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Naturwissenschaftliche Bildungsangebote gestalten

Eine Videostudie zur Entwicklung, Anwendung und Validierung eines Beobachtungsinstrumentes für die Erfassung und Beschreibung der Handlungskompetenz frühpädagogischer Fachkräfte

von Mandy Metzner (Autor:in)
©2015 Dissertation 400 Seiten
Reihe: Pädagogische Rahmung, Band 4

Zusammenfassung

Mit der qualitativen Videostudie wird ein Instrument zur systematischen Beobachtung frühpädagogischen Handelns entwickelt und erprobt. Hintergrund ist die internationale Bildungs- und Qualitätsdiskussion in der Elementarpädagogik, die ihren Fokus verstärkt auf Erzieher/innen richtet, die mit Kindern im Kindergarten naturwissenschaftliche Lernumgebungen erschließen. Strukturelle Aspekte sowie verbale und nonverbale erzieherische Aktivitäten in gefilmten naturwissenschaftlichen Angeboten lassen sich mithilfe des Instrumentes erfassen und durch sozialkonstruktivistische Prinzipien bewertend beschreiben. Die instrumentgestützte Fremdperspektive eröffnet dem Fallstudientandem eine Entwicklungsmöglichkeit zur Optimierung seiner Kommunikationsstrategien in Gesprächen mit Kindern.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1. Einleitung
  • 1.1 Sprach- und Zitierregelungen
  • 2. Professionalisierung in der Frühpädagogik
  • 3. Ein Professionalisierungskonzept für Erzieher/innen zur systematischen und nachhaltigen Entwicklung von Naturwissenschaftlicher Frühförderkompetenz (NFFK)
  • 3.1 Fortbildung
  • 3.1.1 Pädagogische Angebote in der Praxis als Teilkonzept der Fortbildung
  • 3.2 Fortlaufende Unterstützung durch eine Materialbibliothek
  • 3.3 Coaching
  • 3.4 Forschung
  • 4. Erkenntnisinteresse der Studie
  • 5. Wegweiser für die Gestaltung naturwissenschaftlicher Lernumgebungen im Kindergarten
  • 5.1 Der Bildungsauftrag
  • 5.2 Naturwissenschaftliche Bildung im Kindergarten
  • 5.3 Ein Bild vom Kind und Fähigkeiten von Kindergartenkindern
  • 5.4 Bildungs- und Lerntheoretische Grundlegung
  • 5.4.1 Bildungs- und Erziehungsverständnis in Baden-Württemberg
  • 5.4.2 Informationsverarbeitung
  • 5.4.3 Radikaler Konstruktivismus
  • 5.4.4 Sozialkonstruktivismus und Implikationen für die Gestaltung pädagogischer Angebote im Elementarbereich
  • 5.5 Ein Resümee
  • 6. Pädagogisches Handeln von Erzieher/innen in der naturwissenschaftlichen frühen Bildung
  • 6.1 Instrumentengestützte Erfassung pädagogischer Qualität
  • 6.2 Ergebnisse pädagogischer Qualität in Kindertagesstätten
  • 6.3 Bindung als Teil pädagogischer Lernumwelten
  • 6.4 Involvement durch verbales Handeln von Erzieher/innen und Kindern
  • 6.4.1 Äußerungen der Kinder
  • 6.5 Involvement durch nonverbales Handeln von Erzieher/innen und Kindern .
  • 6.5.1 Nonverbale Aktivitäten der Erzieher/in
  • 6.5.2 Nonverbale Aktivitäten der Kinder: explorieren und experimentieren
  • 6.6 Gestaltung einer Lernumgebung
  • 6.6.1 Wahl der Sachthemen
  • 6.6.2 Elemente bei der Gestaltung einer Lernumgebung: Sequenzierung und Organisation von Lerngruppen
  • 6.7 Ein Resümee
  • 7. Handlungstheoretische Überlegungen
  • 7.1 Kommunikatives Handeln
  • 7.2 Die Theorie kommunikativen Handelns
  • 7.2.1 Verbales Handeln
  • 7.2.2 Sprechhandlungstheorie
  • 7.3 Ein Resümee
  • 8. Handlungskompetenz von Erzieher/innen
  • 8.1 Eine Menschenbildannahme
  • 8.2 Definition von Kompetenz und Handlungskompetenz
  • 8.3 Handlungskompetenz von Erzieher/innen in Kontexten früher naturwissenschaftlicher Bildung
  • 8.4 Ein historischer Exkurs zur Handlungskompetenz in der Frühpädagogik
  • 8.5 Erfassung von Handlungskompetenz anhand eines Beobachtungsinstrumentes 4
  • 8.6 Ein Resümee
  • 9. Empirischer Teil
