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Die Verbandsklage des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes

Der Gesetzgeber unter dem Anpassungsdruck des Europarechts

von Katharina Sommerfeldt (Autor:in)
©2016 Dissertation 344 Seiten

Zusammenfassung

Die Autorin geht der Frage nach, welche Rechte und Fehler Umweltverbände als «Anwälte der Umwelt» vor Gericht geltend machen können. Sie untersucht die Entwicklung der umweltrechtlichen Verbandsklage auf der Ebene der Verwaltungsrechtswissenschaft, der Gesetzgebung und Rechtsprechung von den 1970er Jahren bis heute. Hierbei nimmt sie insbesondere die langwierige und mit hinhaltendem Widerstand vollzogene Anpassung des deutschen Rechts an die europarechtlichen und völkerrechtlichen Vorgaben in den Blick. Die Umsetzung dieser durch das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz hat die grundsätzliche Debatte in der deutschen Verwaltungsrechtswissenschaft über die Zulässigkeit und Ausgestaltung einer umweltrechtlichen Verbandsklage neu belebt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • 1. Kapitel: Die Konzepte der altruistischen Verbandsklage im Umweltrecht ausgehend von den 1970er Jahren
  • A) Die bisherigen Konzeptionen der altruistischen umweltrechtlichen Verbandsklage in der verwaltungsrechtswissenschaftlichen Tradition
  • I. Die Bürgerklage im Umweltrecht
  • 1. Zulässigkeit der Bürgerklage
  • a. Klageberechtigte
  • b. Klagebefugnis
  • c. Klagegegenstand
  • d. Statthafte Verfahrensarten
  • e. Legitimation
  • f. Verwirkung/Präklusion
  • g. Anerkennungsverfahren
  • 2. Begründetheit der Bürgerklage
  • 3. Tabellarische Übersicht zur Bürgerklage
  • 4. Würdigung
  • II. Die Treuhandklage zugunsten von Natur und Landschaft
  • 1. Zulässigkeit der Treuhandklage
  • a. Klageberechtigte
  • b. Klagebefugnis
  • c. Klagegegenstand
  • d. Statthafte Verfahrensarten
  • e. Betroffenheit im satzungsgemäßen Aufgabenbereich
  • f. Legitimation der Verbände
  • g. Verwirkung/Präklusion
  • 2. Begründetheit der Treuhandklage
  • 3. Tabellarische Übersicht zur Treuhandklage
  • 4. Fazit
  • III. Würdigung
  • B) Die bisherigen Konzeptionen der altruistischen umweltrechtlichen Verbandsklage auf legislativer Ebene
  • I. Die altruistische Verbandsklage im Professoren-Entwurf zum Umweltgesetzbuch
  • 1. Zulässigkeit der Verbandsklage im Professoren-Entwurf
  • a. Klageberechtigte
  • b. Klagebefugnis
  • c. Klagegegenstand
  • d. Legitimation/Anerkennung der Verbände
  • 2. Begründetheit der Verbandsklage
  • 3. Tabellarische Übersicht zur Verbandsklage im Professoren-Entwurf
  • 4. Würdigung
  • II. Die umweltrechtliche Verbandsklage im Sachverständigen-Entwurf zum Umweltgesetzbuch
  • 1. Zulässigkeit der Verbandsklage im Sachverständigengutachten
  • a. Klageberechtigte
  • b. Klagebefugnis
  • c. Klagegegenstand
  • d. Statthafte Klagearten
  • e. Die Betroffenheit im satzungsgemäßen Aufgabenbereich
  • f. Verwirkung/Präklusion
  • g. Anerkennungsverfahren
  • h. Streitwert
  • 2. Begründetheit der Verbandsklage
  • 3. Tabellarische Übersicht zum Sachverständigen-Entwurf zum Umweltgesetzbuch
  • 4. Fazit
  • III. Der Referenten-Entwurf 1999
  • IV. Die umweltrechtliche Verbandsklage im Entwurf zum Umweltgesetzbuch 2008
  • V. Würdigung
  • C) Die umweltrechtliche Verbandsklage in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bis zum Erlass des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes 2006
  • I. Die Charakterisierung von Umweltverbänden in der Rechtsprechung des BVerwG
  • II. Würdigung
  • 2. Kapitel: Die völker- und europarechtlichen Grundlagen
  • A) Die Århus-Konvention
  • I. Der Inhalt und der Aufbau der Århus-Konvention
  • 1. Überprüfungsverfahren in Bezug auf unter Art. 6 AK fallende Entscheidungen nach Art. 9 Abs. 2 AK
  • a. Rügeberechtigte
  • b. Rügebefugnis
  • c. Rügegegenstand
  • d. Ausgestaltung des Überprüfungsverfahrens
  • e. Prüfungsmaßstab
  • f. Kontrolldichte
  • g. Tabellarische Übersicht zu der Regelung des Art. 9 Abs. 2 AK
  • h. Fazit
  • 2. Überprüfungsverfahren bei Verletzungen innerstaatlichen Umweltrechts nach Art. 9 Abs. 3 AK
  • a. Rügeberechtigte
  • b. Rügebefugnis
  • c. Rügegegenstand
  • d. Ausgestaltung des Überprüfungsverfahrens
  • e. Prüfungsmaßstab
  • f. Kontrolldichte
  • g. Tabellarische Übersicht zur Regelung des Art. 9 Abs. 3 AK
  • h. Fazit
  • II. Die Bindungswirkung der Århus-Konvention
