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Erneuerbare Energien und Netzausbau in der räumlichen Planung

von Stephan Mitschang (Band-Herausgeber:in)
©2015 Konferenzband 321 Seiten

Zusammenfassung

Dieser Sammelband beschäftigt sich mit dem Netzausbau in Deutschland. Er enthält sämtliche Vorträge der wissenschaftlichen Fachtagung «Erneuerbare Energien und Netzausbau in der räumlichen Planung – Fach- und Rechtsfragen der Stadt- und Regionalplanung», die im September 2014 an der Technischen Universität Berlin stattgefunden hat. Die fachwissenschaftlichen Beiträge und Berichte aus der Planungspraxis nehmen Stellung zum Netzausbau sowie zu den damit im Zusammenhang stehenden erneuerbaren Energien, insbesondere der Windenergie. Die Vorträge dienen der Planungspraxis als Handreichung für die Bewältigung der Anforderungen, die sich einerseits aus dem zur Gewährleistung der Energiewende notwendigen Ausbau erneuerbarer Energien und andererseits aus dem dazu erforderlichen Netzaus- und Netzumbau ergeben.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Erneuerbare Energien und Netzausbau – Sachstand und Zielsetzungen
  • Bundesfachplanung für den Netzausbau
  • Möglichkeiten der Gemeinden zur Einflussnahme auf die Trassenbestimmung von 380-kV-Leitungen
  • Finanzielle Ausgleichsmaßnahmen für Gemeinden beim Neubau von 380-kV-Stromleitungen
  • Naturschutz und Netzausbau
  • Praxisbericht: Bericht eines Energieversorgers zur Umsetzung der Energiewende auf kommunaler Ebene
  • Praxisbericht: Erneuerbare Energien in der räumlichen Planung – Bericht aus Sachsen
  • Praxisbericht: Erneuerbare Energien in der räumlichen Planung – Bericht aus Brandenburg
  • Erweiterung der planungsrechtlichen Grundlagen für Windenergieanlagen durch Bauleitplanung
  • Windenergie im Wald unter besonderer Berücksichtigung der waldrechtlichen Eingriffsregelungen
  • Gibt es einen angemessenen Abstand zu Windenergieanlagen?
  • Fach- und Rechtsprobleme des Repowerings
  • Zwei Jahre Zeit – Das Sicherungsinstrument des § 15 Abs. 3 BauGB
  • Fehler gemacht? – Heilung und ergänzendes Verfahren
  • Autorenverzeichnis

Carla Vollmer, Insa Lütkehus, Yvonne Koch,
Werner Niederle

Erneuerbare Energien und Netzausbau –
Sachstand und Zielsetzungen

Abstract

Der Beitrag beleuchtet die Reform des EEG im Jahr 2014 und die Notwendigkeit des Netzausbaus vor dem Hintergrund der räumlichen Entwicklung der Erzeugungs- und Laststruktur sowie den Ablauf und die gesetzlichen Grundlagen der Netzentwicklungsplanung.

The article discusses the reform of the EEG in 2014. Against the background of the spatial development of power generation und load structures as well as procedures and the legal basis of the network development planning there is a need to enhance the grid expansion.

1. Einleitung

Mit dem Energiekonzept vom September 2010 sowie den Beschlüssen zur Energiewende vom Juni 2011 definierte die Bundesregierung einen langfristigen Zielkatalog für den Umbau des Energieversorgungssystems. Bereits bestehende und neue Ziele sowie Aufgaben wurden darin integriert: So soll der Primärenergieverbrauch bis 2050 um 50 Prozent gesenkt werden und der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch bis spätestens 2050 bei 60 Prozent liegen. Die Treibhausgasemissionen in Deutschland sollen bis zum Jahr 2020 (bezogen auf das Jahr 1990) um 40 Prozent und bis zum Jahr 2050 um 80 bis 95 Prozent sinken.

Inzwischen wurden verschiedene Gesetze und Verordnungen verabschiedet, um diesen Prozess voranzubringen. Dabei handelt es sich um eine grundlegende Transformation unseres bisherigen Energieversorgungssystems – weg von einer fossil-atomaren Energieerzeugung hin zu einer auf erneuerbaren Energien basierenden Energieversorgung. Konkret bedeutet ← 9 | 10 → dies, unseren Lebensstandard vom Energieverbrauch zu entkoppeln1, die Energieeffizienz zu steigern und die Nutzung erneuerbarer Energien kontinuierlich, kosteneffizient und umweltverträglich auszubauen.

