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Qualifikationskonflikte bei Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht

Eine Analyse der abkommensrechtlichen Behandlung von grenzüberschreitend gezahlten Sondervergütungen bei Mitunternehmerschaften

von Ariane Bresgen (Autor:in)
©2016 Dissertation XXVI, 302 Seiten

Zusammenfassung

Die Autorin widmet sich der Betrachtung der internationalen Personengesellschaftsbesteuerung, insbesondere der grenzüberschreitend gezahlten Sondervergütungen und der daraus folgenden abkommensrechtlichen Behandlung. Treffen verschiedene Rechtssysteme aufeinander, kann es aufgrund der divergierenden Besteuerung von Personengesellschaften zu Qualifikationskonflikten kommen. Der nationale Gesetzgeber versucht durch § 50d Abs. 10 EStG das inländische Besteuerungsrecht an grenzüberschreitend gezahlten Sondervergütungen zu sichern, wohingegen der Bundesfinanzhof an der autonomen Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen festhält. Schwerpunkt des Buches ist die Analyse der Reichweite sowie die Verfassungsmäßigkeit des § 50d Abs. 10 EStG. Weiterhin stehen die Zuordnung der Sondervergütung zu einer Betriebsstätte sowie der Zuordnungsmaßstab im Vordergrund.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Geleitwort
  • Vorwort
  • Inhaltsübersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • A. Einleitender Teil
  • I. Einführung und Problemstellung
  • II. Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung
  • B. Grundlagen der Untersuchung
  • I. Personengesellschaftsbesteuerung in Deutschland
  • 1. Grundlagen der nationalen Personengesellschaftsbesteuerung
  • 1.1 Zivilrechtliche Grundlagen und Rechtsstellung einer deutschen Personengesellschaft
  • 1.2 Rechtsfähigkeit und Subjekteigenschaften bei Personengesellschaften
  • 2. Konzeptionelle Grundlagen der Besteuerung gewerblicher Mitunternehmerschaften
  • 2.1 Entwicklung der Personengesellschaftsbesteuerung in Deutschland
  • 2.2 Einkünftezurechnung und -qualifikation gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG
  • 2.3 Mitunternehmerstellung des Gesellschafters
  • 2.4 Gewinnermittlung und Vermögensabgrenzung bei Mitunternehmerschaften
  • II. Sonderbetriebsvermögen sowie Sondervergütungen bei Personengesellschaften
  • 1. Sonderbetriebsvermögen sowie Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben
  • 2. Sondervergütungen bei Mitunternehmerschaften
  • 2.1 Begriff der Sondervergütung
  • 2.2 Voraussetzungen und Ausnahmen der Sondervergütungen
  • 2.3 Arten der Sondervergütung
  • 2.3.1 Tätigkeitsvergütungen
  • 2.3.2 Nutzungsvergütungen
  • III. Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht
  • 1. Vorbemerkung
  • 2. Besteuerungskonzeptionen von Personengesellschaften
  • 2.1 Personengesellschaften als eigenständiges Steuerrechtssubjekt
  • 2.2 Besteuerung nach dem Transparenz- bzw. Mitunternehmerprinzip
  • 2.3 Wahlrecht und Optionsmodell
  • 3. Qualifikation ausländischer Rechtsgebilde im deutschen Steuerrecht
  • IV. Nationale Behandlung von Sondervergütungen international agierender Personengesellschaften
  • 1. Beteiligung eines ausländischen Gesellschafters an einer inländischen Personengesellschaft
  • 1.1 Vorbemerkung
