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Die Begründbarkeit der Diskursethik aus Sicht ihrer sprachanalytischen philosophischen Grundlage

von Yuan-Chung Cheng (Autor:in)
©2016 Dissertation 153 Seiten

Zusammenfassung

Dieses Buch beschäftigt sich mit den Fragen, was die Diskursethik von anderen ethischen Theorien unterscheidet und was sie so faszinierend und umstritten macht. Die Antwort darauf ist ein besonderer Widerspruchsbegriff – der performative Widerspruch –, welcher auf einer speziellen sprachanalytischen philosophischen Methode gründet und als der wichtigste Beweis der Hauptidee der Diskursethik gilt. Die Begründbarkeit der Diskursethik ist nicht zu prüfen, ohne den performativen Widerspruch zusammen mit der ihm unterliegenden sprachphilosophischen Grundlage zu denken. Durch die Analyse des Begriffs der Behauptungen und der Normen versucht der Autor zu erklären, was genau der performative Widerspruch ist und worin die Begründbarkeit der Diskursethik liegt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1. Einleitung
  • 2. Begriffsbestimmung: das Illokutionäre und das Propositionale
  • 2.1 Sprechakt, illokutionarer Akt und Äußerung
  • 2.2 Das Propositionale statt des Lokutionären
  • 2.2.1 Die logische Struktur des propositionalen Gehalts
  • 2.2.2 Warum das Propositionale
  • 2.2.3 Die Probleme des Vorschlags von Apel
  • 2.3 Performativer und propositionaler Bestandteil
  • 2.4 Satz, Aussage und Proposition
  • 3. Behauptung
  • 3.1 Was ist die Behauptung
  • 3.1.1 Der gegenstandstheoretische Ansatz
  • 3.1.2 Der intentionalistische Ansatz
  • 3.1.3 Der institutionelle Ansatz
  • 3.1.3.1 Behauptung als Eröffnungszug und Ausgang eines Sprachspiels
  • 3.1.3.2 Das Sprachspiel als eine Institution
  • 3.1.3.2.1 Das Problem der Dichotomie zwischen Handeln und Diskurs
  • 3.1.3.2.2 Die analytische Notwendigkeit des V-Diskurses hinsichtlich der Institution der Behauptung
  • 3.2 Die Festlegung des institutionellen Ansatzes
  • 3.2.1 Die logische Struktur der Behauptung und die Wahrheit
  • 3.2.2 Das Verstehen von »p« und p
  • 3.2.2.1 Der Wittgensteinsche Grundsatz
  • 3.2.2.2 Drei Deutungen zum Wittgensteinschen Grundsatz
  • 3.2.2.2.1 Die Beziehung zwischen »p« und p
  • 3.2.2.2.2 Die Erweiterung des Wittgensteinschen Grundsatzes
  • 3.2.2.2.3 Wahrheitssemantik und Pragmatik
  • 3.2.2.3 Das Problem des Erklärungsmodells von Habermas
  • 3.2.3 Die Existenz der Institution der Behauptung
  • 3.2.3.1 Die Existenz eines Begriffs
  • 3.2.3.2 Das propositionalisierte Denken
  • 3.2.3.3 Warum das propositionalisierte Denken: das Problem der vorsprachlichen Intentionalität von Searle
  • 3.2.3.4 Das transzendentale Sprachspiel
  • 3.2.4 Wahrheit und abstrakte Gegenstände
  • 3.2.4.1 Frege: das dritte Reich
  • 3.2.4.2 Alexy: der radikale gegenstandstheoretische Ansatz und die Drei-Welten-Lehre
  • 4. Norm
  • 4.1 Die konstitutiven Regeln und die Handlungsnormen
  • 4.2 Der semantische Normbegriff
  • 4.2.1 Der semantische Normbegriff von Alexy
  • 4.2.2 Der Vorteil und das Problem des semantischen Normbegriffs von Alexy
  • 4.2.2.1 Vorteil
  • 4.2.2.2 Problem
  • 4.2.2.2.1 Die Identifizierung der Normen
  • 4.2.2.2.2 Hyletischer und expressiver Normbegriff
  • 4.3 Die Klassifikation der illokutionaren Kräfte hinsichtlich der Normen
  • 4.4 Rekonstruktion des semantischen Normbegriffs
  • 4.4.1 Der semantische Normbegriff als die Aufforderung
  • 4.4.2 Die Aufforderung als eine Institution: zur Analogie zwischen Richtigkeit und Wahrheit
  • 4.4.3 Wollen und Sollen
  • 4.4.4 Sein und Sollen
  • 4.4.5 Normsetzungen und Normbehauptungen
  • 4.4.5.1 Normsetzungen als Normen
  • 4.4.5.2 Normbehauptungen als Behauptungen
  • 4.4.5.3 Überlappungen
  • 5. Widerspruch
  • 5.1 Der aussagelogische Widerspruch
  • 5.1.1 Kb»p⋀¬p«
  • 5.1.2 Kb»p«⋀¬Kb»p«
  • 5.2 Der normenlogische Widerspruch
  • 5.2.1 Ka»p⋀¬p«
  • 5.2.2 Ka»p«⋀¬Ka»p«
  • 5.3 Der performative Widerspruch
  • 5.3.1 Kb»p«⋀¬Kb»p« oder falsche Behauptungen
  • 5.3.2 Kb»p⋀¬p«
  • 5.3.3 Über den Wahrheitsanspruch
  • 5.3.3.1 Anspruch auf Begründbarkeit
  • 5.3.3.2 Pflicht zur Begründung
  • 5.3.3.3 Gleichberechtigung, Zwanglosigkeit und Universalität
  • 5.3.4 Über den Richtigkeitsanspruch
  • 5.4 Fazit
  • 6. Die Begründbarkeit der Diskursethik