Damit will die Bundesregierung einerseits einen entscheidenden Beitrag zum Erreichen der nationalen und internationalen Klimaschutzziele leisten. Andererseits sollen die gesundheitsschädliche Nutzung fossiler sowie die Risiken nuklearer Energieträger vermieden werden: Die Verbrennung fossiler Energieressourcen führt zu Emissionen von Treibhausgasen und Luftschadstoffen wie Stickoxiden oder Staub. Die Kernenergienutzung geht mit Risiken durch Störfälle und Abfallentsorgung einher. Bei einer auf erneuerbaren Energien basierenden Energieversorgung können Treibhausgas- und andere schädliche Emissionen weitgehend vermieden werden.

Aber auch der Netzausbau und die erneuerbaren Energieanlagen – vor allem Windenergie-, Solarenergie- und Biomasseanlagen sowie der damit verbundene Substratanbau – sind mit Wirkungen auf die Umwelt verbunden. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung der Energieversorgung sollen diese so gering wie möglich gehalten werden, Eingriffe in das Ökosystem sollen reversibel sein.

Im Beitrag werden aus diesem breiten Themenfeld die Instrumente für den Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor und für den damit einhergehenden Netzausbau betrachtet. Dazu werden der Stand des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) 2014 und danach die Gesetze zum Netzausbau sowie daraus resultierende Herausforderungen für die räumliche Planung dargestellt. ← 10 | 11 →

2. Erneuerbare Energien im Stromsektor – Stand und Ziele

Das EEG war und ist das maßgebliche Instrument für den Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor in Deutschland. Wie die folgende Abbildung zeigt, haben die erneuerbaren Energien ihre Nischenexistenz verlassen. Ende 2013 hatten sie einen Anteil von über 25 Prozent am Bruttostromverbrauch in Deutschland und haben wesentlich zur Minderung der Treibhausgasemissionen beigetragen.

Abb. 1: Entwicklung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Deutschland.

img1.jpg

Quelle: BMWi2

← 11 | 12 →

Seit der Verabschiedung im Jahr 2000 wird die Diskussion um das EEG sehr kontrovers geführt. In regelmäßigen Abständen wurden Regelungen im EEG angepasst. Anhand der Themen System- und Marktintegration, Planbarkeit und Wettbewerb werden im Folgenden die Hintergründe, die entsprechenden Regelungen im EEG 2014 und eine Kurzbewertung des Umweltbundesamts (UBA) dargestellt.

2.1  System- und Marktintegration

Hintergrund. Der zunehmende Anteil vor allem dargebotsabhängiger erneuerbarer Energien (Wind- und Solarenergie) führt zu wachsenden Anforderungen an eine sichere und stabile Stromversorgung. Auch Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien müssen ihren Beitrag dazu leisten, um z. B. Systemdienstleistungen, die unabhängig von den konventionellen Kraftwerken sind, bereitzustellen3. Zudem macht die zunehmende dargebotsabhängige Einspeisung Maßnahmen zur Erhöhung der Systemflexibilität, also zur Angleichung von Angebot und Nachfrage, notwendig.

Wer Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt, bekam bislang eine garantierte Vergütung für jede Kilowattstunde ausgezahlt. Die Höhe des für den Strom zu erzielenden Verkaufspreises (in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage) hatte keinen Einfluss auf die ausgezahlte Einspeisevergütung. Die Anlagenbetreiber mussten sich auch nicht mit dem Verkauf des von ihnen produzierten Stroms beschäftigen. Es gab somit keinen Anreiz, den Strom bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen. Die Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien wurden so ausgerichtet, dass sie so viel Strom wie möglich erzeugen und speisten auch bei negativen Strompreisen ein.

Regelung im EEG 2014. Die Direktvermarktung mit Marktprämie wurde mit der Novelle 2009 im EEG optional eingeführt, mit dem EEG 2014 ← 12 | 13 → ist sie für alle Neuanlagen über 500 Kilowatt (kW), ab dem Jahr 2016 für alle Neuanlagen über 100 kW (Bagatellgrenze) verpflichtend. Die Direktvermarktung mit Marktprämie erzeugt den Anreiz, die Stromproduktion an der Stromnachfrage zu orientieren. Der Anlagenbetreiber4 vermarktet den von ihm erzeugten Strom am Spotmarkt der Strombörse und erhält neben dem Verkaufserlös zusätzlich die Marktprämie. Diese wird für jeden Monat nachträglich aus der Differenz zwischen kostendeckender Vergütung5 und dem für Wind- und Photovoltaikstrom getrennt berechneten mittleren monatlichen Börsenwert festgelegt. Ein Anreiz entsteht in dreierlei Hinsicht:

  1. Wegen der Schwankung des momentanen Börsenwerts für Wind- oder Photovoltaikstrom um den monatlichen Mittelwert6 ist der Gewinn des Anlagenbetreibers vom Strompreis abhängig und es entsteht der Anreiz v. a. bei hohen Strompreisen zu produzieren7.
  2. Es wird eine Verbesserung der Genauigkeit von Wind- und Solarprognosen angereizt, weil damit die Vermarktung optimiert werden kann.
  3. Bei stark negativen Preisen besteht der Anreiz, die Einspeisung zu drosseln8.

