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Schadensersatz bei vereitelten Erwerbsbiographien

von Marcel Messerschmidt (Autor:in)
©2015 Dissertation 228 Seiten

Zusammenfassung

Der Autor befasst sich eingehend mit der Thematik der sogenannten «Fortkommensschäden» – also Vermögensschäden, die aus einer negativen Beeinflussung der beruflichen bzw. gewerblichen Entwicklung eines Geschädigten in der Zukunft entstehen werden. Dabei legt er einen Schwerpunkt auf die Fortkommensschäden solcher Geschädigter, die bereits im Kindes- oder Jugendalter verletzt wurden. Hier ist die Unsicherheit des hypothetischen Erwerbsverlaufs des Geschädigten am größten. Im Buch wird nicht nur der zulässige Rahmen der richterlichen Schadensprognose abgesteckt. Der Autor unterbreitet auch Lösungsvorschläge für die Fälle, in denen eine richterliche Prognose weder tatsächlich möglich noch rechtlich zulässig erscheint.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • A. Einleitung
  • B. Einordnung des Begriffes „Nachteile für das Fortkommen“
  • C. Beispiele für Fortkommensschäden
  • I. Fortkommensschäden aufgrund einer Ausbildungsverzögerung
  • II. Fortkommensschäden aufgrund einer unterbliebenen oder geänderten Berufslaufbahn
  • III. Grenzfälle von Erwerbs- und Forkommensschäden
  • 1. Beeinträchtigung der Arbeitskraft oder der Erwerbsfähigkeit selbst als Schaden
  • 2. Beeinträchtigung von Heiratschancen als Fortkommensschaden
  • D. Materiellrechtliche Grundlagen von Fortkommensschäden
  • I. Ersatzfähigkeit entgangenen Gewinnes nach § 252 S. 1 BGB
  • II. Verhältnis zwischen § 252 S. 1 BGB und §§ 842, 843 BGB
  • III. Spezialgesetzliche Regelungen im Verhältnis zu §§ 842 und 843 BGB
  • IV. Umfang und Berechnung des zu ersetzenden Fortkommensschadens
  • 1. Tätigkeit im Angestelltenverhältnis
  • 2. Selbständige Tätigkeit
  • E. Prozess- und materiellrechtliche Grundlagen der Erstellung von Schadensprognosen unter besonderer Berücksichtigung von Fortkommensschäden
  • I. Gedanke der Naturalrestitution als Basis der Schadensbestimmung
  • II. Wirkungen und Voraussetzungen des § 252 S. 2 BGB
  • 1. § 252 S. 2 BGB als materiellrechtliche Beschränkung des Schadensersatzes oder Beweiserleichterung
  • a) § 252 S. 2 BGB als materiellrechtliche Beschränkung des Schadensersatzes („materiellrechtliche Theorie“)
  • b) § 252 S. 2 BGB als Beweiserleichterung („Beweiserleichterungstheorie“)
  • c) Stellungnahme
  • 2. Reichweite der Beweiserleichterungsfunktion des § 252 S. 2 BGB
  • a) § 252 S. 2 BGB als Kodifizierung des Anscheinsbeweises
  • b) § 252 S. 2 BGB – „abstrakte“ oder „konkrete“ Schadensberechnung
  • 3. Beurteilungszeitpunkt für die „Wahrscheinlichkeit“ des erwarteten Gewinnes
  • 4. Grad der erforderlichen Wahrscheinlichkeit der Gewinnerwartung im Rahmen des § 252 S. 2 BGB
  • 5. Relevanz der beiden Alternativen des § 252 S. 2 BGB
  • 6. Zwischenbetrachtung zu § 252 S. 2 BGB
  • III. Wirkungen und Voraussetzungen des § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO
  • 1. Richterliche Überzeugung von der Wahrheit gemäß § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO
