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Haftungsfragen bei Unfällen zwischen Radsportlern

Zugleich eine Untersuchung zu relativen Schutzpflichten und der Struktur des § 823 Abs. 1 BGB

von Friedrich Wagner (Autor:in)
©2016 Dissertation 338 Seiten

Zusammenfassung

Radsportunfälle haben häufig neben sportlichen auch juristische Konsequenzen. Der Autor untersucht die zivilrechtlichen Haftungsfragen bei Unfällen zwischen Radsportlern und geht grundlegenden Fragen der zivilrechtlichen Haftungsdogmatik nach. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Sportregeln zu einer verhaltens- statt erfolgsbezogenen Auslegung des § 823 Abs. 1 BGB veranlassen. In manchen Situationen erlangt das Sportreglement zudem den Status von durch § 280 Abs. 1 BGB geschützten relativen Schutzpflichten zwischen Sportlern. Über diese Anspruchsgrundlage ergeben sich auch bislang kaum beachtete Möglichkeiten zur Bekämpfung von Doping.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • A. Bedeutung des Sports für die Gesellschaft und Umgang der Gesellschaft mit Folgeschäden der Sportausübung
  • B. Gegenstand der Untersuchung
  • C. Ziel der Arbeit
  • D. Untersuchungsverlauf
  • I. Erster Teil: Der Unfall im Radsport
  • II. Zweiter Teil: Die Haftung nach einem Unfall im Radsport
  • 1. Teil: Radsport und Radsportunfälle
  • 1. Kapitel: Disziplinen des Radsports und Gefahren des Radsports
  • A. Die Disziplinen des Radsports
  • I. Straßenradsport
  • 1. Straßenrennen
  • 2. Einzelzeitfahren
  • 3. Mannschaftszeitfahren
  • 4. Rundstreckenrennen
  • II. Mountainbikesport
  • 1. Cross Country
  • 2. Cross Country Eliminator
  • 3. Marathonrennen
  • 4. Downhill
  • 5. 4-Cross
  • III. Querfeldeinsport
  • IV. Bahnradsport
  • 1. Einzelwettkämpfe
  • a) Einzelstart
  • b) Massenstart
  • 2. Mannschaftswettkämpfe
  • 3. Wettkämpfe mit motorisiertem Schrittmacher
  • V. Hallenradsport
  • 1. Radball
  • 2. Radpolo
  • 3. Kunstradsport
  • VI. BMX-Sport
  • VII. Trialsport
  • VIII. Einradsport
  • IX. Zusammenfassung
  • B. Ausübung des Radsports
  • I. Rennen
  • II. Training
  • C. Gefahren im Radsport
  • I. Veröffentlichte Untersuchungen zum Thema Unfall im Radsport
  • II. Die veröffentlichten Untersuchungen im Einzelnen
  • 1. Disziplinen übergreifende Untersuchungen
  • a) Projekt Sicherheit im Sport
  • b) Auswertung von Unfalldossiers durch Kurt Biener
  • 2. Untersuchungen im Straßenradsport
  • a) Verletzungen bei den Hamburger Cyclassics (aktuell Vattenfall Cyclassics)
  • b) Unfälle während der Bike New York 1996 Tour (inzwischen TD Five Boro Bike Tour)
  • c) Umfrage unter Hochleistungsradsportlern durch de Bernardo u.a.
  • d) Verletzungen von zwei Straßenprofiteams in den Jahren 1983 bis 1995 vorgestellt durch Barrios u.a.
  • e) Umfrage von Bohlmann 1979
  • 3. Untersuchungen im Mountainbikesport
  • a) Dokumentation der Mountainbike-Unfälle in Amerikanischen Krankenhäusern in den Jahren 1994–2007, vorgestellt durch Nelson u.a.
  • b) Unfälle beim Mammoth Mountain Bicycling Competition (inzwischen Mammoth Kamikaze Bike Games)
  • c) Umfrage unter Hochleistungs- und Amateursport-Mountainbikern durch Himmelreich u.a.
  • d) Verletzungen der Schweizer MTB Nationalmannschaft und des Scott World Cup Teams vorgestellt durch Arnold
  • e) Umfrage unter den Pro/Elite Kategorie Fahrern der Norba 1992
  • f) Befragung der Mitglieder des Los Angeles Bicycling Club und des San Diego Club
  • g) Umfrage unter Lesern der Zeitschrift „bike“ durch Gaulrapp, Weber und Rosemeyer
  • 4. Zusammenfassung
  • 5. Risikovergleich mit anderen Sportarten
  • III. Typische Unfallmuster und deren Ursache
  • 1. Unfall ohne Beteiligung eines anderen Radsportlers
  • 2. Unfall mit Beteiligung eines anderen Radsportlers
  • a) Windschattenfahren – eine bewusste Entscheidung
  • b) Windschattenfahren im Wettkampf
  • c) Windschattenfahren im Training
  • d) Windschattenfahren in Abhängigkeit der ausgeübten Disziplin
  • 3. Zusammenfassung
  • 2. Kapitel: Regeln zur Verhütung von Unfällen
  • A. Reglement
  • I. Rennen mit Massenstart
  • II. Rennen mit Einzelstart
  • III. Sturzhelm
  • B. Ungeschriebene Regeln
  • C. Geltung der Radsportregeln abhängig von der jeweiligen Situation
  • I. Wettkampf
  • 1. Satzungslösung
  • 2. Lizensierungsverfahren
  • a) Inhalt der Lizensierungsvereinbarung
  • b) Rechtliche Bewertung des Lizensierungsverfahrens
  • 3. Nennungsverfahren
  • 4. Folge eines Fehlers im Lizensierungs- oder Nennungsverfahren
  • 5. Verhältnis der Verfahren
  • 6. Erfasste Regeln
  • II. Training
  • 1. Vereinbarung mit anderen Trainingsteilnehmern
  • a) Inhalt der Vereinbarung
  • b) Fehlendes Bewusstsein über die Vereinbarung bei einem Trainingsteilnehmer
  • c) Rechtsnatur der Vereinbarung
  • 2. Geltung über den Verein
  • 3. Geltung über den Spitzenverband
  • 4. Geltung durch Nutzung der „Einrichtung Sport“
  • III. Zusammenfassung
  • D. StVO
  • I. Darstellung der Vorgaben der StVO ohne Berücksichtigung der durch die soziale Akzeptanz der Sportausübung möglicherweise eingeschränkte Geltung der StVO
  • II. Kein Verbot des Radsports im öffentlichen Verkehrsraum
  • III. Vorgaben der StVO für Radfahrer
  • 1. § 2 StVO – Straßenbenutzung durch Fahrzeuge, sowie § 27 StVO – Verbände
  • 2. § 5 StVO – Überholen
  • 3. § 3 StVO – Geschwindigkeit, § 4 StVO – Abstand
  • 4. § 9 StVO – Abbiegen
  • IV. Genehmigungspflicht für Radrennen
  • V. Vergleich mit dem Radsportreglement und dem im Radsport üblichen Fahrverhalten
  • Zusammenfassung des 1. Teils
  • 2. Teil: Haftung bei Unfällen im Radsport während eines Wettkampfes
  • 3. Kapitel: Haftung der Sportler gemäß § 280 I BGB bei Unfällen im Wettkampf
  • A. Haftung gemäß § 280 I BGB basierend auf einem Schuldverhältnis zwischen den Rennfahrern aufgrund der Rennteilnahme
  • I. Schuldverhältnis zwischen den Teilnehmern aufgrund vertraglicher Vereinbarung zwischen den Teilnehmern
  • 1. Möglicher Inhalt einer solchen Vereinbarung
  • a) Charakterisierung der Verpflichtung zum gemeinsamen Austragen eines Wettkampfes