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1. Einleitung

Was unterscheidet die Diskursethik von anderen ethischen Theorien? Das unterscheidende Merkmal der Diskursethik ist der folgende Grundsatz von Jürgen Habermas: „D: Gültig sind genau die Handlungsnormen, denen alle möglicherweise Betroffenen als Teilnehmer an rationalen Diskursen zustimmen könnten.“1, oder eine andere Formulierung von Robert Alexy: „Richtig und damit gültig sind genau die Normen, die in einem idealen Diskurs von jedem als richtig beurteilt werden würden“2. Dieser Grundsatz zeigt, wodurch einer Norm bei der Diskursethik die moralische Geltung zugesprochen wird.

Aber die Besonderheit der Diskursethik manifestiert sich nicht im Wortlaut dieses Grundsatzes. Ein solcher Grundsatz, wie die Diskursethiker betont haben, ist eine Übernahme der Kantschen moralischen Philosophie.3 Das Eigene, das die Diskursethik hat, ist die sprachanalytische philosophische Begründung dieses Grundsatzes. Laut der Diskursethik gibt es einige Voraussetzungen in unserem allgemeinen Sprachgebrauch, die beim Sprachgebrauch bereits notwendigerweise von uns anerkannt werden und zu diesem Grundsatz führen können.4 Auf diese Weise beansprucht die Diskursethik eine starke universale Notwendigkeit wie die Kantsche moralische Philosophie, beruht aber auf einer anderen Grundlage. Die Kernfragen zur Begründung der Diskursethik sind also, was diese Voraussetzungen sind, und wie diese Voraussetzungen nachgewiesen werden können.

Diese Voraussetzungen haben verschiedene Formulierungen.5 Aus zwei Gründen empfiehlt es sich, von den von Alexy formulierten „Vernunftregeln“ ← 9 | 10 → auszugehen. Die Vernunftregeln explizieren diese Voraussetzungen mit dem Vorteil von Klarheit und können prinzipiell die Kernidee anderer Formulierungen abdecken. Sie werden nicht nur von Alexy, sondern auch von Habermas als der Anhaltspunkt der Diskursethik ausgewählt und begründet.

Die Vernunftregeln lauten wie folgt:6

„1. Jeder, der sprechen kann, darf an Diskursen teilnehmen.

2. (a) Jeder darf jede Behauptung problematisieren.

(b) Jeder darf jede Behauptung in den Diskurs einführen.

(c) Jeder darf seine Einstellungen, Wünsche und Bedürfnisse äußern.

3. Kein Sprecher darf durch innerhalb oder außerhalb des Diskurses herrschenden Zwang daran gehindert werden, seine in (1) und (2) festgelegten Rechte wahrzunehmen.“

Das Hauptbegründungsmittel für die Vernunftregeln ist ein besonderer Widerspruchsbegriff, nämlich der „performative Widerspruch“. Die Konstruktion dieses Widerspruchsbegriffs unterliegt einem Denkansatz, der einerseits die Ergebnisse der von J. L. Austin und J. R. Searle entwickelte Sprechakttheorie übernimmt, und andererseits die Wahrheit der Behauptungen und die Richtigkeit bzw. die moralische Geltung der Normen mit dem Begriff des Diskurses, das heißt die Begründung oder die Argumentation für die Wahrheit und die Richtigkeit, aneinandergehängt. Hierdurch wurde eine eigentümliche sprachanalytische philosophische Grundlage von den Diskursethikern ausgearbeitet.

