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Die arbeitsvertragliche Befristung mittels eines gerichtlichen Vergleichs

von Marc Bohlen (Autor:in)
©2016 Dissertation XIII, 139 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch setzt sich mit dem Prozessvergleich im Arbeitsrecht auseinander. Dieser rechtfertigt die nur in Ausnahmen zulässige Befristung eines Arbeitnehmers (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG). Allerdings ist die vermeintlich einfach zu bewirkende Befristungsalternative mit einem erheblichen Makel behaftet. Sie rührt aus dem nationalen Richterrecht her, ergibt sich aus einem Zusammenspiel zwischen dem TzBfG, dem BGB und der ZPO und wird wesentlich durch das europäische Recht beeinflusst. Die entstehenden Unstimmigkeiten führen auch in der Rechtsprechung zu Unsicherheiten und bewirken eine falsche Anwendung der Vorschrift. Die Folge ist oftmals eine unbefristete Beschäftigung. Der Autor beleuchtet die nationalen und europäischen Konfliktfelder des Prozessvergleichs im Arbeitsrecht und sucht Wege, um den Vergleich als Befristungsgrund risikoarm einsetzen zu können.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einführung
  • Teil 1. Nationale Anforderungen und Schranken
  • § 1. Der Vergleich
  • A. Gegenläufige Parteiansichten
  • I. Rechtsprechung / Herrschende Ansicht
  • II. Gegenansicht
  • III. Bewertung des Meinungsstreits
  • 1. Aspekte unabhängig vom TzBfG
  • a. Unzulässigkeit der Klageerhebung
  • b. Unwirksamkeit des Vergleichs
  • c. Zwischenergebnis
  • 2. Aspekte gemäß dem TzBfG
  • a. Zweck eines solchen Erfordernisses
  • aa. Regel-Ausnahme-Prinzip
  • bb. Veranlassungsgefahr
  • cc. Rechtfertigungsgrund
  • dd. Verhältnis zur gerichtlichen Mitwirkung
  • ee. Zwischenergebnis
  • b. Durchsetzbarkeit
  • aa. Erkennbarkeit bei Vergleichsschluss
  • bb. Nachträgliche Erkennbarkeit
  • cc. Zwischenergebnis
  • c. Verhältnis zum Aufhebungsvertrag
  • 3. Ergebnis
  • B. Streitgegenstand „Arbeitsverhältnis“
  • I. Bestandsstreitigkeit
  • 1. Herrschende Ansicht
  • 2. Gegenansicht
  • 3. Ergebnis
  • II. Neuabschluss
  • C. Gegenseitiges Nachgeben – Die Befristung als Regelungsgegenstand
  • I. Ausgangspunkt: Nachträgliche Befristung
  • II. Aufhebungsvertrag
  • 1. Differenzierung
  • 2. Abgrenzungskriterien
  • III. Künftig erst noch zu vereinbarende Befristung
  • IV. Abwicklungsvertrag / Befristete Rahmenvereinbarung
  • V. Befristung einzelner Arbeitsbedingungen
  • VI. Bedingtes Arbeitsverhältnis
  • VII. Dauer der Befristung
  • 1. Allgemein
  • 2. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG
  • § 2. Gerichtliche Mitwirkung
  • A. Streitstand
  • I. Ausgangspunkt
  • II. Innerhalb des Arbeitsrechts
  • 1. Rechtsprechung / Ablehnende Ansicht
  • 2. Gegenansicht
  • 3. Zwischenergebnis
  • B. Analyse
  • I. Nach dem allgemeinen Zivilrecht
  • 1. Wortlaut
  • 2. Gesetzeshistorie
  • 3. Systematik
  • 4. Telos
  • 5. Ergebnis
  • II. Nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG
  • 1. Vorbemerkung
  • 2. Wortlaut
  • 3. Gesetzeshistorie
  • 4. Telos
  • 5. Gesetzessystematik
  • a. Gesetzgeberische Interessenabwägung
  • b. Außergesetzliche Befristungsgründe
  • c. Missbrauchsprüfung
  • 6. Zwischenergebnis
  • III. Endergebnis
  • C. Empfehlung für die Praxis
  • I. Zukünftiger Kurs des BAG
  • II. Gerichtliche Zueignung des Parteivorschlags
  • 1. Allgemein
  • 2. Differenzierung
  • a. Meinungsstand
  • b. Stellungnahme
  • c. Ergebnis
  • D. Außergerichtlicher Vergleich
  • I. Meinungsstand
  • II. Ausnahmen
  • § 3. Form
  • A. Notwendigkeit
  • B. Problematik
  • I. Streitstand
  • 1. Ablehnende Ansicht
  • 2. Rechtsprechung / Gegenansicht
  • II. Ergebnis
  • 1. Umgehung des Meinungsstreits
  • 2. Empfehlung für die Praxis
  • C. Schlussbemerkung
  • § 4. Nachträgliche Kontrolle
  • A. Allgemein
  • B. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG
  • I. Befristungsgrund
  • II. Sonstige Vergleichsmängel
  • 1. Materiell
  • 2. Prozessuale Mängel
  • § 5. Resümee
  • Teil 2. EU – Konformität
  • § 6. Europäische Einflussnahme
  • A. Ausgangspunkt
  • B. Anwendbarkeit
  • § 7. Einhaltung europäischer Vorgaben
  • A. Meinungsstand
  • B. Vorgaben des europäischen Gesetzgebers
  • C. Befristungsgrund – Aufschlüsselung durch den EuGH
  • I. Ausgangspunkt
  • II. Gerichtliche Mitwirkung als Befristungsgrund
  • III. Befristungsbedarf: Rechtsfrieden
  • IV. Bestandsstreitigkeit
  • V. Vorübergehender Bedarf
  • VI. Objektive Umstände
  • 1. Anforderungen
  • 2. Beweisproblematik
  • VII. Absenkung des allgemeinen Arbeitnehmerschutzniveaus
  • VIII. Erkenntnisse aus anderen Bereichen
  • IX. Ergebnis
  • D. Gerichtliche Mitwirkung
  • I. Europäische Vorgaben
  • 1. Konkrete Missbrauchskontrolle
  • 2. Umstände
  • II. Folgen für das nationale Recht
  • 1. Unmittelbare Konsequenzen
  • 2. Übertragung auf § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG
  • a. Konkrete Missbrauchskontrolle
  • b. Gerichtliche Mitwirkung
  • aa. Unionskonforme Auslegung
  • bb. Bindung der nationalen Gerichte
  • cc. BAG
  • III. Ergebnis
  • § 8. Europarechtskonformer Umsetzungsakt
  • A. Meinungsstand
  • I. Gegenansicht
  • II. Rechtsprechung und herrschende Literatur
  • B. Analyse
  • I. Umsetzungsspielraum
  • II. Zwingende Vorgaben
  • III. Ergebnis
  • § 9. Resümee
  • Zusammenfassung
  • Entscheidungsverzeichnis
  • Literaturverzeichnis