  • b) Charakterisierung der Pflicht, den Wettkampf entsprechend dem Reglements und dem Fairplay Grundsatz auszutragen
  • c) Nur die Regelkonformität soll Gegenstand der vertraglichen Verpflichtung sein
  • 2. Möglichkeit des Abschlusses einer solchen Vereinbarung
  • 3. Tatsächlicher Abschluss einer solchen Vereinbarung
  • 4. Ergebnis
  • II. Andere Sonderverbindung zwischen den Wettkämpfern
  • 1. § 311 II Nr. 3 BGB im Verhältnis zu den bisherigen Lehren über eine haftungsrechtlich relevante Sonderverbindung bei nicht rechtsgeschäftlichen Kontakten
  • 2. Auslegung des Begriffs „Ähnlicher geschäftlicher Kontakt“ in § 311 II Nr. 3 BGB
  • 3. Zwischenergebnis und Folgerungen für den ähnlichen geschäftlichen Kontakt in § 311 II Nr. 3 BGB
  • 4. Kontakt zwischen den Rennteilnehmern als ähnlicher geschäftlicher Kontakt im Sinne von § 311 II Nr. 3 BGB
  • 5. Zusammenfassung
  • III. Schutzpflichten aufgrund drittschützenden Charakters des Regelanerkennungsvertrages
  • 1. Mögliche Pflichtverletzung
  • a) Abgrenzung Leistungs- und Nebenpflichten
  • b) Pflicht, im Zielsprint die Fahrspur nicht zu wechseln
  • c) Vergleich der Pflichtverletzung mit der möglichen deliktischen Haftung
  • 2. Schutzcharakter des Lizensierungs- und Anerkennungsvertrages
  • a) Grundlage des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte
  • b) Verhältnis einer möglichen Schutzwirkung der Vereinbarung zwischen den Rennteilnehmern zum Bestehen einer Verbindung zwischen den Rennfahrern gemäß § 311 II Nr. 3 BGB
  • c) Einbeziehung des Konkurrenten in den Schutzbereich des Regelanerkennungsvertrages
  • 01) Leistungsnähe des verletzten Konkurrenten
  • 02) Nähe des verletzten Sportlers zum Spitzenverband – Gläubigernähe
  • 03) Auswirkung der „Teilnahme auf eigene Gefahr“-Klausel auf die Gläubigernähe
  • 04) Zwischenergebnis
  • 05) Erkennbarkeit des erweiterten Schutzkreises
  • 06) Schutzbedürftigkeit der Sportler
  • 07) Zwischenergebnis
  • 3. Zusammenfassung und Ausblick
  • IV. Spezialfall: Die am Unfall beteiligten Wettkämpfer sind Mitglied eines Teams
  • 1. Team beruht auf ausdrücklicher vertraglicher Vereinbarung
  • a) Die Teammitglieder sind im Rahmen eines Arbeits- oder sonstigen Dienstvertrages mit dem Team verbunden
  • 01) Situationsbeschreibung
  • 02) Rechtliche Würdigung mit Blick auf § 280 BGB
  • b) Die Teammitglieder starten für ein als eingetragener Verein organisiertes Team
  • 01) Situationsbeschreibung
  • 02) Rechtliche Analyse mit Blick auf § 280 I BGB
  • 03) Zusammenfassung
  • 04) Vergleich zur Mitgliedschaft im selben Spitzenverband
  • c) Die Teammitglieder gründen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, um gemeinsam an Rennen teilzunehmen
  • 01) Situationsbeschreibung
  • 02) Rechtliche Analyse mit Blick auf § 280 I BGB
  • 2. Die Rennfahrer bilden ein Team aufgrund einfacher loser Absprache
  • a) Gesellschaft bürgerlichen Rechts als passende Rechtsform
  • b) Möglichkeit der formfreien Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts
  • c) Rechtliche Konsequenzen des Bestehens einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts
  • d) Kriterien für die Rechtsverbindlichkeit der Absprache
  • e) Gefälligkeitsverhältnis mit Schutzpflichten als Zwischenstufe zwischen Gesellschaftsvertrag und rechtlich unverbindlicher Absprache
  • f) Das Verhältnis zwischen Radsportlern
  • 01) Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts
  • 02) Relative Schutzpflichten aufgrund einer Gefälligkeitsgemeinschaft zwischen den Beteiligten
  • g) Zusammenfassung
  • V. Zwischenergebnis
  • 1. Überblick über das Bestehen relativer Schutzpflichten zwischen Radsportlern im Wettkampf
  • 2. Mögliche Pflichtverletzungen der Radsportler im Wettkampf
  • VI. Vertretenmüssen des Konkurrenten
  • 1. Milder Maßstab bei Bestimmung der Fahrlässigkeit
  • 2. Beweislast
  • VII. Mitverschulden
  • VIII. Schaden
  • IX. Einwilligung
  • X. Rechtsgeschäftlicher Haftungsausschluss zwischen den Rennfahrern
  • B. Zusammenfassung
  • I. Sonderverbindung zwischen den Wettkämpfern
  • II. Das Entstehen von relativen Schutzpflichten im Sport
  • III. Bestehen einer Gesellschaft zwischen Wettkampfteilnehmern
  • 4. Kapitel: Haftung gemäß § 823 I BGB bei Unfällen im Wettkampf
  • A. Vorüberlegung
  • I. Rechtslage ohne Berücksichtigung der sportspezifischen Besonderheit der Situation
  • 1. Unfallmuster eins: Sturz aufgrund des zu geringen Abstandes zwischen den Fahrern
  • a) Rechtsgutverletzung durch aktives Tun
  • b) Kausalität zwischen Fahren mit geringen Sicherheitsabstand und Rechtsgutverletzung
  • c) Rechtswidrigkeit
  • d) Verschulden
  • e) Mitverschulden
  • 01) Allgemeines
  • 02) Pflicht zum Tragen eines Helmes
  • f) Rechtsfolge
  • 2. Unfallmuster 2: Sturz des hinterherfahrenden Radfahrers aufgrund des Spurwechsels des Vordermannes im Zielsprint
  • a) Voraussetzungen
  • b) Rechtsfolge
  • II. Ergebnis
  • B. Veränderte Rechtslage bei Sportunfällen
  • I. Ausgangspunkt
  • II. Differenzierung zwischen Sport nebeneinander und Sport gegeneinander
  • III. Tatbestandsebene
  • 1. Verkehrspflichten
  • 2. Kausalität und Zurechnung
  • IV. Rechtswidrigkeit
  • 1. Rechtfertigung aufgrund verkehrsgerechten Verhaltens
  • 2. Einwilligung
  • V. Verschulden
  • VI. Mitverschulden
  • VII. Verbot widersprüchlichen Verhaltens, § 242 BGB
  • VIII. Haftungsausschluss
  • IX. Zusammenfassung
  • C. Eigener Vorschlag zur angemessenen Berücksichtigung der sportspezifischen Interessenlage am Beispiel des Radsports
  • I. Radsport als Kampfsport bzw. Sport mit besonderem Gefahrenpotential
  • 1. Kampfsportarten und Sportarten mit Gegnerbezug
  • 2. Sportarten mit besonderem Gefährdungspotential
  • 3. Einordnung des Radsports
  • 4. Bisherige Rechtsprechung zu Unfällen im Radsport bei Wettkampfunfällen
  • 5. Folgerungen
  • II. Beurteilung von Unfallmuster eins und zwei anhand des Radsportreglements
  • 1. Unfallmuster eins
  • 2. Unfallmuster zwei