  • a) Subjektive Überzeugung und § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO
  • b) Beweismaß und § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO
  • 2. Absenkung der Darlegungs- und Beweislast bei der Schadensermittlung nach § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO
  • 3. Anwendungsbereich des § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO
  • a) Schadenshöhe
  • b) „Haftungsgrund“, haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität
  • c) Zusammenhang zwischen Erstverletzung und Folgeschäden
  • d) Mitverschulden und Schadensminderungsobliegenheit
  • 4. Zwischenbetrachtung zu § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO
  • IV. Abgrenzung von § 252 S. 2 BGB zu § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO
  • 1. Behandlung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung
  • 2. Behandlung in der Literatur
  • 3. Stellungnahme
  • 4. Zwischenbetrachtung zur Abgrenzung von § 252 S. 2 BGB zu § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO
  • F. Kriterien und Leitlinien für die Erstellung von Fortkommensschadensprognosen in der Rechtsprechung und in der Literatur
  • I. Schätzungsbonus zu Gunsten des Geschädigten?
  • 1. Rechtsprechung
  • 2. Auffassungen in der Literatur zur Gewährung eines Schätzungsbonus
  • 3. Stellungnahme
  • II. Kriterien und Beispiele zur Erstellung von Fortkommensschadensprognosen in der Rechtsprechung und Literatur
  • 1. Rechtsprechung
  • a) Geschädigte Person stand im Beruf oder mitten in oder am Ende ihrer Ausbildung oder ihres Studiums
  • (1) Leitlinien zur Erstellung von Fortkommensschadensprognosen in der Rechtsprechung
  • (2) Beispiele für Kriterien zur Bestimmung des Fortkommensschadens aus der Rechtsprechung
  • b) Geschädigte Person stand vor oder am Anfang ihrer Schul- oder Berufsausbildung oder ihres Studiums
  • (1) Leitlinien zur Erstellung von Fortkommensschadensprognosen in der Rechtsprechung
  • (2) Beispiele für die Berücksichtigung des sozioökonomischen Hintergrundes zur Bestimmung des Fortkommensschadens besonders junger Geschädigter aus der Rechtsprechung
  • 2. Auffassungen der Literatur zur Erstellung der Fortkommensschadensprognose unter besonderer Berücksichtigung der Einbeziehung des sozioökonomische Umfeldes
  • a) Für eine Einbeziehung des sozioökonomischen Hintergrundes
  • b) Gegen die (teilweise oder vollständige) Einbeziehung des sozialen Umfeldes
  • III. Zwischenbetrachtung
  • G. Kritische Auseinandersetzung mit der Berücksichtigung des sozioökonomischen Hintergrundes und des Geschlechtes eines jugendlichen Geschädigten als Prognosekriterium
  • I. Abhängigkeit der Erwerbschancen vom sozioökonomischen Hintergrund, vom Geschlecht und sonstigen Faktoren
  • 1. Geschlechtsbedingte Einkommensunterschiede
  • 2. Einkommensunterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland
  • 3. Migrationshintergrundbedingte Einkommensunterschiede
  • 4. Ausbildungsbedingte Einkommensunterschiede
  • a) Relevanz des sozioökonomischen Hintergrundes für die (Hoch-) Schullaufbahn
