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Die Rechtfertigung von nichtanfechtbaren Subventionen im Welthandelsrecht

von Matthias Bickel (Autor:in)
©2015 Dissertation XVIII, 446 Seiten

Zusammenfassung

Das welthandelsrechtliche Subventionsrecht unterscheidet zwischen verbotenen, anfechtbaren und nichtanfechtbaren Subventionen. Allerdings sind die Ausnahmebestimmungen zur Nichtanfechtbarkeit ausgelaufen, so dass nun alle Subventionen zumindest theoretisch anfechtbar sind. Matthias Bickel untersucht die aktuelle Rechtslage von nichtanfechtbaren Subventionen, prüft deren Verhältnismäßigkeit und zeigt auf der Grundlage von ökonomischen Rechtfertigungsgründen Reformansätze auf. Dabei führt er wirtschafts- und rechtswissenschaftliche Methoden zusammen. Beibehaltungsfähige Subventionen können seiner Ansicht nach zwar als Zwischenlösung angesehen werden, jedoch besteht politischer Handlungsbedarf, wieder eine ausgewogene Subventionsrechtsordnung zu schaffen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Abbildungsverzeichnis
  • Problem- und Zielstellungen
  • Vorgehensweise und Methodik
  • Informations- und Datenquellen
  • Erstes Kapitel: Einführung in die Internationale Subventionsrechtsordnung
  • A. Die Subvention als Untersuchungsgegenstand
  • I. Subventionen im Welthandelsrecht
  • II. Allgemeine Klassifikationen von Subventionen
  • III. Terminologischer Überblick der allgemeinen Subventionslehre
  • B. Das Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen
  • I. Die Entstehung des GATT-Subventionskodexes und des SCM
  • II. Systematische Grundzüge des SCM
  • III. Die Stellung des SCM innerhalb der WTO-Rechtsordnung
  • C. Ausgewählte Bestimmungen des SCM
  • I. Die Spezifität einer (nichtanfechtbaren) Subvention nach Art. 2 SCM
  • II. Die Feststellung von ernsthaften nachteiligen Auswirkungen
  • III. Die Notifikationspflicht von nichtanfechtbare Subventionen
  • D. Das Europäische Beihilferecht als Vergleichsmaßstab
  • I. Entwicklung des Beihilferechts
  • II. Systematische Grundzüge des Beihilferechts
  • III. Normenhierarchie zwischen EU-Beihilferecht und WTO-Subventionsrecht
  • E. Parallelen und Unterschiede zwischen SCM und EU-Beihilferecht
  • F. Zusammenfassung der Ergebnisse des Ersten Kapitels
  • Zweites Kapitel: Nichtanfechtbare Subventionen im Welthandelsrecht
  • A. Die Rechtslage (status quo) der welthandelsrechtlichen Nichtanfechtbarkeit von Subventionen
  • I. Welthandelsrechtliche Definition von (nichtanfechtbaren) Subventionen
  • 1. Begriffsbestimmung einer Subvention nach Art. 1.1 SCM
  • 2. Die Leistung einer finanziellen Beihilfe nach Art. 1.1 (a)(1) SCM
  • 3. Die verschiedenen Subventionsarten unter Art. 1.1 (a)(1) SCM
  • 4. Die Gewährung eines Vorteils nach Art. 1.1(b) SCM
  • II. Typologie nichtanfechtbarer und beibehaltungsfähiger Subventionen
  • 1. Nichtanfechtbare Subventionen nach Art. 8.1(a) i. V. m. Art. 2 SCM
  • 2. Nichtanfechtbare Subventionen nach Art. 8.1(b) i. V. m. Art. 8.2 SCM
  • 3. Beibehaltungsfähige Subventionen
  • III. Rechtfertigungsnormen im GATT
  • 1. Staatliche Unterstützung der wirtschaftlichen Entwicklung nach Art. XVIII GATT
  • 2. Allgemeine Ausnahmen nach Art. XX GATT 1994
  • 3. Zollunionen und Freihandelszonen nach Art. XXIV GATT
  • 4. Weitere mögliche GATT-Ausnahmen und Zwischenergebnis