  • III. Bestehen einer vertraglich vereinbarten Haftungsmilderung
  • 1. Allgemeine Anforderungen an einen rechtsgeschäftlichen Haftungsausschluss
  • 2. Rechtsgeschäftlicher Haftungsausschluss zwischen Radsportlern
  • a) Direkte vertragliche Haftungsmodifikation zwischen den Wettkämpfern
  • 01) Ausdrückliche Abrede
  • 02) Konkludente Abrede
  • b) Haftungsmodifikation über den Regelanerkennungsvertrag
  • 01) Der Regelanerkennungsvertrag als Vertrag mit Schutzwirkung für die Rennfahrer und als Haftungsausschluss
  • 02) Grundsätzliche Möglichkeit
  • 03) Bewertung der „Handeln auf eigene Gefahr“-Abrede als Erlassvertag zugunsten Dritter
  • c) Ergebnis
  • IV. Tauglichkeit der Verkehrspflichten zur Festlegung des Haftungsmaßes bei Sportunfällen
  • 1. Definition Verkehrspflicht
  • 2. Bisherige unbestrittene Anwendung von Verkehrspflichten
  • 3. Verkehrspflichten bei unmittelbaren Verletzungshandlungen
  • 4. Verkehrspflichten im Radsport
  • V. Verortung der Verkehrspflichten im Deliktsaufbau
  • 1. Berücksichtigung im Tatbestand
  • 2. Berücksichtigung auf Rechtswidrigkeitsebene
  • 3. Stellungnahme
  • a) Konkretisierung des Tatbestandes im Rahmen der Zurechnung
  • b) Die Verkehrspflichten als Konkretisierung des Zurechnungszusammenhanges
  • c) Zwischenergebnis
  • 4. Rechtswidrigkeitsebene
  • 5. Zusammenfassung
  • VI. Umgang mit Regelverstößen – Verschuldensebene
  • 1. Verkehrspflichten auf Tatbestandebene
  • 2. Sorgfaltspflichten auf Ebene des Verschuldens
  • 3. Verhältnis Verkehrspflichten und Sorgfaltspflichten
  • 4. Regelverstöße und deren Verhältnis zur im Verkehr erforderlichen Sorgfalt
  • a) Gefährlichkeit der Handlung
  • b) Eigenart der Sportart
  • c) Situation der Regelübertretung
  • d) Fähigkeiten der Sportler
  • e) Sonderproblem: bewusste Regelübertretung
  • f) Zwischenergebnis
  • VII. Maßstab der Verschuldens
  • 1. Beschränkung auf die eigenübliche Sorgfalt
  • 2. Beschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit
  • 3. Anwendung der für Arbeitnehmer geltenden Haftungsgrundsätze in der innerbetrieblichen Haftung
  • VIII. Vorsätzliche Rechtsgutverletzung bei sportregelkonformen Verhalten
  • 1. Grenzen der Risikozuweisung durch die Verkehrspflichten
  • 2. Die Einwilligung in vorsätzliche Rechtsgutverletzungen im Rahmen der Sportausübung
  • IX. Zwischenergebnis
  • X. Die Bedeutung des Mitverschuldens gemäß § 254 BGB bei Sporthaftungsfällen, insbesondere auch zur Bedeutung des Handelns auf eigene Gefahr
  • 1. Rechtliche Bewertung des Handelns auf eigene Gefahr
  • a) Möglichkeiten zur Berücksichtigung eines freiwillig eingegangenen Risikos
  • b) Untauglichkeit des eingegangenen Risikos als einziges Kriterium
  • 2. Auswirkung der dargelegten Grundsätze zur Beurteilung von Haftungsfragen bei Sportunfällen
  • a) Unbestrittene Fälle des Mitverschuldens nach § 254 I BGB
  • b) Teilnahme am Sport als Handeln auf eigene Gefahr
  • c) Handeln auf eigene Gefahr bei Teilnahme an gesellschaftlich missbilligten Sportarten
  • 01) Vorrang einer rechtsgeschäftlichen Lösung
  • 02) Mitverschulden
  • XI. Vergleich zur Rechtsprechung zu Unfällen im Sport
  • 1. BGH Rechtsprechung
  • a) Aktueller Stand
  • b) Bewertung der Rechtsprechung
  • 2. OLG Rechtsprechung
  • a) Überblick
  • b) Bewertung und Verhältnis zur BGH Rechtsprechung
  • 3. Vergleich der Rechtsprechung mit dem hier vorgelegten Ansatz zur Lösung von Haftungsfragen im Sport
  • XII. Beweisprobleme
  • 1. Beweislast bei der Haftung gemäß § 823 I BGB
  • 2. Anscheinsbeweis für fahrlässiges Verhalten bei verkehrspflichtwidrigem Verhalten
  • a) Voraussetzungen des Anscheinsbeweis
  • b) Schluss von regelwidrigem Verhalten auf fahrlässiges Verhalten
  • c) Zwischenergebnis
  • 3. Vergleich mit der Beweislast bei Sporthaftungsfällen nach der Lösung der Rechtsprechung des BGH
  • 4. Vergleich mit der Beweislast beim Anspruch aus § 280 I BGB
  • D. Ergebnisse
  • I. Verkehrspflichten und Sorgfaltspflichten als Ausgangspunkt
  • 1. Verkehrspflichten als maßgebliches Zurechnungskriterium
  • 2. Sorgfaltspflichten als Maßstab der Vorwerfbarkeit
  • 3. Grenzen der nach den Verkehrspflichten tolerierten Verhaltensweisen
  • II. Lösung der Rechtsprechung
  • III. Mitverschulden
  • E. Verhältnis des hier vorgestellten Ansatzes mit den traditionellen Lehren zu § 823 I BGB
  • I. Verstoß gegen Verkehrspflichten als Voraussetzung trotz unmittelbarer Verletzungshandlung
  • 1. Verkehrspflichtenverstoß bei unmittelbaren Verletzungshandlungen nur bei Sportverletzungen
  • 2. Generelle Forderung eines Verstoßes gegen Verkehrspflichten im Tatbestand des § 823 I BGB
  • 3. Ergebnis
  • II. Problemfelder im Zusammenhang mit dem favorisierten Deliktsaufbau
  • 1. Eingriffsbefugnis, insbesondere Notwehr
  • a) Notwehrrechte im Sport
  • b) Generell erfolgsbezogene Beurteilung der Rechtswidrigkeit in Hinblick auf die Notwehr
  • 2. Anspruch auf Unterlassung
  • III. Unterscheidung zwischen Verkehrspflichten und Sorgfaltspflichten
  • F. Konkrete Festlegung der Verkehrspflichten im Radsport
  • I. Eigene Würdigung
  • II. Vergleich mit der Rechtsprechung zu Radsportunfällen
  • 5. Kapitel: Haftung gemäß § 823 II 1 BGB bei Unfällen im Wettkampf
  • A. § 823 II 1 BGB in Verbindung mit den Sportregeln als Schutzgesetze
  • I. Allgemeine Anforderungen an ein Schutzgesetz
  • II. Das BDR und UCI Reglement als Schutzgesetz
  • III. Ergebnis
  • B. § 823 II 1 BGB in Verbindung mit Vorschriften des StGB
  • I. Strafrechtliche Beurteilung der typischen Unfallmuster
  • 1. Unfallmuster eins
  • a) Rechtslage bei Behandlung des Unfalls als bloßen Verkehrsunfall
  • b) Die strafrechtliche Bewertung von Sportunfällen
  • c) Beurteilung von Unfallmuster eins
  • 2. Unfallmuster zwei
  • a) Rechtslage bei Behandlung des Unfalls als bloßen Verkehrsunfall
  • b) Rechtslage bei Berücksichtigung der sportspezifischen Interessenlage
  • 3. Zusammenfassung
  • II. Anforderungen gemäß § 823 II 1 BGB an die Schutzgesetzverletzung
  • 1. Auswirkungen auf die hier vorgestellten Beispiele
