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Fiscale eenheid und Organschaft

Einheitstheorie und Trennungsprinzip – auf dem Weg zu einer binationalen Gruppenbesteuerung

von Johannes Grave (Autor:in)
©2016 Dissertation XII, 230 Seiten

Zusammenfassung

Die Vorschriften zur körperschaftsteuerlichen Organschaft sind bereits seit Jahrzehnten Gegenstand eines wissenschaftlichen Diskurses. Der breiten Kritik an den geltenden Vorschriften wollte der Gesetzgeber zuletzt durch die Organschaftsreform aus dem Jahr 2013 entgegenwirken. Gegenüber dem Organschaftsregime, das auf dem Grundsatz der Trennung der beteiligten Gesellschaften fußt, behandeln die Vorschriften der fiscale eenheid in den Niederlanden die Konzernunternehmen als eine Einheit. Der Autor geht der Frage nach, welche Auswirkungen die Anwendung einer Einheitstheorie auf die tatsächliche Ausgestaltung der Gruppenbesteuerung entfaltet. Daneben entwickelt er einen Vorschlag zur grenzüberschreitenden Öffnung des Anwendungsbereiches der Organschaft über bilaterale Verträge.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Gliederung
  • A. Einleitung
  • I. Problemstellung
  • II. Zielsetzung und Gang der Untersuchung
  • B. Fiscale eenheid
  • I. Entwicklung der fiscale eenheid
  • II. Voraussetzungen der steuerlichen Einheit
  • 1. Beteiligungsfähige Rechtssubjekte
  • a) Muttergesellschaft
  • b) Untergesellschaft
  • c) Berücksichtigung ausländischer Gesellschaften
  • 2. Beteiligungserfordernis
  • III. Eintritt in den Konsolidierungskreis
  • IV. Austritt aus dem Konsolidierungskreis
  • V. Gruppeninterne Transaktionen und Schuldverhältnisse
  • VI. Verlustberücksichtigung
  • VII. Berücksichtigung von Minderheitsanteilseignern und –aktionären
  • VIII. Resümee
  • C. Organschaft
  • I. Entwicklung der Organschaft
  • II. Voraussetzungen der Organschaft
  • 1. Beteiligungsfähige Rechtssubjekte
  • a) Muttergesellschaft
  • b) Untergesellschaft
  • c) Berücksichtigung ausländischer Gesellschaften
  • 2. Beteiligungserfordernis
  • III. Eintritt in den Konsolidierungskreis
  • IV. Austritt aus dem Konsolidierungskreis
  • V. Gruppeninterne Transaktionen und Schuldverhältnisse
  • VI. Verlustberücksichtigung
  • VII. Berücksichtigung von Minderheitsanteilseignern und –aktionären
  • VIII. Resümee
  • D. Die Reform der Besteuerung von Konzernen in Deutschland
  • I. Reforminitiativen seit 1969
  • II. Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts
  • 1. Aufgabe des doppelten Inlandsbezuges bei der Organgesellschaft
  • 2. Zuordnung der Beteiligung an inländische Betriebsstätte
  • 3. Feststellungsverfahren zum zuzurechnenden Einkommen der Organgesellschaft
  • 4. Dynamischer Verweis auf § 302 AktG
  • 5. Heilung von Bilanzierungsfehlern
  • 6. Fazit
  • III. Herausforderungen und Aspekte einer Reform in der deutschen Konzernbesteuerung
  • 1. Dogmatische Grundlagen einer Konzernbesteuerung
  • a) Einheitstheoretische Ansätze als Gegenentwurf zur körperschaftsteuerlichen Konzernbesteuerung
  • aa) Trennungs- und Zurechnungstheorie als derzeitige dogmatische Grundlagen der Organschaft
  • bb) Das Leistungsfähigkeitsprinzip und die Begründbarkeit der Einheitstheorie in Deutschland
  • cc) Einheitsgedanke im deutschen Recht
  • dd) Zwischenergebnis
  • b) Umsetzbarkeit der Einheitstheorie in Deutschland
  • aa) Verhältnis von Steuerrecht und Zivilrecht
  • bb) Einheitstheorie und der Grundsatz der Individualbesteuerung
  • cc) Aufgehen der Organgesellschaft im Organträger bei Eintritt in die Gruppenbesteuerung
  • dd) Berücksichtigung gruppeninterner Transaktionen und Schuldverhältnisse
  • ee) Gewinnabführungsvertrag
  • (1) Kritik am Gewinnabführungsvertrag
