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Konstruktivismus im Literaturunterricht

Grundlagen und Unterrichtsbeispiele für die Sekundarstufen I und II

von Markus Schwahl (Autor:in)
©2015 Monographie 146 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch beleuchtet die vielfältigen pädagogischen, didaktischen und methodischen Aspekte eines konstruktivistisch begründeten Literaturunterrichts. «Klassische» konstruktivistische Themen wie die Handlungs- und Produktionsorientierung und die Binnendifferenzierung unterzieht der Autor einer kritischen Überprüfung und entwickelt sie theoriekonform weiter. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Vereinbarkeit konstruktivistischer Lernarrangements mit kompetenzorientierten Unterrichtsmodellen. Der umfangreiche Praxisteil zeigt, wie konstruktivistische Elemente auf inhaltlicher und prozessualer Ebene in den Literaturunterricht der Sekundarstufen integriert werden können.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einführung
  • Grundlagen
  • 1 Selbstbezüglichkeit als philosophisches und pädagogisches Prinzip
  • 2 Individualisierung und Differenzierung
  • 2.1 Texterfahrung und Textvermittlung
  • 2.2 Unterrichtsformen und Aufgabentypen
  • 2.3 Individualisierung und Kompetenzorientierung
  • 3 Lektüre zweiter Ordnung
  • 3.1 Den eigenen Lesestandort berücksichtigen
  • 3.2 Selbstbeobachtung und Fremdbeurteilung
  • 3.3 Metakognition als didaktisches Prinzip
  • 4 Handlungs-­ und Produktionsorientierung
  • 4.1 Theoretische Grundlagen und didaktische Intention
  • 4.2 Handlungs-­ und Produktionsorientierung im standardbasierten Literaturunterricht
  • 5 Intersubjektives literarisches Lernen
  • 6 Konstruktivismus als literarischer Topos
  • II. Unterrichtsbeispiele
  • Klassenstufen 7/8
  • 1 Entdecke die Möglichkeiten – Konkurrierende Wirklichkeitsentwürfe in Seita Parkkolas Jugendroman Wir können alles verlieren. Oder gewinnen (2012)
  • Klassenstufen 9/10
  • 2 Das Anschauen anschauen: Die literarischen Spaziergänge des Schweizer Dichters Robert Walser (1878-­1956)
  • Klassenstufen 10-­13
  • 3 Wir verstehen uns doch? – Kommunikative Entfremdung in Peter Stamms Roman Agnes (1998)
  • Klassenstufen 10-­13
  • 4 Wahn und Sinn: Psychische und Erkenntniskrisen in E. T. A. Hoffmanns Erzählung Der Sandmann (1815)
  • III. Anhang
  • Material 1: Seita Parkkola: Wir können alles verlieren. Oder gewinnen (2012); Materialien und Hinweise für die Portfolio-Arbeit115
  • Material 2: Robert Walser: Jakob von Gunten (1909) [Auszug]
  • Material 3: Robert Walser: Schneien (1917) [Auszug]
  • Material 4: Robert Walser: Der Spaziergang (1917) [Auszüge]
  • Material 5: Lernaufgaben zu Peter Stamm: Agnes (1998)
  • Material 6: Ein dauerndes Versuchen. Peter Stamm über Kommunikation (2004)
  • Material 7: Dialoganalyse zu Peter Stamm: Agnes (1998) [Auszug]
  • Material 8: E. T. A. Hoffmann: Der Sandmann (1815) [Auszug]131
  • Material 9: Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft (2. Aufl., 1787) [Auszug]
  • IV. Literaturverzeichnis
  • 1 Primärliteratur
  • 2 Sekundärliteratur

← 6 | 7 → Einführung

Wenn ich zum Beispiel einen Baum sehe und für mich ist er grün, würdest du ihn wohl auch grün nennen. Und wir sind uns ganz einig. Aber ist dein Grün ebenso grün wie meines?

Carson McCullers:Frankie

Links wird rechts, böse wird gut, hässlich wird schön, es kommt nur auf den Spiegel an und von welcher Seite man hineinsieht.

Christoph Poschenrieder: Der Spiegelkasten

Konstruktivismus, so scheint es, ist in aller Munde. Die Vorstellung, dass sich jeder Mensch in seiner eigenen, von der wirklichen Wirklichkeit mehr oder weniger unabhängigen Welt bewegen könnte, befeuert die Phantasie von Literaten, Philosophen und Leitartiklern. Kultur-­ und Medienwissenschaftler, Ökonomen und Politiker reden gerne davon, dass der Mensch sich seine Realität selbst erschaffe – nicht zuletzt deshalb, weil es zum Selbstverständnis dieser Berufsgruppen gehört, den gesellschaftlichen Diskurs und damit die soziale Wirklichkeit maßgeblich mitgestalten zu wollen. Vor allem aber korrespondiert das konstruktivistische Prinzip – gut zu beobachten an der Verbreitung konstruktivistischer Denkansätze in den Theorien der internationalen Beziehungen (Wendt 1999) – mit dem idealisierten Selbstbild moderner demokratischer Gesellschaften: Die Annahme, dass jede menschliche Wirklichkeit eine gemachte ist, ermöglicht es, sich die Welt als ein lernendes System zu denken, dem das Recht auf Veränderung, Fortschritt und Selbstentfaltung fest eingeschrieben ist.