  • 1.2 Betriebsstätte des Mitunternehmers
  • 1.3 Existenz einer eigenen Betriebsstätte des Gesellschafters
  • 1.4 Nationale Zulässigkeit von floating income
  • 1.4.1 Begriff der betriebsstättenlosen Unternehmensgewinne
  • 1.4.2 Zulässigkeit nach deutschem Recht
  • 1.5 Zurechnung der Sondervergütung
  • 1.6 Zwischenfazit
  • 2. Beteiligung eines inländischen Gesellschafters an einer ausländischen Personengesellschaft
  • C. Grenzüberschreitende Abkommen und Qualifikationskonflikte
  • I. Grundlagen der Doppelbesteuerungsabkommen
  • 1. Qualifikationskonflikte durch die Behandlung internationaler Personengesellschaften
  • 2. Vermeidung der Doppelbesteuerung durch nationales Recht
  • 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Abkommensrecht
  • 3.1 Grundlagen der Doppelbesteuerungsabkommen
  • 3.2 Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen
  • 4. Ausgewählte Einkunftsarten und Besteuerungsrechte
  • 4.1 Spezialitätenvorrang und Betriebsstättenvorbehalt
  • 4.2 Unternehmensgewinne nach Artikel 7 OECD-MA
  • 4.3 Spezielle Einkunftskategorien
  • 4.3.1 Dividenden
  • 4.3.2 Zinsen
  • 4.3.3 Lizenzen
  • II. Qualifikationskonflikte bei internationalen Mitunternehmerschaften
  • 1. Qualifikationskonflikte bei grenzüberschreitenden Personengesellschaften
  • 1.1 Entstehung von Qualifikationskonflikten
  • 1.2 Subjektive Qualifikationskonflikte
  • 1.3 Objektive Qualifikationskonflikte
  • 2. Bedeutung des OECD-Partnership Reports
  • 3. Innerstaatliche Anwendung der DBA auf Personengesellschaften
  • 4. Deutsche Verhandlungsgrundlage für DBA
  • D. Steuerrechtliche Behandlung von grenzüberschreitenden Sondervergütungen
  • I. Behandlung grenzüberschreitender Sondervergütungen
  • 1. Steuerliche Behandlung von Sondervergütungen bei Nichtvorliegen von DBA
  • 2. Steuerliche Behandlung von Sondervergütungen bei Vorliegen von DBA
  • 2.1 Einfluss der DBA auf die Behandlung von Sonderbetriebsvermögen
  • 2.2 Zurechnungs- und Qualifikationskonflikte im Sonderbetriebsbereich
  • 2.3 Sonderregelungen zum Sonderbetriebsbereich in DBA
  • II. Rechtsentwicklung vor Einführung des § 50d Abs. 10 EStG
  • 1. Nationale Behandlung der Sondervergütung vor § 50d Abs. 10 EStG
  • 2. Auffassung der Finanzverwaltung und des BFH
  • 3. Auffassung des Schrifttums
  • 4. Auffassung des OECD-Partnership-Reports
  • 5. Analyse der vertretenen Auffassungen
  • III. Einführung des § 50d Abs. 10 EStG i. d. F. des JStG 2009
  • 1. Entstehung und Würdigung der Regelung
  • 1.1 Entstehung und Gesetzesbegründung
  • 1.2 Würdigung der dogmatischen Gesetzesbegründung
  • 2. Auffassung der Finanzverwaltung
  • 3. Auffassung der Rechtsprechung
  • 4. Auffassung des Schrifttums
  • 5. Stellungnahme zum § 50 Abs. 10 EStG i. d. F. des JStG 2009
  • 5.1 Kritik der Auffassungen zum § 50d Abs. 10 EStG i. d. F. des JStG 2009
  • 5.2 Stellungnahme zur Rückwirkung der Regelung
  • 5.3 Stellungnahme zum enthaltenen treaty override der Norm
  • 5.4 Vermeidung der Doppelbesteuerung aufgrund von § 50d Abs. 10 EStG a. F.
  • E. Regelung des § 50d Abs. 10 EStG i. d. F. des AmtshilfeRLUmsG
  • I. Einführung des § 50d Abs. 10 EStG i. d. F. des AmtshilfeRLUmsG
  • 1. Grund der Neuregelung