  • 9.1 Forschungsdesign der Studie
  • 9.2 Erhebung von Videodaten als Datenbasis.
  • 9.3 Datenaufbereitung - Begründung der Transkription von Videos
  • 9.4 Datenaufbereitung - Transkriptionsregeln
  • 9.5 Handlungsbeobachtung als Datenerhebungsverfahren
  • 10. Erster empirischer Teil: Entwicklung des Beobachtungsinstrumentes
  • 10.1 Forschungsproblem und Forschungsziel
  • 10.2 Forschungsfragen
  • 10.3 Datenbasis und Forschungsschritte im Überblick
  • 10.4 Methoden der Datenauswertung
  • 10.4.1 Qualitative Inhaltsanalyse
  • 10.4.2 Kategorienentwicklungszyklus
  • 10.5 Vorläufige Kategoriensysteme
  • 10.6 Entwicklung des Beobachtungsinstrumentes nach klassischen Gütekriterien
  • 10.6.1 Interkoderreliabilität und Validierung
  • 10.6.2 Beobachtungstraining, Probanden, Videosequenzen und Kodierzeit
  • 10.6.3 Intervalle, Stichprobenplan, Validierung
  • 10.6.4 Das Kodieren und die Kodierregelung
  • 10.6.5 Berechnung der Interkoderreliabilität
  • 10.6.6 Ergebnisse aus den vier Haupt-Interkoderreliabilitätsüberprüfungen
  • 10.6.6.1 Erste Überprüfung der Interkoderreliabilität mit Ergebnissen der anschließenden argumentativen Validierung
  • 10.6.6.2 Zweite Überprüfung der Interkoderreliabilität mit Ergebnissen der anschließenden argumentativen Validierung
  • 10.6.6.3 Dritte Überprüfung der Interkoderreliabilität mit Ergebnissen der anschließenden argumentativen Validierung
  • 10.6.6.4 Vierte Überprüfung der Interkoderreliabilität mit Ergebnissen der anschließenden argumentative Validierung
  • 10.6.7 Kategoriensysteme des Beobachtungsinstrumentes
  • 10.7 Hermeneutische Zuordnung - Operationalisierung von Handlungskompetenz
  • 10.7.1 Handlungskompetenz gemessen an den Begriffen „Absicht” und „Erfolg�
  • 10.8 Zusammenfassung des ersten empirischen Teils
  • 11. Zweiter empirischer Teil: Anwendung des Beobachtungsinstrumentes und deskriptive Analyse von Handlungskompetenz bei ausgewählten Erzieher/innen
  • 11.1 Forschungsproblem und Forschungsziel
  • 11.2 Forschungsfragen
  • 11.3 Methoden der Datenerhebung und Datenauswertung
  • 11.3.1 Kategoriengeleitete Videoanalyse als quantitative Datenerhebung.
  • 11.3.2 Deskriptive Statistik zur qualitativen Auswertung quantitativer Daten
  • 11.4 Ergebnisse der Anwendung des Beobachtungsinstrumentes auf das Fallstudientandem E7 und E9
  • 11.4.1 Beschreibung der Datenbasis
  • 11.5 Inhaltliche Kurzbeschreibungen der pädagogischen Angebote des Fallstudientandems E7 und E9
  • 1. Angebot: Gärungsprozesse im Kuchenteig
  • 3. Angebot: Wasser leiten
  • 5. Angebot: Luftballonrakete
  • 7. Angebot: Spiegelphänomene
  • 9. Angebot: Element Wasser
  • 11.6 Handlungsprofil: Fragengeleitete Analyse zur Ermöglichung des Fragenstellens bei Kindergartenkindern (Absichtsaspekt)
  • 11.6.1 Analyse Teil 1
  • 11.6.1.1 Coachingimpuls 1
  • 11.6.1.2 Hypothese 1
  • 11.6.2 Analyse Teil 2
  • 11.6.2.1 Coachingimpuls 2
  • 11.6.2.2 Coachingimpuls 3
  • 11.6.2.3 Hypothese 2
  • 11.6.3 Weiterführende Analyse Teil 2
  • 11.6.3.1 Coachingimpuls 4
  • 11.6.3.2 Hypothese 3
  • 11.6.4 Weiterführende Analyse Teil 2
  • 11.6.4.1 Coachingimpuls 5
  • 11.6.4.2 Hypothese 4
  • 11.7 Die Entwicklung von Handlungskompetenz bei E7 und E9
  • 11.7.1. Analyse Teil 1 zur Entwicklung von Handlungskompetenz
  • 11.7.1.1 Coachingimpuls 6
  • 11.7.1.2 Hypothese 5
  • 11.8 Verlaufsbeschreibung
  • 11.8.1 Verlaufsbeschreibung für die Erzieherin E7 bezogen auf ihre sprachliche Handlung
  • 11.8.2 Verlaufsbeschreibung für die Erzieherin 9 bezogen auf ihre sprachliche Handlung
  • 11.8.2.1 Coachingimpuls 7 - Zur Verlaufsbeschreibung der sprachlichen Handlung für die Erzieherinnen E7 und E9
  • 11.8.2.2 Hypothese 6
  • 11.8.2.3 Hypothese 7