  • (2) Gewinnabführungsvertrag und Einheitstheorie
  • (3) Zwischenergebnis
  • c) Stellungnahme
  • 2. Verlustberücksichtigung innerhalb des Organkreises
  • a) Vororganschaftliche Verluste
  • aa) Verfassungsrechtliche Vorgaben für die periodenübergreifende Vortragsfähigkeit von Verlusten
  • (1) Der zeitliche Umfang des Leistungsfähigkeitsprinzips
  • (a) Die Leistungsfähigkeit in der Totalperiode
  • (b) Das Abschnittsprinzip
  • (c) Rechtsprechung
  • (2) Das Prinzip der Folgerichtigkeit
  • (3) Zwischenergebnis
  • bb) Verfassungsmäßigkeit des § 15 S. 1 Nr. 1 KStG
  • b) Ergebnis
  • 3. Inlandsbetriebsstätten ausländischer Tochtergesellschaften
  • a) Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit
  • aa) Die Rechtsprechung des EuGH zur grenzüberschreitenden Berücksichtigung von Gewinnen und Verlusten in Konzernen
  • (1) Die Rechtssache Marks & Spencer
  • (2) Die Rechtssache Oy AA
  • (3) Die Rechtssache Lidl Belgium
  • (4) Die Rechtssache Krankenheim Ruhesitz am Wannsee – Seniorenheimstatt (KR Wannsee)
  • bb) Beschränkung der Niederlassungsfreiheit
  • cc) Rechtfertigung
  • b) Voraussetzungen zur Einbeziehung ausländischer Tochtergesellschaften mit Inlandsbetriebsstätten – Vorbild Niederlande?
  • aa) Innerhalb der EU/des EWR ansässige Tochtergesellschaften
  • bb) Außerhalb der EU/des EWR ansässige Tochtergesellschaften
  • c) Ergebnis
  • 4. Mehrmüttergruppenbesteuerung
  • a) Die Mehrmütterorganschaft in Deutschland
  • b) Diskussionsstand zur Notwendigkeit einer Mehrmüttergruppenbesteuerung
  • c) Stellungnahme
  • 5. Fazit – Vorbildcharakter der fiscale eenheid und Auswirkungen bei Etablierung der Einheitstheorie
  • E. Grenzüberschreitende Gruppenbesteuerung
  • I. Unilaterale Ansätze
  • 1. EU Company Income Tax
  • a) Ausgestaltung
  • b) Auswirkungen und Würdigung
  • 2. Single Compulsory Harmonised Tax Base
  • 3. Common Consolidated Corporate Tax Base
  • a) Entwicklung der CCCTB
  • b) Ausgestaltung der CCCTB nach dem Richtlinienentwurf
  • c) Auswirkungen und Würdigung
  • d) Ausblick
  • 4. Zwischenergebnis
  • II. Bilateraler Ansatz
  • 1. Home State Taxation
  • a) Ausgestaltung
  • b) Würdigung und Ausblick
  • 2. Umsetzbarkeit einer binationalen Gruppenbesteuerung
  • a) Das Grünbuch der Deutsch-Französischen Zusammenarbeit als politischer Impuls für einen binationalen Ansatz
  • b) Notwendige Änderungen in Doppelbesteuerungsabkommen und im nationalen Recht der Organschaft
  • aa) Recht der Doppelbesteuerungsabkommen
  • bb) Nationales Recht
  • c) Rechtmäßigkeit einer binationalen Gruppenbesteuerung
  • aa) Vereinbarkeit mit Europarecht
  • (1) Schädlicher Steuerwettbewerb (Harmful Tax Competition)
  • (2) Verstoß gegen Grundfreiheiten
  • bb) Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz
  • (1) Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 GG
  • (a) Persönlicher Anwendungsbereich
  • (b) Sachlicher Anwendungsbereich
  • (2) Ergebnis
  • d) Einzelfragen bei einer Einführung in Deutschland und den Niederlanden
  • aa) Einbeziehung von Personengesellschaften und natürlichen Personen
  • bb) Berücksichtigung der Gewerbesteuer und der gewerbesteuerlichen Organschaft
  • (1) Inländischer Gewerbebetrieb einer ausländischen Gruppenobergesellschaft
  • (2) Ausländischer Gewerbebetrieb einer inländischen Gruppenobergesellschaft
  • cc) Behandlung gruppeninterner Transaktionen
  • dd) Auswirkungen für die Minderheitsgesellschafter
  • ee) Zwischenergebnis: Kombination aus CCCTB und bilateralem Ansatz
  • 3. Entwicklung der bilateralen zu einer multilateralen grenzüberschreitenden Gruppenbesteuerung
  • III. Ergebnis
  • F. Zusammenfassung
  • Literaturverzeichnis