  • 1. Die völkerrechtliche Bindungswirkung der Århus-Konvention
  • 2. Die unmittelbare Anwendbarkeit der Århus-Konvention
  • III. Würdigung
  • B) Die Umsetzung der Århus-Konvention auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts
  • I. Die Kompetenz der Gemeinschaft zur Koordinierung der Umsetzung des Art. 9 Abs. 2 und 3 AK auf mitgliedstaatlicher Ebene
  • II. Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten
  • 1. Rügeberechtigte
  • 2. Rügebefugnis
  • 3. Rügegegenstand
  • 4. Ausgestaltung des Überprüfungsverfahrens
  • 5. Prüfungsmaßstab und Kontrolldichte
  • 6. Tabellarische Übersicht der Regelungen
  • 7. Fazit
  • III. Vorschlag für eine Richtlinie über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, KOM (2003) 624 endg
  • 1. Rügeberechtigte
  • 2. Rügebefugnis
  • 3. Rügegegenstand
  • 4. Anerkennungsverfahren
  • 5. Ausgestaltung des Überprüfungsverfahrens
  • 6. Prüfungsmaßstab und Kontrolldichte
  • 7. Tabellarische Übersicht zum Vorschlag für eine Richtlinie über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten
  • 8. Fazit
  • 3. Kapitel: Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz
  • A) Die Vorentwürfe zum Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz 2006
  • I. Der Gesetzesentwurf vom 21.2.2005
  • 1. Inhalt des Gesetzesentwurfs
  • a. Rügeberechtigte
  • b. Rügebefugnis
  • c. Rügegegenstand
  • d. Präklusion
  • e. Kontrolldichte
  • f. Tabellarische Übersicht zum Gesetzentwurf der rot-grünen Bundesregierung
  • 2. Die Begründung des Gesetzesentwurfes
  • 3. Fazit
  • II. Der Gesetzesentwurf vom 4.9.2006
  • 1. Der Inhalt des Gesetzesentwurfes
  • 2. Tabellarische Übersicht des Gesetzesentwurfes vom September 2006
  • 3. Die Begründung des Gesetzesentwurfes
  • 4. Fazit
  • III. Der Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens
  • IV. Würdigung
  • B) Die Vereinigungsklage im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz
  • I. Der Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes
  • II. Die Zulässigkeit eines Umwelt-Rechtsbehelfs nach § 2 Abs. 1 UmwRG a.F.
  • 1. Die statthaften Klagearten
  • 2. Rügeberechtigte und die Anerkennung nach § 3 UmwRG
  • a. Behördlich anerkannte Vereinigungen
  • b. Noch nicht anerkannte Vereinigungen
  • c. Bewertung
  • 3. Die Rügebefugnis nach § 2 Abs. 1 UmwRG a.F.
  • a. Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen
  • b. Rechtsvorschriften, die Rechte Einzelner begründen
  • c. Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können
  • d. Die Betroffenheit im satzungsmäßigen Aufgabenbereich
  • 4. Der Rügegegenstand des Umwelt-Rechtsbehelfs
  • 5. Die Präklusion nach § 2 Abs. 3 UmwRG
  • 6. Die Rügefrist nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz
  • III. Begründetheit eines Umwelt-Rechtsbehelfs nach § 2 Abs. 5 UmwRG a.F.
  • 1. § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UmwRG a.F.
  • 2. § 2 Abs. 5 Nr. 2 UmwRG a. F.
  • 3. Folgen von Verfahrensfehlern nach § 4 UmwRG a.F.
  • a. Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 UmwRG a.F.
  • b. Einordnung der Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 UmwRG
  • c. Folgen von Verfahrensfehlern nach § 4 Abs. 2 UmwRG
  • d. Zu § 4 Abs. 3 UmwRG
  • e. Fazit
  • IV. Verhältnis zur naturschutzrechtlichen Vereinsklage
  • V. Tabellarische Übersicht der Regelungen des UmwRG vom 7.12.2006
  • VI. Zur Überleitungsvorschrift des § 5 Abs. 1 UmwRG a.F.
  • 1. Europarechtswidrigkeit der Stichtagsregelung
  • 2. Rückwirkung des § 2 Abs. 3 UmwRG
  • 3. Bestandskraft vor dem 15.12.2006
  • VII. Würdigung
  • 4. Kapitel: Die Verbandsklage des Umwelt- Rechtsbehelfsgesetzes in der Rechtsprechung
  • A) Die Århus-Konvention und ihre Umsetzung durch das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz in der Rechtsprechung deutscher Gerichte
  • I. Rechtsprechung deutscher Gerichte bis zum Erlass des UmwRG
  • II. Würdigung
  • B) Bewertung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes in der Rechtsprechung Deutscher Gerichte
  • I. Rechtsprechung deutscher Gerichte zum Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz bis zum Vorlagebeschluss des OVG Münster vom 5.3.2009
  • 1. Zur europarechtswidrigen Umsetzung durch § 2 Abs. 1 und Abs. 5 UmwRG a.F.
  • 2. Zur Präklusion nach § 2 Abs. 3 UmwRG
  • a. Zur Europarechtskonformität
  • b. Zum Substantiierungserfordernis
  • c. Zur rückwirkenden Geltung des § 2 Abs. 3 UmwRG
