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Die Regulierung von Leerverkäufen als Folge der Finanzkrise

Übertriebener Aktionismus oder angemessene Maßnahme zur Stabilisierung des Finanzsystems?

von Paul Tritschler (Autor:in)
©2015 Dissertation 265 Seiten

Zusammenfassung

Seit dem Aufkommen der Finanzmarktkrise im Jahre 2007 ist die Regulierung der Finanz- und Kapitalmärkte eines der bestimmenden Themen der politischen und gesellschaftlichen Diskussion. Als eine der wesentlichen Lehren aus der Finanzmarktkrise wird in der Öffentlichkeit insbesondere die Regulierung von Leerverkäufen propagiert, da Leerverkäufe als ein wesentlicher Faktor für die Entstehung der Finanzkrise ausgemacht wurden. Diese Arbeit widmet sich daher der Frage, auf welche Ursachen die Finanzmarktkrise zurückzuführen ist und ob der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber durch die Regulierung von Leerverkäufen in rechtlich, rechtsökonomisch bzw. rechtspolitisch angemessener Weise auf die Krise reagiert hat.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • 1. Kapitel Die Entstehungsgeschichte der Regulierung von Leerverkäufen
  • A. Die Entstehung der Finanzkrise
  • B. Der „Leerverkauf“: Begriffsbestimmung
  • I. Der gedeckte Leerverkauf
  • II. Der ungedeckte Leerverkauf
  • III. Entscheidende Unterschiede zwischen gedeckten und ungedeckten Leerverkäufen
  • C. Die von Leerverkäufen ausgehenden Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems
  • D. Der Leerverkauf als Handelsstrategie
  • I. Spekulation
  • II. Arbitrage
  • III. Hedging
  • IV. Zwischenergebnis
  • E. Ergebnis
  • 2. Kapitel Die rechtliche Einordnung von Leerverkäufen vor Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 236/2012
  • A. Die Behandlung des Leerverkaufes im speziellen Kapitalmarktrecht
  • I. Das Verbot der Marktmanipulation gemäß § 20a WpHG
  • 1. Der Anwendungsbereich des § 20a WpHG
  • a. Der Leerverkauf als Finanzinstrument i.S.d. § 2 Abs. 2b WpHG
  • aa) Der Leerverkauf als Börsentermingeschäft
  • bb) Der Leerverkauf als „zusammengesetztes Finanzinstrument“
  • cc) Zwischenergebnis
  • b. Börsennotierung
  • Räumlicher Schutzbereich
  • aa) Geltungsbereich
  • bb) Anwendungsbereich
  • d. Normadressaten
  • e. Zwischenergebnis
  • 2. Der Verbotstatbestand des § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG
  • a. Das Machen unrichtiger oder irreführender Angaben
  • aa) Das Streuen von Gerüchten als unrichtige bzw. irreführende Angabe
  • bb) Die konkludente Abgabe unrichtiger oder irreführender Angaben
  • (1) Die Eigentümerstellung
  • (2) Die Motivation des Leerverkäufers
  • (3) Die Erfüllungsabsicht
  • cc) Zwischenergebnis
  • b. Bewertungserhebliche Umstände
  • c. Das Verschweigen bewertungserheblicher Umstände entgegen bestehender Rechtsvorschriften
  • d. Zwischenergebnis
  • 3. Der Verbotstatbestand des § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG
  • a. Vornahme von Geschäften, Erteilen von Kauf- oder Verkaufsaufträgen
  • b. Eignung als falsches oder irreführendes Signal, künstliches Preisniveau
  • aa) Die Eigentumsstellung als irreführendes Signal i.S.d. § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG
  • bb) Die Bewertung als irreführendes Signal i.S.d. § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG
  • cc) Das Überangebot als irreführendes Signal i.S.d. § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG
  • (1) § 3 Abs. 1 MaKonV
  • (1.1.) Die zwingenden Regelbeispiele des § 3 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MaKonV
  • (1.2.) Das zwingende Regelbeispiel des § 3 Abs. 2 Nr. 3 MaKonV
  • (1.3.) Der Leerverkauf als Anzeichen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 c und Nr. 1b MaKonV
  • (2) Zwischenergebnis
  • 4. Die Schutzbereichsausnahmen des § 20a Abs. 2 und Abs. 3 WpHG
  • Der Tatbestandsausschluss des § 20a Abs. 2 WpHG
  • b. Die „Safe Harbours“ gemäß § 20a Abs. 3 WpHG
  • 5. Vorsatz
  • 6. Ergebnis
  • II. Das Verbot von Insidergeschäften nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG
  • 1. Die Insiderinformation als Anreiz des Leerverkäufers
  • 2. Der Leerverkauf als Insidergeschäft i.S.d. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG
  • a. Die Eigentumslage als Insiderinformation
  • b. Der Drittbezug der Insiderinformation
  • c. Zwischenergebnis
  • III. Die Verbote von Leerverkäufen nach dem Investmentgesetz (InvG)
  • 1. Anwendungsbereich des InvG
  • a. Örtlicher Anwendungsbereich
  • b. Sachlicher Anwendungsbereich
  • 2. Das Leerverkaufsverbot des § 59 InvG
  • 3. Das Leerverkaufsverbot des § 113 Abs. 1 S. 3 InvG
  • 4. Das Leerverkaufsverbot des § 136 Abs. 1 Nr. 5g InvG
  • 5. Zwischenergebnis
  • IV. Die Verleitung zur Börsenspekulation gemäß § 26 Abs. 1 BörsG
  • 1. Der Leerverkauf als Börsenspekulationsgeschäft
  • a. Beurteilung aus Sicht des Käufers
  • b. Beurteilung aus Sicht des Verkäufers