  • b) Relevanz des Migrationshintergrundes für die (Hoch-) Schullaufbahn
  • 5. Zwischenbetrachtung
  • II. Rechtliche Zulässigkeit einer Einbeziehung des sozioökonomischen Hintergrundes des Geschädigten und einer geschlechtsabhängigen Differenzierung
  • 1. Verstoß gegen Art. 3 GG
  • a) Bindung der Fachgerichte an den Gleichheitssatz
  • b) Tatbestand des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG und sein Verhältnis zum allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und zu Art. 3 Abs. 2 S. 1 GG
  • c) Grenzen des Differenzierungsverbotes nach Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG
  • (1) Rechtfertigung aufgrund kollidierenden Verfassungsrechtes
  • (a) Grundrechtliche Schutzpflichten zu Gunsten des Geschädigten
  • (b) Fehlende Berücksichtigung des sozio-ökonomischen Hintergrundes und des Geschlechtes des Geschädigten als Eingriff in das Eigentum im Sinne des Art. 14 GG
  • (c) Gleichbehandlung der Schädiger oder Haftpflichtversicherer
  • (d) Recht auf ein faires Verfahren
  • (e) Erforderlichkeit einer gesetzlichen Regelung
  • (2) Rechtfertigung aufgrund bei nur einer Personengruppe auftretender Probleme
  • d) Zwischenbetrachtung
  • 2. Verfassungskonforme Auslegung auf Grundlage des Sozialstaatsprinzips
  • a) Sozialstaatsprinzip als alle Staatsgewalten bindende Staatszielbestimmung
  • b) Chancengleichheit als Element des Sozialstaatsprinzips
  • c) Erstellung der Fortkommensschadensprognose im Lichte des Sozialstaatsprinzips
  • 3. Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
  • a) Eröffnung des Sachlichen Anwendungsbereichs
  • (1) Verbotene Differenzierungsmerkmale nach § 1 AGG
  • (2) Sonstige Voraussetzungen des § 2 AGG
  • b) Zivilrechtliches Benachteiligungsverbot nach § 19 Abs. 1 und Abs. 2 AGG
  • c) Auswirkung der Benachteiligungsverbote des AGG bei der Schadensschätzung
  • 4. Berücksichtigung des sozio-ökonomischen Hintergrundes, der Geschlechtszugehörigkeit und Europarecht
  • a) Berücksichtigung des sozio-ökonomischen Hintergrundes und europäisches Völkerrecht
  • b) Berücksichtigung der Geschlechtszugehörigkeit und Europarecht
  • 5. Zwischenbetrachtung
  • III. Alternative Orientierungspunkte für die Feststellung der Höhe des Fortkommensschadens
  • H. Prozessuale Besonderheiten in Bezug auf Fortkommensschäden
  • I. Prozessuale Durchsetzung von Fortkommensschäden
  • 1. Leistungsklage auf Ersatz von Fortkommensschäden
  • a) Leistungsklage auf Ersatz von Fortkommensschäden in der Regel ein Fall des § 258 ZPO
  • b) Anforderungen an die Bestimmtheit des Antrages nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO
  • c) Einschränkungen bei der Geltendmachung von Fortkommensschäden von Kindern
  • d) Teilklagen und Fortkommensschäden
  • 2. Auf Feststellung der Ersatzpflicht gerichtete Feststellungsklage
  • II. Geltendmachung nachträglicher Änderungen im Wege der Abänderungsklage nach § 323 ZPO
  • 1. Abänderungsklage zur Anpassung einer Geldrente
  • 2. Keine Abänderungsklage zur Anpassung einer Kapitalabfindung
  • III. Zwischenbetrachtung
  • I. Abschließende Zusammenfassung
  • J. Literaturverzeichnis