  • 1.1 Ausgestaltung und Gesetzesbegründung
  • 1.2 Überblick über die kritische Würdigung der Gesetzesbegründung
  • 1.3 Outbound-Gestaltungen des § 50d Abs. 10 EStG n. F.
  • 2. Auffassung der Gesetzgebung und der Finanzverwaltung
  • 3. Auffassung der Rechtsprechung
  • 4. Auffassung des Schrifttums
  • 5. Stellungnahme zum § 50d Abs. 10 EStG i. d. F. des AmtshilfeRLUmsG
  • 5.1 Notwendigkeit des § 50d Abs. 10 EStG n. F. zur Steuersubstratsicherung
  • 5.2 Anrechnungsmöglichkeit des § 50d Abs. 10 S. 5 EStG n. F.
  • 5.3 Grenzüberschreitende Betriebsaufspaltungen und gewerblich infizierte Personengesellschaften i. S. v. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG
  • 5.4 Aufwendungen und Erträge aus dem Sonderbetriebsvermögen
  • 5.5 Anwendung bei Einkünften aus selbständiger Arbeit
  • 5.6 DBA mit Sonderregelungen und Betriebsstättenzugehörigkeit
  • II. Zuordnungsproblematik der abkommensrechtlichen Sondervergütungen
  • 1. Zuordnungsfiktion des § 50d Abs. 10 S. 3 EStG i. d. F. des AmtshilfeRLUmsG
  • 2. Zurechnung der Vergütung zur Personengesellschaft
  • 3. Auswirkungen der Betriebsstättenvorbehalte auf die Zuordnung der Sondervergütungen
  • 3.1 Auffassung der Rechtsprechung
  • 3.2 Auffassung des Schrifttums
  • 3.3 Zwischenfazit
  • 4. Zuordnungskriterien des Art. 7 OECD-MA
  • 4.1 Zuordnungsgrundsätze des Art. 7 OECD-MA
  • 4.2 Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes
  • 4.3 Zuordnung des Unternehmensgewinns nach AOA-Grundsätzen
  • 4.4 Zuordnung nach wirtschaftlichen-funktionalen Grundsätzen
  • 5. Zuordnung der Sondervergütung zur Mitunternehmerbetriebsstätte
  • 5.1 Existenz einer abkommensrechtlichen Mitunternehmerbetriebsstätte
  • 5.2 Zurechnung der vertraglichen Sondervergütung
  • 5.3 Betriebsstättenlose Sondervergütungen im Abkommensrecht
  • 6. Fazit der Zuordnungsproblematik
  • III. Weitere Problembereiche und Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf § 50d Abs. 10 EStG n. F.
  • 1. Gestaltungsmöglichkeiten anhand des § 50d Abs. 10 EStG n. F.
  • 2. Überblick über die Behandlung von Sondervergütungen in Dreieckssachverhalten
  • IV. Rechtliche Bedenken und Rechtswidrigkeit des § 50d Abs. 10 EStG
  • 1. Treaty override und § 50d Abs. 10 EStG
  • 1.1 Begriff und Einordnung einer abkommensüberschreibenden Vorschrift
  • 1.1.1 Definition
  • 1.1.2 Konsequenz eines Vertragsbruchs
  • 1.1.3 Fallgruppen
  • 1.2 Innerstaatliche Zulässigkeit
  • 1.2.1 Wirksamkeit des abkommensverdrängenden Gesetzes
  • 1.2.2 Zulässigkeit völkerrechtswidriger Gesetze im innerstaatlichen Recht
  • 1.2.2.1 Verstoß gegen das Recht der Europäischen Union
  • 1.2.2.2 Verstoß gegen nationales Verfassungsrecht
  • 1.2.2.3 Verstoß aufgrund des Vorrangs völkerrechtlicher Vereinbarungen
  • 1.3 Anwendung auf § 50d Abs. 10 EStG i. d. F. des AmtshilfeRLUmsG
  • 1.3.1 Vorlagebeschluss des BFH an das BVerfG
  • 1.3.2 Einstufung als treaty override
  • 1.3.3 Erfüllung der ausreichenden Kennzeichnungspflicht
  • 1.3.4 Vereinbarkeit mit innerstaatlichem Recht
  • 1.3.4.1 Verstoß gegen die Eigentumsfreiheit nach Art 14 Abs. 1 GG
  • 1.3.4.2 Verstoß gegen die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG
  • 1.3.4.3 Verstoß gegen die Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG
  • 1.4 Verfassungswidrigkeit des treaty overrides
  • 2. Rückwirkende Geltung des § 50d Abs. 10 EStG
  • 2.1 § 50d Abs. 10 EStG und Rückwirkung
  • 2.2 Art der Rückwirkung
  • 2.3 Zulässigkeit der Rückwirkung des § 50d Abs. 10 EStG i. d. F. 2009
  • 2.3.1 Echte Rückwirkung (Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2007)
  • 2.3.2 Unechte Rückwirkung (Veranlagungszeitraum 2008)
  • 2.4 Zulässigkeit der Rückwirkung des § 50d Abs. 10 EStG i. d. F. des AmtshilfeRLUmsG
  • 2.4.1 Echte Rückwirkung (Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2012)
  • 2.4.2 Unechte Rückwirkung (Veranlagungszeitraum 2013)
  • V. Ergebnis der Behandlung abkommensrechtlicher Sondervergütungen
  • F. Lösungsansätze zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung bzw. doppelten Nichtbesteuerung
  • I. Entstehung von Doppelbesteuerung
  • 1. Entstehung und Bestehenbleiben trotz Anwendung von Abkommensrecht
  • 2. Vermeidung durch Auslegung der Methodenartikel
  • 2.1 Auffassung der OECD sowie deutscher Vertreter
  • 2.2 Auffassung des Schrifttums
  • 2.3 Stellungnahme
  • 3. Vermeidung durch generelle Regelungen
  • 3.1 Abkommensrechtliche Rückfallklauseln
  • 3.2 Abkommensrechtliche switch-over-Klauseln
  • 3.3 Verständigungsverfahren i. S. d. Art. 25 OECD-MA
  • 3.4 Sonderregelungen in DBA
  • 4. Zwischenfazit
  • II. Entstehung und Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung
  • 1. Begriff und Auftreten der doppelten Nichtbesteuerung
  • 2. Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung oder Minderbesteuerung
  • 2.1 Ebene der DBA
  • 2.1.1 Auslegung der Methodenartikel
  • 2.1.2 Stellungnahme und Zwischenfazit
  • 2.2 Nationale Ebene i. S. d. § 50d Abs. 10 i. V. m. Abs. 9 EStG
  • 2.2.1 Zweck der Regelung
  • 2.2.2 Reichweite der Vorschrift
  • 2.2.3 Anwendung auf Sondervergütungen
  • 2.2.4 Abkommensverdrängende Wirkung der Regelung
  • 2.2.4.1 Einstufung und Kennzeichnung des treaty override
  • 2.2.4.2 Verfassungsrechtliche Überprüfung des treaty overrides
  • 2.2.5 Zulässigkeit der rückwirkenden Anwendung des § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 1 EStG
  • 2.2.5.1 Art und Zulässigkeit der Rückwirkung
  • 2.2.5.2 Echte Rückwirkung bis Veranlagungszeiträume 2005
  • 2.2.5.3 Unechte Rückwirkung des Veranlagungszeitraums 2006 sowie Ergebnis
  • 3. Zwischenfazit
  • III. Aktuelle Entwicklungen auf Ebene der OECD
  • 1. Bekämpfung der grenzüberschreitenden Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung
  • 2. Internationale Personengesellschaften und grenzüberschreitende Sondervergütungen im Lichte der BEPS-Diskussion
  • 2.1 Neutralisierung der Effekte von Hybrid Mismatch Arrangements (Maßnahme 2)
  • 2.2 Verhinderung von Abkommensmissbrauch (Maßnahme 6)
  • 2.3 Verbesserung der Effizienz von Streitbeilegungsmechanismen (Maßnahme 14)
  • 2.4 Entwicklung eines multilateralen Instruments (Maßnahme 15)
  • 3. Stellungnahme
  • G. Schlussteil
  • I. Schlussbetrachtung
  • II. Ausblick
  • Literaturverzeichnis
  • Rechtsprechungsverzeichnis
  • Verzeichnis der Gesetzestexte und Gesetzgebungsmaterialien
  • Verzeichnis der Schreiben und Veröffentlichungen des BMF
  • Rechtsstand