  • 2. Das Verleiten zum Leerverkauf
  • 3. Die Beteiligung am Leerverkauf
  • a. Sammelkonto/Investmentclub als unmittelbare oder mittelbare Beteiligung
  • b. Der Fonds als mittelbare Beteiligung
  • aa) Single-Hedgefonds
  • bb) Dach-Hedgefonds
  • cc) Sonstige kollektive Anlageformen
  • 4. Die Ausnutzung der Unerfahrenheit in Börsenspekulationgeschäften
  • a. Unerfahrenheit in Börsenspekulationsgeschäften
  • b. Ausnutzung der Unerfahrenheit
  • 5. Die Gewerbsmäßigkeit
  • 6. Zwischenergebnis
  • V. Ergebnis
  • B. Die strafrechtliche Ahndung des Leerverkaufes
  • I Das Kernstrafrecht
  • 1. § 263 StGB
  • a. Der Leerkauf
  • aa) Täuschungshandlung
  • (1) Die Eigentumslage
  • (2) Die Erfüllungswilligkeit
  • (3) Manipulation des Vertragsgegenstandes
  • bb) Irrtum
  • cc) Vermögensverfügung
  • dd) Vermögensschaden
  • b. Die Glattstellung der Leerverkaufsposition
  • aa) Täuschung
  • bb) Irrtum
  • cc) Vermögensverfügung
  • dd) Vermögensschaden
  • c. Zwischenergebnis
  • 2. § 264a StGB
  • II. Das Kapitalmarktstrafrecht
  • 1. § 38 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG
  • a. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 38 Abs. 2 i.V.m. § 20a Abs. 1 Nr. 2 WpHG
  • b. Die Frage der Europarechtswidrigkeit des § 38 Abs. 2 i.V.m. § 20a Abs. 1 Nr. 2 WpHG
  • c. Zwischenergebnis
  • 2. § 38 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG
  • 3. § 49 i.V.m. § 26 Abs. 1 BörsG
  • 4. Zwischenergebnis
  • C. Die aufsichtsrechtliche Unterbindung des Leerverkaufes
  • I. Das aufsichtsrechtliche Verbot des Leerverkaufes
  • 1. Ermächtigungsgrundlage
  • 2. Zwischenergebnis
  • II. Die Sanktionierung manipulativer Leerverkäufe
  • D. Zivilrechtliche Einordnung des Leerverkaufes
  • I. Der Leerverkauf als Kaufvertrag i.S.d § 433 BGB
  • II. Mögliche Unwirksamkeitsgründe
  • 1. Unwirksamkeit wegen Gesetzesverstoßes nach § 134 BGB
  • a. Unwirksamkeit gemäß § 134 BGB i. V. m. § 20a WpHG
  • b. Unwirksamkeit gemäß § 134 BGB i.V.m. § 26 BörsG
  • c. Unwirksamkeit gemäß § 134 BGB i.V.m. § 59 bzw. § 113 InvG
  • Unwirksamkeit wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB
  • 3. Zwischenergebnis
  • III. Die vertragliche Haftung des Leerverkäufers
  • 1. Die Anwendbarkeit des Leistungsstörungsrechts
  • a. Die Rechtsnatur der Geschäftsbedingungen der Wertpapierbörsen
  • aa) Die Börsengeschäftsbedingungen als Satzung
  • bb) Die Börsengeschäftsbedingungen als AGB oder Handelsbrauch
  • b. Rechtsfolgen
  • 2. Zwischenergebnis
  • IV. Die deliktische Haftung des Leerverkäufers
  • 1. Deliktische Ansprüche geschädigter Anleger
  • a. Anspruch aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG
  • aa) Schutzgesetzqualität des § 20a WpHG
  • bb) Kausaler Schaden
  • cc) Rechtswidrigkeit und Verschulden
  • dd) Zwischenergebnis
  • b. Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 26 Abs. 1 BörsG
  • c. Anspruch aus § 826
  • 2. Ansprüche geschädigter Emittenten
  • a. Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB
  • b. Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG
  • c. Anspruch aus § 826 BGB
  • 3. Zwischenergebnis
  • E. Ergebnis
  • 3. Kapitel Das Verhältnis einer Leerverkaufsregulierung zu den Regelungszielen des Kapitalmarktrechts
  • A. Die Allokation als zentrale Funktion des Kapitalmarktes
  • B. Die Effizienzkriterien des Kapitalmarktes
  • I. Die fundamentale Effizienz
  • II. Die informationelle Effizienz
  • III. Die Liquidität
  • C. Die primären Regelungsziele des Kapitalmarktrechts
  • I. Der Funktionenschutz
  • II. Der Anlegerschutz
  • D. Die Einordnung von Leerverkäufen
  • I. Der ökonomische Nutzen von Leerverkäufen
  • 1. Informationsökonomischer Nutzen
  • 2. Erhöhung der Marktliquidität
  • II. Die Risiken des Leeverkaufes
  • 1. Preisbeeinflussungspotential
  • 2. Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems
  • 3. Gefahren für die Erfüllungsdisziplin
  • III. Die Relation von Gefahren und Nutzen des Leerverkaufes
  • 4. Kapitel Die Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps
  • A. Anwendungsbereich
  • I. Örtlicher Anwendungsbereich
  • II. Sachlicher Anwendungsbereich
  • 1. Aktien im Sinne des Art. 12 VO 236/2012
  • 2. Schuldtitel im Sinne des Art. 13 der VO 236/2012
  • III. Persönlicher Anwendungsbereich
  • B. Die Beschränkung ungedeckter Leerverkäufe nach Kapitel III. der Verordnung (EU) Nr. 236/2012
  • I. Der Leerverkauf
  • 1. Kein Eigentum des Verkäufers
  • 2. Wertpapierdarlehen
  • 3. Ausnahmen der Leerverkaufsdefinition
  • 4. Konzernprivileg
  • 5. Zwischenergebnis
  • II. Die Beschränkung ungedeckter Leerverkäufe in Aktien nach Art. 12 VO
  • 1. Leihe oder rechtlich gleichwertige Vorkehrungen
  • 2. Leihvereinbarung oder unbedingt durchsetzbarer Anspruch auf Eigentumsübertragung
  • 3. Lokalisierungszusage durch einen Dritten
  • a. Lokalisierungszusage
  • aa) Standardlokalisierungszusagen und -maßnahmen