  • B. Die Beihilfengewährung nach Art. 107 ff. AEUV als Vergleichsmaßstab
  • I. Europarechtliche Definition der Beihilfe
  • II. Exkurs: Der Subventionsbegriff in der Bundesrepublik Deutschland
  • III. Allgemeines Beihilfeverbot nach Art. 107 Abs. 1 AEUV
  • IV. Legal- unf Fakultativausnahmen nach Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV
  • C. Sinn und Zweck der welthandelsrechtlichen Subventionsgewährung
  • I. Welthandelsrechtliche Prinzipien
  • II. Ökonomische Aspekte des Subventionszwecks
  • III. Der Sinn und Zweck des SCM
  • D. Die vorläufige Nichtanfechtbarkeit nach Art. 31 SCM
  • I. Die Ministerkonferenz in Seattle
  • II. Die Sitzung des Allgemeinen Rates
  • III. Die Sitzungen des Subventionsausschusses
  • E. Die Verhältnismäßigkeit von nichtanfechtbaren Subventionen
  • I. Subventionen für Forschung und Entwicklung nach Art. 8.2(a) SCM
  • 1. Interpretation der Tatbestandsmerkmale und Referenzen zum Unionsrecht
  • 2. Prüfung der Verhältnismäßigkeit
  • a) Geeignetheit
  • b) Erforderlichkeit
  • c) Angemessenheit
  • 3. Ergebnis und normative Aspekte
  • II. Subventionen für regionale Entwicklung nach Art. 8.2(b) SCM
  • 1. Interpretation der Tatbestandsmerkmale und Referenzen zum Unionsrecht
  • 2. Prüfung der Verhältnismäßigkeit
  • a) Geeignetheit
  • b) Erforderlichkeit
  • c) Angemessenheit
  • 3. Ergebnis und normative Aspekte
  • III. Umweltsubventionen nach Art. 8.2(c) SCM
  • 1. Interpretation der Tatbestandsmerkmale und Referenzen zum Unionsrecht
  • 2. Prüfung der Verhältnismäßigkeit
  • a) Geeignetheit
  • b) Erforderlichkeit
  • c) Angemessenheit
  • 3. Ergebnis und normative Aspekte
  • F. Zusammenfassung der Ergebnisse des Zweiten Kapitels
  • Drittes Kapitel: Ökonomische Analyse der Nichtanfechtbarkeit von Subventionen
  • A. Leitbilder des Wettbewerbs und nichtanfechtbare Subventionen
  • I. Liberalismus der Chicagoer Schule und Renaissance der Klassiker
  • II. Harvard Schule: Workable Competition und Marktzugang
  • III. Orthodoxer und gemäßigter Neoliberalismus der Österreichischen Schule
  • IV. Freiburger Schule: Ordoliberalismus als dritter Weg
  • V. Public Choice der Virginaer Schule: vom Markt- zum Staatsversagen
  • VI. Keynesianische Konjunkturlehre der Neuen Cambridger Schule
  • VII. Leitbilder des Wettbewerbs und nichtanfechtbare Subventionen
  • B. Markt- und Staatsversagen als Rechtfertigung für Nichtanfechtbarkeit
  • I. Allokatives Marktversagen und reine Allokationstheorien
  • 1. Öffentliche (globale) und meritorische Güter
  • 2. Externe Effekte
  • 3. Skalenerträge und sinkende Stückkosten
  • 4. Ineffizienzen: Faktormobilität, Preise und Marktinformation
  • 5. Marktmacht: Monopole, Kartelle und junge Industrien
  • II. Distributives Marktversagen und reine Distributionstheorien
  • 1. Der Utilitarismus
  • 2. Die Theorie der Gerechtigkeit
  • 3. Die Theorie der Anspruchsberechtigung
  • 4. Der Ansatz der Fähigkeiten
  • 5. Die Theorie der Gleichberechtigten Möglichkeit
  • III. Stabilitätspolitisches Marktversagen
  • IV. Staatsversagen als Rechtfertigung für Subventionierung?
  • 1. Unvollkommene Information (System)
  • 2. Myoptische Regulierung und politische Effekte (Politiker)
  • 3. Interne Effekte und ineffiziente Mittel (Verwaltung)
