösen, wenn man den Usus modernus ausübt, oder sollte man ein neues Gesetzbuch verfassen, das in Deutschland eine andere ← 21 | 22 → juristische Ordnung vermittelt? STRYK hielt diese Gesetzgebung für unnötig: „Wenn ich mich nicht irre, stellt sich aus den obigen Erklärungen in ausreichendem Maße heraus, inwieweit das Justinianische Recht in Deutschland sowohl in öffentlichen als auch privaten Fällen Geltung hat. Auch wenn ich nicht verleugnen möchte, dass das Justinianische Recht viele Paragraphen hat, die in Gerichtshöfen so gut wie nicht hilfreich sind, lässt sich aber daraus nicht ableiten, dass dieses Recht durch ein neues Gesetzbuch, das gegenüber deutschen Sitten noch angemessener wäre, so im Reich expatriiert werden sollte, dass es ein Durcheinander wegen der verschlechterten Justizverwaltung hervorrufen würde.“44 Kurz gesagt glaubte STRYK, dass der Nachteil dieser Gesetzgebung größer sei als der Vorteil.45

Trotz der Streitigkeit um die Gesetzgebung überwog ihre Zustimmung, und zwar ordnete FRIEDRICH WILHELM I. im Jahr 1713 an, ein neues Gesetzbuch zu entwerfen.46 Es ist besonders bemerkenswert, dass sich der Name STRYK unter den fünf Rechtswissenschaftlern, die sich zusammen mit THOMASIUS mit der Aufgabe befassen haben, an der Universität Halle nicht finden lässt.47 THOMASIUS und seine Kollegen haben im Jahr 1714 tatsächlich einen Entwurf angefertigt und ihn an den königlichen Hof übersandt, aber die Urschriften sind heute leider nicht mehr auffindbar.48

Man sollte jedoch nicht denken, dass die Ansicht von THOMASIUS damals schon eine vorherrschende Meinung in Deutschland gewesen wäre. Zum Beispiel veröffentlichte Ephraim GERHARD (1682–1718) im Jahr 1715 das Lehrbuch Delineatio iuris civilis privati Romano-Germanici, das er zur Vorlesung in Jena benutzte.49 Er bejahte zwar im Vorwort, dass die Forschung von deutschen Gewohnheiten wichtig sei, aber er erwähnte nicht, dass man ein neues Gesetzbuch konzipieren sollte,50 obwohl er in diesem Buch verschiedene Publikationen von THOMASIUS zitierte und seine Ergebnisse aufgriff.51 ← 22 | 23 →

Die dritte Phase (1715–1736): Die ausführliche Erforschung deutschen Rechts

Nach dem misslungenen Gesetzgebungsprojekt zum 1713 ging jedoch das Interesse am deutschen Recht nicht unter. Dabei waren vor allem die Schüler tätig, die von THOMASIUS unmittelbar unterrichtet oder mittelbar von ihm beeinflusst wurden.52

Es ist bemerkenswert, dass es solchen Schülern oft misslungen ist, ein komplettes Werk über deutsches Recht zu schreiben. Zum Beispiel hinterließ Georg BEYER (1665–1714),53 der ein Schüler von THOMASIUS war und einen großen Einfluss auf die Forschung über deutsches Recht hatte,54 ein umfangreiches Manuskript über dieses Recht, und Michael Heinrich GRIBNER (1682–1734) veröffentlichte es in Teilen unter dem Titel Delineatio juris Germanici (1718),55 die komplette Version wurde dann von Christian Gottfried HOFFMANN (1692–1735) im Jahr 1723 herausgegeben. Dieses Buch endet mit dem Kapitel „Schenkung“ (donatio). Auch bei anderen Rechtsgelehrten musste man einen solchen Misserfolg hinnehmen, deutsches Recht systematisch zu erklären.56 Anhand dieser Tatsache kann man vermuten, dass die Generation, zu ← 23 | 24 → der insbesondere THOMASIUS gehört, deutsches Recht nicht so ausführlich erforscht hat, dass man in der Lage gewesen wäre, ein deutsches Gesetzbuch zu verfassen. Außerdem zog BEYER bei der Erforschung des deutschen Rechts eher die Erziehung von Schülern als die Gesetzgebung in Betracht.57