  • bb) Standardlokalisierungszusagen und -maßnahmen am Tag des Leerverkaufes
  • cc) Zusagen und Maßnahmen in Bezug auf liquide Aktien
  • dd) Speicherung der Lokalisierungszusage
  • ee) Zwischenergebnis
  • b. Dritter im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 236/2012
  • c. Der Ausnahmetatbestand des Art. 16 VO 236/2012
  • 4. Subjektive Anforderungen
  • 5. Zwischenergebnis
  • III. Beschränkung ungedeckter Leerverkäufe von öffentlichen Schuldtiteln nach Art. 13 VO
  • 1. Die Lokalisierungszusage im Sinne des § 13 Abs. 1 lit. c VO
  • 2. Die Ausnahmetatbestände des Art. 13 VO 236/2012
  • 3. Zwischenergebnis
  • IV. Die Ausnahmetatbestände des Art. 17 VO 236/2012
  • V. Subjektive Voraussetzungen
  • VI. Die Rechtsfolgen
  • 1. Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen
  • 2. Zivilrechtliche Rechtsfolgen
  • a. Verbotsgesetzeigenschaft im Sinne des § 134 BGB
  • b. Schutzgesetzqualität im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB
  • aa) Die gemeinschaftsrechtkonforme Auslegung des § 823 Abs. 2 BGB
  • bb) Der individualschützende Charakter der Art. 12 und 13 der Verordnung 236/2012
  • 3. Aufsichtsrechtliche Maßnahmen
  • a. Maßnahmen der BaFin
  • b. Maßnahmen der ESMA
  • c. Zwischenergebnis
  • VII. Konkurrenzverhältnis zu kapitalmarktrechtlichen Bestimmungen
  • VIII. Vergleich zu § 30h WpHG a.F.
  • C. Die Transparenz von Netto-Leerverkaufspositionen nach Kapitel II der Verordnung (EU) Nr. 236/2012
  • I. Das Melde- bzw. Offenlegungsregime
  • 1. Die Meldung signifikanter Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien nach Art. 5 VO
  • 2. Die Offenlegung signifikanter Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien nach Art. 6 VO
  • 3. Die Meldung signifikanter Netto-Leerverkaufspositionen in öffentlichen Schuldtiteln nach Art. 7 VO
  • Subjektives Element
  • II. Die Netto- Leerverkaufsposition
  • 1. Saldierungsfähige Long- und Short-Positionen
  • a. Long-Positionen
  • b. Short-Positionen
  • 2. Berechnungsmethode
  • a. Netto-Leerverkaufsposition im ausgegebenen Aktienkapital
  • b. Netto-Leerverkaufsposition in öffentlichen Schuldtiteln
  • c. Durch Fonds oder Gruppen gehaltenen Netto-Leerverkaufspositionen
  • aa) Netto-Leerverkaufspositionen für mehrere Fonds oder verwaltete Portfolios
  • bb) Netto-Leerverkaufspositionen innerhalb einer Gruppe
  • cc) Zwischenergebnis
  • III. Die Meldung bzw. Offenlegung
  • 1. Meldepflichtige Person
  • a. Managementeinheit
  • b. Konzern (Gruppe)
  • 2. Richtiger Adressat der Meldung bzw. Offenlegung
  • a. Jeweils zuständige Behörde
  • b. Öffentlichkeit
  • 3. Maßgeblicher Zeitpunkt
  • 4. Melde- und Offenlegungsverfahren
  • 5. Zwischenergebnis
  • IV. Ausnahmetatbestände
  • V Die Rechtsfolgen
  • 1. Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen
  • 2. Zivilrechtliche Rechtsfolgen
  • a. Verbotsgesetzqualität im Sinne des § 134 BGB
  • b. Schutzgesetzqualität im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB
  • aa) Das Melderegime der Art. 5 und Art. 7 VO
  • bb) Die Offenlegungspflicht nach Art. 6 VO
  • 3. Aufsichtsrechtliche Implikationen
  • VI Vergleich zu § 30i WpHG a.F.
  • 5. Kapitel Die Angemessenheit der EU-Leerverkaufsregulierung aus europarechtlicher, rechtsökonomischer und rechtspolitischer Perspektive
  • A. Die Vereinbarkeit der EU-Leerverkaufsverordnung mit dem Europarecht
  • I. Vereinbarkeit der Leerverkaufsverordnung mit den Europäischen Verträgen (EUV/AEUV)
  • 1. Rechtsgrundlage
  • 2. Subsidiaritätsgrundsatz
  • 3. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
  • 4. Verstoß gegen die Grundfreiheiten
  • 5. Verstoß gegen die Kompetenzverteilung des AEUV
  • II. Zwischenergebnis
  • B. Vereinbarkeit der Leerverkaufsverordnung mit den Grundrechten der Europäischen Grundrechtecharta
  • I. Das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten
  • II. Die Berufsfreiheit des Art. 15 Abs. 1 der Europäischen Grundrechtecharta
  • III. Die unternehmerische Freiheit des Art. 16 der Europäischen Grundrechtecharta
  • IV. Das Eigentumsrecht des Art. 17 der Europäischen Grundrechtecharta
  • V. Das Bestimmtheitsgebot aus Art. 49 Abs. 1 S. 1 der Europäischen Grundrechtecharta
  • VI. Ergebnis
  • C. Die Angemessenheit der EU-Leerverkaufsregulierung aus rechtsökonomischer Perspektive
  • I. Die Vereinbarkeit des EU-Leerverkaufsverbotsregimes mit den Regelungszielen des Kapitalmarktrechts
  • II. Vereinbarkeit des EU-Leerverkaufstransparenzregimes mit den Regelungszielen des Kapitalmarkrechts
  • 1. Die Meldung signifikanter Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien
  • 2. Die Offenlegung signifikanter Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien
  • 3. Die Meldung signifikanter Netto-Leerverkaufspositionen in öffentlichen Schuldtiteln
  • 4. Zwischenergebnis
  • D. Die rechtspolitische Bewertung der Neuregelung
  • Zusammenfassende Thesen
  • Literaturverzeichnis