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A. Einleitung

Dem deutschen Schadensersatzrecht liegt unter anderem der Zweck zugrunde, den Geschädigten für die ihm entstandenen Nachteile zu entschädigen1.

Diese Ausgleichsfunktion wird zum einen durch § 249 Abs. 1 BGB verwirklicht, nach welchem der Schädiger den Zustand herzustellen hat, „der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre“.

Erweist sich die Wiederherstellung nach § 249 Abs. 1 BGB als unverhältnismäßig oder unmöglich oder ist diese nicht genügend, so kann gemäß § 251 BGB der Geschädigte vom Schädiger Geldersatz verlangen. Dahinter steht der Gedanke, dass Geld in unserer Wirtschaftsordnung zu einem generellen Bemessungsfaktor für Güter, Genüsse und Dienstleistungen aller Art geworden ist2.

§ 252 BGB bestimmt, dass der zu ersetzende Schaden auch den dem Geschädigten entgangenen Gewinn mitumfasst. Im Deliktsrecht regelt § 842 BGB, dass der Schadensersatzanspruch sich auch auf solche Nachteile erstreckt, „welche die deliktische Handlung für den Erwerb und das Fortkommen des Verletzten herbeiführt“.

Schließlich gewährt § 253 Abs. 1 BGB in den gesetzlich angeordneten Fällen – so beispielsweise im Falle einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung nach § 253 Abs. 2 BGB – eine billige Geldentschädigung.

Wird eine Person in rechtswidriger und schuldhafter Weise verletzt, so fallen einem unter anderem als mögliche Schadenspositionen die über § 249 Abs. 2 BGB ersatzfähigen Heilungskosten ein. Ihr kann ferner ein Schmerzensgeld nach § 253 Abs. 1 und 2 BGB zustehen.

Auch ist es denkbar, dass nach § 842 BGB ersatzfähige Nachteile „Erwerb und Fortkommen“ entstanden sind.

Diese „Nachteile für das Fortkommen“ (kurz: Fortkommensschäden) sind solche Vermögensschäden, die aus einer Beeinträchtigung der beruflichen und gewerblichen Entwicklung des Geschädigten künftig entstehen3. ← 13 | 14 →

Im Rahmen der Berechnung von Fortkommensschäden ergeben sich für das erkennende Gericht besondere Schwierigkeiten: Unter anderem wird von diesem abverlangt festzustellen, wie sich das Erwerbsleben des Geschädigten ohne Eintritt des schädigenden Ereignisses entwickelt hätte, und eine Prognose zu treffen, wie sich dieses in Zukunft entwickeln wird.

Je jünger die Person zum Zeitpunkt der Schädigung gewesen ist, umso diffiziler gestaltet sich diese richterliche Aufgabe. Denn erst mit fortschreitendem Alter treten Interessen, Begabungen, Durchhaltevermögen, gesundheitliche Prädispositionen etc. des Geschädigten erkennbar hervor und lassen auf einen hypothetischen Werdegang ohne das schädigende Ereignis schließen. Bei Kindern und Jugendlichen sind hingegen meist nur geringe Anknüpfungspunkte für die Feststellung des hypothetischen Erwerbsverlaufs ersichtlich. Daher werden die jüngsten unter ihnen auch als die „Ärmsten des Schadensersatzrechts, die nichts vorweisen können, was für ihren künftigen beruflichen Werdegang spricht“ bezeichnet4.

Diese Dissertation widmet sich Fortkommensschäden und deren Berechnung. Dabei werden insbesondere solche Fortkommensschäden beleuchtet, die denjenigen Personen entstehen, die im Kindes- oder Jugendalter – also vor Eintritt in das Erwerbsleben – verletzt wurden. Ein Schwerpunkt soll dabei auf der Auseinandersetzung mit der Feststellung des hypothetischen Erwerbsverlaufs liegen. Hier werden der zulässige Rahmen abgesteckt und Lösungsvorschläge für die Fälle unterbreitet, in denen eine richterliche Prognose weder tatsächlich möglich noch rechtlich zulässig erscheint.

1 Zu dieser Ausgleichsfunktion und weiteren Funktionen des Schadensersatzrechts vgl. Lange / Schiemann, Schadensersatz, Einleitung III 2 und Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Bd. 1, § 27 I. Siehe ferner zur Ausgleichsfunktion des Schadensersatzrechtes im Recht anderer europäischer Staaten Stoll, Haftungsfolgen im bürgerlichen Recht, 4. Kap. § 7.

2 Esser / Schmidt, Schuldrecht Band I – Allgemeiner Teil, § 31 I 2.

3 Staudinger / Vieweg, § 842 Rn. 12; BGB-MünchKomm / Wagner, §§ 842, 843 Rn. 14.

4 Funk, DAR 1985, 42, 50.

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B. Einordnung des Begriffes „Nachteile für das Fortkommen“

Nach der Norm des § 842 BGB sind auch solche Nachteile ersatzfähig, welche die deliktische Handlung für den „Erwerb oder das Fortkommen“ des Verletzten herbeiführt. Bei § 842 BGB handelt es sich – neben § 824 BGB, der Schadensersatzpflicht bei Kreditgefährdung – um die einzige Norm des Bürgerlichen Gesetzbuches, die explizit „Nachteile für das Fortkommen“ erwähnt.