← XX | XXI →

Abkürzungsverzeichnis

← XXVI | 1 →

A.   Einleitender Teil

I.   Einführung und Problemstellung

Die steuerliche Behandlung von Personengesellschaften gehört trotz ihrer herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung in Deutschland1 zu den schwierigsten und umstrittensten Themengebieten des nationalen und internationalen Steuerrechts.2 Die Beliebtheit der Rechtsform, aber auch ihre Komplexität ergibt sich u. a. aus ihrer hohen Flexibilität und den hieraus resultierenden Gestaltungsmöglichkeiten der Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander. Durch ihre zivil- und steuerrechtlich divergierende Rechts- bzw. Steuerrechtssubjektfähigkeit führt die Personengesellschaft zur direkten Besteuerung auf Gesellschafterebene (Transparenzprinzip des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG), was in Form des steuerlichen Durchgriffs durch die Gesellschaft auf den Gesellschafter eine einzigartige Besonderheit im Besteuerungsverfahren darstellt. Bedingt durch die fortschreitende Internationalisierung üben Unternehmen zunehmend ihr in- sowie ausländisches Wirtschaften durch (Um-)Strukturierungen in der Rechtsform der Personengesellschaft aus.3 Nicht zu unterschätzen ist hierbei das Komplexitätsgefüge, das durch Qualifikationskonflikte bei der unterschiedlichen Behandlung der Personengesellschaften durch verschiedene Steuerrechtsordnungen sowie der komplexen Besonderheiten des nationalen und internationalen Steuerrechts entstehen kann.

Wegen einer fehlenden internationalen Steuersystemharmonisierung für Personengesellschaften, ergeben sich deshalb besondere steuerliche Herausforderungen, die beispielweise bereits bei der Einstufung des Gesamtgebildes beginnen: Gelten Personengesellschaften in einigen Ländern aufgrund der einschlägigen Rechtsordnung als juristische Person, so werden sie in anderen als gesamthänderisches Gebilde (Mitunternehmerschaft) eingestuft. Infolgedessen können bereits bei nationaler Einstufung des Rechtsgebildes der Personengesellschaft Einordnungs- und Klassifikationskonflikte entstehen.4 Darüber hinaus werden Personengesellschaften in Deutschland in einem zweistufigen Gewinnermittlungsverfahren besteuert, das weltweit nur wenigen Staaten bekannt ist.5 Erschwert wird die Behandlung der Personengesellschaft im internationalen Steuerrecht, wenn zusätzlich Gestaltungen verwendet werden, die einem anderen beteiligten Staat unbekannt sind. Ein Beispiel stellen die nach deutschem Recht als Sonderbetriebseinnahmen zu qualifizierenden ← 1 | 2 → Vergütungen einer inländischen Personengesellschaft an ihre ausländischen Gesellschafter (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Hs. 2 EStG) dar.6 Liegt ein grenzüberschreitender Sachverhalt vor, so kann das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Sondervergütungen durch ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) beschränkt oder gänzlich ausgeschlossen sein.7 Enthält das anzuwendende DBA keine ausdrückliche Regelung zur Behandlung und Zuordnung der Sondervergütungen, gilt nach nationaler Auffassung § 50d Abs. 10 EStG8. Hiernach sind grenzüberschreitende Sondervergütungen, sofern das anzuwendende DBA keine Spezialnorm hierfür enthält, abkommensrechtlich den Unternehmensgewinnen zuzuordnen (§ 50d Abs. 10 S. 1 EStG). Diese Einordnung ist in grenzüberschreitenden Sachverhalten problematisch, sofern der ausländische Vertragsstaat für die Qualifizierung und Einordnung der Sondervergütungen auf eine andere Rechtnorm verweist. Denkbar und wahrscheinlich ist vor allem eine Einordnung der gezahlten Sondervergütungen unter die speziellen Verteilungsartikel des einschlägigen DBA. Hieraus ergibt sich ein divergierendes Besteuerungsrecht und folglich die Möglichkeit der Doppelbesteuerung der Vergütungen.

