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Samuel Becketts paradoxe Negativität in den Romanen «Molloy», «Malone Dies» und «The Unnamable»

von Rüdiger Hillgärtner (Autor:in)
Monographie 325 Seiten

Zusammenfassung

Die Untersuchung folgt den Andeutungen einer negativen Anthropologie in den drei Romanen Becketts, die das Konzept des homo sapiens in Frage stellen. Über die Monologe eines (oder mehrerer) vielleicht wahnsinnigen Protagonisten eröffnet sich dem Leser ein Panorama des Scheiterns von Evolution und Geschichte. Das Ergebnis der Entwicklung erscheint nichtig. Zugleich erlaubt die Untersuchung der Aporien, Paradoxien und Kippfiguren die Annahme einer implizit bleibenden, ironischen Gegenperspektive. Das Nichtige mag als Gleichnis eines unvorstellbaren, ganz anderen Zustands fungieren, der indirekten Ausdruck nur mehr im beredten Schweigen fände.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • I. Leben und Schreiben –Kippfiguren der Negativität
  • II. Molloy
  • 1. Morans Suche
  • 2. Molloys Suche
  • 3. Überkreuzstellung der beiden Teilromane
  • III. Malone Dies
  • IV. The Unnamable
  • V. Eine Ahnung des Unvorstellbaren?
  • Literaturverzeichnis
  • 1. Primärliteratur
  • 2. Sekundärliteratur zu Beckett
  • 3. Sekundärliteratur allgemein
  • 4. Aufgerufene Internetadressen

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I.   Leben und Schreiben –Kippfiguren der Negativität

Abstract: Beckett’s crisis of consciousness and religious belief. Rejection of the theodizee in favour of agnosticism. The author as social critic. Egoism, self and the aporias of self-negation. The influence of Schopenhauer’s philosophical nihilism. The turn to negative aesthetics. A paradoxical quest for salvation.

Unter dem Einfluss akademischer Lehre und kritischer Lektüre wird Samuel Beckett, Student am Trinity College, Dublin, in den 1920er Jahren zum Agnostiker. Er entfernt sich von dem protestantischen Milieu des Elternhauses, ohne sich jemals ganz davon lösen zu können.1 Zum Verlust des Glaubens tragen weitere Erfahrungen bei. Eine Gesellschaft, die sich mit Elend und Leid, mit einer ungleichen Verteilung von Besitz und Chancen abfindet, scheint ihm ohne Legitimation. Dass die Zustände von kirchlicher Seite mit Verweis auf Erbsünde und den unerforschlichen Ratschluss Gottes hingenommen werden, empört ihn. Beckett erscheint der biblische Gott als grausam und ungerecht. Die klerikale Verklärung des Bestehenden im Rahmen der Theodizee, die Rechtfertigung des Leidens als moralischer Wert, als läuternde Vorbereitung auf das Gericht, betrachtet er als verlogen, zynisch und pervers.

Was er um sich herum beobachtet, treibt Beckett in Depressionen. Er begehrt gegen Zustände auf, die ihm chaotisch und sinnlos erscheinen, die er jedoch nicht zu ändern vermag. Er will am Gegebenen nicht teilnehmen, ohne indessen sich ihm ganz entziehen zu können. In der Tendenz verweigert er, unter den aktuellen Umständen leben zu wollen. Als Folge seiner Abwehr quälen ihn Körpersymptome und mentale Erschöpfungszustände, die Gesundheit und Leben bedrohen.

Ein Freund empfiehlt die Imitatio Christi (Das Buch von der Nachfolge Christi) zur Lektüre. Die viel gelesene Erbauungsschrift des flämischen Mystikers Thomas a Kempis (Thomas von Kempen), empfiehlt die Nachfolge des Heilands durch Güte, Demut und Selbstverleugnung. Rückzug aus weltlichem Treiben, Dienst am Nächsten und Überwindung des Egoismus schenke den inneren Frieden.2 Beckett kennt den Text. Könnte er als Agnostiker dem Rat folgen? Er macht ← 7 | 8 → den Versuch und erfährt statt der Verbesserung eine Verschlimmerung seiner Zustände.3