  • 2. Geltung des zivilrechtlichen Sorgfaltsmaßstabes
  • C. § 823 II 1 BGB in Verbindung mit StVO Regeln
  • I. Verletzung der StVO
  • II. Vollständige Derogation in Hinblick auf § 823 II BGB
  • III. Haftungsbegrenzung durch Verschuldensprüfung
  • IV. Bedeutung im Zusammenhang mit § 315c StGB
  • 3. Teil: Haftungsfragen bei Trainingsunfällen
  • 6. Kapitel: Haftung gemäß § 280 I BGB bei Unfällen im Training
  • A. Schuldverhältnis zwischen den Teilnehmern aufgrund Mitgliedschaft in einem Team
  • I. Organisation im gleichen Spitzenverband
  • II. Mitgliedschaft im selben Sportverein
  • III. Mitgliedschaft in einem nicht als Verein aber auf anderem Wege rechtlich organisierten Team
  • 1. Arbeitsrechtliche Verbundenheit zwischen dem Team und den Rennfahrern
  • 2. Ausdrückliche vertragliche Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts
  • B. Schuldverhältnis zwischen den Trainingsteilnehmern aufgrund des Zusammenschlusses zum Trainieren alleine
  • I. Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch gemeinsames Trainieren
  • 1. Vergleich des Inhalts der Trainingsabrede mit dem Pflichtenprogramm eines Vertrages zur Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts
  • 2. Bestehen eines Rechtsbindungswillens zur Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Radtraining
  • a) Vergleich zur Wettkampfsituation
  • b) Abschluss einer Vereinbarung mit Rechtsbindungswillen vor jedem Training
  • c) Zusammenfassung
  • II. Das gemeinsame Radtraining als ähnlicher geschäftlicher Kontakt im Sinne von § 311 II Nr. 3 BGB aufgrund einer Gefälligkeitsgemeinschaft
  • III. Zusammenfassung
  • 7. Kapitel: Haftung gemäß § 823 I BGB bei Unfällen im Training
  • A. Verständnis des § 823 I BGB
  • B. Festlegung der Verkehrspflichten im Radsporttraining
  • I. Regelwerke zur Konkretisierung der Verkehrspflichten
  • II. Grundsätzliche Geltung der StVO
  • III. Situationsabhängige Festlegung der Verkehrspflichten anhand des Radsportreglements anstatt der StVO
  • 1. Geltung des Radsportreglements
  • 2. Umfang der Geltung des Radsportreglements
  • 3. Zusammenfassung
  • IV. Konkrete Vorgaben des Radsportreglements
  • C. Bestimmung des Fahrlässigkeitsmaßstabes im Radsporttraining
  • I. Grundsatz: Einhaltung des Reglements
  • II. Sorgfaltsgemäßes Verhalten trotz Regelverstoßes
  • III. Beurteilung von Unfallmuster eins und zwei
  • D. Mitverschulden im Radsporttraining
  • E. Absprache zum gemeinsamen Training als vertraglicher Haftungsausschluss
  • I. Interesse der Trainierenden an einem Haftungsausschluss
  • II. Bewertung der Interessenlage
  • III. Notwendigkeit eines Haftungsausschlusses
  • 8. Kapitel: Haftung gemäß § 823 II 1 BGB bei Unfällen im Training
  • A. Haftung gemäß § 823 II 1 BGB in Verbindung mit den Sportregeln als Schutzgesetze
  • B. Haftung gemäß § 823 II BGB in Verbindung mit Vorschriften des StGB
  • I. Strafrechtliche Bewertung von Unfällen während des Radsporttrainings
  • 1. Unterschied zwischen der Ausübung des Radsports im Training beziehungsweise im Wettkampf
  • 2. Auswirkung des Unterschiedes auf die strafrechtliche Beurteilung
  • 3. Dennoch strengere Bewertung im Einzelfall möglich
  • 4. Konkrete Bewertung von Unfallmuster eins und zwei
  • II. Anforderungen an die Verletzung des Schutzgesetzes
  • III. Zusammenfassung
  • C. Haftung gemäß § 823 II 1 BGB in Verbindung mit Vorschriften der StVO
  • I. Geltung der StVO im Binnenverhältnis zwischen den Teilnehmern
  • 1. Trainingsunfälle und Schutzzweck der StVO
  • 2. Zwischenergebnis
  • II. Einschränkung des Anspruch durch § 823 II 2 BGB
  • III. Ergebnis
  • 9. Kapitel: Abschließende Zusammenfassung
  • A. Ausübung des Radsports und dessen Gefährlichkeit
  • I. Formen des Radsports
  • II. Gefährlichkeit des Radsports
  • III. Regelwerke zur Begrenzung der Gefährlichkeit des Radsports
  • 1. StVO
  • 2. Geschriebenes Radsportreglement
  • 3. Ungeschriebenes Reglement
  • B. Relative Schutzpflichten als Grundlage für eine Haftung der Sportler gemäß § 280 I BGB
  • I. (Gesellschafts-)Vertragliche Bindung zwischen den Sportlern aufgrund der gemeinsamen Sportausübung
  • 1. Gemeinsame Wettkampfteilnahme
  • 2. Gemeinsames Training
  • II. Relative Schutzpflichten aufgrund des engen Kontakts der Sportler zueinander, Bestehen eines ähnlichen geschäftlichen Kontakts im Sinne von § 311 II Nr. 3 BGB, Bestehen einer Gefälligkeitsgesellschaft
  • 1. Relative Schutzpflichten zwischen den Wettkämpfern aufgrund der Schutzwirkung für Dritte des Regelanerkennungsvertrages
  • III. Sportler sind Teil eines Teams
  • 1. Team basiert auf ausdrücklicher vertraglicher Regelung
  • 2. Team basiert nicht auf ausdrücklicher vertraglicher Abrede
  • C. Die Verkehrspflichten als Konkretisierung des Tatbestandes von § 823 I BGB und die Sorgfaltspflichten als Maßstab der Fahrlässigkeit im Rahmen des Verschuldens
  • I. Die Bedeutung der Verkehrspflichten für die Haftung wegen eines Sportunfalls
  • II. Die Verkehrspflichten im Vergleich zu den Sorgfaltspflichten
  • III. Festlegung der Verkehrspflichten und Sorgfaltspflichten im Sport
  • IV. Verhältnis des hier vertretenen verhaltensbezogenen Konzepts zu den traditionellen Lehren zu § 823 I BGB
  • D. Haftung gemäß § 823 II 1 BGB
  • I. Die Sportregeln als Schutzgesetze
  • II. Strafgesetze als Schutzgesetze
  • III. Vorschriften der StVO als Schutzgesetze
  • E. Haftungsausschluss und Einwilligung
  • I. Vertraglicher Haftungsausschluss
  • II. Rechtfertigende Einwilligung
  • F. Mitverschulden im Falle der Haftung nach einem Sportunfall
  • I. Mitverschulden gemäß § 254 BGB und Handeln auf eigene Gefahr
  • II. Anwendungsbereich
  • G. Vergleich zur Rechtsprechung in Sporthaftungsfragen
  • I. Konzeptionelle Unterschiede
  • II. Gleiche Ergebnisse
  • H. Beweislast im Sporthaftungsprozess
  • I. Anspruch aus § 823 I BGB
  • II. Anspruch aus § 280 I BGB
  • III. Vergleich zur Verteilung der Beweislast nach der Ansicht des BGH
  • Literaturverzeichnis
  • Stichwortverzeichnis