  • 11.8.3 Verlaufsbeschreibung für die Erzieherin E7 bezogen auf Illokution
  • 11.8.4 Verlaufsbeschreibung für die Erzieherin E9 bezogen auf Illokution
  • 11.8.4.1 Coachingimpuls 8 - Zur Verlaufsbeschreibung bezogen auf die Illokution der beiden Erzieherinnen E7 und E9
  • 11.8.5 Verlaufsbeschreibung für die Erzieherin E7 bezogen auf Perlokution
  • 11.8.6 Verlaufsbeschreibung für die Erzieherin E9 bezogen auf Perlokution
  • 11.8.6.1 Coachingimpuls 9 - Zur Verlaufsbeschreibung bezogen auf die Perlokution der beiden Erzieherinnen E7 und E9
  • 11.8.7 Verlaufsbeschreibung für die Erzieherin E7 bezogen auf nicht-sprachliche Handlung
  • 11.8.8 Verlaufsbeschreibung für die Erzieherin E9 bezogen auf nicht-sprachliche Handlung
  • 11.8.8.1 Coachingimpuls 10 - Zur Verlaufsbeschreibung bezogen auf die nicht-sprachlichen Handlungen der beiden Erzieherinnen E7 und E9
  • 11.8.8.2 Hypothese 8
  • 11.8.9 Analyse Teil 2 zur Entwicklung von Handlungskompetenz
  • 11.8.9.1 Coachingimpuls 11
  • 11.8.9.2 Implikation
  • 11.9 Fragengeleitete Analyse zum Fragenstellen der Kinder (Erfolgsaspekt)
  • 11.9.1 Analyse zum Fragenstellen der Kinder (Erfolgsaspekt)
  • 11.9.1.1 Coachingimpuls 12
  • 11.10 Stellen die Kinder selbst Fragen im letzten pädagogischen Angebot?
  • 11.10.1 Analyse Teil 1
  • 11.10.1.1 Coachingimpuls 13
  • 11.10.1.2 Coachingimpuls 14
  • 11.11 Die Verknüpfung des generierten Beobachtungsinstruments mit dem erweiterten Komplexitätsebenenmodell nach Dhein
  • 11.12 Zusammenfassung des zweiten empirischen Teils
  • 12. Dritter empirischer Teil: Ein Vergleich zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung bezogen auf Handlungskompetenz von Erzieher/innen
  • 12.1 Forschungsproblem und Forschungsziel
  • 12.2 Forschungsfrage
  • 12.3 Beschreibung der externen Datenerhebung
  • 12.4 Methode
  • 12.5 Vergleich zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung
  • Erster Coachingimpuls
  • Erster Vergleich
  • Zweiter Coachingimpuls
  • Zweiter Vergleich
  • Dritter Coachingimpuls
  • Dritter Vergleich
  • Vierter Coachingimpuls
  • Vierter Vergleich
  • Fünfter Coachingimpuls
  • Fünfter Vergleich
  • Sechster Coachingimpuls
  • Sechster Vergleich
  • Siebter Coachingimpuls
  • Siebter Vergleich
  • Achter Coachingimpuls
  • Achter Vergleich
  • Neunter Coachingimpuls
  • Neunter Vergleich
  • Zehnter Coachingimpuls
  • Zehnter Vergleich
  • Elfter Coachingimpuls
  • Elfter Vergleich
  • Zwölfter Coachingimpuls
  • Zwölfter Vergleich
  • Dreizehnter Coachingimpuls
  • Dreizehnter Vergleich
  • Vierzehnter Coachingimpuls
  • Vierzehnter Vergleich
  • 12.6 Zusammenfassung des dritten empirischen Teils
  • 13. Zusammenfassung, Diskussion und Ausblick
  • 13.1 Zusammenfassung
  • 13.2 Diskussion
  • 13.3 Ausblick
  • 14. Verzeichnisse
  • 14.1 Literaturverzeichnis
  • 14.2 Abbildungsverzeichnis
  • 14.3 Tabellenverzeichnis
  • 15. Anhang
  • 15.1 Anhang - Erster empirischer Teil
  • 15.1.1 Kodiermanual
  • 15.1.2 Kodierregelung
  • 15.1.3 Schulungsleitfaden
  • 15.1.4 Laufzettel
  • 15.1.5 Detail: Interkoderreliabilitätsüberprüfung 1
  • 15.1.6 Detail: Interkoderreliabilitätsüberprüfung 2
  • 15.1.7 Detail: Interkoderreliabilitätsüberprüfung 3
  • 15.1.8 Detail:
  • 15.1.9 Theoretische Begründung des Beobachtungsinstrumentes
  • 15.2 Anhang - Empirie Teil 2
  • 15.2.1 Alle Kinderfragen im ersten pädagogischen Angebot .
  • 15.3 Anhang - Empirie Teil 3
  • 15.3.1 Externe Datenbasis: Selbsteinschätzung der Erzieherinnen E7 und E9 anhand von vier offenen Fragen im Fragebogen F2
  • 15.3.2 Selbsteinschätzung der Erzieherinnen E7 und E9 in Interviews unmittelbar nach den pädagogischen Angeboten
  • 15.4 Anhangsverzeichnis