Dem Freund teilt er mit, die Verneinung des Selbst führe nicht zu dessen Überwindung. Stattdessen entspringe der ununterbrochenen Selbstbeobachtung das Gefühl arroganter Überlegenheit, einer elitären Andersheit gegenüber der Umgebung, das seine Isolation verstärke. Hinter geheuchelter Selbstbescheidung verberge sich hochmütige Selbstüberhebung. Er entdecke eine morbide Tendenz in sich, die sein Leben gefährde. Er bricht den Versuch ab.4

Gleichwohl versieht er auch weiterhin, wenn auch ohne christlichen Bezugsrahmen, Selbst und Umwelt mit einem negativen Vorzeichen. Hoffte er, durch innere Distanz gesellschaftlicher Bindungen sich zu begeben und einen Prozess der Reinigung in Gang zu setzen? Suchte er nach einer Position außerhalb des Bestehenden, jenseits der eigenen Existenz? Misstrauen gegen die eigene Person, der Verdacht, durch das bloße Dasein bereits zum Komplizen verhasster Verhältnisse zu werden, treibt Beckett in die Entfremdung von allem und allen, nicht zuletzt von sich selbst.

Der Autor wendet sich gegen lebensfeindliche Umstände, erzeugt und in Gang gehalten von Individuen, welche Täter und Opfer in einem sind. Er versucht, das Negative zu negieren, zu einem Zustand durchzudringen, der die Entfremdung aufheben und die Hoffnung auf Erfüllung einlösen könnte. Der Vorgang führt in einen Teufelskreis, denn das Selbst, das Beckett verneint, ist zugleich das Selbst, das verneint. Subjekt und Objekt des Vorgangs fallen als Gegensatz in eins. Das Individuum, das gegen das Gegebene opponiert, fällt sich in den Rücken, indem es zu dem Abgelehnten gehört.

Erwiese die Gesellschaft sich als lebenslanges Gefängnis für Körper und Bewusstsein? Führte jeder Ausbruchsversuch zu verschärften Haftbedingungen, da er am unvermeidlichen Selbstverrat des Häftlings scheitert? Über die Negation wird das Negierte stets erneuert. Das Resultat der Selbstverneinung ist nicht Selbstlosigkeit, sondern ein widersinniges Nicht-Nicht-Selbst. Auch die verneinte Welt hört nicht auf zu existieren. Sie ersteht auf als Nicht-Nicht-Welt. Müsste die Desertion vorab im Schiffbruch enden? Mündete die versuchte Befreiung in eine Paradoxie? Bliebe als Ziel nicht das Gelingen, sondern allenfalls ein besseres Scheitern je neuer Anläufe? ← 8 | 9 →

Die Imitatio Christi kann die Erlösertat des Heilands in Betracht ziehen. Dem Pilger steht die Aussicht auf Gnade vor Augen. Der Agnostiker, für den nur mehr eine innerweltliche Selbsterlösung in Frage kommt, der sich am eigenen Schopf aus der Misere ziehen müsste, steht vor unüberwindlichen Schwierigkeiten. Wie sollte er Weg und Ziel bestimmen, wenn jede positive Vorstellung sich als korrumpiert erweist? Wie sollte er die Wahrheit erkennen, wenn diese unaussprechlich, mehr noch unausdenkbar bliebe? Welcher Sprache schließlich könnte es gelingen, das Unsagbare zu sagen?

Die Lektüre Schopenhauers, “an intellectual justification of unhappiness – the greatest that has ever been attempted”, scheint Beckett einen Ausweg zu zeigen.5 In dessen Nihilismus begegnet er einer Analyse der Ursachen menschlichen Leidens, die einige Parallelen zu christlichen und buddhistischen Vorstellungen aufweist. Die Argumente leuchten dem Autor ein und unterstützen den eigenen pessimistischen Blick. Der Philosoph gibt einem rücksichtslosen Willen zum Leben die Schuld an der Misere. Dieser durchwalte das Universum, die unbelebte und belebte Natur. Er zwinge seine Träger von Anbeginn zur Teilnahme an einem lebenslangen Kampf aller gegen alle. Im Menschen komme dieser Wille schließlich zum Bewusstsein seiner selbst.6