← 16 | 17 → Einleitung

Die internationale Finanzmarktkrise der Jahre 2007 ff. verursachte schwere Verwerfungen auf den Finanzmärkten. Dies führte zu einer Liquiditätskrise im Bankensektor, welche eine Rezession der Realwirtschaft auslöste, und schlussendlich in eine Staatsschuldenkrise zahlreicher Mitgliedsstaaten der Europäischen Union mündete.

Hierdurch gerieten insbesondere Leerverkäufe und Credit Default Swaps in die Kritik, mit deren Hilfe gezielt gegen die Kreditwürdigkeit einzelner Unternehmen und Staaten spekuliert werden kann.1

Aufgrund der von Leerverkäufen (potentiell) ausgehenden Gefahren für die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems verbot die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) in einer am 19. September 2008 erlassenen und zum 21. September 2008 ergänzten Allgemeinverfügung insbesondere den Leerverkauf von Aktien 11 börsennotierter Unternehmen mit besonderer Bedeutung für den Finanzsektor. Am 27. Juli 2012 trat sodann die in Folge der Umsetzung des Gesetzes zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte in §§ 30 h f. WpHG eingefügte Leerverkaufsregulierung in Kraft. Diese wurde allerdings zum 1. November 2012 durch die Verordnung (EU) Nr. 236/2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps (EU-Leerverkaufsverordnung) abgelöst und dementsprechend im Zuge des EU-Leerverkaufsausführungsgesetzes aufgehoben.

Zielsetzung der nachstehenden Arbeit ist eine rechtliche, rechtsökonomische und rechtspolitische Bewertung der kapitalmarktrechtlichen Lehren aus der Finanzkrise am Beispiel der Regulierung von Leerverkäufen, welche anhand einer umfassenden Analyse der Recht- und Zweckmäßigkeit des neuen EU-Leerverkaufsverbots- und Transparenzregimes vorgenommen werden soll.