← 12 | 13 → 1. Einleitung

Seit 2006 bis heute entwickeln, erproben und evaluieren Wissenschaftler, Fachexperten, Fortbildner und Frühpädagogen in der Heidelberger Forscherstation kontinuierlich Konzepte zur Professionalisierung von Erzieher/innen zur frühen naturwissenschaftlichen Bildung. Ziel dieser gemeinsamen Bemühungen ist eine nachhaltige Entwicklung und Sicherstellung der Naturwissenschaftlichen Frühförderkompetenz (NFFK) von Erzieher/innen (Zimmermann 2011). Fortbildung, Coaching, fortlaufende Unterstützung und Forschung bilden hierzu vier ineinandergreifende Professionalisierungsmaßnahmen. Diese Verknüpfung ist eine realisierte professionsbildende Antwort auf die Forderung eines „systematisch[en], organisatorisch[en] und inhaltlich[en] Transfers“ des Wissens aus der Wissenschaft in die berufliche Weiterbildung und Berufspraxis der Erzieher/innen (vgl. Rabe-Kleberg 2008, S. 245). Dem Stellenwert der Forschung in der Frühpädagogik wird somit insbesondere vor dem Hintergrund einer bislang unzureichenden Forschungsinfrastruktur (OECD, 2004, S. 67) im frühpädagogischen Feld eine immer größere Bedeutung beigemessen.

Teil der Professionalisierung in der Forscherstation ist die Förderung und wissenschaftliche Überprüfung der Handlungskompetenz von Erzieher/innen in naturwissenschaftlichen Angeboten. Handlungskompetenz gilt dabei als Teildimension von NFFK. Der Frage, inwieweit die Erzieher/innen das in Fortbildungen und Coachings erworbene Wissen tatsächlich adäquat umsetzen und somit für eine nachhaltige und angemessene naturwissenschaftliche Bildung im Kindergarten sorgen, nimmt sich die vorliegende Videostudie an. Ziel ist die Entwicklung, Anwendung und Validierung eines Beobachtungsinstrumentes, womit die Handlungskompetenz ausgewählter Erzieher/innen bei der Interaktion mit Kindern in naturwissenschaftlichen Bildungsangeboten erfasst und beschrieben werden kann. Nachdem aus der Arbeit von Zimmermann (2011) Selbsteinschätzungen von Erzieher/innen bzgl. ihrer Handlungskompetenz vorliegen, wird interessant sein, inwiefern diese Selbsteinschätzungen mit den instrumentgestützten Fremdeinschätzungen übereinstimmen.