Das Individuum, das nach Erlösung strebe, müsse den Willen in sich selbst verneinen. Schopenhauer empfiehlt Askese statt Befriedigung der Bedürfnisse, Einsicht in die Nichtigkeit des Lebens im Hinblick auf den Tod, Erkenntnis von Zeit, Raum und Kausalität als Illusion, Kritik des den Sinnen zugänglichen Universums als Schleier der Maya, Trachten nach dem Ausstieg aus den Kreisläufen der Selbsterhaltung. Das Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung endet mit der Aussicht, denen, die Willen und Welt überwänden, winke „jener Friede, der höher ist als alle Vernunft“.7 Sie hätten erreicht, was die Buddhisten Nirwana nennen.8 Die Perspektive dünke wohl den, der noch unter dem Diktat des Willens stünde, als Nichts. Umgekehrt aber erschiene den ans Ziel Gelangten die Vorstellung von Welt und Selbst im Rückblick gleichfalls als Nichts.9

Wiederholte die Verneinung des Willens durch den Willen den Teufelskreis, in den das Selbst bei dessen Verneinung geriet? Fände Beckett bei Schopenhauer ← 9 | 10 → den Ausweg aus seinem Problem oder lediglich eine Variante des vitiösen Zirkels?10 Zeigte das Nichts sich gespalten? Träte es in den Gegensatz von Unsäglichem und Unsagbarem auseinander? Bildete es in der Polarität eine Kipp-Figur? Müsste jeder Versuch, den Gegensatz zum Nichtigen mit Inhalt zu füllen, in eben dieses Nichtige umschlagen?

1949 erscheinen Three Dialogues with Georges Duthuit in der Nummer 5/49 der Zeitschrift Transition. Es handelt sich um Gespräche über die Situation des Künstlers in der Gegenwart, die Beckett mit Georges Duthuit, dem Kunsthistoriker und Schwiegersohn von Matisse, führt. Von der Malerei ausgehend, fordert er eine Kunst der Negativität, die seine eigene Konzeption des Schreibens impliziert: “The expression that there is nothing to express, nothing with which to express, nothing from which to express, no power to express, no desire to express, together with the obligation to express.”11

Gäbe es nichts auszudrücken, hätte die Kunst keinen Gegenstand? Entbehrte der Künstler der Mittel des Ausdrucks? Fehlten ihm Standpunkt, Energie und Motivation? Fände er gleichwohl sich in die Pflicht zum Ausdruck genommen? Wäre “nothing” als Substantiv zu nehmen? Müsste das Nichts ausgedrückt werden? Um welches Nichts aber wäre es Beckett zu tun? Böten das Unsägliche oder das Unsagbare oder beide zugleich die Herausforderung, die anzunehmen keinem Bedürfnis und keinem Vermögen, gleichwohl aber der unabdingbaren Schuldigkeit entspräche? Ginge es um eine Kunst jenseits der Kunst, die in ihrer Sichtbarkeit zugleich sich verleugnete?12

In Malone Dies, dem mittleren Roman der Trilogie, äußert der Protagonist mit Abscheu: “I know those little phrases that seem so innocuous and, once you let them in, pollute the whole speech. Nothing is more real than nothing. They rise up out of the pit and know no rest until they drag you down into its dark. But I am on my guard now.”13 Der Erzähler gibt zur Quelle der kursivierten Sentenz keine Auskunft. Dass sie sich auf seine Zunge drängt, scheint ihn zu irritieren. Löste sie einen Schwindel aus? Sie könnte der Physik Demokrits entstammen, sich auf die ← 10 | 11 → Leere beziehen, in der die Atome sich bewegen, findet sich allerdings nicht in den überlieferten Fragmenten.14

Wie wäre der Ausspruch zu verstehen, wenn keine Tautologie vorläge? Elmar Tophoven, der Übersetzer von Malone Dies, überträgt: „Nichts ist wirklicher als nichts.“15 Ersparte ihm die Großschreibung des Satzanfangs die Entscheidung zwischen dem Nichts und nichts? Erreichte nichts den Rang von Wirklichkeit? Entwertete der Satz alle Positivität als Illusion? Verwiese umgekehrt die Wiederholung des “nothing” auf konträre Sachverhalte, die unauflösbar zusammenhingen, gar eine Kipp-Figur bildeten? Schmuggelte ein impliziter Erzähler unter scheinbarer Demokritanspielung das doppelte Nichts Schopenhauers ein? Wäre ein Jenseits von Sprache und Bild wirklicher als die vorgestellte Welt? Schlüge andererseits das Unsagbare, Unvorstellbare desto mehr in das Unsägliche um, je mehr es das Ziel des Strebens abgäbe? Hätte der Übersetzer die unentscheidbare Ambiguität des Satzes nach einer Seite aufgelöst und den Sinn der Stelle durch die Kleinschreibung des zweiten „nichts“ verdunkelt?