← 17 | 18 → Zu diesem Zwecke erfolgt im 1. Kapitel der Arbeit eine umfassende Darstellung der Genese der Finanzkrise, anhand derer die Bedeutung von Leerverkäufen für die Entstehung und Verbreitung der Finanzmarktkrise aufgezeigt werden soll. In diesem Zusammenhang werden die von Leerverkäufen ausgehenden Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems verdeutlicht, die grundsätzliche Funktionsweise von Leerverkäufen und deren verschiedenartige Einsatzmöglichkeiten erörtert und eine Abgrenzung gedeckter und ungedeckter Leerverkäufe vorgenommen.

Sodann wird im 2. Kapitel der Arbeit überprüft, inwieweit den von Leerverkäufen ausgehenden Gefahren bereits auf Grundlage des vor der gezielten Leerverkaufsregulierung geltenden Rechtsstandes begegnet werden konnte. Hierbei steht aus kapitalmarktrechtlicher Perspektive neben dem Insiderhandelsverbot des § 14 Abs. 1 WpHG, den investmentrechtlichen Leerverkaufsverboten der § 59 und § 113 InvG und dem Verbot der Verleitung zu Börsenspekulationsgeschäften des § 26 Abs. 1 BörsG insbesondere das Marktmanipulationsverbot des § 20a WpHG im Mittelpunkt der Untersuchung.

Weiterhin sind auch die strafrechtliche Relevanz von Leerverkäufen sowie die Möglichkeiten eines aufsichtsrechtlichen Vorgehens gegen Leerverkäufe Gegenstand der Untersuchung. Weiter wird eine umfängliche Einordnung der Vornahme von Leerverkäufen in das zivilrechtliche Haftungssystem unternommen.

Anschließend wird im Rahmen einer rechtsökonomischen Analyse das Verhältnis einer gezielten Leerverkaufsregulierung zu den Regelungszielen und Effizienzkriterien des Kapitalmarktrechtes diskutiert und ein angemessener Regulierungsumfang für eine Beschränkung von Leerverkäufen erarbeitet. Hierzu werden die positiven Effekte der Vornahme von Leerverkäufen deren Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems gegenübergestellt und anhand einer Abwägung ein angemessener Regelungsauftrag an den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber bestimmt.

Neben einer umfänglichen Erörterung des hoch detaillierten und äußerst komplexen Regelwerkes der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 erfolgt im 4. Kapitel der Arbeit eine Bestimmung des Konkurrenzverhältnisses der Verordnung zu den im Rahmen des 2. Kapitels dargelegten kapitalmarktrechtlichen Bestimmungen sowie ein Vergleich der europarechtlichen Leerverkaufsregulierung zu den wertpapierhandelsrechtlichen Leerverkaufsbeschränkungen der Vorgängerregelung der §§ 30h f. WpHG. Hierbei ist die Intention insbesondere darauf gerichtet, die zahlreichen Schwächen der EU-Leerverkaufsregulierung aufzuzeigen.

Abschließend findet sich im 5. Kapitel der Arbeit eine umfassende europarechtliche, rechtsökonomische und rechtspolitische Bewertung der EU-Leerverkaufsverordnung. Hierbei gilt es zunächst, die europarechtlichen bzw. ← 18 | 19 → unionsverfassungsrechtlichen Grenzen einer Leerverkaufsregulierung am Maßstab des Vertrages über die Europäische Union (EUV), des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) bzw. der Europäischen Grundrechtecharta (GRC) zu beleuchten. Im Folgenden soll die Angemessenheit der Verordnung (EU) 236/2012 sodann aus rechtsökonomischer Perspektive beurteilt werden, wobei die Vereinbarkeit des EU-Leerverkaufsverbots- und Transparenzregimes mit den Regelungszielen des Kapitalmarktrechts zu untersuchen ist. Abschließend erfolgt eine rechtspolitische Bewertung der EU-Leerverkaufsregulierung, in welcher alle im Rahmen der vorliegenden Arbeit bzgl. des Für und Wider der Angemessenheit der Verordnung erarbeiteten Argumente Berücksichtigung finden. Die im Zuge der Arbeit gewonnenen Ergebnisse finden sich am Ende der Bearbeitung in einigen Thesen zusammengefasst. ← 19 | 20 →

__________

1 So kann der von Leerverkäufen ausgehenden „zerstörerischen Spekulation“ nach Ansicht der Bundesregierung nur mit einem weitgehenden Verbot (in ganz Europa) begegnet werden, und aus Sicht des SPD Vorsitzenden Sigmar Gabriel ist es nicht zu verstehen, warum derartige hoch spekulative Geschäfte überhaupt erlaubt sind; vgl. Vier europäische Staaten verbieten Leerverkäufe, in: FAZ vom 13. August 2011, Nr. 187, S. 11.

