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Die Auflösung des Staates Preußen

von Gerhard Dassow (Autor:in)
©2016 Dissertation 104 Seiten

Zusammenfassung

Dieses Buch beschäftigt sich mit dem am 25. Februar 1947 durch den Alliierten Kontrollrat verfügten Gesetz Nr. 46 zur Auflösung des Staates Preußen. In einer vorherrschend posthumen Lesart wurde dieser Schritt als ein verspäteter und im Grunde überflüssiger Akt gewürdigt: de facto längst vollzogene Tatbestände sollten damit «der guten Ordnung halber» staats- und völkerrechtlich legalisiert werden. Der Auflösungsbeschluss der Alliierten reichte aber weit über seine vordergründig rein destruktiven Wirkungen hinaus. Der Autor argumentiert, dass dieser Beschluss mit «langem Atem» und in einem stillschweigenden Konsens mit den Deutschen den Weg für die «Vollendung der Deutschen Einheit» im Rahmen einer europäischen Lösung der historischen «Deutschen Frage» ebnete – und leitet daraus ein eindringliches Plädoyer für die Schaffung eines Bundeslandes «Brandenburg-Preußen» ab.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort
  • 1 „Finis Prussiae“: Das Kontrollratsgesetz Nr. 46 als Wendepunkt der deutschen Geschichte
  • 2 Die historische Tiefendimension der „deutschen Frage“
  • 2.1 Die „deutsche Frage“ im Spannungsfeld zwischen deutschem Einheitsstreben und europäischen Sicherheitsinteressen
  • 2.2 Der Aufstieg und Niedergang Preußens als integraler Bestandteil der deutschen Geschichte
  • 3 Die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des Kontrollratsgesetzes Nr. 46
  • 3.1 Das Preußen- und Deutschlandbild der Alliierten als Determinanten ihrer Kriegsziel- und Nachkriegsplanung
  • 3.2 Die Auflösung Preußens als „ultima ratio“ der alliierten Teilungspläne für Deutschland
  • 3.3 Die Wirkungen des Kontrollratsgesetzes Nr. 46 auf die deutsche Nachkriegsgeschichte
  • 4 Die Rezeption der Auflösung Preußens im Nachkriegsdeutschland
  • 4.1 Preußen zwischen „deutscher Sendung“ und „deutscher Katastrophe“
  • 4.2 Der Nachhall Preußens in der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR)
  • 5 Zusammenfassende Bewertung der alliierten und der deutschen Sicht auf die Auflösung Preußens
  • 6 Schlussbetrachtungen
  • 6.1 Preußische Nachgeschichte im Kontext des Prozesses der „Vollendung der Deutschen Einheit“
  • 6.2 Das Kontrollratsgesetz Nr. 46: Das Ende Preußens oder Preußen ohne Ende?
  • Literaturverzeichnis

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Vorwort

Das Gesetz Nr. 46 des Alliierten Kontrollrats vom 25. Februar 1947 stellt mit der förmlichen Auflösung des Staates Preußen zweifellos ein Schlüsseldokument aus der neueren deutschen Geschichte dar: Die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs verfügten das Ende eines Staates, der die Entwicklung der neuzeitlichen Geschichte Deutschlands und Europas tiefgehend geprägt hat. Die historische Bewertung, die dieser Staat erfahren hat, ist sehr unterschiedlich ausgefallen; sie schwankt zwischen der Bewunderung für die Inkarnation staatlicher Vernunft auf der einen, der Verurteilung des obrigkeitsstaatlichen preußischen Militarismus als Hauptursache für die „deutsche Katastrophe“ der Gewaltpolitik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Friedrich Meinecke) auf der anderen Seite. Von dieser Sichtweise waren die alliierten Siegermächte geleitet, als sie Preußen symbolisch den Totenschein ausstellten und damit doch nur besiegelten, was durch den totalen Zusammenbruch des nationalsozialistischen Großdeutschen Reiches längst historische Realität geworden war.