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A.   Einleitung

Ein Unternehmer, der in mehreren unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen aktiv ist, wird häufig ein Interesse daran haben, diese Bereiche auch in rechtlicher Hinsicht unter Bewahrung seiner beherrschenden Stellung voneinander zu trennen. Die so gebildete Unternehmensgruppe, der Konzern, unterscheidet sich in diesem Fall von der Einheitsgesellschaft, in der sämtliche Geschäftsbetriebe unter dem Mantel einer Rechtsperson angesiedelt sind, nur in seiner zivilrechtlichen Struktur. In Hinblick auf die wirtschaftliche Durchsetzbarkeit der Unternehmerentscheidung in den einzelnen Tätigkeitsbereichen lässt sich ein Unterschied zur Einheitsgesellschaft nicht feststellen. Aufgrund des tatsächlichen und rechtlichen Unterordnungs- und Abhängigkeitsverhältnisses tragen die in einzelne Rechtsträger gegliederten Tätigkeitsbereiche dann aus ökonomischer Sicht ebenso zu einem „Konzerneinkommen“ bei wie die einzelnen Tätigkeitsbereiche zu dem Einkommen der Einheitsgesellschaft.1 Diesem Umstand, der wirtschaftlichen Zusammengehörigkeit trotz rechtlicher Trennung im Konzern, hat sowohl der deutsche als auch der niederländische Steuergesetzgeber Rechnung getragen und mit der Organschaft und der fiscale eenheid besondere Instrumente zur körperschaftsteuerlichen2 Erfassung von Unternehmensgruppen und ihren Rechtsträgern etabliert.

Das Gesamtsteueraufkommen der Bundesrepublik Deutschland betrug im Jahr 2013 619,708 Milliarden Euro. Der Anteil des körperschaftsteuerlichen Aufkommens belief sich dabei auf 19,508 Milliarden Euro, prozentual also etwa auf 3 % des Gesamtsteueraufkommens.3 Nach der aktuellsten Körperschaftsteuerstatistik waren im Jahr 2009 2,4 % der Körperschaftsteuerpflichtigen in ein Organschaftsverhältnis eingebunden.4 Zwar wird der Beitrag der Organschaftssachverhalte zu dem körperschaftsteuerlichen Aufkommen bedeutend höher als 2,4 % liegen.5 Allerdings ist schon anhand des absoluten Körperschaftsteueraufkommens festzuhalten, dass die in körperschaftsteuerlichen Organschaften zusammengefassten Unternehmen ← 1 | 2 → nur einen geringen Einfluss auf das Gesamtsteueraufkommen der Bundesrepublik Deutschland haben.

I.   Problemstellung

Trotz dieser relativ geringen fiskalischen Auswirkungen sind die Vorschriften der Organschaft in den §§ 14ff. KStG einer ständigen Diskussion in der Literatur6 und Reformvorhaben des Gesetzgebers7 ausgesetzt, die wiederum durch Entscheidungen höchstrichterlicher Rechtsprechung ausgestaltet8 bzw. initiiert9 werden. Für diesen stetigen Veränderungsbedarf der Organschaftsvorschriften sind mehrere Umstände ursächlich.