  • 4. Rent-Seeking, Logrolling und DUP-Aktivitäten (Unternehmen)
  • 5. Globales Versagen der Staatengemeinschaft (Kooperation)
  • C. Wohlfahrtssteigerung durch Nichtanfechtbarkeit von Subventionen
  • I. Neoklassische Wohlfahrtstheorie
  • II. Wohlfahrtsökonomie der frühen Neoklassiker
  • III. Neue(re) Wohlfahrtsökonomie
  • IV. Kompensationszahlungen und das Kaldor-Hicks-Kriterium
  • V. Die soziale Wohlfahrtsfunktion und die Theorie des Zweitbesten
  • VI. Neue (öffentliche) Finanzwissenschaft
  • D. Eine Analyse der Subventionswirkungen
  • I. Wirtschaftswissenschaftliche Subventionsdefinitionen
  • II. Subventionsquoten der G20 und der EU27
  • III. Entscheidungs- und Wirkungsebenen von Subventionen
  • IV. Dualistische Wirkungseigenschaften von Subventionen
  • E. Modellansätze zur Analyse von Subventionswirkungen
  • I. Klassifizierung von Modellen
  • II. Optimierte Subventionsprogramme
  • III. Außenhandelstheorie und Strategische Handelspolitik
  • IV. Partial- und Totalanalyse
  • V. Kosten-Nutzen-Analysen
  • 1. Die Nutzenseite
  • 2. Die Kostenseite
  • 3. Abschlussbemerkung
  • F. Zusammenfassung der Ergebnisse des Dritten Kapitels
  • Viertes Kapitel: Normative Aspekte der Nichtanfechtbarkeit von Subventionen
  • A. Normative Kriterien zur Gewährung von nichtanfechtbaren Subventionen
  • I. Marktzugang und Wettbewerbsneutralität
  • II. Allokations- und Distributionseffizienz
  • III. Wohlfahrtsmaximierung und Nachhaltigkeit
  • IV. Degression und Befristung
  • V. Kongruenz von Bemessungsgrundlage und Tatbestand
  • B. Normative Aspekte einer internationalen Subventionsrechtsordnung
  • I. Materiell-rechtliche Aspekte
  • 1. Gegenleistung, Zweckgebundenheit und Auflagenintensität
  • 2. Festlegung der Bemessungsgrundlage
  • 3. Berechnung von Subventionen
  • II. Formell-rechtliche Aspekte
  • 1. Verbesserte Notifikation und Obligatorische Datenerfassung
  • 2. Monitoring und Evaluierung der Subventionsverwendung
  • 3. Wettbewerbliche Subventionsvergabe
  • III. Polit-ökonomische Aspekte
  • 1. Entpolitisierung und Ökonomisierung der Subventionsvergabe
  • 2. Wirkungsorientierung und Revision
  • 3. WTO Global Governance und Globales Krisenmanagement
  • C. Potentielle nichtanfechtbare Subventionen
  • I. Subventionsformen
  • 1. Erhaltungssubventionen
  • 2. Anpassungssubventionen
  • 3. Aktivierungssubventionen
  • 4. Neue Klassifizierung von Subventionen
  • II. Sektorale (spezifische) Nichtanfechtbarkeit
  • 1. Agrarwirtschaft, Forst und Fischerei (Erster Sektor)
  • 2. Industrie (Zweiter Sektor)
  • 3. Dienstleistungen (Dritter Sektor)
  • 4. Banken und Versicherungen (Vierter Sektor)
  • III. Horizontale (wirtschaftspolitische) Nichtanfechtbarkeit
  • D. Die Wiederherstellung einer ausgewogenen Subventionsrechtsordnung
  • I. Alternative Instrumente und Ausnahmeregelungen
  • II. Reziprozität durch Verhandlungen
  • III. Revitalisierung eines modifizierten Ampelansatzes (traffic light approach)
  • IV. Prozessuales Vorgehen
  • E. Der Reformprozess zur Nichtanfechtbarkeit von Subventionen
  • F. Zusammenfassung der Ergebnisse des Vierten Kapitels
  • Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick
  • Anhang 1: Non-Actionable Subsidies (Part IV SCM)
  • Anhang 2: Aids Granted by States (Section 2 TFEU)
  • Schrifttum