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Einführung

Der Prozessvergleich nimmt im Arbeitsrecht eine besondere Stellung ein. Die nur in Ausnahmen zulässige Befristung wird über den Weg des gerichtlichen Vergleichs gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG gerechtfertigt. Die Vorschrift stellt zum einen die nationale Umsetzung einer europäischen Richtlinie mit hohem Umsetzungsspielraum dar, die sich des nationalen Richterrechts bediente. Zum anderen wird der Vergleich durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz, das Bürgerliche Gesetzbuch und die Zivilprozessordnung bestimmt. Aus der unterschiedlichen Zielsetzung und der fehlenden Abstimmung dieser Gesetze ergibt sich eine hohe Rechtsunsicherheit. Diese wurde in den letzten Jahren dadurch verstärkt, dass mit § 278 Abs. 6 ZPO neue Vergleichsalternativen eingeführt wurden, die auch im schriftlichen Prozess einen Prozessvergleich ermöglichen. Das BAG1 verneinte diesbezüglich eine vollständige Gleichstellung zum klassischen Vergleich und lehnte teilweise die Anwendung des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG ab. Diese Ansicht stieß auf starke Kritik, so dass das LAG Niedersachsen2 in einer späteren Entscheidung dem BAG ausdrücklich nicht folgte.