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Einleitung

„Sport has the power to change the world. It has the power to unite people in a way that little else does“ (Nelson Mandela).

Damit beschrieb Nelson Mandela eine der wichtigsten positiven Eigenschaften, die dem Sport gemeinhin zugeschrieben wird. Darüber hinaus fördert die sportliche Betätigung die Gesundheit und trägt zum körperlichen Wohlbefinden bei.

A. Bedeutung des Sports für die Gesellschaft und Umgang der Gesellschaft mit Folgeschäden der Sportausübung

Sport ist Teil der Gesellschaft. In fast allen Schulen findet Sportunterricht statt, zahllose Vereine bieten eine kaum mehr überschaubare Vielfalt an Sportprogrammen an und es gibt Wettkämpfe aller Art für Hobby- und Leistungssportler. Die Motivation zum Sportreiben ist sehr vielfältig: Leistungssportler erwirtschaften zumindest einen Teil ihrer finanziellen Lebensgrundlage durch Sportausübung, wohingegen Hobbysportler Sport betreiben, um Entspannung zu finden, Freunde zu treffen, weil ihnen die körperliche Betätigung Freude bereitet und ihrer Gesundheit zuträglich ist.

Leider sind bei der Sportausübung Unfälle zwischen Sportlern unvermeidbar. Diese können teilweise gravierende Folgen für Körper und Gesundheit des Sportlers sowie dessen Vermögen haben. In Deutschland kommt es jährlich zu etwa 2 Millionen Sportverletzungen.1 In der Schweiz verunglückten in dem Zeitraum von 2000 bis 2012 2383 Sportler tödlich.2 Bei wie vielen dieser Unfälle Fremdbeteiligung eine Rolle gespielt hat, geht aus den Statistiken leider nicht hervor. Es würde aber bereits ein sehr geringer prozentualer Anteil genügen, um zu einer beträchtlichen absoluten Zahl an Unfällen mit Fremdbeteiligung zu kommen.