Zum einen wird das Recht der Konzerne, das die rechtliche Trennung wirtschaftlich unter einer Einheit „Konzern“ verbundener Gesellschaften regelt, in einem hohem Maße durch Vorschriften des Gesellschaftsrechts ausgestaltet und bestimmt. Die Vorschriften zur Besteuerung von Konzernen erfassen somit Sachverhalte, die in einem Spannungsfeld zwischen den Einflüssen der zivilrechtlichen Trennung und der für die steuerliche Beurteilung maßgebenden Grundsätze stehen. Das Organschaftsregime löst diesen Konflikt, indem es die Vorgaben des Zivilrechts grundsätzlich auch für Belange der Besteuerung der Konzerne nachvollzieht. Demgegenüber erfassen die Vorschriften zur fiscale eenheid in den Niederlanden den Konzern für steuerliche Zwecke als Einheit. Beide Ansätze gehen dabei in ihrer Ausgestaltung Kompromisse ein, die der besonderen Situation der Konzerne geschuldet sind. Diese Kompromisse werden in Hinblick auf die Organschaft mit der wirtschaftlichen Einheit in der Unternehmensgruppe, auf Seiten der fiscale eenheid wiederum mit der rechtlichen Eigenständigkeit der einzelnen Konzerngesellschaften gerechtfertigt. ← 2 | 3 →

Zum anderen sind von den §§ 14ff. KStG auch die in Deutschland ansässigen, aber weltweit tätigen Unternehmen betroffen. Recht, das die steuerliche Erfassung dieser global player regelt, muss auch Entscheidungen über die Besteuerung von deren grenzüberschreitenden Betätigungen treffen. Die Regelungen zur Besteuerung von Konzernen sind in den Steuerrechtsordnungen weltweit mit wenigen Ausnahmen10, ebenso wie die Organschaft und die fiscale eenheid, in ihrem Anwendungsbereich auf nationale Sachverhalte beschränkt und stehen somit einer steuerlichen Ergebniskonsolidierung über die Landesgrenze im Konzern entgegen. Diese Begrenzung wirft in mehrfacher Hinsicht Fragen der Vereinbarkeit mit Vorgaben der Europäischen Union (EU) auf. Zunächst steht sie in Kontrast zu dem Ziel der EU, die Mitgliedstaaten zu einem gemeinsamen (wettbewerbsfähigen und dynamischen wissensgestützten) Wirtschaftsraum zu entwickeln.11 Außerdem drängt sich die Frage der Vereinbarkeit einer solchen nationalen Begrenzung mit den Vorgaben der Europäischen Verträge, insbesondere den Grundfreiheiten, auf. So ist es nicht überraschend, dass auf Ebene der EU politische Initiativen vorangetrieben werden, die auf die Ermöglichung einer grenzüberschreitenden Ergebniskonsolidierung in Konzernen abzielen. Ebenso lässt sich vor diesem Hintergrund die hohe Anzahl der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) über die Frage der Vereinbarkeit der nationalen Konzernbesteuerungsregime mit den europäischen Grundfreiheiten erklären.

Diese Überlegungen in der Steuerlehre, der Politik und der Rechtsprechung sowie ihre jeweiligen Einflüsse auf die Voraussetzungen von Konzernbesteuerungsvorschriften scheinen auch den deutschen Gesetzgeber erreicht zu haben. So propagierte der Koalitionsvertrag der Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP im Jahr 2009 das Ziel, die Organschaftsregeln durch ein modernes Gruppenbesteuerungssystem zu ersetzen.12 Zwar lässt sich dem Koalitionsvertrag der Koalition aus CDU/CSU und SPD aus dem Jahr 2013 eine solche Zielformulierung nicht entnehmen. Dennoch soll auch nach der sogenannten „Kleinen Organschaftsreform“13 durch das „Gesetz zur Änderung und Vereinfachung des Unternehmenssteuerrechts und des steuerlichen Reisekostenrechts“14 ausdrücklich an dem politischen Ziel einer grundlegenden Reform der körperschaftsteuerlichen Organschaft festgehalten werden.15 ← 3 | 4 →

II.   Zielsetzung und Gang der Untersuchung

Diese Dissertation soll das politische Ziel aufnehmen und die Diskussion über die grundlegende Reform der körperschaftsteuerlichen Organschaft vorantreiben. Schon aus dem Adjektiv „grundlegend“ folgt, dass dazu Erörterungen über die zutreffende dogmatische Grundlage notwendig sind.

In diesem Sinne sollen daher in einem ersten Schritt die Vorschriften der Konzernbesteuerung in den Niederlanden, die einen vermeintlichen Gegenentwurf zu der Organschaft in Deutschland abbilden, erläutert und dem deutschen Organschaftsregime gegenübergestellt werden.