Allerdings beziehen sich die Problembereiche der Behandlung von Sonderbetriebsvermögen nicht ausschließlich auf internationale Sachverhalte. Generell handelt es sich bei diesem Thema um einen der kontroversesten Streitpunkte im nationalen sowie internationalen Steuerrecht. Bereits die Frage, ob der deutsche Fiskus grenzüberschreitende Sondervergütungen besteuern darf, führte aufgrund der unterschiedlichen Rechtsauffassung zwischen dem Bundesfinanzhof (BFH) und der Finanzverwaltung zu umfangreichen Diskussionen, die seit über 20 Jahren andauern.9 Um sich gegen die unerwünschte Rechtsprechung des BFH durchzusetzen, normierte der Gesetzgeber ein Nichtanwendungsgesetz10. Die Behandlung grenzüberschreitender Sondervergütungen wurde folglich im Zuge des Jahressteuergesetzes 200911 (JStG 2009) gesetzlich festgeschrieben, um das deutsche Besteuerungsrecht für alle gewerblichen Einkünfte im Inbound-Fall zu sichern. Allerdings negierte die Rechtsprechung in einigen Urteilen die Geltung des § 50d Abs. 10 EStG ← 2 | 3 → i. d. F. des JStG 200912, sofern die Unternehmensgewinne keiner deutschen Betriebsstätte zuzuordnen waren.13 Im Ergebnis lief die Umqualifizierung der Sondervergütungen in abkommensrechtliche Unternehmensgewinne ins Leere. Als Folge wurde mit dem AmtshilfeRLUmsG14 in 2013 eine Neufassung des § 50d Abs. 10 EStG15 eingeführt, die auf alle Fälle anzuwenden ist, in denen die Einkommen- und Körperschaftsteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt wurde (§ 52 Abs. 59a S. 10 EStG).

Mithilfe der Neuregelung sollen die Sondervergütungen unbeachtlich anderer abkommensrechtlichen Zuordnungsnormen der Betriebsstätte zugerechnet werden, der der Aufwand für die der Vergütung zugrunde liegende Leistung bzw. der die Vergütung zuzuordnen ist (§ 50d Abs. 10 S. 3 EStG n. F.). Die Komplexität der Norm hat durch die Neuregelung erheblich zugenommen. So kann eine Doppelbesteuerung dadurch entstehen, dass der ausländische Staat die Sondervergütungen abweichend z. B. als Lizenzgebühren qualifiziert, oder das Bestehen einer inländischen Betriebsstätte negiert. Doch auch die jüngste Rechtsprechung des BFH trägt nicht zur Klarstellung der Behandlung von grenzüberschreitenden Sondervergütungen bei und lässt kein Ende im Meinungsstreit erkennen. Denn im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung verwirft der BFH in neueren Urteilen seine ursprüngliche Auffassung und nähert sich in Zurechnungsfragen von Sonderbetriebsvermögen den Ansichten der Finanzverwaltung an.16

Darüber hinaus gilt die Regelung des § 50d Abs. 10 EStG als abkommensüberschreibende Vorschrift (sog. treaty override), sodass die verfassungsmäßigen Bedenken gegen die Regelung i. d. F. des JStG 2009 sowie i. d. F. des AmtshilfeRLUmsG bereits dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt wurden.17 Der Ausgang dieser Beschwerde könnte weitreichende Folgen sowohl auf die generelle Verfassungsmäßigkeit von treaty overrides als auch auf die grenzüberschreitende Behandlung von Sondervergütungen haben. Im Ergebnis bleibt die steuerliche Behandlung von Sondervergütungen umstritten und je nach Ausgang der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts könnte die Diskussion erneut von vorne beginnen und ihre Grundlagen einer wiederholten Prüfung unterliegen. ← 3 | 4 →