Das Gegenüberstellen von Selbst- und Fremdbild wird in der Forscherstation als Professionalisierungselement eingesetzt um das pädagogische Handeln von Erzieher/innen in Kontexten naturwissenschaftlicher Bildung den gegenwärtigen Bildungsansprüchen anpassen zu können. Damit wird ein aktuelles Forschungsdesiderat aufgegriffen. Denn die Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit (NUBBEK) (Tietze u. a., 2012) verdeutlicht, dass bislang wenig wissenschaftliche Erkenntnisse in Bezug auf die ← 13 | 14 → Prozesse bekannt sind, die in deutschen Kindergärten ablaufen. Als Prozesse werden dabei alle „Interaktionen und Erfahrungen der Kinder mit ihrer sozialen und räumlich-materiellen Umwelt (z.B. sprachliche Anregungen)“ (Roux, 2009, S. 132; Tietze, 1998, S. 21f.) im Kindergarten bezeichnet. Auf der Basis des bereits existierenden und erweiterten Analyseinstrumentes der Kindergarten-Einschätz-Skala (KES-R) und weiterer Instrumente konnte die NUBBEK-Studie nur zur Konstatierung einer mittelmäßigen Prozessqualität deutscher Kindergärten kommen (ebd.). Es besteht die Forderung mehr über die tägliche Prozessgestaltung in Kindergärten zu erfahren, um im Sinne eines Bildungs- und Qualitätsmonitorings Veränderungsabsichten umsetzen zu können.

Dem Entwickeln von reliablen und validen Beobachtungsinstrumenten, die in Verbindung mit der Analyse von Handlungskompetenz der Erzieher/innen stehen, kommt in diesem Zusammenhang eine wichtige Bedeutung zu. Die Frage nach einer Operationalisierung von Handlungskompetenz im Beobachtungsinstrument kann sich dabei u.a. auf die Entwicklungsstimuli seitens der Erzieher/innen beziehen, die die Kinder erhalten (Tietze, 2009, S. 249). Inwieweit werden die Kinder in Aktivitäten einbezogen und wie sind die Interaktionen zwischen Erwachsenen und Kindern beschaffen (vgl. ebd.)?

Die Frage nach angemessenem pädagogischem Handeln von Erzieher/innen bei der Gestaltung naturwissenschaftlicher Angebote im Kindergarten kann mit den derzeit aktuellen bildungs- und lerntheoretischen Prämissen in der Frühpädagogik beantwortet werden. Im internationalen Diskurs hat sich bislang der Sozialkonstruktivismus etabliert. Dieser lerntheoretische Ansatz geht von einem den Lernprozess selbst bestimmenden Kind aus, dessen Bildung in der sozialen Interaktion mit Peers und Erwachsenen ko-konstruiert und stärker gefördert wird (König 2009). Die Förderung der Kinder lässt sich durch den Wechsel von Konstruktion und Instruktion beschreiben. In einer symmetrischen und komplementären Reziprozität (Youniss 1994) wird dabei eine bildungsförderliche Beziehungsgestaltung gesehen.

Aus der ersten europäischen EPPE-Langzeitstudie (Effective Provision of Pre-School Education) geht hervor, dass gut ausgebildetes pädagogisches Personal zur kognitiven und sozialen Entwicklung der Kindergartenkinder beiträgt (Siraj-Blatchford, Sylva, Taggart, Melhuish, & Sammons, 2010, S. 16). Diese Erzieher/innen orientierten sich zum Beispiel an sozialkonstruktivistischen Prinzipien wie dem sogenannten „sustained-shared-thinking“, eines langanhaltenden gemeinsamen Denk- und Problemlöseprozesses, und an bewussten „dialogisch-entwickelnden Interaktionsprozessen“ (König 2009, S. 214ff). Im naturwissenschaftlichen Feld beschreibt Dhein (2011) eine zeitnahe Kommunikation zwischen Erzieher/in und Kind über Erfahrungen mit naturwissenschaftlichen ← 14 | 15 → Phänomenen als förderlich. Damit wird der Qualität des verbalen Handelns von Erzieher/innen eine Schlüsselrolle im Bildungsprozess der Kinder zugeschrieben (Siraj-Blatchford u. a., 2010, S. 21). Aufbauend auf diesen Erkenntnissen ist die Qualität sprachlicher Interaktionen bzw. kognitiver Anregungen jedoch wissenschaftlich noch zu wenig berührt (Roux, 2009, S. 138). Nach der zweiten OECD-Kindergartenstudie von 2002–2004, an der neben Deutschland sieben weitere Länder teilnahmen, besteht die Forderung neben der wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Kompetenzentwicklung des pädagogischen Personals zugleich „Möglichkeiten der systematischen Anregung und Begleitung der Bildung von Kindern, die auf der Vorstellung von Dialog und Ko-Konstruktion zwischen Kindern und Erwachsenen beruhen“ zu überlegen (Deutsches Jugendinstitut e.V. (DJI), 2004, S. 117, 124). In Bezug auf die Gestaltung von Lernumgebungen kommt die EPPE zu dem Schluss, „dass die wirksamsten Einrichtungen eine ‚Spiel‘-Umgebung als Grundlage für das Vermitteln von Lerninhalten nutzten. Die wirksamste Pädagogik besteht sowohl aus ‚Unterrichten‘ als auch aus Angeboten von frei gewähltem und dennoch potenziell lehrreichem Spiel“ (Siraj-Blatchford u. a., 2010, S. 22).