UBA-Bewertung. Nach Ansicht des UBA ist die verpflichtende Direktvermarktung ein wichtiger Schritt in Richtung Marktintegration der erneuerbaren Energien. Die rasche Absenkung der Bagatellgrenze sollte aber im Hinblick auf die Verfügbarkeit von Direktvermarktern für kleine Anlagen geprüft werden. Ein Ziel der Energiewende ist eine große Akteursvielfalt beim Ausbau der erneuerbaren Energien; kleine Anlagen dürfen also nicht benachteiligt werden. ← 13 | 14 →

2.2 Planbarkeit

Hintergrund. In den Jahren 2010 bis 2012 fand ein rasanter Ausbau der Photovoltaik (PV) in Deutschland statt. Gründe dafür lagen im massiven Ausbau von Produktionskapazitäten für PV-Zellen und für kostengünstiges Silizium für PV-Zellen9. Der dadurch ausgelöste Preiseinbruch bei PV-Modulen wurde durch weitere Effekte (z. B. Markteinbruch in Spanien, große Lagerbestände, politische Diskussionen in Deutschland, staatliche Förderung in China) fortgesetzt. Der starke Preisverfall der PV-Module sorgte zusammen mit der verspäteten Rückführung der Vergütungssätze zu stark ansteigenden Renditen, so dass im Ergebnis von 2010 bis 2012 eine Leistung an 7–8 Gigawatt PV pro Jahr installiert wurde. Wegen dieser Erfahrungen wurde in der öffentlichen Diskussion um die Weiterentwicklung des EEG 2014 die Planbarkeit des Zubaus neuer EE-Anlagen zum allgemeinen Prinzip erklärt.

Regelung im EEG 2014. Das EEG 2014 verfolgt das langfristige Ziel, die Nutzung erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2050 auf einen Anteil von mindestens 80 Prozent am Bruttostromverbrauch auszubauen. Zudem sind Zwischenziele vereinbart: Bis 2025 sollen die erneuerbaren Energien einen Anteil am Bruttostromverbrauch von 40 bis 45 Prozent und bis 2035 einen Anteil von 55 bis 60 Prozent erreichen.

Das EEG 2014 konzentriert sich auf den Ausbau der günstigen erneuerbaren Energietechniken PV und Windenergie an Land. Um den Ausbau besser zu steuern, sind nun für die erneuerbaren Energien Ausbaupfade festgelegt worden:

  • PV: jährlicher Zubau von 2,4 bis 2,6 Gigawatt (brutto)
  • Windenergie an Land: jährlicher Zubau von 2,4 bis 2,6 Gigawatt (netto10)
  • Windenergie auf See: insgesamt 6,5 Gigawatt im Jahr 2020 und 15 Gigawatt im Jahr 2030
  • Biomasse: jährlicher Zubau von höchstens 100 Megawatt (brutto) ← 14 | 15 →

Bei Über- oder Unterschreiten des Ausbaupfades für die Windenergie an Land und die Photovoltaik steigt oder sinkt die Degression des anzulegenden Wertes für den Folgezeitraum. Falls der Zubau von Biomasseanlagen unter 100 Megawatt in einem Jahr liegt, ergeben sich daraus keine Konsequenzen für die Anpassung der Förderung.

UBA-Bewertung: Nach Ansicht des UBA sind die im EEG 2014 festgelegten Ziele zu wenig ambitioniert, um die Klimaschutzziele der Bundesregierung zu erreichen. Das UBA verfolgt das Ziel, bis 2050 die Stromversorgung vollständig auf erneuerbare Energien umzustellen. Mit den im EEG 2014 festgelegten Zielen bzw. Ausbaupfaden für die Windenergie an Land und die Photovoltaik ist dies nicht zu erreichen. Hinzu kommt, dass ab 2020 abgebaute Anlagen ebenfalls ersetzt werden müssen, weshalb der jährliche Ausbau letztlich deutlich über den genannten Korridoren liegen muss.