Als „Nachteile für den Erwerb“ werden diejenigen Vermögensschäden angesehen, die dem Betroffenen infolge der verletzungsbedingten Beeinträchtigung seiner Erwerbsfähigkeit entstehen5.

Wie oben beschrieben stellen „Nachteile für das Fortkommen“ solche Vermögensschäden dar, die aus einer Beeinträchtigung der beruflichen und gewerblichen Entwicklung des Geschädigten künftig entstehen6. Nach herrschender Auffassung in der Literatur gehen beide Definitionen jedoch ineinander über7 und lassen sich kaum unterscheiden8.

Dennoch wird die Einbeziehung der „Nachteile für das Fortkommen“ in § 842 BGB nicht für komplett bedeutungslos gehalten:

Diese solle nämlich aufzeigen, dass nicht nur eine Beeinträchtigung der aktuellen Erwerbssituation aufgrund zum Unfallzeitpunkt bereits getroffener Vorkehrungen, sondern auch Nachteile für eine erst zukünftig mögliche Entfaltung des Verletzten mit ihren Auswirkungen auf dessen wirtschaftliche Stellung zu berücksichtigen seien9. Die „Nachteile für das Fortkommen“ bezögen sich auf die künftige berufliche Entfaltung der verletzten Person, ihre Erwerbsaussichten, die Verzögerung des Eintritts in das Erwerbsleben, den Verlust von beruflichen ← 15 | 16 → Aufstiegschancen und die Folgen für die wirtschaftliche Lage des Verletzten10. Insofern handele es sich bei den „Nachteilen für das Fortkommen“ um „Nachteile für den Erwerb“ in der Zeitdimension11. Durch den Begriff „Nachteile für das Fortkommen“ sei klargestellt, dass der Ausfall auch von solchen Vorteilen ersatzfähig sei, auf die noch kein „gesicherter Anspruch“12 oder keine „rechtlich begründete Aussicht“13 bestehe. Dies führe zu einer Abrundung des Schadensbildes, um sicherzustellen, dass der wirtschaftliche Schaden des Geschädigten voll wiederhergestellt werde14. Darüber hinaus schwinge in dem Begriff des Fortkommens in § 842 BGB eine „immaterielle Dimension“ mit, durch die Beeinträchtigung der Arbeitskraft eine Minderung des Vermögenspotentials erlitten zu haben15.

Obgleich sich einige Urteile aus der Rechtsprechung anführen lassen, in denen nicht sauber zwischen „Nachteilen für den Erwerb“ und „Nachteilen für das Fortkommen“ differenziert wurde16, finden sich andererseits Entscheidungen, die die oben genannte Unterscheidung zumindest zu beherzigen scheinen17. ← 16 | 17 →

Für eine solche Differenzierung lassen sich schließlich auch die Gesetzgebungsmaterialien zu § 842 BGB anführen18.

Im Fortlauf der Dissertation wird zugunsten der Begriffsklarheit zwischen „Nachteilen für den Erwerb“ und „Nachteilen für das Fortkommen“ in obigem Sinne unterschieden.

5 BGHZ 90, 334, 337; BGB-MünchKomm / Wagner, §§ 842, 843 Rn. 13; Geigel – Der Haftpflichtprozess / Pardey, 4. Kapitel Rn. 76; ähnlich Staudinger / Vieweg, § 842 Rn. 12.

6 Staudinger / Vieweg, § 842 Rn. 12; BGB-MünchKomm / Wagner, §§ 842, 843 Rn. 14; BGB-RGRK / Boujong, § 842 Rn. 6.

7 Steffen DAR 1984, 1, 2.

8 BGB-RGRK /Boujong, § 842 Rn. 6; Staudinger / Vieweg, § 842 Rn. 12; Erman / Schiemann, § 842 Rn. 3; Scheffen, VersR 1990, 926; Wussow / Dressler, Unfallhaftpflichtrecht, Kapitel 31 Rn. 1; Pardey, Berechnung von Personenschäden, Rn. 2023.

