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Von der Hierarchie zur Egalität in den Zivilrechtskodifikationen des 19. Jahrhunderts vor dem BGB

von Daniel Hupe (Autor:in)
©2015 Dissertation 238 Seiten
Reihe: Rechtshistorische Reihe, Band 460

Zusammenfassung

Daniel Hupe vergleicht ausgewählte Kodifikationsprojekte des 19. Jahrhunderts miteinander und untersucht diese auf das Vorhandensein und die Ausgestaltung einer zivilrechtlichen Gleichheit. Die untersuchten Kodifikationsprojekte stellen grundlegende Meilensteine auf dem Weg zu einer modernen Zivilgesellschaft dar, in denen sich bereits erste Anzeichen einer zivilrechtlichen Gleichheit finden lassen. Ein besonderes Augenmerk legt der Autor auf das Zivilrecht sowie auf das Verfassungsrecht, Wirtschaftsrecht und die soziale Situation in der Gesellschaft. Dazu untersucht er die folgenden Gesetzestexte: das preußische ALR, den Code civil, das Badische Landrecht, das ABGB, den hessischen Entwurf eines BGB, das Privatrechtsgesetzbuch des Kantons Zürich in der Schweiz, den bayerischen Entwurf eines BGB und das Sächsische BGB.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Vorwort
  • A. Einleitung
  • B. Die Entwicklung der Gleichheit
  • I. Abschaffung der Ständegesellschaft und Entstehung der staatsbürgerlichen Gleichheit
  • 1. Ständegesellschaft im Umbruch? – Ausgangslage zum Ende des 18. Jahrhunderts
  • 2. Die Ständegesellschaft in der frühen Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts
  • a. Die Ständegesellschaft und das ALR von 1794 – ein Spiegelbild des ancien régime?
  • aa. Auswirkungen der Ständegesellschaft auf diverse Lebensbereiche
  • i. Freiheit im Allgemeinen und im Besonderen
  • ii. Familienrecht insbesondere Eherecht und Unterhaltsrecht
  • iii. Adoptionsrechtliche Unterschiede
  • iv. Ehescheidungsgründe
  • v. Strafrechtliche Auswirkungen in Abhängigkeit vom Stand
  • bb. Einfluss der Gesetzgebungskommission auf die Ausgestaltung der Gleichheit
  • cc. Zusammenfassung
  • b. Die Ständegesellschaft versus Gleichheit aller Menschen
  • aa. Gleichheit als verfassungsrechtlich verankerte Garantie?
  • bb. Umsetzung der Gleichheit in den Zivilrechtskodifikationen
  • i. Entstehung der zu untersuchenden Kodifikationen
  • ii. Abschaffung der Standesgrenzen in den einzelnen Kodifikationen
  • iii. Abschaffung der ständischen Institute und sonstiger Privilegien
  • cc. Einfluss der Stände auf die Gesetzgebung
  • c. Zusammenfassung
  • 3. Fazit
  • II. Abbau des Patriarchats in der Ehe und der Bevormundung der Kinder
  • 1. Allgemeines zur Ausgangslage Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts
  • 2. Das Patriarchat in den Zivilrechtskodifikationen des 19. Jahrhunderts
  • a. Patriarchat in der Ehe / Übervorteilung des Mannes
  • aa. Das Institut des Hausvaters und die väterliche Gewalt im 19. Jahrhundert
  • bb. Bevormundung der Ehefrau und die daraus resultierende gesellschaftliche Stellung
  • cc. Güterrechtliche Regelungen in der Ehe
  • dd. Ungleichheit der Scheidungsgründe und -folgen in Bezug auf das Geschlecht
  • ee. Bewertung der patriarchalen Vorschriften
  • b. Verhältnis Eltern-Kind
  • aa. Bevormundung der Kinder im Allgemeinen
  • bb. Benachteiligung der Kinder aus einer nicht vollgültigen Ehe
  • cc. Zusammenfassung
  • c. Verhältnis der Religionen
  • d. Auswirkungen des Patriarchats
  • 3. Fazit
  • III. Abbau von Verkehrshindernissen, resultierend aus der patriarchalen Gesellschaft
  • 1. Geschäftsfähigkeit als Grundlage rechtsgeschäftlichen Handelns
  • 2. „Bodenmobilisierung“, freie Verkehrsfähigkeit von Grund und Boden
  • a. Eigentumsbegriff
  • b. Mobilisierbarkeit des Grundeigentums und dessen Folgen
  • c. Erbrechtliche Folgen der Bodenmobilisierung, insbesondere Fideikommiss
  • 3. Auswirkungen der gezeigten Veränderungen auf das Wirtschaftsrecht
  • 4. Fazit
  • C. Vergleichende Betrachtung zur Entwicklung der Gleichheit
  • D. Auswirkungen – ein Ausblick
  • I. Wandlung der sozialen und wirtschaftlichen Gesamtsituation
  • II. Ausstrahlungswirkung auf das BGB von 1900
  • E. Abschließende Bewertung
  • I. Problemkreise
  • II. Neukodifikation oder Revision?
  • III. Thesen
  • F. Quellenverzeichnis