← x | xi →Abkürzungsverzeichnis

← xvi | xvii →Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1:   Klassifikationsmerkmale von Subventionen

Abbildung 2:   Der Ampelansatz im Welthandelsrecht (traffic light approach)

Abbildung 3:   Prüffolge für Subventionen im Welthandelsrecht

Abbildung 4:   Europarechtliche Beihilfen im Binnenmarktrecht

Abbildung 5:   Welthandelsrechtliche Subventionssubjekte und -objekte

Abbildung 6:   Nichtanfechtbare und beibehaltungsfähige Subventionen

Abbildung 7:   Non-Paper zur Vorbereitung der Ministerkonferenz

Abbildung 8:   Die Sitzung des Allgemeinen Rates (17. Dezember, 1999)

Abbildung 9:   Die Sitzung des Subventionsausschuss

Abbildung 10: Allgemeine Informationen zur Notifikation nach Art. 8.3 SCM

Abbildung 11: Verhältnismäßigkeit von Subventionen

Abbildung 12: FuE-Ausgaben ausgewählter OECD-Mitglieder (in Prozent des BNE)

Abbildung 13: Forschungssubventionen während der Uruguay-Runde

Abbildung 14: Spezifische Informationen zur Notifikation von FuE-Subventionen

Abbildung 15: Regionalsubventionen während der Uruguay-Runde

Abbildung 16: Spezifische Informationen zur Notifikation von Regionalsubventionen

Abbildung 17: Umweltsubventionen während der Uruguay-Runde

Abbildung 18: Spezifische Informationen zur Notifikation von Umweltsubventionen

Abbildung 19: Enger und weiter Begriff der Nichtanfechtbarkeit

Abbildung 20: Nichtanfechtbare Subventionen und Leitbilder des Wettbewerbs

Abbildung 21: Wirtschaftswissenschaftliche Subventionssubjekte und -objekte

Abbildung 22: Subventionsquoten der G20 im Überblick

Abbildung 23: Pro-Kopf-Finanzierung von Subventionen in der G20, 2008 in USD

← xvii | xviii →Abbildung 24: Pro-Kopf-Finanzierung von Subventionen in der EU27, 2008 in USD

Abbildung 25: Entscheidungsebenen bei der Gewährung von Subventionen

Abbildung 26: Wirkungsebenen der Subventionsgewährung

Abbildung 27: Zielstellungen einer Nachhaltigen Entwicklung

Abbildung 28: Leistung mit Gegenleistung bei Subventionen

Abbildung 29: Marktversagen bei verschiedenen Subventionstypen

← xviii | 1 → Problem- und Zielstellungen

„Der zur Verdeutlichung der grundlegenden ratio des Welthandelsrechts notwendige Verweis auf die Theorie der komparativen Kostenvorteile darf allerdings nicht zu der Annahme verleiten, das Welthandelsrecht sei von der Idee des unbedingten Freihandels geprägt. Dem Welthandelsrecht geht es seit In-Kraft-Treten des GATT 1947 nicht darum, eine gleichsam minimalistische Staatskonzeption zu erzwingen – im Gegenteil. Ebenso wie das GATT 1947 ist auch heute die WTO-Rechtsordnung durchgehend von der Erkenntnis geprägt, dass staatliche Eingriffe in den Wirtschaftsprozess zulässig sind und notwendig sein können.“1

Das Thema der Subventionierung privater und öffentlicher Unternehmen steht seit jeher im öffentlichen Interesse und wird vornehmlich vor dem Hintergrund verschiedener wirtschaftspolitischer Auffassungen kontrovers diskutiert, wobei die Diskussion um Subventionen sowohl durch einen Wertediskurs über staatliche Interventionen an sich als auch von verschiedenen Ansichten zu Leitbildern des Wettbewerbs oder auch durch konkrete Anforderungen an politische Entscheidungsträger beeinflusst wird. Die Subventionseffizienz und deren Wirkungen auf mikro- und makroökonimsche Indikatoren spielt bei der Entscheidung zur Subventionsgewährung bisher eine untergeordnete Rolle. Im Kontext der Subventionsgewährung gibt das Welthandelsrecht in Form des „Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens“ (General Agreement on Tariffs and Trade, GATT)2 und des „Übereinkommens über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen“ (Agreement on Subsidies and Countervailing Measures, SCM)3 einen völkerrechtlichen Rahmen für die Mitglieder der Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) vor,4 ← 1 | 2 → der mit Blick auf grenzüberschreitenden Warenhandel völkerrechtliche Rechte und Pflichten definiert, die darauf abzielen, Marktverzerrungen zu vermeiden und den Lebensstandard in den Gebieten der WTO-Mitgliedstaaten zu erhöhen.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich folgende Problemstellung: Das welthandelsrechtliche Subventionsrecht unterscheidet zwischen drei Subventionskategorien, nämlich i) verbotene, ii) anfechtbare und iii) nichtanfechtbare Subventionen. Allerdings waren die Bestimmungen zu nichtanfechtbaren Subventionen nur fünf Jahre lang in Kraft und sind zum 1. Januar 2000 ausgelaufen. Durch das Auslaufen der in den Art. 8 und 9 SCM verankerten Legalausnahme besteht seitdem insofern eine Rechtslücke im welthandelsrechtlichen Subventionsrechtsregime, als dass alle unter das SCM fallende Subventionen seit Januar 2000 zumindest anfechtbar geworden sind. Allerdings ist ebenso zu bedenken, dass diese Vorschriften vor ihrem Auslaufen in die nationalen Rechtsordnungen der WTO-Mitglieder integriert wurden und dort weiterhin in Kraft sind.5