Die hier publizierte Masterarbeit nimmt das Spannungsfeld zwischen den Leitbegriffen „Schlüsseldokument“ und „Totenschein“ genauer in den Blick und vermag so vor allem die konkrete historische Bedeutung des Kontrollratsgesetzes Nr. 46 im Kontext der deutschlandpolitischen Planungen und Entscheidungen bei Kriegsende genauer zu bestimmen. Ihr Autor Dr. Gerhard Dassow ist in mancher Hinsicht ein typischer Student der FernUniversität in Hagen: Beruflich als Betriebswirt schon lange erfolgreich, hat er sich einen Jugendwunsch erfüllt und voller Engagement ein Geschichtsstudium absolviert. Nicht nur wegen seiner Herkunft aus den brandenburgischen Kernlanden hat er sich dabei vor allem auf die Geschichte Preußens konzentriert und im Studium zugleich herausragende Leistungen erbracht. Davon zeugt nicht zuletzt schon die Veröffentlichung einer überarbeiteten Fassung seiner Hausarbeit über die Vorstellungen des Preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun zur Reform des Föderalismus der Weimarer Republik im renommierten „Journal der Juristischen Zeitgeschichte“. In diesem Buch geht es ihm nun in allgemeiner Weise um das Verhältnis zwischen der „deutschen“ und der „preußischen“ Frage am Ende des Zweiten Weltkrieges. ← 7 | 8 →

Von besonderer Bedeutung scheinen mir dabei die zentralen Ausführungen über die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des Kontrollratsgesetzes 46 zu sein. Die zentrale Rolle der Auflösung Preußens im Zusammenhang der sich konkretisierenden deutschlandpolitischen Planungen der Alliierten wird ebenso überzeugend herausgearbeitet wie die anhaltende Bedeutung, die der förmlichen Auflösung des größten deutschen Einzelstaates auch nach dem längst vollzogenen faktischen Ende für die Eingrenzung, Aufteilung und schließlich auch für die Spaltung Deutschlands zugekommen ist. Wie gezeigt wird, waren auch die inhaltlichen Überlegungen zur Gestaltung eines neuen, demokratischen und friedensfähigen Deutschland sowohl in der westlich-demokratischen als auch in der sowjetischen Form zutiefst geprägt von Vorstellungen über die historische Rolle Preußens.

Man muss nicht mit dem vielleicht etwas nostalgischen Plädoyer Gerhard Dassows für die Bildung eines Bundeslandes „Brandenburg-Preußen“ übereinstimmen, um seiner die vielfältigen Zusammenhänge, Voraussetzungen und Folgen der alliierten Auflösung Preußens systematisch darlegenden Arbeit ein interessiertes Publikum zu wünschen.

Wolfgang Kruse

Hagen in Westfalen, September 2015

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1 „Finis Prussiae“: Das Kontrollratsgesetz Nr. 46 als Wendepunkt der deutschen Geschichte