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Abkürzungsverzeichnis

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Vorwort

Die vorliegende Untersuchung wurde im Wintersemester 2014/2015 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen.

Ich danke meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Frank L. Schäfer, der es mir ermöglichte, diese Dissertationsarbeit neben der Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Europäische und Deutsche Rechtsgeschichte und Historische Rechtsvergleichung an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel in der Zeit von 2011 bis 2014 zu erstellen. Anstoß zu dieser Arbeit gab das von Prof. Dr. Frank L. Schäfer und Prof. Dr. Christian Hattenhauer (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg) betreute DfG-Projekt zur „Edition der Materialien zum Sächsischen BGB 1863/1865“.

Ich bedanke mich bei meinem Doktorvater für die freundliche und hilfsbereite Betreuung über den gesamten Dissertationszeitraum und die in diesem Zusammenhang erfolgten Doktorandenseminare, die durch ihre Themenvielfalt und die erfolgten Diskussionen Denkanstöße mit sich brachten.

Der zunächst abstrakt klingende Titel „Von der Hierarchie zur Egalität in den Zivilrechtskodifikationen des 19. Jahrhunderts vor dem BGB“ stellte sich für mich im Laufe der Arbeit als ein sehr vielschichtiges und äußerst interessantes Thema dar. Die gefundenen rechtlichen, aber auch die politischen, wirtschaftlichen und auch gesellschaftlichen Entwicklungsstränge konnten mich im Laufe der Arbeit des Öfteren durch ihre Aktualität und ihre Verbindung in die Gegenwart überraschen.

Ich danke darüber hinaus meiner Familie und meinen Freunden, die mir mit Rat und Tat und vor allem mit ihrer Freundschaft zur Seite standen. Mein ganz besonderer Dank gilt in diesem Zuge meiner Partnerin (Kristina Fischer), die mir mit konstruktiven Diskussionen und hilfreichen Anmerkungen rund um die Uhr zur Seite stand. Ihre Liebe, ihr Zuspruch und ihre ausnahmslose Unterstützung hat mich über Höhen und Tiefen dieser teils nervenaufreibenden Zeit getragen, wodurch mir mehr geholfen wurde, als ich es durch diese Dankeszeilen auszudrücken vermag.

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A. Einleitung

Der juristische Werdegang von der Hierarchie zur zivilrechtlichen Gleichheit in den europäischen Kodifikationen1 des 19. Jahrhunderts unter Beachtung der damals vorherrschenden politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten stellt den Gegenstand dieser Arbeit dar. Insbesondere stellt sich die Frage, ob eine zivilrechtliche Gleichheit für sich genommen ausreicht, um Wirkung zu erlangen, oder ob es dazu nicht vielmehr einer verfassungsrechtlich verankerten Gleichheit bedarf. Sofern letzteres der Fall ist, stellt sich weiterhin die Frage nach dem Sinn einer Kodifikation ohne eine Verfassung und deren Verhältnis zueinander. Können die Zivilrechtskodifikationen des 19. Jahrhunderts wirklich als Ausgangspunkt der zivilrechtlichen Gleichheit betrachtet werden? Dies soll anhand ausgewählter Kodifikationen untersucht werden.