9 Wussow / Dressler, Unfallhaftpflichtrecht, Kapitel 31 Rn. 1.

10 Geigel – Der Haftpflichtprozess / Pardey, 4. Kapitel Rn. 77.

11 BGB-MünchKomm / Wagner, §§ 842, 843.

12 Staudinger / Vieweg, § 842 Rn. 12.

13 RGZ 163, 40, 44.

14 Steffen DAR 1984, 1, 2.

15 Felsinger, Der Erwerbsschadensersatz bei Verletzungen im Kindesalter, Erster Teil A. IV. 2. Vgl. zu der Frage, ob der Verlust der Arbeitskraft selbst als Schaden anzusehen ist: C. III. 1.

16 Vgl. beispielsweise BGHZ 74, 221; BGH NJW-RR 1999, 1039,1040 oder etwa BGH NJW 2002, 292,293, wo zu einem „Erwerbs- oder Verdienstausfallschaden“ zusammengefasst wurde; BGH NJW 2000, 3287, 3288: Es ist lediglich von einem „Erwerbsschaden“ die Rede, die eine während der Ausbildung Verletzte erlitten habe.

17 Vgl. beispielsweise zu allererst RGZ 163, 40, 44, wonach erst § 842 BGB den Ersatz für den Verlust einer „noch nicht rechtlich begründeten Aussicht auf Erlangung einer Erwerbsstellung“ ermögliche. Beispiele aus neuerer obergerichtlicher Rechtsprechung: OLG Schleswig, Urteil v. 29.02.2008, 4 U 149/07, Tz. 12 f. u. 71 f. (nach juris) (zur Berechnung des „Fortkommensschadens“ eines schwerbehinderten Kindes); OLG Celle VersR 2008, 82, 82 („Fortkommensschaden“ eines Gymnasiasten, der eine Offizierslaufbahn anstrebte); OLG Celle, Urteil v. 18.09.2001, 16 U 135/96, Tz. 47 u. 57 (nach juris) („Fortkommensschaden“ eines Jurastudenten nach amtspflichtwidriger Bewertung im Rahmen des ersten Staatsexamens).

18 Felsinger, Der Erwerbsschadensersatz bei Verletzungen im Kindesalter, Erster Teil A. IV. 2.; vgl. Mot. S. 793 = Mugdan S. 443 zum Entwurf des § 726 Abs. 1 S. 2 BGB: „Im Einklange mit dem geltenden Rechte und den neueren Entw. legt der Abs. 1 Satz 2 dem Thäter weiter die Verpflichtung auf, den Vermögensnachteil auszugleichen, den der Verletzte dadurch erlitten hat oder in Zukunft noch erleidet, daß in Folge der Verletzung seine Erwerbsfähigkeit zeitweise oder dauernd aufgehoben oder vermindert ist.“ In Prot. II S. 637 = Mugdan S. 1117 ist von einem „bleibenden Nachteil für das Fortkommen“ die Rede.

Details

Seiten
228
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653056778
ISBN (ePUB)
9783653964547
ISBN (MOBI)
9783653964530
ISBN (Paperback)
9783631664612
DOI
10.3726/978-3-653-05677-8
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Juni)
Schlagworte
Fortkommensschaden Schadensprognose Prognosekriterien sozioökonomischer Hintergrund
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 228 S.

Biographische Angaben

Marcel Messerschmidt (Autor:in)

Marcel Messerschmidt studierte Rechtswissenschaften an der Humboldt Universität Berlin und promovierte an der Freien Universität Berlin. Er ist als Rechtsanwalt in Berlin tätig.

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Titel: Schadensersatz bei vereitelten Erwerbsbiographien
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