Ausgehend von diesen Ausführungen findet die vorliegende Videostudie ihre Einordnung in der derzeit international geführten Qualitäts- und Bildungsdiskussion in der Frühpädagogik. Das Forschungsvorhaben einer Entwicklung, Anwendung und Validierung eines geeigneten Beobachtungsinstrumentes zur Erfassung und Beschreibung von Handlungskompetenz von Erzieher/innen in Kontexten früher naturwissenschaftlicher Bildung ist eingebettet in den Professionalisierungskontext der Forscherstation und versteht sich als Anschlussstudie an die Arbeiten von Monika Zimmermann (2011) und Anja Dhein (2011).

Im zweiten Kapitel geht es zunächst um die professionsbildende Funktion eines Transfers zwischen den gesellschaftlichen Teilsystemen der Wissenschaft, der Weiterbildung und der Frühpädagogik (vgl. Luhmann 2002). Anschließend wird im dritten Kapitel das Professionalisierungskonzept der Forscherstation ausführlich dargestellt. Da es eine wichtige Grundlage der gesamten vorliegenden Forschungsarbeit bildet, werden davon ausgehend im vierten Kapitel das Erkenntnisinteresse und die Zielstellungen der Arbeit erläutert.

Mit den Ausführungen im fünften Kapitel zu den wegweisenden lern- und bildungstheoretischen Voraussetzungen soll der konstruktivistische Denkansatz der vorliegenden Studie mit seinen Implikationen aus der sozialkonstruktivistischen Theorie festgelegt werden. Damit bezieht sich die Studie auf den derzeit international geführten lerntheoretischen Diskurs in der Frühpädagogik und markiert dadurch internationale Anschlussfähigkeit. Nachdem die bildungstheoretischen Grundlagen für die Frühpädagogik gelegt worden sind, ← 15 | 16 → wird daraufhin im sechsten Kapitel das bildungsförderliche und auf einer Prozessebene stattfindende pädagogische Handeln von Erzieher/innen beleuchtet. Neben den förderlichen Prinzipien des verbalen Handelns wird sich außerdem dem nonverbalen Handeln von Erzieher/innen gewidmet. Bestimmte nonverbale Aktivitäten der Erzieher/innen gelten aus bindungstheoretischer Sicht als pädagogisches Handeln, das die Explorationsbereitschaft der Kinder fördern kann (vgl. Reyer 2006: 145, zit. n. Denker, 2012, S. 34). Darüber hinaus geht es um die Frage nach einer förderlichen Gestaltung von Lernumgebungen im Sinne einer sozialkonstruktivistischen Lerntheorie. Im siebten Kapitel folgen Überlegungen zum Handlungsbegriff. Hierbei wird auf die Theorie von Jürgen Habermas (1987) des kommunikativen Handelns und auf die materialistische Tätigkeitstheorie nach Alexei N. Leontjew (1979) Bezug genommen. In enger Verbindung der Habermas’schen Theorie zur Sprechhandlungstheorie nach John Austin und John Searle (Hindelang, 2000, S. 17; Linke, Nussbaumer, & Portmann, 1996, S. 186f.) findet daraufhin eine Ausdifferenzierung des verbalen Handelns statt. Für die Entwicklung des Beobachtungsinstrumentes ist die theoretische Grundlegung durch die Sprechhandlungstheorie insofern relevant, weil dadurch die gesuchten Kategorien des zu generierenden Beobachtungsinstrumentes bestimmten Ebenen zugeordnet werden können. Im Anschluss daran soll sich im achten Kapitel mit dem Konstrukt der Handlungskompetenz auseinandergesetzt werden. Grundlage hierfür ist die aktuelle Diskussion um den Kompetenzbegriff. Müller-Ruckwitt (2008) stellt in diesem Zusammenhang die fehlende Auseinandersetzung mit einem Menschenbild in diesem Kompetenzdiskurs heraus. Um dem nicht nachzustehen und um im Sinne der Anschlussforschung das Konstrukt der Handlungskompetenz von Zimmermann (2011) zu nutzen, ohne neue Kompetenzdefinitionen zu schüren, wird zum einen auf das Verständnis von Handlungskompetenz nach Zimmermann (ebd.) zugegriffen und zum anderen ein bislang fehlendes Menschenbild bezogen auf Erzieher/innen dafür entwickelt. Bei der Frage nach der Entwicklung eines Beobachtungsinstrumentes zur Erfassung von Handlungskompetenz stellt sich weiterhin die Frage, was konkret erfasst werden kann. Daher geht es im Anschluss um die Auseinandersetzung mit performativen Verhaltensweisen.