Außerdem ergeben sich aus den Folgen des Unfalls häufig auch Folgen für Dritte bzw. die Gesellschaft.3 Erinnert sei in diesem Zusammenhang an Krankschreibungstage oder Behandlungskosten in Folge von Sportverletzungen. Im Jahr 2000 entstand in Deutschland durch Sportverletzungen ein Schaden von 1.650 Millionen Euro, mag auch hiervon wieder nur ein Teil auf Sportverletzungen mit Fremdbeteiligung ← 25 | 26 → entfallen.4 In den USA entsteht zum Beispiel jährlich ein Schaden von mehr als eine Milliarde US Dollar durch die Behandlung von 500.000 Patienten nach Mountainbike-Unfällen.5

Um diese Unfallfolgen aufzuarbeiten und aufzufangen, bedarf es eines Mechanismusses, der einen gerechten Ausgleich zwischen den Betroffenen herstellt. Betroffen sind nicht nur die Sportler selbst, sondern auch auf den ersten Blick Unbeteiligte wie Arbeitgeber oder Krankenversicherungen. Den Arbeitgebern und Krankversicherungen werden kraft Gesetzes Schäden aus der Sphäre des Arbeitnehmers bzw. Versicherten zugewiesen, sodass sie unter Umständen ebenfalls geschädigt sein könnten. Im Fall der Krankenversicherung ist nicht nur diese selbst, sondern letztlich die Gemeinschaft der Versicherten betroffen. Denn muss eine Krankenversicherung für einen Schaden aufkommen, wird diese versuchen, die gestiegenen Kosten auf die Versicherten durch höhere Beiträge abzuwälzen.6

Wann jedoch eine Verlagerung des Schadens auf Krankenkasse oder Arbeitgeber angemessen ist, ist häufig rechtlich, gesellschaftlich und somit auch rechtspolitisch stark umstritten.

Die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers trotz Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ist Ausfluss des Sozialstaatsprinzips und sorgt für eine Risikoverschiebung aufgrund gesellschaftlichen Konsenses vom Schwachen zum Starken. Diese Pflicht zur Zahlung von Lohn ohne Arbeit besteht gemäß § 3 I 1 EFZG nur, wenn den Arbeitnehmer kein Verschulden an der Herbeiführung der Arbeitsunfähigkeit trifft. Obwohl der Wortlaut dies zunächst nahe legt, ist der Verschuldensmaßstab nicht § 276 I BGB zu entnehmen, sondern ein Verschulden wäre nur bei einem gröblichen Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen für den Selbstschutz als notwendig erachtete Verhalten gegeben.7 Dementsprechend führt nur ein grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten zum Verlust des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung. Dabei kommt unter Umständen ein solches Verschulden bereits durch die bloße Ausübung einer besonders gefährlichen Sportart in Betracht.8

Ein Ausschluss der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse kommt dagegen selbst bei vorsätzlicher Herbeiführung der Verletzung bzw. Krankheit des Versicherten nicht in Betracht. Bei vorsätzlicher Herbeiführung der Krankheit kann ← 26 | 27 → die gesetzliche Krankenkasse jedoch gemäß § 52 I SGB V den Versicherten in angemessener Höhe an den Kosten der Leistung beteiligen.9

Eine Verlagerung des Schadens von einem schädigenden Dritten auf die Krankenkasse oder den Arbeitgeber erfolgt dagegen nur in viel geringerem Maße. Zwar ist auch in diesem Fall der Arbeitgeber zunächst gemäß § 3 I 1 EFZG zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Allerdings kann der Arbeitgeber aus der Schadensersatzforderung des Arbeitnehmers, die gemäß § 6 I EFZG auf ihn übergegangen ist, gegen den Schädiger vorgehen und so Regress nehmen. Hat die Krankenkasse Behandlungskosten nach Schädigung des Versicherten durch einen Dritten übernommen, kann auch sie aus gemäß § 116 I 1 SGB X übergegangen Recht gegen den Schädiger vorgehen.

In Anbetracht dieser Umstände besteht seit langem darüber Einigkeit, dass der Interessenausgleich nach einem Sportunfall über eine sportinterne Reaktion allein, zum Beispiel in Form eines Schiedsrichterurteils10 oder einer Verbandssanktion, nicht herzustellen ist. Eine sportinterne Reaktion allein würde der Bedeutung der Unfallfolgen in vielen Fällen nicht gerecht.11 Die Sportausübung bewegt sich somit im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und der staatlichen Gerichtsbarkeit12. Andererseits kann die rechtliche Beurteilung des Sportunfalles nicht losgelöst von den sportlichen Rahmenbedingungen erfolgen. Das Recht muss den Sportregeln und damit den Besonderheiten des Sporttreibens ausreichend Rechnung tragen. Wie genau ← 27 | 28 → nun diese Besonderheiten im Rahmen der allgemeinen Dogmatik und Systematik des Haftungsrechts zu berücksichtigen sind, ist seit Jahrzehnten heftig umstritten.

B. Gegenstand der Untersuchung

Die rechtliche Bewältigung des beschriebenen Interessenausgleichs zwischen den Sportlern und den mittelbar beteiligten Institutionen wie Krankenversicherung und Arbeitgeber bildet den Mittelpunkt der Untersuchung. Allerdings würde es den Rahmen der Arbeit sprengen, alle Haftungskonstellationen zu diskutieren, die sich aus einem Sportunfall ergeben können.

Unter den Begriff Sportunfall lassen sich nach allgemeinem Sprachgebrauch zunächst alle Unfälle während der Sportausübung fassen, an denen zumindest ein Sportler beteiligt ist. Erfasst sind damit Unfälle während der Sportausübung zwischen Sportlern, Unfälle zwischen Sportlern und Zuschauern und zuletzt auch Unfälle, die ein Sportler ohne Fremdbeteiligung, unter Beteiligung eines Veranstalters oder Beteiligung von gänzlich Unbeteiligten erleidet.

Gegenstand der hier vorgenommenen Untersuchung ist die Haftung der Sportler untereinander. Dementsprechend sind nur Sportunfälle unter ausschließlicher Beteiligung von Sportlern während der Sportausübung von Interesse. Auch ausgeklammert bleiben Unfälle, bei denen ein Sportler eine besondere Vertrauensstellung einnimmt und die Möglichkeit hat, das Geschehen alleinverantwortlich zu lenken. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei diesen Personen in der jeweiligen Situation überhaupt noch um Sportler bei der Sportausübung handelt. Eine besondere Vertrauensstellung und Lenkungsbefugnis haben insbesondere Lehrer, Trainer und sonstige Übungsleiter.