  • 3. Zur unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 10a RL 2003/35/EG
  • II. Der Vorlagebeschluss des OVG Münster vom 5.3.2009
  • III. Die Rechtsprechung der deutschen Gerichte zu §§ 4 und 5 UmwRG und der Vorlagebeschluss des BVerwG vom 10.1.2012
  • 1. Die Rechtsprechung zu § 4 Abs. 1 UmwRG bis zum Vorlagebeschluss des BVerwG vom 10.1.2012
  • a. Zur Europarechtskonformität des § 4 Abs. 1 UmwRG
  • b. § 4 Abs. 1 UmwRG als eigenständige Rechtsbehelfsbefugnis
  • 2. Die Rechtsprechung zur Überleitungsvorschrift des § 5 Abs. 1 UmwRG
  • 3. Der Vorlagebeschluss des BVerwG vom 10.1.2012
  • IV. Würdigung
  • C) Die Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung des Art. 10a der RL 2003/35/EG und der Art. 9 Abs. 2 und 3 AK
  • I. Das Braunbären-Urteil des EuGH vom 8.3.2011
  • 1. Inhalt der Entscheidung
  • 2. Bewertung der EuGH-Entscheidung
  • a. Zur Frage der Zuständigkeit des EuGH zur Auslegung des Art. 9 Abs. 3 AK
  • b. Zur Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 9 Abs. 3 AK
  • 3. Die Auswirkungen auf das nationale Recht
  • a. Zur Bindungswirkung der Entscheidung
  • b. Zur Auslegungsfähigkeit des nationalen Rechts
  • 4. Würdigung
  • II. Das Trianel-Urteil des EuGH
  • 1. Inhalt der Entscheidung
  • 2. Bewertung der Entscheidung
  • 3. Würdigung
  • III. Das Urteil des EuGH in der Rechtssache Polder Altrip u. a. – C-72/12
  • 1. Der Inhalt der Entscheidung
  • 2. Bewertung der EuGH-Entscheidung
  • 3. Die Auswirkungen auf das deutsche Recht
  • IV. Würdigung
  • D) Die Rechtsprechung deutscher Gerichte nach den Urteilen des EuGH vom 8.3.2011 und vom 12.5.2011
  • I. Zur unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 10a RL 2003/35/EG
  • II. Zur unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 9 Abs. 2 AK
  • III. Zur unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 9 Abs. 3 AK
  • 1. Rechtsprechung
  • 2. Bewertung
  • IV. Würdigung
  • E) Die Auslegung des Art. 9 Abs. 2 und 3 AK durch das Århus Convention Compliance Committee
  • I. Verfahren gegen Deutschland
  • II. Die Auslegung des Art. 9 AK durch das ACCC in anderen Verfahren
  • III. Würdigung
  • 5. Kapitel: Die Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes nach dem Trianel-Urteil vom 12.5.2011
  • A) Der Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens
  • I. Der Gesetzesentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 22.11.2011
  • 1. Inhalt
  • 2. Tabellarische Übersicht des Gesetzesentwurfes
  • 3. Begründung
  • 4. Fazit
  • II. Der Gesetzesvorschlag der Bundesregierung
  • 1. Inhalt
  • 2. Tabellarische Übersicht des Gesetzesentwurfes
  • 3. Begründung
  • III. Der Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens
  • IV. Würdigung
  • B) Zu den neuen Regelungen im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz
  • I. Zu den Änderungen im Anwendungsbereich § 1 Abs. 1 Nr. 3 UmwRG
  • 1. Erstreckung auf das Umweltschadensrecht
  • a. Regelungsgehalt
  • b. Bewertung
  • 2. Kollisionsregel zur naturschutzrechtlichen Verbandsklage in § 1 Abs. 3 UmwRG
  • a. Regelungsgehalt
  • b. Bewertung
  • II. Zu den Änderungen in § 2 UmwRG
  • 1. Regelungsgehalt
  • 2. Zur Vereinbarkeit mit dem Europarecht
  • 3. Bewertung
  • III. Zu den Änderungen in § 4 UmwRG
  • 1. Regelungsgehalt
  • 2. Zur Vereinbarkeit mit dem Europarecht
  • 3. Bewertung
  • IV. Maßgaben zur Anwendung der VwGO in § 4a UmwRG
  • 1. Regelungsgehalt
  • a. Die Klagebegründungsfrist des § 4a Abs. 1 UmwRG
  • b. Die Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle bei Beurteilungsermächtigungen
  • c. Der modifizierte Beurteilungsmaßstab bei Anträgen gemäß §§ 80 a, 80 Abs. 5 VwGO
  • d. Die Gleichstellung von Individual- und Verbandsklägern
  • 2. Zur Vereinbarkeit mit dem Europarecht
  • 3. Bewertung
  • V. Zu den Änderungen des § 5 Abs. 4 UmwRG
  • 1. Regelungsgehalt
  • 2. Zur Vereinbarkeit mit dem Europarecht
  • 3. Bewertung
  • VI. Würdigung
  • C) Die Vereinbarkeit der unverändert gebliebenen Vorschriften des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes mit den Vorgaben der RL 2003/35/EG und des Art. 9 Abs. 2 AK
  • I. Das Anerkennungsverfahren nach § 3 UmwRG
  • II. Zur Präklusion nach § 2 Abs. 3 UmwRG
  • III. Das Erfordernis der Betroffenheit im satzungsgemäßen Aufgabenbereich nach § 2 Abs. 5 UmwRG
  • D) Würdigung
  • E) Exkurs: Folgerungen im Hinblick auf Art. 9 Abs. 3 AK
  • Zusammenfassung
  • Literaturverzeichnis
  • Anlagen