Die Einführung zusätzlicher Mengensteuerungselemente (v. a. die atmende Degression für Windenergie an Land) ist nach Ansicht des UBA nicht erforderlich, da absehbar kein unkontrollierter Zubau und vor allem keine unkontrollierte Kostenentwicklung zu erwarten sind. Die Zielanpassungen und Begrenzungen bei der Windenergie auf See und bei der Bioenergie sind zu begrüßen, auch wenn wegen der deutlich abgesenkten Vergütung bei der Bioenergie die Mengensteuerung für diese Technik wahrscheinlich nicht wirksam wird.

2.3 Wettbewerb

Hintergrund. Die in 2014 verabschiedeten Leitlinien der EU-Kommission für Umweltschutz- und Energiebeihilfen sehen vor, die Förderung von Strom aus erneuerbaren Energien ab 2017 im Grundsatz auf Ausschreibungen umzustellen, sofern dies nicht zu höheren Kosten oder Untererfüllung der Ausbauziele führen würde. Bei Ausschreibungen handelt es sich um keine eigenständigen Fördersysteme, sondern sie ergänzen ein bestehendes Fördersystem – wie in diesem Fall das EEG – um zwei Elemente, nämlich die Mengensteuerung und die wettbewerbliche Ermittlung der Vergütungshöhe. Bei der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für Ausschreibungen sind verschiedene Varianten möglich, die je nach Zielsetzung der Ausschreibung und des Marktumfeldes festgelegt werden müssen. Dazu zählen unter anderem Ausschreibungsprodukt ← 15 | 16 → und Mechanismus, Pönalen, Präqualifikationen, Fristen und Zuschlagskriterien etc. Präqualifikationen sind Voraussetzungen, die potenzielle Bieter bei der Ausschreibung erfüllen müssen. Dazu können z. B. Genehmigungsbescheide oder amtliche Planungsunterlagen, wie z. B. geänderte Bebauungspläne, dienen.

Regelung im EEG 2014. Ab 2017 soll der anzulegende Wert für die Vergütung für die erneuerbaren Energien grundsätzlich über Ausschreibungen ermittelt werden. In einer Pilotphase soll die Ausschreibung anhand von PV-Freiflächenanlagen in 2015 und 2016 erprobt werden. Zum Redaktionsschluss lag die Rechtsverordnung für die PV-Freiflächenanlagen noch nicht vor, so dass eine Bewertung hierzu noch nicht möglich war.

UBA-Bewertung. Das UBA sieht die kurz- und mittelfristige Einführung von Ausschreibungen kritisch, auch angesichts der im Ausland damit gemachten Erfahrungen11. Zudem ist der Zeitplan für die Vorbereitung von Ausschreibungen sehr ambitioniert. Die Ausschreibung sollte nur eingeführt werden, wenn die Auswertung der Pilotphase nachweist, dass Kostenvorteile entstehen, die Ausbauziele nicht gefährdet werden sowie der Bau von Bürgeranlagen nicht behindert wird. Das UBA lehnt daher eine vorbehaltslose Ausweitung der Ausschreibungen auf alle erneuerbaren Energietechniken ab und spricht sich für eine ergebnisoffene Auswertung der Pilotphase aus.

2.4 Konsequenzen für die räumliche Planung

Das EEG verfolgt das Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch kontinuierlich zu erhöhen. Dazu ist der Ausbau weiterer Erzeugungskapazitäten erforderlich. Schon heute sind dabei wegen der Auswirkungen auf Mensch, Natur und Landschaftsbild vor Ort Konflikte beim Bau von erneuerbaren Energieanlagen, vor allem bei Windenergieanlagen an Land, zu beobachten. Es ist davon auszugehen, dass bei dem ← 16 | 17 → fortschreitenden Ausbau der erneuerbaren Energien weitere Konflikte an immer mehr Orten entstehen. Die Steuerung des Ausbaus der erneuerbaren Energien sowie die Bewältigung von Interessenskonflikten wird in den kommenden Jahrzehnten daher eine große Herausforderung für die räumliche Planung darstellen.

Eine Neuerung des EEG 2014 ist, dass sich mit den Ausbaukorridoren für die räumliche Planung erstmals technologiespezifische Orientierungsgrößen für den jährlich bundesweit angestrebten Ausbau der erneuerbaren Energien ergeben. Insbesondere bei der Planung von Windenergieanlagen an Land könnte dies hilfreich sein, sofern die Zielwerte auf die verschiedenen Planungsebenen herunter gebrochen werden. Hier bleibt abzuwarten, wie in der Planungspraxis damit umgegangen wird.