Das konstruktivistische Paradigma, hervorgegangen aus den Ideen Platons, Demokrits, Vicos, Berkeleys und Kants, ist in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer interdisziplinären Supertheorie herangewachsen und wird mittlerweile durch Forschungsergebnisse aus der Entwicklungspsychologie (Jean Piaget), der Gehirn-­ und Verhaltensforschung (Humberto Maturana, Gerhard Roth, Wolf Singer) sowie den Geistes-­ und Sozialwissenschaften (Heinz von Foerster, Ernst von Glasersfeld, Niklas Luhmann, Siegfried J. Schmidt) nachhaltig gestützt.

← 7 | 8 → Im zwischenmenschlichen Miteinander sind konstruktivistische Einstellungen, Äußerungen und Verhaltensweisen indes eher selten zu beobachten. Der Vorbehalt, dass die eigene Weltsicht nur eine von vielen möglichen Wirklichkeiten darstellen könnte, dass mithin jeder Wirklichkeitserfahrung der Makel der Vorläufigkeit, der Relativität anhaftet, kommt im alltäglichen Reden und Handeln kaum zum Tragen. Ihrer offenkundigen Popularität zum Trotz scheint sich der Gebrauch konstruktivistischer Axiome auf einen theoretischen oder metaphorischen Diskurs zu beschränken, der außerhalb des Wissenschafts-­ und Medienbetriebs nur geringe Spuren hinterlässt.

Auch im Schulalltag hat die vielfach bemühte konstruktivistische Rhetorik bislang noch wenig spürbare Veränderung bewirkt. Obwohl grundlegende Forschungsbeiträge vorliegen, beispielsweise zum Einfluss des Konstruktivismus auf das System Schule (Rolf Arnold, Gerhard de Haan/Tobias Rülcker) und auf den Umgang mit Literatur (Bernd Scheffer), wird in der schulischen Praxis immer noch viel zu selten diskutiert, welche konkreten pädagogischen, didaktischen und methodischen Konsequenzen der konstruktivistische Paradigmenwechsel erfordert. Die Bedeutung des Konstruktivismus für die Gestaltung von Lern-­ und Kommunikationsprozessen sowie für das Selbstverständnis des Lehrers wird in ihrer Radikalität oft gar nicht erkannt. Dabei wäre eine Diskussion über die Notwendigkeit konstruktivistischer Elemente in der Institution Schule gerade in Zeiten von Kompetenzausrichtung und Standardisierung durchaus lohnenswert: Konstruktivistische Lernmodelle stehen wie kein anderes für eine Tradition der Subjektorientierung; sie können deshalb besonders glaubhaft Argumente und Beispiele für individualisierende, differenzierende und selbstreflexive Lernprozesse im Rahmen eines kompetenzorientierten Unterrichts beisteuern.

Gerade das Fach Deutsch, und hier wieder in besonderem Maße der Literaturunterricht, kommt kaum umhin, Fragen der Wirklichkeit und ihrer Wahrnehmung zu thematisieren: Was unterscheidet eigentlich unsere alltägliche von einer literarisch produzierten Realität? Wodurch zeichnen sich realistische Texte aus und wie grenzen sie sich von nicht-­realistischer Literatur ab? Inwiefern verändert sich Wirklichkeit durch die Vermittlungstätigkeit analoger und digitaler Medien? Welche Auswirkungen hat die zwischenmenschliche Kommunikation auf unsere Wahrnehmung und unsere Einstellungen? Und vor allem: Wie könnten konstruktivistische Erkenntnisfragen und -­bedingungen im Unterrichtsgeschehen Berücksichtigung finden?

← 8 | 9 → Diese Studie unternimmt den Versuch, sowohl die allgemeinen Anforderungen an einen konstruktivistischen Literaturunterricht zu klären als auch konkrete Unterrichtsmodelle zu entwickeln, die einen Schwerpunkt auf die praktische Umsetzung konstruktivistischer Leitgedanken legen. Ausgehend von erkenntnis-­ und kommunikationstheoretischen Überlegungen zur alltäglichen und literarischen Wahrnehmung bzw. Kommunikation sollen Möglichkeiten ausgelotet werden, wie Schülerinnen und Schüler ihr individuelles Textverständnis realisieren und im Austausch mit der Lerngruppe weiterentwickeln können. Der Reflexion des subjektiven Textverständnisses und seiner Entstehungsbedingungen sowie der Organisation kollektiver Texterschließungsprozesse unter konstruktivistischen Voraussetzungen soll hierbei besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Der Autor dankt den Schülerinnen und Schülern des Spohn-­Gymnasiums in Ravensburg, den Referendarinnen und Referendaren des Staatlichen Seminars für Didaktik und Lehrerbildung Weingarten sowie den Studierenden der Pädagogischen Hochschule Weingarten, mit denen er in den vergangenen Jahren die in dieser Arbeit dargestellten Unterrichtssequenzen und -­modelle konzipieren und erproben durfte.

Ravensburg, im Frühjahr 2015

Markus Schwahl← 9 | 10 →

Details

Seiten
146
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653052862
ISBN (ePUB)
9783653968262
ISBN (MOBI)
9783653968255
ISBN (Hardcover)
9783631662373
DOI
10.3726/978-3-653-05286-2
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Juni)
Schlagworte
Individualisierung Kompetenzorientierung Lerntheorie Lesetheorie kompetenzorientierte Unterrichtsmodelle
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 146 S., 2 s/w Abb.

Biographische Angaben

Markus Schwahl (Autor:in)

Markus Schwahl ist Professor für Fachdidaktik Deutsch und Theaterpädagogik am Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (Abteilung Gymnasien) in Weingarten. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Gegenwartsliteratur, Kinder- und Jugendliteratur, handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht sowie Filmdidaktik.

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