Man kann erst bei HEINECCIUS ein erfolgreiches Ergebnis finden, nämlich in Elementa juris Germanici (1736),58 das Samuel von COCCEJI gewidmet wurde. Sein Motiv bestand gerade darin, deutsches Recht nach einer richtigen Methode zu beschreiben: „Da dies so ist, habe ich für mich bei der Herausgabe dieses Werkes die Regel bestimmt, dass ich zuerst anhand alter und neuer Gesetze von früheren Deutschen ihre Rechte und Gewohnheiten vorsichtig beschreiben und sie sowohl chronologisch als auch förmlich in Einzelheiten skizzieren sollte. Dann sammelte ich aus diesem Überblick einige Prinzipien oder Axiome, über die ich anhand jener ältesten Gesetze und Monumente nachweisen wollte, dass sie allen ursprünglichen germanischen Stämmen gemein waren. Schließlich wurde mir bewusst, dass die Ergebnisse, die aus den obigen Prinzipien abgeleitet wurden, noch heute überall in Deutschland oder zumindest in einigen Provinzen und Städten vorhanden sind. Da tatsächlich niemand nach dieser Methode oder dieser Schreibweise deutsches Recht behandelt hat, weiß ich daher, dass mein großmütiger Leser mich umso weniger anfeinden würde, auch wenn er meinte, dass ich in einigen Punkten etwas Merkwürdiges gesagt hätte, desto weniger würde er ärgerlich, wenn irgendwo meine Feder oder die Hand des Druckers abrutschen würde.“59 Es ist hier bemerkenswert, dass ← 24 | 25 → HEINECCIUS geglaubt hat, dass erst er die Methode eingeführt habe, aus verschiedenen Quellen einheitliche Prinzipien über deutsches Recht systematisch abzuleiten.60 Diese Äußerung ist nicht übertrieben, denn tatsächlich zogen beispielsweise weder STRYK noch THOMASIUS eine solche Methode in Betracht.61

Die vierte Phase (1749–1794): Einige Gesetzgebungspläne bis zum ALR

Samuel von COCCEJI (1679–1755) nahm an verschiedenen Justizreformen in Preußen teil und setzte sich auch mit einem geplanten, jedoch nie verwirklichten Gesetzbuch auseinander, nämlich mit dem Projekt des Corpus Juris Fridericianum (1749–1753). Er ist im Jahr 1746 von FRIEDRICH II. zur umfassenden Justizreform und Gesetzeserneuerung beauftragt worden,62 und in diesem Zusammenhang hat er im Jahr 1749 den ersten Teil (Personenrecht) und dann im Jahr 1751 den zweiten Teil (Sachenrecht) vollendet, die man beide noch heute lesen kann, aber der dritte Teil, der schon im Jahr 1753 angefertigt worden ist und das Obligationsrecht behandelt, ist bei der Versendung verloren gegangen und danach nicht mehr geschrieben worden.63 Die Eigentümlichkeit dieses Entwurfes liegt darin, dass COCCEJI einerseits die ältere Naturrechtsrichtung in Betracht zog, andererseits von der Bevorzugung des römischen Rechts ausging,64 und aufgrund dieser Bevorzugung hatte das Programm keine größere Bedeutung für die spätere Kodifikation in Preußen.65 Demnach konnte ← 25 | 26 → COCCEJI solchen deutschen Rechtsgelehrten kaum zustimmen, die die Wichtigkeit des deutschen Rechts betonten: „Es erhellet also hieraus, daß Se. Königl. Majestät nicht das Römische Recht aufgehoben, sondern nur die Unordnung, welche die Compilatores durch ihre confuse Extracte veranlasset, corrigiret haben. Sie haben die in dem Corpore Juris, und in den angeführten Extracten versteckte Principia Juris Naturalis, hervorgesucht, solche bey einer ieden Materie voraus gesetzet, vernünftige Conclusiones daraus deduciret, folglich das Römische Recht ad artem redigiret, das ist, in eine vernünftige Ordnung gebracht: So daß dieses Land=Recht mit Grund ein Jus naturae privatum genannt werden kann.“66

Angesichts des preußischen Vorbildes trug MAXIMILIAN III. seinem Berater JOSEPH und dem Kanzler W. X. A. von KREITTMAYR auf,67 in Bayern neue Gesetze zu entwerfen, und im Jahr 1756 wurde nach Überarbeitungen der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (CMBC) promulgiert.68 Diese Kodifikation folgte einem modifizierten System von Institutiones,69 und „[d]ieses Gesetzbuch hält noch gleich den Stadt- und Landrechtsreformationen an der Subsidiarität des gemeinen Rechtes fest, ist also im strengen Sinne nur ein Vorläufer der großen Naturrechtskodifikationen.“70 Deshalb bezeichnete Hans SCHLOSSER das Leben und Wirken von KREITTMAYR als „Achsenzeit“,71 und „[z]u diesem Typus radikal die Gegenwart umgestaltender Gesetzgebung zählt eindeutig nicht das kurbayerische Zivilgesetzbuch“.72