Nach der für die Entwicklung des Beobachtungsinstrumentes notwendigen Klärung der theoretischen Aspekte, werden im neunten Kapitel das der Studie zugrundeliegende Forschungsdesign, die Datenbasis und methodische Grundzüge dargestellt. Im zehnten Kapitel findet sich mit der Entwicklung des Beobachtungsinstrumentes der erste empirische Teil der Studie. Nachdem sich das elfte Kapitel mit der Anwendung des generierten Beobachtungsinstrumentes beschäftigt, kann im zwölften Kapitel ein systematischer Vergleich zwischen ← 16 | 17 → Selbsteinschätzungen ausgewählter Erzieher/innen bzgl. Handlungskompetenz und der Fremdeinschätzung durch das entwickelte Beobachtungsinstrument stattfinden. Im dreizehnten Kapitel werden die Ergebnisse der Studie zusammengefasst, diskutiert und perspektivisch erweitert.

1.1 Sprach- und Zitierregelungen

Die unterschiedlichen Schreibweisen zur Benennung von Erzieherinnen und Erziehern zeigen die immer wiederkehrende Gender-Problematik in der deutschen Sprache, die mit der neutralen und männlichen Form „Erzieher“ nicht gelöst wird. Im Feld der Frühpädagogik dominieren die Frauen als Erzieherinnen bzw. Frühpädagoginnen mit 97% (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2012, S. 34). Aus diesem Grund und aufgrund der besseren Lesbarkeit wird die weibliche Form mit der männlichen Form in der singulären Schreibweise zu „die Erzieher/in“ und in der pluralen Schreibweise „die Erzieher/innen“ kombiniert. So wird auf die Mehrheit der Frauen in diesem Beruf verwiesen ohne Männer darin auszugrenzen. Weibliche Formen „Erzieherin“ und „Erzieherinnen“ bzw. männliche Formen „Erzieher“ weisen eindeutig auf Personen weiblichen bzw. männlichen Geschlechts hin. Alle anderen Personenbezeichnungen wie z.B. Kodierer, Pädagogen usw. werden in der männlichen bzw. neutralen Form verwendet. Dabei sind sowohl Frauen als auch Männer in gleicher Weise gemeint.

Hin und wieder treten eckige Klammern auf. Solche mit drei Punkten wie z.B. […] deuten auf eine textliche Auslassung aus dem Original hin. Eckige Klammern mit darin enthaltenem Text verweisen auf Textpassagen, die von der Autorin hinzugefügt oder ausgehend vom Original syntaktisch umstrukturiert wurden, um Verständlichkeit herzustellen bzw. um formvollendeten Text zu schreiben.← 17 | 18 →