Mit Bezug auf die verschiedenen Subventionskategorien ist das SCM den Anforderungen der fortschreitenden Liberalisierung und Globalisierung und der damit verbundenen Mobilitätszunahme von Produktionsfaktoren sowie der Warenhandelsströme nicht mehr gewachsen.6 Darüber hinaus stellen die im Rahmen von starken Rezessionen und Weltwirtschaftskrisen verstärkt auftretenden Forderungen nach Subventionen eine weitere Herausforderung für die Konzeption des SCM dar. Die Zielstellung der vorliegenden Arbeit lässt sich vor diesem Hintergrund anhand von fünf zu untersuchenden Leitfragen beschreiben:

(1) Rechtslage (status quo): Wie ist die Rechtslage von Subventionen im Welthandelsrecht mit Blick auf ihre Nichtanfechtbarkeit zu bewerten, und wie ist demzufolge der Begriff der Nichtanfechtbarkeit von Subventionen zu definieren bzw. auszulegen? Welche Legalaus-nahmen für die Gewährung von nichtanfechtbaren Subventionen existieren derzeit im Welthandelsrecht?7 Diese Fragen, werden im Zweiten Kapitel behandelt.

(2) Sinn und Zweck: Welche Absichten verfolgen sowohl die WTO/GATT-Rechtsordnung als auch das SCM im Allgemeinen und der Teil IV SCM (Art. 8 f. SCM) im Besonderen im Hinblick auf nichtanfechtbare Subventionen?8 Diese ← 2 | 3 → Frage wird durch die Beschreibung des „Sinns und Zwecks“ der jeweiligen Rechtsvorschriften ebenso im Zweiten Kapitel untersucht.

(3) Verhältnismäßigkeit (status quo ante): Angenommen die Art. 8 f. SCM wären ungeachtet Art. 31 SCM noch in Kraft, wären die Bestimmungen zu nichtanfechtbaren Subventionen dann geeignet, erforderlich und angemessen, um nationale bzw. globale ökonomische und politische Zielstellungen wirksam umzusetzen?9 Auch diese dritte Leitfrage ist durch den Umfang des jeweiligen Anwendungsbereichs geprägt und wird auch im Zweiten Kapitel behandelt.

(4) Ökonomische Rechtfertigung: Welche ökonomischen und nicht-ökonomischen Rechtfertigungsgründe können als Argumente für eine Erweiterung der zuvor genannten Legalausnahmen bzw. einer weiter gefassten Nichtanfechtbarkeit von Subventionen angeführt werden, so dass diese Maßnahmen weder dem Streitschlichtungsmechanismus der WTO (Dispute Settlement Mechanism, DSM) zu unterwerfen sind noch sie einer Rechtsbehelfsfähigkeit zugeführt werden können?10 Welche Argumentation sich für eine Nichtanfechtbarkeit von Subventionen anführen läßt, wird Gegenstand des Dritten Kapitels sein.

(5) Normative Ausgestaltung (status quo post): Wie sollte die welthandelsrechtliche Subventionsrechtsordnung de lege ferenda ausgestaltet sein, so dass durch Subventionsgewährung negative Subventionswirkungen minimiert und positive Wirkungen einem Anreizmechanismus unterworfen werden? Wie kann zugleich gewährleistet werden, dass die WTO-Mitglieder durch die Gewährung von Subventionen weiterhin legitime ökonomische und nicht-ökonomische Ziele verfolgen können, ohne dass die Rechte anderer WTO-Mitglieder unverhältnismäßig beeinträchtigt werden?11 Ob dazu die Wiedereinführung der nichtanfechtbaren Subventionskategorie vonnöten ist, bleibt im Vierten Kapitel zu diskutieren.← 3 | 4 →