Auch die geplante Umstellung der Ermittlung der Förderhöhe für Strom aus erneuerbaren Energien auf Ausschreibungen könnte Auswirkungen auf die Planung haben. Auch hier ist jedoch die genaue Ausgestaltung abzuwarten.

3. Netzausbau – Stand und Ziele

In den kommenden Jahrzehnten wird dem Um- und Ausbau des Stromnetzes sowohl auf der Übertragungs- als auch auf der Verteilnetzebene eine Schlüsselrolle für die Integration der erneuerbaren Energien in das Stromversorgungssystem zukommen. Die derzeitige von Netzaspekten kaum beeinflusste Standortwahl für die erneuerbaren Energieanlagen führt zu einer Zunahme verbrauchsferner Erzeugungsstandorte (insbesondere der On- und Offshore-Windenergie-anlagen in Norddeutschland, aber auch allgemein der erneuerbaren Energieausbau in ländlichen Regionen), bei gleichzeitigem Wegfall gesicherter Erzeugungsleistung in Süddeutschland. Die folgende Abbildung veranschaulicht diese Entwicklung anhand der simulierten Leistungsbilanzen in den Jahren 2012 und 2022. ← 17 | 18 →

Abb. 2: Entwicklung der Erzeugungs- und Laststruktur von 2012 bis 2022.

img2.jpg

Quelle: 50Hertz & Amprion12

Die Folgen einer solchen Entwicklung sind höhere Übertragungsnetzauslastungen mit fluktuierenden Einspeisungen sowie hohen und weiträumigen Stromtransiten zu den Lastzentren im Süden Deutschlands. Das derzeitige Netz ist dafür nicht ausreichend ausgelegt. Um die zunehmenden Einspeiseschwankungen ausgleichen zu können, werden Maßnahmen zur Erhöhung der Systemflexibilität notwendig. Dazu zählt neben dem nachfrageseitigen Lastmanagement, dem Einsatz von Speichern, der Abregelungen von Wind- und PV-Anlagen zu Zeiten der selten auftretenden Einspeisespitzen und den virtuellen Kraftwerken vor allem der Netzausbau. Denn gut ausgebaute Netze ermöglichen einen großräumigen Leistungsausgleich der fluktuierenden erneuerbaren Energien national wie europaweit und werden häufig die volkswirtschaftlich günstigste Option darstellen13. ← 18 | 19 → Dabei gilt es, mögliche Optimierungs- und Verstärkungsmaßnahmen14 zu berücksichtigen, die vor allem der Erhöhung bzw. effizienteren Nutzung der bestehenden Übertragungsleitungen dienen.

Aber auch im Verteilnetz zeichnen sich Netzengpässe ab, die den Ausbau der erneuerbaren Energien behindern können. Ein Großteil der Einspeisung aus erneuerbaren Energien erfolgt vor allem in ländlichen Regionen, wodurch zukünftig immer häufiger die Einspeisung aus erneuerbaren Energien den Stromverbrauch in einer Region übersteigen wird und der Strom daher abtransportiert werden muss. Bereits heute kommt es in einigen Regionen zu Engpässen bei der Rückspeisung ins Übertragungsnetz. Dies führt dazu, dass erneuerbare Energieanlagen gedrosselt bzw. abgeregelt werden müssen. Somit sind auch der Ausbau des Verteilnetzes (insb. 110 kV) und die Verstärkung der Anbindungen des Verteilnetzes an das Übertragungsnetz (Umspannwerke) erforderlich.

Darüber hinaus bedarf es für eine weitgehend auf erneuerbaren Energien basierende Stromerzeugung sowohl im Verteil- als auch im Übertragungsnetz weitere netzseitige Lösungen für die Bereitstellung von Systemdienstleistungen zur Frequenz- und Spannungshaltung, was derzeit überwiegend von den konventionellen Kraftwerken übernommen wird.

Details

Seiten
321
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653057027
ISBN (ePUB)
9783653964264
ISBN (MOBI)
9783653964257
ISBN (Paperback)
9783631664797
DOI
10.3726/978-3-653-05702-7
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Mai)
Schlagworte
Windenergie Bauleitplanung Naturschutz Sicherungsinstrument
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 321 S., 12 s/w Abb., 11 Tab.

Biographische Angaben

Stephan Mitschang (Band-Herausgeber:in)

Stephan Mitschang ist Professor am Fachgebiet «Städtebau und Siedlungswesen – Orts-, Regional- und Landesplanung» am Institut für Stadt- und Regionalplanung der Technischen Universität Berlin. Daneben ist er Direktor des Instituts für Städtebau Berlin der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL).

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