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Einleitung

Die Diskussion um die altruistische Verbandsklage im Umweltrecht ist mittlerweile ca. vierzig Jahre alt und hat dennoch nicht an Aktualität oder Brisanz verloren. Dies zeigen vor allem die Entwicklungen im Bereich des Völker- und Europarechts und deren Auswirkungen auf das nationale Recht in den letzten Jahren. Die altruistische Verbandsklage im Umweltrecht verknüpft zentrale Fragen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes miteinander, nämlich die Frage nach dem Zugang zu Gerichten einerseits und die Frage des Umfangs des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes andererseits. Der Zugang zu verwaltungsgerichtlichem Rechtsschutz im Umweltrecht war bislang beschränkt auf Individualkläger, die eigene subjektive Rechte geltend machen. Auf das festgefügte System des deutschen Individualrechtsschutzes im Umweltrecht wirken in den letzten Jahren starke völker- und europarechtliche Einflüsse ein, die einen erheblichen Anpassungsdruck auf den nationalen Gesetzgeber ausüben. Maßgeblichen Einfluss hat die 1998 im dänischen Århus beschlossene Århus-Konvention (AK) über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten. Die Århus-Konvention ist der erste völkerrechtliche Vertrag, der internationale Mindeststandards hinsichtlich des Zugangs zu Informationen („1. Säule“) der Öffentlichkeitsbeteiligung („2. Säule“) und des Zugangs zu Gerichten („3. Säule“) festschreibt und diese einklagbar macht. Die Bundesrepublik Deutschland hat 1998 gemeinsam mit der Europäischen Gemeinschaft die Århus-Konvention unterzeichnet. Ein komplexes Mehrebenensystem mit Verflechtungen des nationalen, europäischen und Völkerrechts ist die Folge. Die Europäische Gemeinschaft hat die Århus-Konvention auf der Ebene des mitgliedstaatlichen Rechts durch die Richtlinie (RL) 2003/35/EG1 umgesetzt. Diese ist mittlerweile durch die am 17.2.2012 in Kraft getretene RL 2011/92/EU2 ersetzt worden.3 Hieraus resultiert ein erheblicher ← 19 | 20 → Anpassungsbedarf des nationalen Rechts unter Beachtung der völker- und europarechtlichen Vorgaben.

Der Bundesgesetzgeber hat zunächst weder Aktivitäten zur Umsetzung der Århus-Konvention noch zur Umsetzung der RL 2003/35/EG entfaltet. Die Ratifikation der Århus-Konvention durch die Bundesrepublik Deutschland erfolgte erst zum 9.12.2006, mithin 8 Jahre nach ihrer Unterzeichnung. Die erste Maßnahme zur Umsetzung der RL 2003/35/EG erfolgte Ende 2006 durch Erlass des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG).4

Die Umsetzung der Vorgaben der RL 2003/35/EG durch das UmwRG warf erhebliche Fragen hinsichtlich der Beachtung der völker- und europarechtlichen Vorgaben auf. Die Århus-Konvention und die RL 2003/35/EG sehen einen voraussetzungslosen Zugang für Umweltverbände zu umweltrechtlichen Überprüfungsverfahren vor, um die materiell- und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen anzufechten. Im UmwRG hatte der deutsche Gesetzgeber zunächst jedoch den Zugang zu Gerichten für Verbände von der Geltendmachung der Verletzung drittschützender Normen abhängig gemacht und eine Einschränkung dahingehend vorgenommen, dass nur bestimmte Verfahrensfehler zur Aufhebung einer Entscheidung führen können. Die Umsetzung der europäischen Vorgaben durch das UmwRG hat eine breite Diskussion in der Verwaltungsrechtswissenschaft ausgelöst. Kernpunkte dieser Diskussion waren u. a. die Reichweite und der Umfang der Umsetzungsverpflichtung aus der Århus-Konvention und der RL 2003/35/EG, die Europarechtswidrigkeit der Umsetzung hinsichtlich des Zugangs zu Gerichten sowie die grundsätzliche Zulässigkeit einer umweltrechtlichen Verbandsklage.