Diese Arbeit legt den Schwerpunkt auf die Begründbarkeit der Diskursethik hinsichtlich dieser Grundlage. Diese Grundlage bezieht sich auf einige Terminologien, die selbst schon vieler Erklärungen bedürfen. Deswegen ist der Anfang der Diskussion zwangsläufig eine Begriffsbestimmung. Es ist hervorzuheben, dass diese Begriffsbestimmung nicht nur technisch ist. Vielmehr beruht sie auf einer kritischen theoretischen Reflexion und gilt als der Ausgangspunkt dieser Arbeit, der sich in den folgenden Diskussionen immer wieder erweisen kann.

Das Leitthema dieser Arbeit besteht aus zwei Begriffen, nämlich die Behauptungen und die Normen. Es wird versucht zu beantworten, was die Behauptungen und die Normen sind. Warum die Antworten auf diese Frage unsere Diskussion leiten sollten, zeigt sich im Verlauf der Erklärung dieser Begriffe. Nach der Explikation der Behauptungen und der Normen liegt eine theoretische Möglichkeit ← 10 | 11 → nahe, die den aussagelogischen und den normenlogischen Widerspruch mittels des illokutionären Akts einheitlich erklären kann. Die Untersuchungen der Behauptung, der Normen und des logischen Widerspruchs in dieser Arbeit können einerseits als eine unabhängige Abhandlung und andererseits als eine Vorbereitung für die Prüfung des performativen Widerspruchs angesehen werden. Am Ende wird aufgezeigt, warum der Begriff des performativen Widerspruchs sowie die sprachanalytische philosophische Grundlage der Diskursethik problematisch ist, und woanders die Begründbarkeit der Diskursethik liegt.


1 Habermas, Faktizität und Geltung, S. 138. Diesen Grundsatz nennt Habermas das Diskursprinzip oder den diskursethischen Grundsatz (vgl. dazu Habermas, Begründungsprogramm, S. 76).

2 Alexy, Diskurstheorie und Menschenrechte, S. 131.

3 Habermas, Treffen Hegels Einwände gegen Kant auch die Diskursethik zu?, S. 11 f.; Alexy, Diskurstheorie und Menschenrechte, S. 127 ff.

4 Habermas, Begründungsprogramm, S. 102–104; Alexy, Diskurstheorie und Menschenrechte, S. 130 f. Wie diese Voraussetzungen zum Diskursprinzip führen können, ist, auch wenn man vom Begründungsproblem dieser Voraussetzungen absieht, nicht ohne Zweifel (vgl. dazu Engländer, Diskurs als Rechtsquelle?, S. 68 ff.). Diese Problematik wird in dieser Arbeit nicht in Diskussion gestellt.

5 Sie sind die „ideale, unbegrenzte Kommunikationsgemeinschaft/Diskursgemeinschaft“ von Karl OttoApel (Das Apriori der Kommunikationsgemeinschaft und die Grundlagen der Ethik, S. 429; Apel/Niquet, Diskursethik und Diskursanthropologie, S. 54.), die „ideale Sprechsituation“ von Habermas (Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, S. 136 f.; ders., Wahrheitstheorien, S. 174 f.) und der „ideale Diskurs“ von Alexy (Probleme der Diskurstheorie, S. 113.).

6 Diskurstheorie und Menschenrechte, S. 130; vgl. dazu ders., Theorie der juristischen Argumentation, S. 238–242.

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2. Begriffsbestimmung: das Illokutionäre und das Propositionale

Im Titel dieses Kapitels stehen die aus den substantivierten Adjektiven „illokutionär“ und „propositional“ abgeleiteten Fachbegriffe, weil, folgt man Searles Analyse, das Illokutionäre und das Propositionale jeweils zwei Aspekte haben: die illokutionäre Kraft und der illokutionäre Akt, der propositionale Gehalt und der propositionale Akt. Um einen Überblick über den Kontext dieser Arbeit zu geben, werden diese vier Terminologien in den nachfolgenden Ausführungen erläutert.

Details

Seiten
153
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653056235
ISBN (ePUB)
9783653964820
ISBN (MOBI)
9783653964813
ISBN (Paperback)
9783631664452
DOI
10.3726/978-3-653-05623-5
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (November)
Schlagworte
Alexy Illokutionäre Akte Habermas Norm Performativer Widerspruch
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 153 S.

Biographische Angaben

Yuan-Chung Cheng (Autor:in)

Yuan-Chung Cheng studierte Rechtswissenschaft an der Universität Kiel. Seine Schwerpunkte sind Rechtsphilosophie und sprachanalytische Philosophie. Er ist Postdoctoral Fellow am Ministerium für Wissenschaft und Technologie, Taiwan.

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