Die Konsequenzen dieser Rechtsunsicherheit sind außergewöhnlich hoch und können zu einem verwunderlichen Ergebnis führen. Die umstrittenste Voraussetzung stellt die gerichtliche Mitwirkung im Rahmen des Vergleichsschlusses dar. Das Gericht muss auf den Vergleich einwirken, damit der Befristungsgrund wirksam zustande kommt und keine unbefristete Beschäftigung gemäß § 16 TzBfG eintritt. Die Parteien werden das Handeln des Gerichts nicht anzweifeln und dessen verfahrenstechnischen Anregungen folgen. Allerdings besteht eben auch in der Rechtsprechung Uneinigkeit darüber, wie dieses Merkmal zu verstehen ist. In einigen Fällen wird es dazu kommen, dass der Arbeitgeber sich auf Anregung des Gerichts von einer streitigen Kündigung löst und mittels eines Vergleichs eine Befristung vereinbart. Steht der angeregte Verfahrensweg und die damit zusammenhängende gerichtliche Mitwirkung im Verhältnis zur höchstrichterlichen Ansicht nicht im Einklang, so führt die Tätigkeit des Gerichts und das Vertrauen der Arbeitsparteien in diese dazu, dass der gekündigte Arbeitnehmer über den Weg der Befristung ein unbefristetes Arbeitsverhältnis erlangt. ← 1 | 2 →

Die Aufgabe dieser Dissertation ist es, den Prozessvergleich zum Zwecke des Rechtsfriedens und der Prozessökonomie wieder handhabbarer zu machen und die abschreckende Wirkung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses aufgrund einer bloßen Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Im Folgenden werden die Besonderheiten des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG herausgearbeitet, die Voraussetzungen klar dargestellt und die sich ergebenen Problematiken einer Lösung zugeführt. Spezialvorschriften (§ 23 TzBfG) oder vom Befristungsgrund unabhängig Aspekte werden, sofern diese nicht zur Ergebnisfindung beitragen, ausgeblendet. Die Arbeit wird in zwei Teile aufgeteilt. Im ersten Teil erfolgt zunächst eine rein nationale Betrachtung, im zweiten Teil wird sodann das gefundene Ergebnis mit dem europäischen Recht verglichen. Die Untersuchung erfolgt dementsprechend nach der klassischen Methodenlehre3 unter nachträglicher Beachtung einer richtlinienkonformen Auslegung.4 Die Reihenfolge entspricht dabei der gesetzlichen Entwicklung.5 Mit dem TzBfG wird die Richtlinie 1999/70/EG über befristete Arbeitsverträge umgesetzt.6 Im Rahmen des Umsetzungsspielraums übernahm allerdings der Gesetzgeber in wesentlichen Punkten das nationale Richterrecht.7

Im ersten Teil werden die Voraussetzungen des Befristungsgrundes näher untersucht. Begonnen wird mit den materiell – rechtlichen Erfordernissen eines Vergleichs (§ 1). Es stellen sich hierbei die Fragen, wie der dem Vergleich zugrunde liegende Streit beschaffen sein muss, welchen Bezugspunkt dieser hat und wie er aufgelöst werden kann. Anschließend wird der prozessuale Bestandteil in Gestalt der gerichtlichen Mitwirkung beleuchtet (§ 2). Die maßgebliche Frage ist dort, welche Vergleichsalternativen der Zivilprozessordnung dem Befristungsrecht genügen. Entscheidende Rolle spielt der Grad der gerichtlichen Einflussnahme. Im Anschluss wird auf das Schriftformerfordernis in § 14 Abs. 4 TzBfG eingegangen (§ 3). Das Ende des ersten Teils bildet die nachträgliche Kontrolle der genannten Voraussetzungen (§ 4) und eine knapp zusammenfassende Stellungnahme (§ 5). ← 2 | 3 →