II.   Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung

Anhand der vorliegenden Dissertation soll die Behandlung der abkommensrechtlichen Sondervergütungen von Personengesellschaften an ihre Gesellschafter analysiert werden. Hierfür soll vor allem auf die Regelung des 50d Abs. 10 EStG i. d. F. des JStG 2009 sowie i. d. F. des AmtshilfeRLUmsG eingegangen werden. Die betrachteten Gestaltungen umfassen dabei einerseits den Fall, dass das Besteuerungsrecht Deutschlands eingeschränkt wird, wenn die Sondervergütungen zugunsten eines im Ausland ansässigen Gesellschafters (Inbound-Fall) gezahlt werden. Andererseits werden Fallgestaltungen umfasst, in denen Sondervergütungen zugunsten einer im Ausland ansässigen Personengesellschaft mit inländisch beteiligtem Gesellschafter (Outbound-Fall) gezahlt werden. Die kritische Auseinandersetzung mit der Alt- und insbesondere der Neufassung soll klären, inwieweit die Problembereiche der Vorschrift aus 2009 beseitigt und die Absicht des Gesetzgebers und der Finanzverwaltung umgesetzt wurde. Darüber hinaus liegt die inhaltliche Analyse der Norm i. d. F. des AmtshilfeRLUmsG im Vordergrund. Die Analyse der Anrechnungsmöglichkeit ausländischer Steuern in Deutschland sowie der Zuordnungsfiktion zu einer aufwandstragenden Betriebsstätte wird durch eine umfangreiche Untersuchung hinsichtlich der Existenz einer originären Mitunternehmerbetriebsstätte und der Möglichkeit abkommensrechtlicher betriebsstättenloser Unternehmensgewinne komplettiert. Des Weiteren soll die vorliegende Arbeit die rechtliche Ausgestaltung des § 50d Abs. 10 EStG n. F. überprüfen und herausstellen, ob die abkommensüberschreibende Umqualifizierung und Zuordnung der Sondervergütungen sowie die rückwirkende Geltung der Norm rechtskonform sind. Als abschließende Herausforderung dieser Dissertation sollen die unilateralen und bilateralen Möglichkeiten zur Verhinderung der Doppelbesteuerung bzw. der doppelten Nichtbesteuerung hinterfragt werden. Hierfür werden die Anrechnungsmöglichkeiten des § 50d Abs. 10 S. 5 EStG, die Auslegung der Methodenartikel der OECD, Sonderregelungen in DBA, subject-to-tax- sowie switch-over-Regelungen und die Anwendung des § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 1 EStG kritisch untersucht.

Zur Erfüllung der Zielsetzung werden in einem ersten Schritt die Grundlagen der nationalen und internationalen Personengesellschaftsbesteuerung dargestellt. Ebenfalls werden die Funktionen und Arten der Sondervergütungen sowie ihre Behandlung nach nationalem Recht erörtert. Aufbauend darauf werden in einem zweiten Schritt die Regelungen der Doppelbesteuerungsabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und Verhinderung der Steuerhinterziehung auf dem Gebiet vom Einkommen und vom Vermögen sowie die Behandlung grenzüberschreitender Sondervergütungen behandelt. Einhergehend werden die möglichen Qualifikationskonflikte bei der (steuerlichen) Behandlung grenzüberschreitend tätiger Personengesellschaften dargestellt. Daran anschließend werden in einem nächsten Schritt die generelle Behandlung der grenzüberschreitenden Sondervergütungen bei Nichtvorliegen und Vorliegen eines DBA sowie die Rechtsentwicklung vor und nach Einführung des § 50d Abs. 10 EStG i. d. F. des JStG 2009 erörtert und analysiert. ← 4 | 5 →