← 20 | 21 → 1. Kapitel Die Entstehungsgeschichte der Regulierung von Leerverkäufen

Zu Beginn der vorliegenden Dissertation soll ein Überblick über die Entstehungsgeschichte der Regulierung von Leerverkäufen gegeben werden, deren Ursprung in engem Zusammenhang mit der im Jahre 2007 aufkommenden Finanzkrise zu sehen ist.2

Ursächlich für die in Folge der Umsetzung des „Gesetzes zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivatgeschäfte“ in §§ 30h f. WpHG eingefügte und im Zuge des Leerverkaufsausführungsgesetzes3 durch die Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 14. März 2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps (EU-Leerverkaufsverordnung) abgelöste Leerverkaufsregulierung war letztendlich die von Leerverkäufen (potentiell) ausgehende Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems.4 Leerverkäufe werden teilweise als mitverantwortlich für die Entstehung der weltweiten Finanzkrise der Jahre 2007 ff. gehalten,5 welche ihren Höhepunkt im September 2008 in der Insolvenz der US-Amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers Inc. fand.

Im Folgenden soll daher zunächst eine kurze Darstellung über die Genesis der Finanzkrise erfolgen, anhand derer die Bedeutung der Vornahme von Leerverkäufen für die Entstehung und Verbreitung der Finanzkrise aufgezeigt werden soll.

← 21 | 22 → A. Die Entstehung der Finanzkrise

Der Ursprung der sich weltweit ausweitenden Finanzkrise der Jahre 2007 ff. lag nach heutigen Erkenntnissen im Zusammenbruch des US-Amerikanischen Immobilienmarktes.6

Durch das nach Ende der „Dotcom-Blase“ vorherrschende niedrige Zinsniveau erreichte auch das Hypothekenzinsniveau von variabel verzinslichen Krediten einen Tiefststand und es stieg die Bereitschaft der Banken zur Kreditvergabe an Schuldner minderer Bonität (sogenannte Subprime-Hypotheken).7 Hierdurch stieg das Volumen der Subprime-Hypotheken von 35 Mrd. $ (5% der Hauskredite) im Jahre 1994 auf 600 Mrd. $ im Jahre 2006 und machte damit 20% der in den USA vergebenen Hauskredite aus.8 Infolgedessen bekamen sogar Menschen einen Kredit, welche weder ein festes Einkommen, noch einen Job oder eigene Vermögenswerte vorzuweisen hatten (sogenannte NINJA-loans: No Income, No Job and No Assets). Auch Subprime-Schuldner wurden beispielsweise ARM (Adjustible Rate Mortgages), bei welchen nur ein variabler Zinssatz zu zahlen war, Teaser Loans, bei welchen der Schuldendienst anfänglich unter dem Marktniveau liegt, jedoch während der Laufzeit des Kredits stark ansteigt oder sogenannte Payment Options, bei denen der Abtrag im Belieben des jeweiligen Schuldners liegt und immer weiter in die Zukunft verschoben werden kann, angeboten.9 Politisch war eine Kreditvergabepraxis in diesem Sinne nicht nur gewünscht, sondern sie wurde durch die Vergabe staatlich vergünstigter Refinanzierungen der Kreditvergabe an sozial benachteiligte Bevölkerungsschichten an die Hypothekenbanken Freddie Mac und Fannie Mae gezielt gefördert.10

Einen maßgeblichen Beitrag zur schrittweisen Verwässerung der Kreditvergabepraxis leisteten darüber hinaus auch die günstigen Refinanzierungsmöglichkeiten auf dem Verbriefungsmarkt.11

← 22 | 23 → Zum Zweck ihrer Refinanzierung übertrugen die US-amerikanischen Banken ihre Kreditforderungen unter Einschaltung von Investmentbanken an sogenannte Special Purpose Vehicles (SPV`s),12 welche als Zweckgesellschaften ausschließlich zur Bündelung und Verbriefung der Forderungen gegründet wurden.13 Hierzu wurden Kredite gleicher Gattung mit möglichst gleicher Laufzeit zusammengefasst, um aus diesen ein am Kapitalmarkt handelbares Finanzinstrument zu formen.14 Sodann wurden zwecks Durchführung der Verbriefung eigens sogenannte Zweckgesellschaften gegründet, an welche die Hypothekenkredite der Banken veräußert wurden.15 Damit diese Zweckgesellschaften das Entgelt für die erworbenen Kreditforderungen entrichten konnten, verbrieften sie die übertragenen Kreditportfolios zu sogenanten Asset Backed Securities (ABS) bzw. Mortgage Backed Securities (MBS), welche entweder als solche emittiert wurden oder in Fonds zu Collateralized Debt Obligations (CDO`s) gebündelt und nach erneuter Verbriefung veräußert wurden.16