← 18 | 19 → 2. Professionalisierung in der Frühpädagogik

Seit den ersten Pisa-Ergebnissen im Jahr 2000 werden „in hohem Tempo“ (vgl. Rabe-Kleberg, 2008) intensive Maßnahmen ergriffen, um das noch durch ausbaufähige Forschungsinfrastruktur gekennzeichnete und bislang wenig erforschte Feld der Frühpädagogik in vielfältiger Hinsicht zu professionalisieren. Bei der Auseinandersetzung mit Erzieher/innen und ihrer beruflichen Tätigkeit der Frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung (FBBE) im Kindergarten treten seit etwa einem Jahrzehnt Schlagworte wie Frühpädagogik als Profession, Professionalisierung pädagogischer Fachkräfte und pädagogische Professionalität von Erzieher/innen (vgl. Mischo & Fröhlich-Gildhoff, 2011; vgl. Nentwig-Gesemann, 2013, S. 10) in Erscheinung. Sie verweisen auf intensive Bemühungen zur Verbesserung der Qualität von Kindergärten, des beruflichen Handelns von Erzieher/innen und letztlich der frühkindlichen Bildung.

Die Entwicklungsprozesse, die dazu beitragen, die Pädagogik der frühen Kindheit als eine Profession zu sehen, werden in sogenannten merkmals- bzw. indikatorengestützten Ansätzen beschrieben. Beispielsweise stellt Nentwig-Gesemann (vgl. 2013, S. 10) folgende Veränderungsprozesse in der Frühpädagogik als Professionskennzeichen zusammen:

 Eine an deutschen Hochschulen in neu eingerichteten frühpädagogischen Studiengängen mögliche „akademische Ausbildung von KindheitspädagogInnen“ verdeutlicht die Akademisierung des Feldes.

 Eine „wissenschaftlich-theoretische und durch Forschung abgesicherte Fundierung der frühpädagogischen Praxis“ erweist sich als Professionskennzeichen.

 Eine „forschende Haltung“ einer Erzieher/in, ihre Bereitschaft zur „Eigenverantwortung“ und zur „Handlungsautonomie“ tragen zur Professionsbildung bei.

 Kriterien wie die „gesellschaftliche und finanzielle Anerkennung, sowie die Zuerkennung von Bedingungen, unter denen professionelles Handeln möglich ist“ machen eine Profession aus.

Bei ihrer Aufzählung weist Nentwig-Gesemann (ebd.) auf unterschiedliche Perspektiven hin, aus deren Sicht die Frühpädagogik als Profession gekennzeichnet werden kann. So bestätigen Wildgruber und Becker-Stoll (2011, S. 63) zwar Nentwig-Gesemann sowohl in der Professionsbildungsstrategie der Akademisierung, als einem „schnellen Zuwachs von Studiengängen der Bildung und Erziehung in der Kindheit“, als auch in dem forschungsbasierten „Ausbau der ← 19 | 20 → Ressourcen zur disziplinären Produktion von Wissen“. Sie (2011, S. 63) ergänzen die Professionsbildungsprozesse in der Frühpädagogik

 um die „Entstehung bzw. Weiterentwicklung von Interessensverbänden“ und

 um den „Ausbau und die inhaltliche Neuausrichtung der Weiterbildungslandschaft“.

Eibeck (vgl. 2013, S. 6–7) spricht von insgesamt vier Dimensionen der frühpädagogischen Profession. Bestätigung zeigt sich in einer wissenschaftlichen Grundlage der erzieherischen Tätigkeit und in der beruflichen Autonomie von Erzieher/innen im beruflichen Alltag. Mit Bezug zum Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) verweist Eibeck (ebd.) professionskennzeichnend zusätzlich auf

 die Handlungskompetenz einer Erzieher/in

 und ihre professionelle Identität.

Je nach Autorenschaft mit entsprechender Perspektive lassen sich derzeit sowohl übereinstimmende also auch uneinheitlich geführte Professionsindikatoren für das Feld der Frühpädagogik finden, die sich auf folgende Ebenen beziehen:

Details

Seiten
400
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653055672
ISBN (ePUB)
9783653965209
ISBN (MOBI)
9783653965193
ISBN (Hardcover)
9783631664216
DOI
10.3726/978-3-653-05567-2
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (März)
Schlagworte
Frühpädagogik Handlungsbeobachtung Handlungskompetenz Coaching Weiterbildung
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 400 S., 27 s/w Abb., 57 Tab.

Biographische Angaben

Mandy Metzner (Autor:in)

Mandy Metzner ist diplomierte Erziehungswissenschaftlerin, Medienpädagogin und Coach mit mehrjähriger Berufserfahrung im Personaltraining, in Forschung, in Lehre und Weiterbildung von Lehrpersonen für das Feld der Elementar- und Primarpädagogik an Hochschulen in Deutschland und in der Schweiz.

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