Es stellt sich sodann die Frage, ob die Einheitstheorie in ihrer Umsetzung in den Niederlanden als taugliche dogmatische Grundlage für die Konzernbesteuerung in Deutschland Anwendung finden könnte. Die Beantwortung dieser Frage macht eine Auseinandersetzung mit der Einheitstheorie und der derzeitigen Grundlagen der Organschaft, der Trennungs- und Zurechnungstheorie, erforderlich. In diesem Zusammenhang ist außerdem zu erörtern, inwieweit die zivilrechtlichen Anforderungen an die Behandlung der Konzerne in Deutschland auch deren Besteuerung vorzeichnen. Die Umsetzung der Einheitstheorie wirft daneben auch die Frage der Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Individualbesteuerung auf.

Neben den Erörterungen der dogmatischen Grundlagen soll diese Dissertation weitere Aspekte einer Reform der Organschaft beleuchten. Schwerpunkte sollen dabei hinsichtlich der steuerlichen Verlustberücksichtigung im Konzern, der Behandlung von Inlandsbetriebsstätten ausländischer Tochtergesellschaften sowie der Mehrmüttergruppenbesteuerung gesetzt werden. Diese Problemfelder sollen nach ihrer Eigenart vor dem Hintergrund der durch die Rechtsprechung festgelegten verfassungsrechtlichen sowie europarechtlichen Maßstäbe an die Besteuerung untersucht werden.

Insbesondere ist aber auf den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Reformaspekten und den vorangestellten Ergebnissen zu einer tauglichen dogmatischen Grundlage einzugehen. Denn es muss der Frage nachgegangen werden, ob der Gesetzgeber im Rahmen der Nivellierung der verschiedenen Voraussetzungen der Konzernbesteuerung nicht nur durch die allgemein gültigen Vorgaben aus höherrangigem Recht, sondern auch durch die gewählte dogmatische Grundlage gebunden ist. Es ist also zu untersuchen, ob und in welchem Maße die jeweilige dogmatische Grundlage die Ausgestaltung der unterschiedlichen Voraussetzungen der Gruppenbesteuerung beeinflusst. Dieses ist insbesondere mit Blick auf die Behandlung der Vorgruppenverluste und der Inlandsbetriebsstätten ausländischer Tochtergesellschaften in den Niederlanden zu analysieren. Dabei ist auch zu erörtern, ob der jeweils getroffenen niederländischen Regelung eine Vorbildfunktion für die Reform zukommen könnte.

Die Beschränkung der Konzernbesteuerung auf nationale Sachverhalte wurde bereits oben als ein viel diskutierter Problembereich der Organschaft herausgestellt. In dieser Dissertation soll ein Vorschlag für eine grenzüberschreitende Ergebniskonsolidierung in der Unternehmensgruppe entwickelt werden. Dieses Vorhaben macht ← 4 | 5 → zunächst Erörterungen zu den bisherigen Initiativen zur grenzüberschreitenden Gruppenbesteuerung auf Ebene der EU notwendig. Der Analyse der Common Consolidated Corporate Tax Base (CCCTB), als der am weitesten fortgeschrittenen Initiative soll dabei ein besonderes Gewicht zukommen. Es ist aber auch Ziel dieser Arbeit, der Frage nach einer im Anwendungsbereich flexibleren und damit leichter umsetzbaren Alternativlösung zur grenzüberschreitenden steuerlichen Erfassung der Konzernunternehmen nachzugehen. ← 5 | 6 →


1 So bereits RFH v. 26.7.1932, I D 2/31, III D 2/32, RFHE 31, 297 (301).

2 Neben der in dieser Dissertation erörterten körperschaftsteuerlichen Organschaft sieht das deutsche Steuerrecht auch auf den Gebieten des Umsatzsteuerrechts und des Gewerbesteuerrechts Vorschriften zur Organschaft vor.

3 Vgl. die Statistik über das Steueraufkommen unter: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/OeffentlicheFinanzenSteuern/Steuern/Steuerhaushalt/Tabellen/KassenmaessigeSteuereinnahmen.html.

4 Statistisches Bundesamt, Jährliche Körperschaftsteuerstatistik 2009, S. 11, unter: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/FinanzenSteuern/Steuern/Koerperschaftsteuer/KoerperschaftsteuerstatistikJ5799701097004.pdf?__blob=publicationFile.

5 Es ist nicht öffentlich statistisch nachgehalten, wie hoch der Anteil der Organschaften an dem Körperschaftsteueraufkommen ist.