Dass die Betrachtung der zivilrechtlichen Gleichheit nicht lediglich von historischem Wert, sondern nach wie vor ein relevantes Thema ist, zeigt sich am Beispiel der aktuellen gesellschaftspolitischen Diskussion um eine „Frauenquote“ in den Vorstandsebenen großer Konzerne oder anhand der sich nach wie vor wandelnden Rollenbilder der Geschlechter und Familienleitbilder.2

Spätestens mit der Einführung des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes in Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland liegt nun ein breites Einverständnis über das „ob“ einer allgemeinen Gleichheit vor. Lediglich die nähere Ausgestaltung und damit das „wie“ bedarf hin und wieder einer Veränderung.3 ← 13 | 14 →

Zum Ende des 18. beziehungsweise zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Gesetzgebung in Europa noch sehr weit von einer zivilrechtlichen Gleichheit entfernt. Dieser lag ein stark ausgeprägtes Ständesystem mit verschiedensten Arten von Privilegien für den Adel und Einschränkungen für das einfache Volk zu Grunde.4 Darüber hinaus gab es unzählige Territorialgesetze, so dass auch von dieser Seite nicht von einer flächendeckenden Gleichheit gesprochen werden konnte.5

Ausgehend von dieser Differenzierung kam es nicht nur in Deutschland, sondern auf dem gesamten europäischen Kontinent zu einem gesellschaftlichen und gesellschaftspolitischen Wandel.6 Dieser Wandel nahm nach weit vertretener Ansicht mit der französischen Revolution von 1789 seinen Anfang7 und erreichte, zumindest in Deutschland, mit der Revolution von 1848/49 seinen Höhepunkt.8 Die Bürger verlangten mehr Gerechtigkeit und Einflussnahme in ihren Staaten.9 Ebenso verlangten sie eine verstärkte Teilhabe am Wirtschaftswachstum, um der steigenden Armut10 und der drohenden Verelendung11 entkommen zu können. ← 14 | 15 →

Gerade das Wirtschaftswachstum führte dazu, dass das bis dahin in Teilen geltende rezipierte römische Recht, der Usus modernus pandectarum, an seine Grenzen stieß. Eine auf die damaligen Verhältnisse angepasste Gesetzessammlung fehlte und konnte auch durch eine Anpassung des vorliegenden Rechts nicht mehr hergestellt werden.12 Verschiedenste Kodifikationsbestrebungen erhielten dadurch neuen Antrieb13 und letztlich auch eine breite Unterstützung im Bürgertum.14

Der Weg dahin führt durch einzelne Kapitel ausgewählter Kodifikationen des 19. Jahrhunderts, die vergleichend daraufhin zu untersuchen sind, inwiefern dort bereits eine zivilrechtliche Gleichheit gesetzlich fixiert war und wie diese gegebenenfalls ausgestaltet war.

Als Ausgangspunkt und Kontrast dafür dient das preußische Allgemeine Landrecht von 1794.15 Um die Entwicklungstendenzen insbesondere im ALR vollständig betrachten zu können, kann der Blick hierbei nicht vor den umfassenden Reformen zu Beginn des 19. Jahrhunderts und auch nicht vor den Versuchen einer Gesetzesrevision des ALR im Zeitraum von 1825–1848 verschlossen werden. Letztere ist somit zwingend in die Untersuchung einzubeziehen. Aufgrund dessen wird das ALR trotz seines in Kraft tretens im 18. Jahrhundert in den hier untersuchten Zeitraum des 19. Jahrhunderts einbezogen. ← 15 | 16 →

Zur vergleichenden Betrachtung wird der französische Code civil von 180416 herangezogen, der beispielsweise mittelbar über das Badische Landrecht17 als deutsche Version des Code civil, beziehungsweise auch unmittelbar im linksrheinischen und bergischen Rheinland, in der Provinz Rheinhessen und auch im heute zu Schleswig-Holstein gehörenden Kreis Herzogtum Lauenburg auf deutschem Boden Geltung erhalten sollte.