Böte die Schwebe, in welcher der Satz die Aussage über die Wirklichkeit hält, eine Orientierung für die Aufgabe, die Beckett dem Künstler stellt? Läge in der Unentscheidbarkeit des Nichts der Ausweg aus dem Teufelskreis, in den die Verneinung von Selbst und Willen durch das Selbst und den Willen führt? Blockierte der Pilger auf dem Weg der Imitatio Christi seine Erlösung in der gleichen Weise wie der Neophyt, der Schopenhauers Weg zur Selbsterlösung einschlüge? Böte der Einblick in die Struktur der Selbstverhinderung den Schlüssel zur Befreiung von Egozentrik und Solipsismus?

In den dreißiger Jahren betrachtet Beckett das Kunstwerk als Gebet: “(…) ‘the art (picture) that is a prayer sets up prayer, releases prayer in the onlooker, i. e. Priest: Lord have mercy upon us. People: Christ have mercy upon us’. This is an attitude”, schreibt der Biograf Knowlson, “that few readers will associate with Beckett, yet it was essential to his view of art at the time, whether this was the art of the writer, painter or musician.”16 Enthielte das Kunstwerk nicht nur die Bitte um Erbarmen, die für den Agnostiker Beckett keinen Adressaten hätte? Erteilte es vielmehr auch Auskunft, wie das Bewusstsein aus den Rekursionen der Negation herausspringen und in die Dimension des Unvorstellbaren eintreten könnte? Gewährte es als Ausdruck des Nichts die Gnade, die erbeten wurde? ← 11 | 12 →

Das Ziel des Nichts, der Eintritt in die Dimension eines ganz Anderen, scheint durch Verneinung von Welt und Selbst, Willen und Vorstellung nicht erreichbar. Der multiple Protagonist der drei Romane, Individuum und Vertreter der Menschheit in einem, Wanderer durch Evolution und Geschichte, müht sich vergeblich, durch Ent-Werden die Grenze zu einem ganz Anderen zu überschreiten, um in die Stille des Schweigens einzugehen, das heißt, jenseits der Sprache zu werden, was zu sein er ahnt.

Die letzten Worte des Romans The Unnamable, “you must go on, I can’t go on, I’ll go on”, bezeichnen nicht das Ende seines Wegs, einer Pilgerfahrt, in welcher Hölle, Purgatorium und Paradies nach Art eines Vexierbildes changieren. (382) Sie markieren allenfalls eine Unterbrechung seines Warteschleifen drehenden, potentiell unabschließbaren Berichts. Nur der Tod könnte diese Wanderung zum Stillstand bringen und den rastlos plappernden Mund schließen. In diesem Fall träte freilich Auflösung an die Stelle der erstrebten Erlösung.

Könnte der multipersonale Protagonist den Schlüssel zur Befreiung in der eigenen Rede finden? Zu Beginn des dritten Romans beklagt er, inzwischen namenlos geworden, seine Verlegenheit: “What am I to do, what shall I do, what should I do, in my situation, how proceed? By aporia pure and simple? Or by affirmations and negations invalidated as uttered, or sooner or later? Generally speaking. There must be other shifts. Otherwise it would be quite hopeless. But it is quite hopeless. I should mention before going any further, any further on, that I say aporia without knowing what it means. Can one be ephectic otherwise than unawares?” (267.)

Redigierte ein impliziter Erzähler die Rede des Protagonisten, indem er dessen Nichtwissen und Nichtkönnen überdeutlich herausstellte? Bestünde die Ironie seiner Eingriffe darin, dass er in der Verlegenheit des Sprechers die von diesem übersehenen Möglichkeiten des Ausstiegs präsentierte? Zeigte er den Protagonisten, wie dieser im zweiten Roman, in Gestalt Malones, sich selbstkritisch sieht: als einen Affen, der den Schlüssel zum Käfig besitzt und ihn statt zur Befreiung zum Kratzen der Flohbisse auf seinem Rücken verwendet?17