6 Einen Überblick zu dem Diskussionsstand verschafft D/J/P/W/Dötsch, § 14 Rn. 29b ff.; ebenso bereits Kolbe, in: H/H/R, § 14 KStG Rn. 15f.

7 Nur in dem Zeitraum seit dem Jahr 2000 erfuhren die Vorschriften der körperschaftsteuerlichen Organschaft Änderungen durch das StSenkG v. 23.10.2000 (BGBl. I 2000, 1433), das UntStFG v. 20.12.2001 (BGBl. I 2001, 3858), das StVBG v. 19.12.2001 (BGBl. I 2001, 3922), das 5. Gesetz zur Änderung des StBAG und zur Änderung von St-Gesetzen v. 23.7.2002 (BGBl. I 2002, 2715), das StVergAbG v. 16.5.2003 (BGBl. I 2003, 660), das EURLUmsG v. 9.12.2004 (BGBl. I 2004, 3310), das JStG 2008 v. 20.12.2007 (BGBl. I 2007, 3150) sowie das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung des Unternehmenssteuerrechts und des steuerlichen Reisekostenrechts v. 20.2.2013 (BGBl. I 2013, 285).

8 Siehe zuletzt BFH v. 13.11.2013, I R 45/12, BFH/NV 2014, 783, zur Frage der Mindestlaufzeit des Gewinnabführungsvertrages bei einem Rumpfwirtschaftsjahr; ebenso BFH v. 24.7.2013, I R 40/12, BStBl. II 2014, 272.

9 Bereits die Aufnahme der Vorschriften zur Organschaft in das Körperschaftsteuergesetz beruhte auf einer entsprechenden Forderung des 1. Senates in BFH v. 4.3.1965, I 249/61 S, BStBl. III 1967, 118ff.; vgl. auch die Entscheidung des BFH v. 9.2.2011, I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106 (108f.), auf die der Gesetzgeber mit der Aufgabe des Ansässigkeitserfordernisses beim Organträger reagierte.

10 Eine grenzüberschreitende Konsolidierung ermöglicht etwa die österreichische Gruppenbesteuerung.

11 So die Zielformulierung nach der sog. Lissabon-Strategie, Lisbon European Council, 23.-24.3.2000, Presidency Conclusions, Nr. 5 (einsehbar unter: http://www.europarl.europa.eu/summits/lis1_en.htm).

12 Koalitionsvertrag der CDU, CSU und FDP zur 17. Legislaturperiode, S. 14.

13 Welling/Fellinger, DStR 2013, 1718ff.

14 Gesetz vom 20.2.2013, BGBl. I 2013, 285.

15 So bereits die Begründung des Gesetzentwurfs zu dem Gesetz zur Änderung und Vereinfachung des Unternehmenssteuerrechts und des steuerlichen Reisekostenrechts in BT-Drucks. 17/10774, S. 9.

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B.   Fiscale eenheid

Ebenso wie im deutschen Steuerrecht besteht auch in den Niederlanden die Möglichkeit, innerhalb eines Konzerns die Ergebnisse der einzelnen Konzerngesellschaften auf der Ebene der Obergesellschaft miteinander zu saldieren. Das Gruppenbesteuerungsregime der Niederlande – die fiscale eenheid16 – ist in Art. 15ff. Wet op de vennootschapsbelsasting 1969 (VPB)17, im Besluit fiscale eenheid18 sowie in der Uitvoeringsregeling fiscale eenheid19 normiert.

Details

Seiten
XII, 230
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653065251
ISBN (ePUB)
9783653960921
ISBN (MOBI)
9783653960914
ISBN (Paperback)
9783631673102
DOI
10.3726/978-3-653-06525-1
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (März)
Schlagworte
bilaterale Gruppenbesteuerung Organschaftsreform Verlustberücksichtigung grenzüberschreitende Organschaft
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. XII, 230 S.

Biographische Angaben

Johannes Grave (Autor:in)

Johannes Grave war nach seinem Studium der Rechtswissenschaften als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Finanz- und Steuerrecht an der Universität Osnabrück tätig und koordinierte eine Forschungsstelle, an der die grenzüberschreitende Besteuerung zwischen den Niederlanden und Deutschland analysiert wurde. Er arbeitet heute als Rechtsanwalt.

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