„Am 25. Februar 1947 ist dem preußischen Staat durch das Kontrollratsgesetz Nr. 46 der amtliche Totenschein ausgestellt worden. Dies ist nur die juristische Bestätigung eines Tatbestandes, der Tod selbst ist schon früher eingetreten. Diese sang- und klanglose Beerdigung hat ironischen Stil; Preußen wird so nebenbei verscharrt, sozusagen in einem Massengrab.“ Mit diesen Worten kommentierte „Die Welt“ in ihrer Ausgabe vom 8. März 1947 „Preußens Ende“1. Diese zeitgenössische Einschätzung und Beurteilung des Gesetzes Nr. 46 des Alliierten Kontrollrats vom 25. Februar 1947 (Kontrollratsgesetz Nr. 46) nahm – vermutlich eher ungewollt und nichtsahnend – die Tonalität vorweg, mit der die historische Forschung in den folgenden Jahrzehnten in ihrer großen Mehrheit die Auflösung des Staates Preußen durch die alliierten Siegermächte beurteilt hat. Von einem zwar spektakulären, aber rechtlich überflüssigen Akt ist in diesem Zusammenhang die Rede, dem höchstens noch symbolhafte Bedeutung zukam2, einem verspäteten juristischen Verdikt, das der geschichtlichen Entwicklung hinterher zu hinken schien3, von einem Schritt, der Preußen zu einem rein historischen Begriff habe werden lassen4, weil Preußen von diesem Tage an als Bestandteil einer toten Vergangenheit nur noch der Geschichte angehört habe5. Wenn vom Totenschein für einen längst Dahingegangenen, von einer Todeserklärung, einem symbolischen Todesstoß, von Todesurteil, Leichenschändung oder davon die Rede ist, dass ein längst Verblichener abermals exekutiert und für tot erklärt wurde, von einer feierlich vollzogenen posthumen Hinrichtung oder gar einem Fußtritt, den siegreiche Esel ← 9 | 10 → einem längst toten Löwen gaben6, dann drängt sich fast der Eindruck eines intellektuellen Wettstreits um den pointiertesten Nachruf auf Preußen auf. Charakterisierungen derart, dass es sich beim Kontrollratsgesetz Nr. 46 um einen feierlichen Schritt oder einen sinnwidrigen, skurrilen Beschluss, einem Nachklang oder „Nach-Tauroggen“ seitens der Alliierten gehandelt habe7, klingen zwar deutlich zurückhaltender, weisen aber in die gleiche Richtung einer rein vergangenheitsbezogenen Würdigung des – in dieser bewussten Tautologie immer wieder so bezeichneten – „definitiven Endes“ Preußens, dass sich als ein langer Prozess darstellt, dessen Schlusspunkt die Auflösung des preußischen Staates durch die juristische, staats- und völkerrechtliche Beglaubigung von de facto längst gegebenen Tatbeständen bildete8. Diese rein posthume Lesart des Kontrollratsgesetzes Nr. 46 leitet sich aus dem ersten Satz der Präambel und Artikel 1 des Gesetzes ab, wonach der Staat Preußen, „der seit jeher Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland gewesen ist, …in Wirklichkeit zu bestehen aufgehört“ hat und deshalb mit sämtlichen seiner Institutionen aufgelöst wird9. Dieser Lesart stehen in der Literatur aber auch – allerdings auffallend wenige – andere Stimmen gegenüber, die in dem Gesetz weit mehr sehen als einen rein symbolischen oder formalen, administrativen und juristischen Beglaubigungsakt, mit dem aus staats- und völkerrechtlichen Gründen der guten Ordnung halber per Dekret der Siegermächte ein verbindlicher Schlusspunkt unter die Geschichte Preußens als Völkerrechtssubjekt gesetzt wurde10. Unter Rückgriff und Bezugnahme auf den – in der Literatur weithin vernachlässigten – in der Präambel des Gesetzes im zweiten Satz ebenfalls enthaltenen zukunftsweisenden und programmatischen Aspekt über die Ausgestaltung ← 10 | 11 → künftiger deutscher Staatlichkeit „auf demokratischer Grundlage“11 muss das Kontrollratsgesetz Nr. 46 aus dem Jahre 1947 aber auch im sachlichen und zeitlichen Kontext der von den Alliierten verfolgten endgültigen Lösung des „deutschen Problems“ und aus dieser Perspektive heraus deshalb als der „vielleicht konstruktivste Beitrag“ auf dem Wege dorthin gesehen werden12. Ganz in diesem Sinne bezeichnete der langjährige US-Militärgouverneur Lucius D. Clay in seinen Erinnerungen das Kontrollratsgesetz Nr. 46 deshalb auch als den wichtigsten Akt des Kontrollrats vor dessen im März 1947 einsetzenden Paralysierung13.

Details

Seiten
104
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653062762
ISBN (ePUB)
9783653960082
ISBN (MOBI)
9783653960075
ISBN (Paperback)
9783631667149
DOI
10.3726/978-3-653-06276-2
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Oktober)
Schlagworte
Teilung Deutschlands (Alliierter) Kontrollrat Preußenrezeption Deutsche Frage Preußenschlag Brandenburg-Preußen
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 104 S.

Biographische Angaben

Gerhard Dassow (Autor:in)

Gerhard Dassow studierte Geschichtswissenschaft mit dem Schwerpunkt «brandenburgisch-preußisch-deutsche Geschichte».

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