Ohne Hoffnung zirkuliert der Sprecher in Aporien, Antinomien, windet sich in Negationen und Affirmationen, die er zugleich als nichtig betrachtet. Er könnte das Universum der Gegensätze zwischen Nichts und Nichts in der Schwebe lassen. Er könnte Wirklichkeit und Illusion, Selbst und Welt, Bewusstsein und Sein, zuletzt sogar die Referentialität der Sprache als Quelle von Paradoxien betrachten, die ihm die Dimension einer Art mystischen, belehrten Nichtwissens ← 12 | 13 → erschlössen.18 Stattdessen strebt er nach Unterscheidungen und Entscheidungen, nur um deren Validität zu bezweifeln. Die Einsicht in die Unentscheidbarkeit des Unvereinbaren gilt ihm als Resultat, auf das er aus Versehen stößt, ohne etwas damit anfangen zu können. Der implizite Erzähler aber scheint die Frage des Protagonisten, ob man die Wahl von Möglichkeiten offenhalten könnte, zu bejahen und “ephectic” als Kriterium zur Richtschnur seiner Regie zu machen.

Das Motiv der Suche (“Quest”) verbindet die drei Romane, in denen Ihab Hassan “the highest achievement of Beckett in fiction” sieht.19 Einig ist die Forschung darüber, dass das Ziel der Suche – Selbst, Sein, Sinn, Liebe, Leben, Wirklichkeit, Gott, um nur einige Optionen zu nennen – dem/den multiplen Protagonisten, “who become fused and confused with their creator”, unerreichbar ist.20 Könnte er, könnten sie ein Ziel überhaupt bestimmen, das ihnen sich entzieht? Suchten sie in diesem Sinn nichts, das Nichts, das Nicht-Nicht-Nichts?

Wäre für den Autor Beckett eine Strategie der Paradoxie der Ausweg, der die Opposition gegen Selbst und Gesellschaft aus der Verzweiflung herausführte? Erlaubte der scheinbare Widersinn die Verwandlung von Leben und Schreiben in Kippfiguren des Nichts, die im beredten Schweigen Ausdruck fänden? Böte der Agnostizismus als Nicht-Nicht-Glaube die Plattform, welche die Option einer Nachfolge Christi mit der Selbsterlösung im Sinne Schopenhauers verbinden könnte? Von einem Bekannten Becketts, dem rumänisch-französischen Philosophen Cioran stammt die Feststellung, die Religionen stürben an einem Mangel an Paradoxie.21 Könnte Beckett in diesem Sinn, wegen seiner Paradoxien, als religiöser Autor gelten? ← 13 | 14 →


1 Vgl. Calder (2012): 87f.

2 Vgl. Thomas von Kempen (2005).

3 Zu Becketts Auseinandersetzung mit Thomas von Kempen und Arnold Geulincx vgl. Ackerley (2000): 81ff.

4 Beckett (2012): Bd. 1, 256ff.

5 Vgl. ebd., 33, 550. Vgl. auch Harold Blooms einleitende Ausführungen in: Bloom (1988): 1–12.

6 Zu Becketts Rezeption von Schopenhauers Ästhetik in Molloy und The Unnamable vgl. die Kapitel V und VI in Pothast (1989).

7 Vgl. Schopenhauer (1988): Bd.1 Die Welt als Wille und Vorstellung, 527.

8 Vgl. ebd., 528.

9 Vgl. ebd.

10 Vgl. dazu Karátson (1988).

11 Beckett (1976): 103.

12 Vgl. Acheson (1983): 1–18.

13 Beckett (1979): 177. Zitate der Trilogy werden durchgängig dieser Ausgabe entnommen. In der Folge werden die Seitenzahlen in Klammern hinter dem Zitat im Text am Ende des betreffenden Satzes ausgewiesen. Der Interpretation liegt die englische Übersetzung der Trilogy aus dem Französischen zugrunde. (Molloy übersetzt von Beckett unter Mitarbeit von Patrick Bowles, Malone Dies und The Unnamable übersetzt von Beckett).

14 Vgl. Ackerley und Gontarski (2004): 409f., Stichwort “Nothing”.

Details

Seiten
325
ISBN (PDF)
9783653066371
ISBN (ePUB)
9783653959789
ISBN (MOBI)
9783653959772
ISBN (Hardcover)
9783631673751
DOI
10.3726/978-3-653-06637-1
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Juni)
Schlagworte
Gnosis Mystik Negative Anthropologie Theodizee
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 325 S.

Biographische Angaben

Rüdiger Hillgärtner (Autor:in)

Rüdiger Hillgärtner ist Professor i. R. für englische Literaturwissenschaft. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Romantik und Moderne in der englischen, irischen und amerikanischen Literatur.

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