Trotz des obigen Misserfolges von COCCEJI hörte FRIEDRICH II. nicht damit auf das Privatrecht zu erneuern, und zwar begann er damit wieder im Jahr 1780.73 Bei dem Entwurf waren CARMER, SVAREZ und E. F. KLEIN die Protagonisten,74 und SVAREZ verfasste in den Jahren 1784 bis 1788 den Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuches für die Preußischen Staaten.75 Nach dem Tod FRIEDRICHS II. (1786) führte FRIEDRICH WILHELM II. die Reformtätigkeit fort und im Jahr 1791 wurde das Buch mit dem Titel Allgemeines Gesetzbuch für die Preußischen Staaten publiziert, dessen Inkrafttreten ← 26 | 27 → am 1. Juni 1792 vorgesehen war, jedoch von FRIEDRICH WILHELM II. selbst suspendiert wurde.76 Nachdem die Schlussrevision durchgeführt worden war, trat das Gesetzbuch unter dem neuen Titel Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten endlich 1794 in Kraft.77 Da das Ziel des Gesetzbuches darin bestand, alle rechtlichen Verhältnisse im Land zu regeln, um damit einen Großteil der Prozesse zu vermeiden, gehörte es zu den umfangreichsten Kodifikationen der Neuzeit, und gerade daran übte man Kritik.78 Auf jeden Fall stand das ALR „als bedeutendste gesetzgeberische Leistung des preußischen aufgeklärten Absolutismus’ am Ende einer Epoche“, aber „passte nicht mehr in die Zeit nach der Französischen Revolution.“79 Daher möchte ich anhand des ALRs die Grenze der vorliegenden Dissertation aufzeigen. Die spätere Epoche, die durch die französische Revolution, die Pandektistik oder sogar durch die Lehre von HEGEL eingeleitet worden ist, ist eine andere Begebenheit.80

1.3  Fragestellung und Methodik

1.3.1  Fragestellung

Da sich die vier Rollen Philosoph, Rechtsgelehrter, Praktiker und Pädagoge alle mehr oder weniger auf die Gesetzgebung beziehen, ist es notwendig, die Gesetzgebungslehre von THOMASIUS als seine hauptsächliche Aufgabe zu erachten, um ihn selbst zu verstehen. In der vorliegenden Dissertation möchte ich dazu drei Fragen aufwerfen. ← 27 | 28 →

(1.) Wie ordnete THOMASIUS verschiedene Rechtsquellen zu?

Es ist vor allem festzustellen, wie THOMASIUS bei der Gesetzgebungslehre verschiedene Rechtsquellen zugeordnet hat, die damals eine komplizierte schichtweisende Beziehung bildeten. Jan SCHRÖDER wies darauf hin, dass THOMASIUS das Landrecht gegen das Reichsrecht durchsetzen wollte.81 Ich möchte auch andere Beziehungen verdeutlichen, etwa die zwischen dem Stadtrecht und dem Landrecht oder dem deutschen Recht und dem Naturrecht.

(2.) Inwieweit hatte THOMASIUS auf die Nachwelt Einfluss?

Die zweite Frage lautet, ob THOMASIUS im Zusammenhang mit der Gesetzgebungslehre für die Nachwelt nur einen abstrakten Gedankenrahmen vorgelegt oder sie auch in Einzelheiten beeinflusst hat. Es ist zwar schon bemerkt worden, dass THOMASIUS auf die Gesetzgebung in Preußen einen großen Einfluss hatte,82 es ist jedoch noch unklar, in welchen konkreten Schwerpunkten er die Nachwelt beeinflusst hat.83 LIEBERWIRTH schrieb darüber, dass es schwierig sei, die Folgen seines Wirkens abzuschätzen,84 und deshalb mache ich es mir zur Aufgabe, diesen vermuteten Einfluss im Sachenrecht, Schuldrecht, Erbrecht und Personenrecht so klar wie möglich darzulegen.

(3.) Wie lässt sich der Stellenwert von THOMASIUS in der Rechtsgeschichte festlegen?

Aus der Behandlungsweise der Rechtsquellen und dem Einfluss auf die Nachwelt lässt sich die dritte Frage beantworten, wie man die Stellung der Gesetzgebungslehre von THOMASIUS in der Rechtsgeschichte bestimmen kann. Wie weit wich er vom Usus modernus ab? Folgte er den Ansichten anderer Naturrechtslehrer? Blieben seine Schüler seiner Methode treu oder gingen sie eigene Wege? Hieraus lässt sich schließen, welche Bedeutung THOMASIUS bei der Gesetzgebung hatte.

1.3.2  Methodik

Details

Seiten
327
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653061864
ISBN (ePUB)
9783653953831
ISBN (MOBI)
9783653953824
ISBN (Hardcover)
9783631670231
DOI
10.3726/978-3-653-06186-4
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (November)
Schlagworte
Rechtsvergleich Gesetzgebungslehre Naturrecht Römisches Recht Rechtsgeschichte
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 327 S.

Biographische Angaben

Takashi Izumo (Autor:in)

Takashi Izumo studierte Rechtswissenschaften an der Chuo-Universität in Tokyo (Japan) und war Gastforscher am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main. Er ist Dozent an der Chuo-Universität in Tokyo (Japan).

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Titel: Die Gesetzgebungslehre im Bereich des Privatrechts bei Christian Thomasius
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