Hierdurch konnten die Banken jedoch bereits bei Kreditvergabe damit rechnen, einen Kredit nicht lange in ihren Büchern zu haben und das Ausfallrisiko ihrer Schuldner lediglich bis zur Forderungsabtretung an die jeweiligen Zweckgesellschaften zu tragen; Kreditvergabe sowie Kredtirisikoübernahme fielen damit auseinander.17 Außerdem wurde die dargelegte Kreditvergabe- und Verbriefungspraxis dadurch begünstigt, dass CDO,s nicht als Kredite, sondern als Wertpapiere eingestuft wurden und demzufolge nicht mit „teurem“ Eigenkapital ← 23 | 24 → zu unterlegen waren.18 Daher erschien die dargelegte Praxis aus der Perspektive zahlreicher Bankmanager als einfachster Weg, den Shareholder Value bzw. Aktienkurs des eigenen Instituts zu steigern und durch die Erreichung kurzfristiger hoher Renditen exorbitante Bonuszahlungen zu erhalten.19

Eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der Subprime-Krise spielte dabei die Möglichkeit der Banken, im Rahmen der (zweifachen) Verbriefung ihrer Kreditforderungen in Form von CDO,s verschiedene „Tranchen“ bzw. Anlageklassen zu „destillieren“, welche bezüglich ihrer Rendite durch Zinsen und Tilgung der zugrundeliegenden Hypotheken einer festgelegten Rangordnung unterlagen.20 Somit wurden zunächst die Anleger der besten „Klassen“ („senior“ oder „supersenior“) ausbezahlt, bevor auch die Anleger in den niedrigeren Anlageklassen („mezzanine“ oder „equity“) Zahlungen erhielten.21

Durch eine (vermeintliche) Konzentration der Risiken in den Mezzanine und Equity-Tranchen konnten sich jedoch die verbleibenden Tranchen der CDO,s hohe Ratings sichern und hierdurch Investoren anlocken, welche bislang in diesem Segment kein Geld angelegt hätten.22 So wurden CDO,s neben Pensionsfonds insbesondere an andere Banken verkauft, welche, wie beispielsweise europäische Banken, keinen besonders guten Zugang zum amerikanischen Hypothekenmarkt hatten, aber dennoch am provisionsträchtigen Verbriefungsgeschäft teilnehmen wollten.23 Somit spielten Kreditderivate im Rahmen der Entstehung der Finanzkrise eine entscheidende Rolle, insbesondere da der Subprime-Hypothekenmarkt für viele Anleger schlicht zu unattraktiv gewesen wäre, als dass er sich zum Epizentrum der Krise hätte entwickeln können.24

Auf Grund der stetig steigenden Nachfrage nach Immobilien schien durch diese Kreditvergabe- und Verbriefungspraxis aber lediglich ein geringes wirtschaftliches Risiko begründet.25 So gingen viele Investoren auf Grund stetig ← 24 | 25 → ansteigender Immobilienpreise davon aus, gegen das Insolvenzrisiko der Hypothekenschuldner (weitgehend) abgesichert zu sein und die Schuldner nahmen an, ihre Immobilien jederzeit mit Gewinn weiterveräußern zu können.26

Allerdings führten die wirtschaftliche Abschwächung ab dem Jahre 2005 sowie der Anstieg des US-Leitzinses von 1 % im Jahre 2004 auf bis zu 5,25% im August 2007 zu zahlreichen Zahlungsausfällen bei den Hypothekenschuldnern.27 Die stetig ansteigende Anzahl von Zahlungsausfällen bei den Subprime-Krediten verursachte ein Überangebot von Häusern auf dem US-Immobilienmarkt, wodurch die Häuserpreise sanken und als Sicherheiten für die ausstehenden Kreditbeträge nicht mehr ausreichten.28

Die Problematik wurde auf dem Finanzmarkt erstmals im Februar 2007 deutlich, als die Großbank HSBC erste Abschreibungen auf CDO,s in einer Höhe von 10,5 Mrd. US $ vornehmen musste.29 Durch eine schlagartige Herabstufung hypothekengesicherter Papiere durch die Ratingagenturen kam es neben Verlusten auf Investorenseite zum Eintritt des Garantiefalles zahlreicher Ausfallversicherungen, welche Banken für ihre SPV`s abgegeben hatten.30 Hierdurch wurden erhebliche Rückstellungen der Banken für den Eintritt der Ausfallgarantien erforderlich und der CDO-Markt brach vollkommen zusammen, so dass zahlreiche Zweckgesellschaften die Liquiditätslinien ihrer Banken ziehen mussten.31

Zunehmendes Misstrauen zwischen den Banken sowie ständig neue Abschreibungen auf CDO,s verursachten zunehmend eine Liquiditäts- und Eigenkapitalkrise der Banken.32 Diese liehen sich kein Geld mehr, da niemand überblicken konnte, wie viel Subprime der Andere hatte und noch abschreiben ← 25 | 26 → musste, so dass die Zentralbanken gezwungen waren, hohe Refinanzierungsvolumina zur Verfügung zu stellen und die Zinsen zu senken.33