Des Weiteren konzentriert sich die Arbeit auf den Radsport. Im Radsport gehen die Sportler typischerweise ein Risiko ein, indem sie statt des nach der StVO vorgeschrieben Abstandes nur einen viel geringeren Abstand einhalten.13 Von diesem Verhalten versprechen sich die Sportler den Vorteil einer deutlichen Kraftersparnis.14 Dementsprechend ist der Radsport als Exempel für die Untersuchung der Haftung, und insbesondere die Haftungsmodifikation aufgrund eines freiwillig eingegangen Risikos, besonders geeignet.

C. Ziel der Arbeit

Die Untersuchung verfolgt zwei Hauptziele. Zunächst soll die Arbeit als erste umfassende Darstellung von Haftungsfragen im Radsport einen Beitrag zur Rechtsklarheit im Radsport leisten. ← 28 | 29 →

Darüber hinaus sind ganz allgemein Ergebnisse zu umstrittenen Fragen im Haftungsrecht zu erwarten. Möglicherweise genügen die Sportregeln, die zu einem gewissen Näheverhältnis zwischen den Sportler führen, zur Begründung eines ähnlichen geschäftlichen Kontakts im Sinne von § 311 II Nr. 3 BGB oder können zumindest auf anderem Wege als Grundlage für eine Haftung aus § 280 I BGB dienen. Des Weiteren ist auch im Rahmen von § 823 I und II BGB die Frage zu klären, ob ein freiwillig eingegangenes Risiko durch den Geschädigten, das darüber hinaus auch noch gesellschaftlich gebilligt und sogar unterstützt wird, dessen Schadensersatzanspruch ausschließen oder begrenzen kann.

D. Untersuchungsverlauf

Die Untersuchung ist induktiv aufgebaut: Ausgehend vom Unfall zwischen Radsportlern sollen verallgemeinerungsfähige Thesen zur Dogmatik der Haftung bei Sportunfällen entwickelt werden. Die Untersuchung wird dabei in zwei Teile untergliedert.

I. Erster Teil: Der Unfall im Radsport

Den ersten Teil der Arbeit bildet die Analyse des Unfalls im Radsport unter Zuhilfenahme der hierzu vorhandenen Literatur und der Datenbanken von Unfallverhütungsstellen. Bei der vorhandenen Literatur handelt es sich nicht um rechtlich analysierende Untersuchungen, sondern zumeist um medizinische Veröffentlichungen. Die Unfallverhütungsstellen stellen direkt empirisches Material zur Verfügung. Ein besonderes Augenmerk bei der Analyse dieser Daten liegt auf der Häufigkeit, den Ursachen und den Folgen von Unfällen im Radsport in den jeweiligen Radsportdisziplinen.

In einem zweiten Schritt ist zu klären, welche Regeln zwischen den Radsportlern zur Verhütung von Unfällen gelten. Hier ist zwischen Sportausübung im Rahmen eines Wettkampfes und Sportausübung zum Training zu unterscheiden. Von Interesse ist hierbei insbesondere, auf welchem rechtlichen Wege die Sportregeln in Wettkampf und Training zwischen den Radsportlern Geltung erlangen. Darüber hinaus werden die Sportregeln mit der StVO verglichen.15

II. Zweiter Teil: Die Haftung nach einem Unfall im Radsport

Ausgehend von den gefundenen Ergebnissen wird die Haftung der beteiligten Personen geklärt. Dabei stellt sich zunächst die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine vertragliche Haftung gemäß §§ 280 I, 241 II BGB (u.U. zusätzlich in Verbindung mit § 311 II Nr. 3 BGB oder den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte) in Betracht kommt. Von zentraler Bedeutung ist dabei aber auch die deliktische Haftung gemäß § 823 I, II BGB.16 Die Untersuchung wird ← 29 | 30 → auch hier unterteilt in die Haftung während eines Wettkampfes und die Haftung bei einer Trainingsfahrt.

Ferner wird der Versuch unternommen, verallgemeinerungsfähige Vorschläge für die Fortentwicklung der bestehenden haftungsrechtlichen Dogmatik zur Haftung zwischen Sportlern zu gewinnen.


1 Henke, T./Luig, P./Schulz, D., Bundesgesundheitsblatt 2014, 628.

2 bfu - Beratungsstelle für Unfallverhütung, Tödliche Sportunfälle in der Schweiz 2000–2012, http://www.bfu.ch/sites/assets/Shop/bfu_2.117.01_bfu-Grundlagen%20%E2%80%93%20T%C3%B6dliche%20Sportunf%C3%A4lle%20in%20der%20Schweiz,%202000%E2%80%932012.pdf (Zuletzt geprüft am: 09.10.2014).

3 Siehe dazu ausführlich: Fuchs, M., SpuRt 1999, 133–138.

4 Gläser, H./Henke, T., Sportunfälle - Häufigkeit, Kosten, Prävention, http://www.budoten.org/wp-content/uploads/2010/09/arag-sportunfaelle.pdf (Zuletzt geprüft am: 30.09.2014).

5 Aleman, K.B./Meyers, M.C., Sports Medicine (Auckland, N.) 2010, 77, 80.

6 Eine umfassende Darstellung der Umverteilung von Schäden bei Sportunfällen bietet Fuchs, M., SpuRt 1999, 133–138.

7 BeckOk Arbeitsrecht/Ricken, Stand 06.2014, § 3 EFZG Rn. 34.

8 Für Einzelheiten siehe: BeckOk Arbeitsrecht/Ricken, Stand 06.2014, § 3 EFZG Rn. 47 sowie unten Untauglichkeit des eingegangenen Risikos als einziges Kriterium S. 218 ff.

9 Dabei handelt es sich Ermessensentscheidung, vgl.: Waltermann, R. in: Kreikebohm, Ralf/Spellbrink, Walter/Waltermann, Raimund, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl. 2013, § 53 SGB V. Im Fall der privaten Krankenversicherung ist die Rechtslage ähnlich: gemäß § 201 VVG ist die Versicherung nicht zur Leistung verpflichtet.

10 Als Schiedsrichter ist hier der – zumeist vom Verband bestellte – Offizielle gemeint, der während des Wettkampfes über die Einhaltung der Sportregeln wacht. Nicht gemeint ist dagegen der Schiedsrichter, der Teil eines Schiedsgerichts im Sinne von § 1034 ZPO ist.

11 Pfister, B., Einleitung, in: Fritzweiler, J.; Pfister, B.; Summerer, T., Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl. 2007, S. 7.