Im zweiten Teil erfolgt sodann eine nochmalige Betrachtung anhand europäischer Gesichtspunkte. Zunächst soll daher kurz die europäische Einflussnahme auf das Befristungsrecht aufgezeigt werden (§ 6). Im weiteren Verlauf werden die Vorgaben des Unionsrechts herausgearbeitet und mit dem nationalen Recht in Verbindung mit dem im ersten Teil gefundenen Ergebnis verglichen (§ 7). Separat geprüft werden soll, ob § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG auch formell als Umsetzungsakt genügt (§ 8). Der zweite Teil wird ebenfalls durch ein knappes Resümee abgeschlossen (§ 9). Eine Zusammenfassung der beiden Teile bildet das Ende. ← 3 | 4 →


1 BAG, Urt. v. 15.02.2012 – 7 AZR 734/10, NJW 2012, 3117.

2 LAG Niedersachsen, Urt. v. 05.11.2013 – 1 Sa 489/13.

3 Savigny, S. 213 ff., 217.

4 MüKoBGB/Säcker, B. 1, Einl., Rn. 145 ff., 74 ff.

5 Vgl. TLL/Thüsing, Einl., Rn. 36; SPV/Preis, Rn. 53 ff.; Nägele/Heeder, S. 270 ff.

6 BT-Drucks. 14/4374, S. 1 – 2, 12.

7 BT-Drucks. 14/4374, S. 13; BT-Drucks. 14/4625, S. 2; EuGH, Urt. v. 26.01.2012 – C-586/10, BeckRS 2012, 80149, Rn. 31.

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Teil 1.  Nationale Anforderungen und Schranken

Im Folgenden werden die Voraussetzungen herausgearbeitet, die ein Befristungsgrund im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG erfüllen muss. Der gerichtliche Vergleich ist eine Unterform des Oberbergriffs „Prozessvergleich“.8 Auch im Arbeitsrecht ist die sog. Doppelnatur bedeutsam, weshalb die materiellen und prozessualen Voraussetzungen eines solchen Vergleichs zu beachten sind.9 Hierzu gehören in erster Linie die Voraussetzungen eines materiellen Vergleichs und die gerichtliche Mitwirkung. Unbeachtlich ist diesbezüglich, ob ein mittels Protokollierungstermin abgeschlossener Vergleich oder ein Vergleich im Sinne des § 278 Abs. 6 ZPO vorliegt, da bereits die Gesetzesmaterialien zu § 278 Abs. 6 ZPO von einer Doppelnatur ausgehen und beispielsweise auf § 779 BGB verweisen.10 Das Beruhen (der arbeitsvertraglichen Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich) stellt keine eigenständige Voraussetzung dar, sondern lässt einen Umstand erkennen, der – wie im Folgenden an mehreren Stellen näher dargestellt – oftmals zu arbeitsrechtlichen Modifikationen zwingt.

§ 1.  Der Vergleich

Der Vergleich setzt gemäß § 779 BGB die zumindest teilweise Beseitigung eines Streits voraus.11 Dies wird ebenfalls auf prozessualer Ebene gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gefordert, meint aber nur die Anhängigkeit eines kontradiktorischen Verfahrens.12 ← 5 | 6 →

A.  Gegenläufige Parteiansichten

Näher zu beleuchten ist zunächst die Beschaffenheit des Streits, welche im Rahmen des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG eine besondere Stellung einnimmt.

I.  Rechtsprechung / Herrschende Ansicht

Details

Seiten
XIII, 139
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653064810
ISBN (ePUB)
9783653958270
ISBN (MOBI)
9783653958263
ISBN (Hardcover)
9783631667934
DOI
10.3726/978-3-653-06481-0
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (November)
Schlagworte
Gerichtliche Mitwirkung fiktive Bestandsstreitigkeit Veranlassungsgefahr
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. XIV, 139 S.

Biographische Angaben

Marc Bohlen (Autor:in)

Marc Bohlen studierte Rechtswissenschaften an der Universität Passau und absolvierte das Referendariat in Passau, München und Ingolstadt. Er wurde an der LMU München promoviert. Der Schwerpunkt seiner Ausrichtung liegt im Wirtschaftsprivatrecht.

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