Die Einschränkung des UmwRG hinsichtlich des Zugangs zu Gerichten für Umweltverbände ist durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 12.5.2011 für europarechtswidrig erklärt worden.5 Der deutsche Gesetzgeber hat in der Folge unter dem erheblichem Anpassungsdruck eines bereits eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens6 das UmwRG im Jahr 2012 überarbeitet und Anfang 2013 das Gesetz zur Änderung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes7 erlassen. Auch diese Umsetzung der europäischen und völkerrechtlichen Vorgaben wirft ← 20 | 21 → erhebliche Fragen auf. So hat der Gesetzgeber mittlerweile zwar einen voraussetzungslosen Zugang zu Gerichten für Umweltverbände eingeführt, gleichwohl hat er jedoch weitere einschränkende Regelungen hinsichtlich der prozessualen Ausgestaltung der Verbandsklage erlassen. Nahezu unverändert geblieben sind die Regelungen hinsichtlich der Folgen von Verfahrensfehlern. Der Gesetzgeber wollte hier zunächst die Entscheidung des EuGH auf die Vorlagefrage des BVerwG vom 10.1.2012 hin abwarten.8 Der EuGH hat am 7.11.2013 in der Sache entschieden und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beschränkung der rügbaren Verfahrensfehler auf den „Totalausfall“ der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) oder der allgemeinen Vorprüfung nicht mit dem Art. 10a RL 2003/35/EG vereinbar ist.9 Parallel zur Änderung des UmwRG hat die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. In diesem Verfahren rügt die Europäische Kommission die Europarechtswidrigkeit der Präklusionsvorschriften des unverändert gebliebenen § 2 Abs. 3 UmwRG, die Vorschrift des § 4 UmwRG sowie die Überleitungsvorschrift des § 5 UmwRG.10 Die Bundesregierung hatte noch vor dem Urteil des EuGH vom 7.11.2013 zu erkennen gegeben, dass sie die gerügten Vorschriften für europarechtskonform hält.11

Gegenstand der Arbeit ist die Frage: Welche Rechte und Fehler können Umweltverbände als „Anwälte der Umwelt“ vor Gericht geltend machen? Ziel der Arbeit ist es, die Entwicklungen der umweltrechtlichen altruistischen Verbandsklage auf der Ebene der Verwaltungsrechtswissenschaft, der Gesetzgebung und der Rechtsprechung ausgehend von den 1970er Jahren bis heute zu untersuchen. Es hat in den vergangenen 40 Jahren vielfach Ansätze in der deutschen Verwaltungsrechtswissenschaft gegeben, die altruistische umweltrechtliche Verbandsklage dogmatisch zu begründen und in das System des individualschützenden ← 21 | 22 → verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes zu integrieren. Die Arbeit untersucht diese Ansätze im Hinblick darauf, inwieweit diese tragfähige Konzepte einer altruistischen umweltrechtlichen Verbandsklage enthalten, welche ggfs. den heutigen Anforderungen noch gerecht werden (1. Kapitel). Ebenfalls untersucht werden die bisherigen gesetzgeberischen Bemühungen zur Einführung einer umweltrechtlichen Verbandsklage. Diese waren eng verknüpft mit den Gesetzgebungsinitiativen zur Schaffung eines Umweltgesetzbuches, sie blieben jedoch bis zum Erlass des UmwRG im Jahr 2006 erfolglos (1. Kapitel). Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit liegt auf dem Gesetzgebungsverfahren im Jahr 2006 und den Regelungen des UmwRG hinsichtlich der Klagebefugnis von Verbänden und der Verfahrensfehlerlehre (3. Kapitel). Die Arbeit untersucht die Einhaltung der europäischen und völkerrechtlichen Vorgaben (2. Kapitel) und zeigt den nach wie vor bestehenden Anpassungsbedarf auf. Der Gesetzgebungsprozess des UmwRG wird mit dem Ziel untersucht, die Ursachen für die Umsetzungsschwierigkeiten des nationalen Gesetzgebers herauszuarbeiten (3. Kapitel). Die Rechtsprechung der nationalen Gerichte wird daraufhin untersucht, wie sich die Gerichte in der Vergangenheit zur Frage der Zulässigkeit einer altruistischen umweltrechtlichen Verbandsklage positioniert haben, wie die Gerichte unter der Geltung des UmwRG mit den europarechtswidrigen Regelungen des Gesetzes umgegangen sind und wie einzelne Gerichte sich heute im Hinblick auf die Regelungen des UmwRG und die völker- und europarechtlichen Vorgaben der Århus-Konvention und der RL 2003/35/EG positionieren. Von besonderem Interesse sind dabei die Urteile des EuGH vom 8.11.201112, vom 20.5.201113 und vom 7.11.201314 (4. Kapitel). Schließlich untersucht die Arbeit das geltende Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz zum einen im Hinblick auf die Einhaltung der europäischen und völkerrechtlichen Vorgaben, zum anderen im Hinblick auf den Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens mit dem Ziel, die Ursachen und Gründe etwaig bestehender Umsetzungsdefizite aufzudecken (5. Kapitel).