An dieser Stelle rächte sich erneut die Qualifizierung der CDO,s als Wertpapiere, da diese nach den amerikanischen Bilanzierungsrichtlinien US-GAAP und den stark an diesen ausgerichteten internationalen Bilanzierungsregeln IFRS zu den jeweiligen Marktpreisen bewertet werden mussten und im Gegensatz zu europäischen Bilanzvorschriften nicht die Anschaffungskosten der CDO,s angesetzt werden konnten, wenn eine Wertminderung vorübergehender Natur ist.34 So wurde der größte Teil der Immobilienkredite weiterhin bedient; der Markt für CDO`s war allerdings derart weggebrochen, dass Banken auf Grund irrationaler Marktpreise bis zu 70% des Wertes der gehaltenen CDO,s abschreiben mussten.35

Zudem waren zahlreiche Banken auf Grund stetig sinkender Preise auf dem US-Immobilien- und CDO-Markt bei immer bedrohlicherer Liquiditätsknappheit gezwungen, auch andere Wertpapiere zu veräußern, was auch deren Preise sinken ließ.36

Ihren Höhepunkt erreichte die Finanzkrise schließlich durch die Insolvenz der US-amerikanischen Investmentbank Lehmann Brothers Inc. am 15. 09. 2008. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Zusammenbruch der viertgrößten Investmentbank der USA, welche als „too big to fail“ galt und daher nach Einschätzung der Marktteilnehmer den Schutz des US-Regierung genoss, ein unvorstellbares Ereignis gewesen; ihre Insolvenz trug nun zu einer vollkommenen Verunsicherung der Finanzwelt bei.37 Aus der Liquiditätskrise der Banken wurde hierdurch eine Vertrauenskrise im Interbankenmarkt, welche das Kreditgeschäft zwischen den Banken nahezu vollständig zum Erliegen brachte.38 Überdies brach auch der Kapitalmarkt weitestgehend zusammen, so dass auch Unternehmensanleihen ← 26 | 27 → und Aktien nur mit immensen Abschlägen zu veräußern waren, so dass eine fristenkongruente Refinanzierung der Banken unmöglich wurde.39 Letztendlich mündete die erhebliche Verunsicherung der Märkte in eine allgemeine Überzeugung von einer bevorstehenden Weltrezession, so dass der private Konsum einbrach, die Industrie ihre Produktion drosselte und die Banken die Kreditvergabe reduzierten.40 So machte die Finanzkrise auch vor der Realwirtschaft nicht Halt und eine weltweite Wirtschaftkrise drohte.41

Für den Zusammenbruch von Lehmann Brothers Inc. wird (teilweise) wiederum der Leerverkauf von Aktien der Investmentbank für (mit-) verantwortlich gehalten.42 So machte insbesondere der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Lehman Brothers ungedeckte Leerverkäufe für die Insolvenz des Bankhauses verantwortlich, welche in unmittelbarem Zusammenhang mit der hartnäckigen Verbreitung unsubstantiierter Gerüchte über die Investmentbank standen.43 Jedenfalls wird dem Leerverkauf von Aktien der Finanzmarktbranche aber eine die Finanzkrise verstärkende Wirkung beigemessen.44

Daher soll im Folgenden eine Einschätzung der Auswirkungen von Leerverkäufen für die Stabilität des Finanzsystems sowie deren potentieller Verursachungsbeitrag zur Entstehung der Finanzkrise untersucht werden. Zunächst gilt es allerdings, den Begriff des Leerverkaufes von Finanzinstrumenten zu bestimmen.45

← 27 | 28 → B. Der „Leerverkauf“: Begriffsbestimmung

Bei Vornahme eines Leerverkaufes veräußert ein (Leer-)Verkäufer Wertpapiere, über welche er bei gesamtwirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht verfügt, um sich erst kurz vor Fälligkeit der ihm obliegenden Leistungsverpflichtung mit den entsprechenden Wertpapieren am Markt einzudecken.46

In der Literatur wird der Begriff des „Leerverkaufes“ allerdings nicht einheitlich definiert. Vielerorts wird hierunter ein Verkauf verstanden, bei welchem der Verkäufer zum Zeitpunkt der Veräußerung nicht Eigentümer47 bzw. Besitzer48 der veräußerten Wertpapiere ist. Gerade im Fall des gedeckten Leerverkaufes, in welchem der Verkäufer eine „Wertpapierleihe“ in Form eines Sachdarlehens gemäß § 607 BGB eingeht (um seine Lieferverpflichtung aus dem Kaufvertrag erfüllen zu können), ist er aber regelmäßig bereits Eigentümer und Besitzer des Wertpapiers.49

Details

Seiten
265
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653051766
ISBN (ePUB)
9783653968781
ISBN (MOBI)
9783653968774
ISBN (Hardcover)
9783631662052
DOI
10.3726/978-3-653-05176-6
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Januar)
Schlagworte
EU-Leerverkaufsverordnung Marktmanipulation Leerverkaufsverbote Leerverkauf
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 265 S.

Biographische Angaben

Paul Tritschler (Autor:in)

Paul Tritschler studierte Rechtswissenschaften an der Universität Frankfurt am Main und der Universität Marburg.

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Titel: Die Regulierung von Leerverkäufen als Folge der Finanzkrise
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