_______________________

1Tietje, Einführung, in: Tietje (Hrsg.), WTO, 3. Aufl., München 2005, XII. Starbatty weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Staat nicht etwa auf jedwede Intervention verzichten soll, sondern durch das Kriterium der Marktkonformität lediglich an eine bestimmte Verhaltensweise gebunden ist. Er soll demnach weder die Erwartungsbildung der einzelnen Wirtschaftssubjekte stören noch die freie Preisbildung beeinträchtigen. Vgl. Starbatty, Ordoliberalismus, 239 (249 f.).

2Zum GATT 1994 siehe WTO-Dokument LT/UR/A-1A/1/GATT/1 und zum GATT 1947 vgl. WTO-Dokument LT/UR/A-1A/1/GATT/2, jeweils vom 15. April, 1994. Der deutsche Text ist abgedruckt in Tietje (Hrsg.), WTO, 14-77.

3Zum SCM siehe WTO-Dokument LT/UR/A-1A/9 vom 15. April, 1994. Der deutsche Text ist abgedruckt in Tietje (Hrsg.), WTO, 168-213.

4Subventionsvorschriften finden sich über die oben genannten Abkommen hinaus auch explizit im 1) Übereinkommen über die Landwirtschaft (Agreement on Agriculture, AoA), 2) im Allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services, GATS) und 3) im plurilateralen Übereinkommen über die Zivilluftfahrt (Agreement on Trade in Civil Aircraft, ATCA). Siehe dazu die WTO-Dokumente LT/UR/A-1A/2 (AoA), LT/UR/A-1B/S/1 (GATS), LT/UR/A-4/PLURI/1 (ACA) jeweils vom 15. April, 1994. Der deutsche Text ist abgedruckt in Tietje (Hrsg.), WTO, 78-102 (AoA), 224-259 (GATS) und 356 (ACA ist nicht abgedruckt).

5Weishing Huang, Trade Remedies: Laws of Dumping, Subsidies, and Safeguards in China, The Hague 2003, 88.

6Luengo Hernández de Madrid, Regulation of Subsidies and State Aids in WTO and EC Law – Conflicts in International Trade Law, 2007, 206; Ruge, Die Zulässigkeit staatlicher Umweltschutzsubventionen nach dem EG-Vertrag und dem GATT 1994/WTO-Regelwerk, in: Rengeling, Hans-Werner/Weber, Albrecht (Hrsg.), Schriften zum Europäischen und Internationalen Recht, Osnabrück 2002, 21.

7Siehe dazu insbesondere Zweites Kapitel, Unterkapitel A.

8Diese Fragen werden im Detail im Zweiten Kapitel in den Unterkapiteln C.I (WTO/GATT-Rechts-ordnung); C.II (SCM); sowie C.III (Subventionen im Allgemeinen) behandelt. Des Weiteren wird der Sinn und Zweck des Teil IV SCM in den Unterkapiteln E.I-III (nichtanfechtbare Subventionen) beschrieben.

9Ausführungen hierzu finden sich im Zweiten Kapitel, Unterkapitel E.I.

10Siehe in diesem Zusammenhang insbesondere Drittes Kapitel, Unterkapitel B (Markt- und Staatsversagen) sowie Unterkapitel C (Wohlfahrtssteigerung).

11Siehe hierzu infra, Viertes Kapitel, die Unterkapitel A, B und E.

← 4 | 5 → Vorgehensweise und Methodik

“The economic and other policies concerning the use of subsidies in international trade and the permitted responses to those subsidies are perplexing and controversial.”12

Details

Seiten
XVIII, 446
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653057188
ISBN (ePUB)
9783653966220
ISBN (MOBI)
9783653966213
ISBN (Paperback)
9783631661499
DOI
10.3726/978-3-653-05718-8
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (April)
Schlagworte
Nichtanfechtbarkeit Beibehaltungsfähige Subventionen Subventionsrecht Subventionsrechtsordnung
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. XVIII, 446 S., 29 s/w Abb.

Biographische Angaben

Matthias Bickel (Autor:in)

Matthias Bickel arbeitete nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre und des Wirtschaftsrechts an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der University of Sydney zunächst als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in Halle. Derzeit ist er für die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) in Asien tätig.

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