1 Richtlinie 2003/35/EG des Rates über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten vom 26.5.2003, ABl. L 156/17.

2 Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 26/1.

3 Im Text wird der Übersichtlichkeit halber weiterhin Bezug auf die RL 2003/35/EG genommen.

4 Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-RL 2003/35/EG vom 7.12.2006, BGBl. I, S. 2816.

5 EuGH, Urteil vom 12.5.2011 – C-115/09, Slg. 2011, I-3673. Siehe hierzu 4. Kapitel C. II.

6 VV Nr. 2007/4267.

7 Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-RL 2003/35/EG vom 7.12.2006, BGBl. I, S. 2816, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21.1.2013, BGBl. I, S. 95 f.

8 BVerwG, Beschluss vom 10.1.2012 – 7 C 20/11, zitiert nach juris.

9 EuGH, Urteil vom 7.11.2013 – C 72/12, ABl. C 009 vom 11.01.2014, S. 6–7.

10 Vertragsverletzungsnummer 2007/4267. Siehe hierzu auch Stüer/Garbrock, Verwaltungsgerichtstag, DVBl. 2013, 1102, 1106; Kremer, Unionsrechtswidrigkeit, ZUR 2013, 89, 92. Die vorliegende Arbeit ist auf dem Stand 30.12.2013. Zwischenzeitlich wurde das Vertragsverletzungsverfahren beendet. Der EuGH hat am 15.10.2015 festgestellt, dass § 4 UmwRG gegen Art. 11 der RL 2011/92 verstößt und die deutschen Präklusionsvorschriften für europarechtswidrig erklärt. Für unionsrechtswidrig erklärt der EuGH auch die Übergangsvorschriften in § 5 UmwRG, EuGH, Urteil vom 15.10.2015 – C137/14, zitiert nach juris.

11 BT-Drs. 17/12304 vom 8.2.2013, S. 139.

12 EuGH, Urteil vom 8.3.2011 – Rs. C-240/09, Slg. 2011 I-1255.

13 EuGH, Urteil vom 12.5.2011 – C-115/09, Slg. 2011, I-3673.

14 EuGH, Urteil vom 7.11.2013 – C-72/12, ABl. C 009 vom 11.01.2014, S. 6–7.

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1.  Kapitel: Die Konzepte der altruistischen Verbandsklage im Umweltrecht ausgehend von den 1970er Jahren

In diesem Kapitel sollen die bisherigen Konzepte zur Begründung und Implementierung einer umweltrechtlichen Verbandsklage in das System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes ausgehend von den 1970er Jahren untersucht werden. Die Untersuchung trennt dabei zwischen den rein verwaltungsrechtswissenschaftlichen Konzepten und den Konzepten auf Initiative des Gesetzgebers. Anschließend soll die ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung zu altruistischen umweltrechtlichen Verbandsklagen bis zur Verabschiedung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes am 7.12.2006 näher beleuchtet werden. Ziel der Untersuchung ist, die Einzelregelungen der auf den verschiedenen Ebenen entwickelten Konzepte und Begründungsansätze herauszuarbeiten und festzuhalten – sofern möglich – woran diese letztlich in der Umsetzung scheiterten. Im Hinblick auf die ergangene Rechtsprechung soll untersucht werden, inwieweit sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes eine Haltung zu einer umweltrechtlichen altruistischen Verbandsklage ableiten lässt.

A)  Die bisherigen Konzeptionen der altruistischen umweltrechtlichen Verbandsklage in der verwaltungsrechtswissenschaftlichen Tradition

Die Diskussion um die Einführung einer altruistischen umweltrechtlichen Verbandsklage in der deutschen Verwaltungsrechtswissenschaft begann Anfang der 1970er Jahre. Die Diskussion war stets verknüpft mit der Diskussion um das Vollzugsdefizit im Umweltrecht. Die wesentlichen Argumente für und gegen die Einführung einer altruistischen Verbandsklage im Umweltrecht sind seit langem ausgetauscht. Als Gründe für die Einführung einer Verbandsklage wurden angeführt: die Lücken im Individualrechtsschutz,15 die Artikulationsschwäche der Belange des Umweltschutzes gegenüber konkurrierenden öffentlichen ← 23 | 24 → Interessen,16 das Vollzugsdefizit im Umweltrecht,17 die rechtsgesteuerte Implementierung offener Planungsnormen und unbestimmter Rechtsbegriffe,18 die Verstärkung des Gewichts der Verbandsbeteiligung durch die antizipatorische Wirkung der Verbandsklage auf das Verwaltungsverfahren,19 die Operationalisierung der Debatte um ein Recht der Natur und das Klagerecht von Pflanzen und Tieren20. Die Diskussion wurde von Beginn an emotional geführt. Die Gegnerschaft war prominent.21