12 Teilweise wird innerhalb des Sport versucht, die staatliche Gerichtsbarkeit durch Vereinbarung von Schiedsgerichten im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO auszuschließen. Allerdings scheitert dieser Versuch häufig an einem zu großen Einfluss des Verbandes auf das Schiedsgericht, vgl.: Pfister, B./Summerer, T., 2. Teil. Sport, Vereine und Verbände, in: Fritzweiler, J.; Pfister, B.; Summerer, T., Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl. 2007, S. 210–213. Weniger kritisch hierzu hingegen Buchberger, M., Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen durch die ordentliche Gerichtsbarkeit, 1999, S. 182–186 und Steiner, U., SpuRt 2014, 2, 3 f.
Darüber hinaus unterliegen auch schiedsgerichtliche Urteile einer eingeschränkten Kontrolle durch die staatliche Gerichtsbarkeit, für Einzelheiten siehe: Müko-ZPO4/Münch, Vorbemerkungen zu den §§ 1025 ff. ZPO Rn. 7–9.
Aktuell siehe zu dieser Problematik den Fall Pechstein vor dem LG München I, dessen Urteil allerdings noch nicht rechtskräftig ist: LG München I, Urteil v. 26.02.2014 (Az. 37 O 28331/12), zitiert nach Juris. Siehe dazu auch Mohnheim, D., SpuRt 2014, 90–94.

13 Zur Gefährlichkeit des Radsports siehe unten: Gefahren im Radsport S. 51 ff.

14 Ausführlich zu Interessenlage und Taktik im Radsport siehe unten: Typische Unfallmuster und deren Ursache S. 66 ff.

15 Siehe dazu unten: 1. Teil: Radsport und Radsportunfälle, S. 31 ff.

16 Siehe dazu unten: 2. Teil: Haftung bei Unfällen im Radsport, S. 107 ff.

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1. Teil:
Radsport und Radsportunfälle

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1. Kapitel: Disziplinen des Radsports und Gefahren des Radsports

A. Die Disziplinen des Radsports

Radsport kann in verschiedenen Disziplinen betrieben werden. Die UCI (Union Cycliste Internationale) und der BDR (Bund Deutscher Radfahrer) unterscheiden Straßenradsport, Mountainbikesport, Querfeldeinsport, Bahnradsport, Hallenradsport, BMX Sport, Trialsport und Einradfahren.17

Das Reglement wird bestimmt durch die für alle Disziplinen geltende Sportordnung des BDR. Darüber hinaus gibt es Wettkampfbestimmungen des BDR für jede einzelne Disziplin.18 Die Sportordnung sowie die Wettkampfbestimmungen haben mit den UCI Cycling Regulations ein Pendant auf internationaler Ebene.19 Die Sportordnung und die Wettkampfbestimmungen gelten für alle Wettbewerbe des Rennkalenders des BDR. Sollte es sich um ein internationales Rennen des Kalenders der UCI handeln, gilt das UCI-Reglement.20 Im Folgenden wird daher sowohl das BDR-Reglement als auch das UCI-Reglement untersucht.

I. Straßenradsport

Straßenradsport wird auf asphaltierten Wegen betrieben.21 Die Straßenräder müssen bestimmte Voraussetzungen einhalten.22 Hervorzuheben ist das Mindestgewicht von 6,80 kg.23 ← 33 | 34 →

Im Wettkampf werden von der UCI und dem BDR folgende weitere Unterdisziplinen unterschieden: Straßenrennen, Einzelzeitfahren, Mannschaftszeitfahren und Rundstreckenrennen. Bei den genannten Disziplinen handelt es sich um Eintagesrennen. Etappenrennen dauern dagegen mehrere Tage und können an jedem Tag ein Rennen entsprechend dem Reglement eines Eintagesrennens enthalten.24

1. Straßenrennen

Straßenrennen sind Rennen mit Massenstart.25 Es dürfen maximal 200 Teilnehmer starten.26 Die Rennlänge beträgt bei Rennen des nationalen Kalenders zwischen 20 km in der Nachwuchsklasse für unter Elfjährige und 250 km in der Eliteklasse der Herren.27 Bei Rennen des internationalen Kalenders verlängert sich die maximale Länge bei den Herren in der Eliteklasse auf 280 km, wobei die UCI für manche Rennen ausnahmsweise sogar eine noch längere Distanz erlauben kann.28 Der Veranstalter muss dafür sorgen, dass die Strecke weder für die Sportler noch für die Betreuer oder Zuschauer ein besonderes Risiko darstellt.29 Allerdings ist eine komplette Sperrung der Straßen nicht unbedingt notwendig.30 Das Rennen kann ← 34 | 35 → auf einer Rundstrecke ausgetragen werden. Allerdings muss die Runde mindestens 10 km lang sein, sonst handelt es sich um ein Rundstreckenrennen31.32

Die Rennfahrer dürfen eng zusammen fahren und den Windschatten von anderen Fahrern nutzen. Lediglich das Behindern anderer Rennfahrer durch Abdrängen oder Ähnliches ist untersagt.33 Es gewinnt derjenige Fahrer, der zuerst die Ziellinie überquert.34

2. Einzelzeitfahren

Im Gegensatz zu Straßenrennen erfolgt der Start beim Einzelzeitfahren einzeln von einer Startrampe.35 Die Strecke ist deutlich kürzer, bei den Juniorinnen sind Distanzen zwischen 10 km und 15 km zulässig, bei den Herren in der Eliteklasse beträgt die Distanz maximal 80 km, wobei 50 km üblich sind.36 Die Strecke muss ausgeschildert und sicher abgesperrt sein.37

Die Rennfahrer dürfen sich nicht gegenseitig helfen und dürfen, sollten sie trotz Einzelstarts einen anderen Rennfahrer einholen, außerhalb der eng begrenzten Überholphase nicht im Windschatten des anderen Fahrers fahren.38 Beim Überholen ist ein Seitenabstand von 2 m einzuhalten und nach einem Kilometer muss der Überholte einen Mindestabstand von 25 m zum Vordermann einhalten.39 Beim Einzelzeitfahren siegt der Fahrer mit der schnellsten Endzeit.40 ← 35 | 36 →

3. Mannschaftszeitfahren

Details

Seiten
338
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653061109
ISBN (ePUB)
9783653961256
ISBN (MOBI)
9783653961249
ISBN (Hardcover)
9783631666654
DOI
10.3726/978-3-653-06110-9
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Februar)
Schlagworte
Haftung Sportunfall Radsport Sportverband Anti-Doping-Gesetz Versicherung
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 338 S.

Biographische Angaben

Friedrich Wagner (Autor:in)

Friedrich Anselm Wagner studierte Rechtswissenschaften an der Universität Passau. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich des Zivil- und Sportrechts. In Sportverbänden und Sportvereinen ist er juristisch beratend tätig.

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Titel: Haftungsfragen bei Unfällen zwischen Radsportlern
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