Hauptaugenmerk der vorliegenden Arbeit liegt in der folgenden kritischen Auseinandersetzung mit der Neufassung des § 50d Abs. 10 EStG. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf die Zuordnungsproblematik der Sondervergütungen, die rückwirkende Anwendung der Neuformulierung des § 50d Abs. 10 EStG auf alle noch nicht bestandskräftigen Fälle sowie deren völker- und verfassungsrechtsproblematischer treaty override eingegangen. Anhand der Untersuchung werden ebenfalls auf die Fragen nach der Existenz einer „Mitunternehmer-Betriebsstätte“18 bzw. „Sonderbetrieb-Betriebsstätte“19 und der Abkommensauslegung bei Sonderbetriebsvermögen zur Verhinderung von betriebsstättenlosen Unternehmensgewinnen eingegangen. Weitere Themenschwerpunkte sind u. a. das Spannungsverhältnis von § 1 AStG als Einkünftekorrekturnorm und § 50d Abs. 10 EStG bei unangemessenen Sondervergütungen durch die Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 1 AStG auf Personengesellschaften sowie der Neufassung eines Schreibens des Bundesministerium für Finanzen (BMF)20 zur Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen auf Personengesellschaften.

Aufgrund der abkommensrechtlichen Gestaltung durch § 50d Abs. 10 EStG und der daraus folgenden Behandlung der Sondervergütungen analog zum deutschen Mitunternehmerkonzept, kann eine doppelte Besteuerung oder Keinmalbesteuerung entstehen. Aus diesem Grund werden in einem darauffolgenden Kapitel die Möglichkeiten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bzw. der doppelten Nichtbesteuerung bei Sondervergütungen auf Abkommensebene aufgezeigt und kritisch hinterfragt. Hierzu wird untersucht, inwiefern die Auslegung der Methodenartikel eines DBA oder abkommensrechtlich vereinbarte Regelungen (Rückfall- sowie Umschaltklauseln) ihre Wirkung entfalten und unerwünschte Besteuerungsfolgen verhindern können. Zudem wird die nationale Regelung des § 50d Abs. 9 S. 1 EStG analysiert, auf die der § 50d Abs. 10 S. 8 EStG i. d. F. des AmtshilfeRLUmsG explizit verweist. Dabei wird kritisch hinterfragt, ob die Regelung auf nationaler Ebene die doppelte Nichtbesteuerung verhindern kann. Die Arbeit schließt mit einer Schlussbetrachtung zur Analyse und Kritik der Neuregelung des § 50d Abs. 10 EStG. Weiterhin wird ein Ausblick auf die zukünftige Behandlung grenzüberschreitender Sondervergütungen im Abkommensrecht vor dem Hintergrund der verfassungsmäßigen Überprüfung und weiterer Forschungsvorhaben gegeben. ← 5 | 6 →


1 Vgl. Hennrichs, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2015, § 10 Rn. 3; Schmidt, IStR 2010a, S. 414.

Details

Seiten
XXVI, 302
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653067286
ISBN (ePUB)
9783653959581
ISBN (MOBI)
9783653959574
ISBN (Hardcover)
9783631674000
DOI
10.3726/978-3-653-06728-6
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (April)
Schlagworte
Abkommensrecht Doppelbesteuerung § 50d Abs. 10 EStG Zuordnungsfiktion Besteuerungsrecht
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. XXVI, 302 S.

Biographische Angaben

Ariane Bresgen (Autor:in)

Ariane Bresgen studierte Betriebswirtschaftslehre an der Europäischen Fachhochschule (EUFH), an der California International Business University (USA) sowie mit der Vertiefung Accounting, Auditing and Taxation an der Universität Siegen. Sie war Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt auf Prüfungswesen und Betriebswirtschaftlicher Steuerlehre. Sie ist in der Abteilung Rechnungswesen, Finanzen, Steuern einer großen Kapitalgesellschaft tätig.

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Titel: Qualifikationskonflikte bei Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht
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