Weyreuther legte 1975 eine maßgebliche und vielfach zitierte Stellungnahme zur Verbandsklage vor und entwickelte dort vier wesentliche Argumentationslinien gegen die Verbandsklage, auf die sich die Argumente in den sich in den darauffolgenden Jahren anschließenden Diskussionen zurückführen lassen.22 Weyreuther beleuchtete die Verbandsklage im Spannungsfeld von vier Beteiligten: der Verwaltung, der Verbände, der Drittbetroffenen und der Verwaltungsgerichte und kam zu einem in jeder Hinsicht ablehnenden Ergebnis. Seiner Ansicht nach bestand kein Bedürfnis für die Einführung einer Verbandsklage. Ihre Eignung zur Beseitigung des Vollzugsdefizits sei zweifelhaft, Verbände seien hierfür nicht ausreichend legitimiert, die Position von Drittbetroffenen werde durch eine Verbandsklage unangemessen benachteiligt und schließlich bedeute ← 24 | 25 → sie einen sachwidrigen und verfassungsrechtlich bedenklichen Bruch mit dem gegenwärtigen am individuellen Rechtsschutz ausgerichteten System der Verwaltungsgerichtsbarkeit.23 Insgesamt ist seine Studie von einem tiefen Misstrauen gegenüber der Verbandsklage und gegenüber Verbänden geprägt.24

Die Diskussion um die Einführung einer altruistischen Verbandsklage im Umweltrecht war darüber hinaus geprägt von den Unsicherheiten um die dogmatische Begründung einer solchen Verbandsklage im Rahmen der bestehenden Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die dogmatischen Begründungsansätze waren vielfältig: Sie reichten von der Konzeption als rein objektives Beanstandungsverfahren25 über eine Klage mit Rechtsschutzfunktion für ein dahinterstehendes subjektives Recht, welches von Verbänden als quasi Treuhänder wahrgenommen wird,26 zur Konzeption als Interessentenklage, losgelöst von der Geltendmachung eines subjektiven Rechts nach der Schutznormdoktrin.27

Im folgenden Abschnitt soll die Genese der altruistischen umweltrechtlichen Verbandsklage in den verschiedenen Entwicklungsetappen des deutschen Umweltrechts nachgezeichnet werden. Insbesondere wird versucht werden, die dogmatischen Begründungen der umweltrechtlichen altruistischen Verbandsklage herauszuarbeiten. Dies erfolgt vor dem Hintergrund, die von Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 AK aufgeworfenen Rechtsprobleme und dogmatischen Grundsatzfragen einzuordnen und die Schwierigkeiten des Gesetzgebers im nationalen Umsetzungsprozess nachzuzeichnen.

I.  Die Bürgerklage im Umweltrecht

Eröffnet wurde die Debatte in den 1970er Jahren von einer grundlegenden und wegweisenden Studie zur Klagebefugnis im Umweltrecht von Rehbinder/Burgbacher/Knieper.28 Die Autoren unterzogen in ihrer Studie das damals geltende Verwaltungs- und Umweltrecht einer intensiven Prüfung hinsichtlich der geltenden Klagebefugnisdoktrin. Die Studie untersuchte in rechtspolitischer Absicht die Vollzugssituation im Bereich des Umweltrechts und die Funktionsfähigkeit des geltenden Rechts der Klagebefugnis hinsichtlich einer objektiven ← 25 | 26 → Gesetzmäßigkeitskontrolle der Umweltverwaltung. Das Ergebnis war recht eindeutig: Als Schwachstelle des Umweltrechts wurde ein Versagen der Exekutive und ein Vollzugsdefizit diagnostiziert. Insbesondere wurde ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Vollzug von objektiven Normen des Umweltrechts und dem diesbezüglich defizitären Rechtsschutzsystem der VwGO herausgearbeitet. Die Ursachen und Gründe für das sogenannte Vollzugsdefizit waren nach Ansicht der Autoren genauso komplex wie die Umweltschäden selbst. Die Lösung für das Problem der Vollzugs- und Implementierungsschwächen des Umweltrechts sahen die Autoren in einer Rückbesinnung auf die Funktionen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes. Dieser diene zwar in erster Linie dem Schutz des Bürgers gegen staatliche Eingriffe, aber eben auch der Gewährleistung des ordnungsgemäßen Funktionierens der staatlichen Rechtsordnung und der Behörden im Sinne einer objektiven Rechtskontrolle. Die geltenden Rechtsschutzmöglichkeiten wurden seitens der Autoren in ihrer Abhängigkeit von einer subjektiven Rechtsverletzung für zu eng befunden. Nach ihrer Einschätzung ist die Individualklage zur Kontrolle der Umweltbehörden im Interesse aller nicht geeignet.29 Dieser negative Befund war Anlass für die Autoren, die legislative Einführung einer begrenzten Popularklage im Umweltrecht, die so genannte Bürgerklage, als Mittel der Gesetzmäßigkeitskontrolle der Umweltverwaltung vorzuschlagen. Ihre Bürgerklage ist eine Popularklage ohne jedwedes Betroffenheitskriterium und verzichtet auf die Anwendung der Schutznormtheorie. Hierdurch sollte ein adäquater Vollzug und eine adäquate Implementierung des Umweltrechtes durch die Behörden mittels Einschaltung der Gerichte erzwungen werden. Umweltrelevante Fehlentscheidungen – im Ermessensbereich: grobe Fehlentscheidungen – sollten hierdurch auf Anruf von Bürgern korrigiert werden. Nach Einschätzung der Autoren würde sich die Verwaltung zudem bemühen, den Auftrag des Gesetzes intensiver zu erfüllen und quasi prophylaktisch die Weite des Interessenspektrums einzubeziehen, sobald die gerichtliche Überprüfung umweltrelevanter Entscheidungen drohe und der beinahe vollständige Freiraum der Verwaltung im Umweltschutz eingeschränkt werde.30