Ebenfalls wird das Österreichische Allgemeine Gesetzbuch von 1811/1218 sowie für die deutschsprachigen Teile der Schweiz das Privatrechtliche Gesetzbuch für den Kanton Zürich von 1854–185619 einbezogen. Letzteres fand insbesondere durch den prominenten Bearbeiter Johann Caspar Bluntschli weit über die Schweizer Grenzen hinaus Beachtung in der Rechtswissenschaft.

Das im Jahre 1881/83 ebenfalls in der Schweiz verkündete Obligationenrecht wird aufgrund der zeitlichen Überschneidung mit dem Entstehungsprozess des BGB von 1900 aus dieser Untersuchung ausgeklammert.

Dagegen sollen die Unterschiede in der Ausgestaltung der Gleichheit im bayerischen und hessischen Entwurf zu einem Zivilgesetzbuch von 1861–1864 beziehungsweise 1842–1853 untersucht werden. Gerade auf dem Gebiet des späteren Deutschen Reichs stellen diese Zivilrechtsentwürfe eine für die vergleichende Betrachtung maßgebende und entscheidende Rechtsquelle des 19. Jahrhunderts dar. Ein ganz besonderes Augenmerk soll auf das Bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich Sachsen von 1863/6520 gelegt werden, da dieses Gesetz das einzige kodifizierte Zivilgesetzbuch darstellt, das auf bundesdeutschem Boden noch vor der Reichsgründung 1871 und dem darauf folgenden gesamtdeutschen BGB von 1900 tatsächlich in Kraft getreten ist. Obwohl das sächsische BGB nur knapp 40 Jahre von 1865–189921 galt, ist es für die weitere Geschichte unseres heutigen ← 16 | 17 → BGB von nicht zu verachtendem Wert. Es stellt vielmehr den Grundstein oder auch eine Generalprobe unseres heutigen BGB dar.22

Inwieweit mit der Einführung des sächsischen BGB „das ganze Gebäude unserer bisherigen Gesetzgebung niedergerissen und in einem neuen Styl (sic!) wieder aufgebaut“23 werden sollte und ob der sächsische Entwurf den anderen Gesetzen tatsächlich überlegen war24, wird nachfolgend dargestellt. Zu guter Letzt wird ein Ausblick auf die ab der Mitte des 19. Jahrhunderts auftretenden sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen gegeben sowie die Ausstrahlungswirkung der betrachteten Zivilkodifikationen auf das gesamtdeutsche BGB von 1900 untersucht.

1 Kodifikation wird im weiteren Verlauf weit verstanden, als eine materiell umfassende, abschließende, systematische, abstrakte und rationelle Regelung eines gesamten Rechtsgebiets in einem Gesetzbuch; siehe zum weiten Begriffsverständnis Barbara Dölemeyer, Art. Kodifikation, in: Der neue Pauly/Enzyklopädie der Antike, Bd. 14, 2000, Sp. 1003–1009; ebenso Jörn Eckert, Art. Allgemeines Landrecht (Preußen), in: HRG, Bd. 1, 2004, Sp. 155–162; einen enger gefassten Kodifikationsbegriff verfolgt dagegen HKK/Rückert, vor § 1 Rn. 16–25.

2 Zum Wandel des Rollenverständnisses und der Familienleitbilder siehe die aktuelle Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung vom 30. Juni 2014, Christine Henry-Huthmacher (Hg.), Familienleitbilder in Deutschland. Ihre Wirkung auf Familiengründung und Familienentwicklung, S. 6 u. 13–15, zu finden unter http://www.kas.de/wf/de/33.38060/ (Stand Mai 2015).

Details

Seiten
238
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653058659
ISBN (ePUB)
9783653963380
ISBN (MOBI)
9783653963373
ISBN (Hardcover)
9783631665329
DOI
10.3726/978-3-653-05865-9
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Mai)
Schlagworte
Ständegesellschaft zivilrechtliche Gleichheit Patriarchat
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 238 S.

Biographische Angaben

Daniel Hupe (Autor:in)

Daniel Hupe studierte Rechtswissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Er arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Privatrechtsgeschichte und vergleichende Rechtsgeschichte. Derzeit absolviert er seinen juristischen Vorbereitungsdienst im Landgerichtsbezirk Kiel.

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