Die Autoren schlugen mit ihrer Bürgerklage nicht nur die Einführung einer umweltrechtlichen Verbandsklage, sondern die Erweiterung individueller Klagerechte in Form einer Popularklage vor. Die Erweiterung der Klagebefugnis unter Einbeziehung individueller Klagerechte sollte nach Auffassung der ← 26 | 27 → Autoren ein notwendiges Gegengewicht gegen mögliche Oligarchisierungstendenzen fest gefügter, bestehender Verbände sein.31 Die Erweiterung individueller Klagerechte sollte zudem auch die Enge des Interessenspektrums eines Verbandes (nur Naturschutz, nicht auch Stadt- und Verkehrsplanung, sonstige ökologische Interessen), der im Rahmen einer Verbandsklage allein für die Klageerhebung in Betracht käme, ausgleichen. Umweltschutz sollte nach Ansicht der Autoren die Verbindung zum betroffenen Individuum halten.32

Das rechtspolitische Bedürfnis für eine solche Bürgerklage sahen die Autoren in der mangelhaften Durchsetzung und Implementierung des Umweltrechts durch die Behörden sowie in unzureichenden privaten Klagerechten nach dem geltenden Recht der VwGO.33 Diese Vollzugs- und Implementierungsschwächen des Umweltrechts würden sich, so die Autoren, kurzfristig durch eine Rückbesinnung auf die Funktionen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes lösen lassen. Nach ihrer Ansicht war es notwendig, sich die Kontrollfunktion der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu Nutze zu machen und die klagenden Bürger als „Funktionäre der Allgemeinheit“ zur Gewährleistung des in den Gesetzen niedergelegten Umweltschutzprogrammes der politischen Instanzen einzusetzen. Der gedankliche Ansatz der VwGO, dass das vitale Interesse des verletzten Bürgers ihn auch dazu führen werde, sein Recht zu suchen bzw. gerichtlich durchzusetzen, ist nach Auffassung von Rehbinder/Burgbacher/Knieper unzutreffend; mit dem Fortfall dieser Prämisse verliere der Verwaltungsprozess zugleich seine Funktionsfähigkeit zu objektiver Rechtskontrolle.34 Die Gründe hierfür sahen die Autoren in der Komplexität der dem Gericht darzulegenden Probleme, in der fehlenden technischen und naturwissenschaftlichen Sachkunde des Bürgers, im wirtschaftlichen Gewicht des Vorhabenträgers und nicht zuletzt im Kostenrisiko. Zudem sei die Anknüpfung einer objektiven Rechtskontrolle an private Betroffenheit und privaten Egoismus eines Einzelnen mit dem besonderen Risiko des „Abkaufs“ der Klagerechte durch von einer Aufhebung der behördlichen Entscheidung negativ betroffenen Unternehmen verbunden. ← 27 | 28 → 35

Details

Seiten
344
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653063868
ISBN (ePUB)
9783653955439
ISBN (MOBI)
9783653955422
ISBN (Paperback)
9783631669044
DOI
10.3726/978-3-653-06386-8
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (April)
Schlagworte
Aarhus-Konvention ACC-Verfahren UVP-Verfahren Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 344 S.

Biographische Angaben

Katharina Sommerfeldt (Autor:in)

Katharina Sommerfeldt studierte Rechtswissenschaft an der Universität Jena. Sie war Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungsstelle für Europäisches Umweltrecht in Bremen und ist als Rechtsanwältin im Umweltrecht tätig.

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Titel: Die Verbandsklage des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes
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