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Globale Wissensdiffusion in der Politik sozialer Sicherung

Die Einführung einer gesetzlichen Unfallversicherung in der Volksrepublik China

von Tao Liu (Autor:in)
©2015 Dissertation 310 Seiten

Zusammenfassung

Die Studie analysiert erstmals die Einführung einer gesetzlichen Unfallversicherung in China in den 2000er Jahren, basierend auf umfangreichen Feldforschungen. Mit der Unfallversicherung hat sich China für die Idee individueller sozialer Rechte geöffnet, die weder in der konfuzianischen noch der sino-kommunistischen Tradition verankert ist. Der Autor zeigt, dass dieser Durchbruch wesentlich auf Prozesse globaler Wissensdiffusion zurückzuführen ist, zu der internationale Organisationen und vor allem die Träger der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung beigetragen haben. Ergänzend wird die weltweite Verbreitung unterschiedlicher Modelle der Unfallversicherung dargestellt. Theoretisch wird die Diffusion in den Zusammenhang einer emergierenden «Weltkultur» gestellt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
  • Abkürzungen
  • Danksagung
  • Vorwort
  • Kapitel 1 Einleitung
  • Kapitel 2 Theoretische Grundlage und Bezugsrahmen
  • 2.1 Die These der globalen Sozialpolitik
  • 2.1.1 Die „Globalisierung der Sozialpolitik“ und die „Sozialpolitisierung der globalen Politik“: Akteure und Agendasetting
  • 2.1.2 Verschiedene Forschungsbereiche der globalen Sozialpolitik
  • 2.2 Theorie der Wissensdiffusion
  • 2.2.1 Verschiedene Ansätze zur Erklärung der Diffusion von Innovationen
  • 2.2.2 Diffusion der Sozialpolitik
  • 2.2.3 Die „world-polity“ Theorie zur Erklärung der Wissensdiffusion
  • 2.2.3.1 Neoninstitutionalistische Organisationstheorie
  • 2.3 Theorien des Wohlfahrtsstaates
  • 2.3.1 Die Begrifflichkeit, die Funktion und die Abgrenzung
  • 2.3.2 Die Theorie des Wohlfahrtsstaates nach Weber und Parsons: Eine Verknüpfung klassischer und gegenwärtiger Soziologie zum Wohlfahrtstaat
  • 2.3.3 Die Interventionsformen des Wohlfahrtsstaates
  • 2.3.4 Erklärungsansätze für die wohlfahrtsstaatliche Expansion
  • 2.4 Die Verknüpfung verschiedener Theorierichtungen zur Erklärung der Arbeitsunfallversicherung in China
  • Kapitel 3 Forschungsmethoden
  • Kapitel 4 Arbeitsunfallversicherung: Teil der emergenten Weltkultur?
  • 4.1 Die global politics der Unfallversicherung: Verflechtung internationaler und nationaler Akteure
  • 4.2 Die Arbeitsunfälle als ein globales soziales Problem: eine historische Perspektive
  • 4.3 Der Bezug der Arbeitsunfallversicherung zur Weltkultur
  • 4.4 Globaler Vergleichshorizont
  • 4.5 Idealtypen der Arbeitsunfallversicherung
  • 4.6 Resümee: globaler Konsens zur Arbeitsunfallversicherung
  • Kapitel 5 Arbeitsunfallversicherung in Industriegesellschaften
  • 5.1 Eine Chronologie der Entwicklung der Arbeitsunfallversicherung in Deutschland
  • 5.1.1 Haftpflicht der Unternehmer und Reichshaftpflichtgesetz
  • 5.1.2 Das erste gewerbliche Unfallversicherungsgesetz im Deutschen Reich
  • 5.1.3 Die Entwicklung der Arbeitsunfallversicherung vom Deutschen Reich bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges
  • 5.1.4 Die Entwicklung der Arbeitsunfallversicherung in der Bundesrepublik Deutschland
  • 5.1.5 Das deutsche Modell der gesetzlichen Unfallversicherung im Rückblick: Kontinuität und Wandel
  • 5.2 Unfallversicherungssysteme in den westlichen Industrienationen im Vergleich
  • 5.2.1 Sozialversicherungsmodelle in anderen Industrienationen
  • 5.2.2 Gemischtes Modell zwischen privater und bundesstaatlich-öffentlicher Versicherung in den Vereinigten Staaten
  • 5.2.3 Niederlande: Verzicht auf Aufbau einer eigenständigen industriellen Unfallversicherung
  • 5.3 Fazit
  • Kapitel 6 Die Arbeitsunfallversicherung im kommunistischen China
  • 6.1 Kommunistische Wohlfahrtsideologie
  • 6.2 Die Arbeitsunfallversicherung im kommunistischen China (1949–1978)
  • 6.3 Fazit
  • Kapitel 7 Die Entwicklung der Arbeitsunfallversicherung in der postkommunistischen Transformations-phase in China (seit 1978)
  • 7.1 Entwicklungsphasen
  • 7.2 Konstellation nationaler Akteure in China
  • Kapitel 8 Die Einführung der modernen Arbeitsunfallversicherung in der VR China
  • 8.1 Die Ratifizierung des Sozialpaktes der UN und die Folgen für die Arbeitsunfallversicherung
  • 8.2 Normendiffusion
  • 8.3 Diffusion von rationalized social models
  • 8.4 Lernen vom deutschen Modell – ein nationales Modell als operationales „globales“ Modell
  • 8.4.1 Ein Überblick über die Kooperation zwischen China und Deutschland in Bezug auf die Unfallversicherung
  • 8.4.2 Diffusionsanalyse: Transfer des deutschen Modells auf China
  • 8.5 Die Diffusion des sozial-technischen Wissens zur Arbeitsunfallversicherung
  • 8.6 Vergleich der chinesischen, deutschen und ILO-Rechtsnormen zur beruflichen Unfallversicherung
  • 8.7 Entkopplung und Verkopplung
  • 8.7.1 Graduelle Verkopplung
  • 8.7.2 Talk and Action: Bedeutung kognitiver Wahrnehmung von Wissensadressaten
  • 8.7.3 Diverse Formen der Entkopplung in der subnationalen Umsetzung
  • 8.7.4 Ursachen der Entkopplung
  • 8.7.5 Rechtliche Fortschritte trotz Entkopplung
  • 8.8 Zwischenfazit
  • Kapitel 9 Resümee und Fazit
  • 9.1 Erklärungsmodell für die Entwicklung der Arbeitsunfallversicherung in China
  • 9.2 Analyseergebnisse zur Theorie des Wohlfahrtsstaates
  • 9.3 Eine Erweiterung des global social policy Ansatzes
  • 9.4 Fortentwicklung der Wissensdiffusionstheorie
  • 9.4.1 Emergenz eines globalen Strukturmusters und eines Weltvergleichshorizontes
  • 9.4.2 Die Formen der Wissensdiffusion
  • 9.4.3 Das deutsche Modell und seine weltgesellschaftliche Bedeutung
  • 9.4.4 Entkopplung und Verkopplung
  • 9.5 Verknüpfung verschiedener theoretischer Ausrichtungen
  • Literaturverzeichnis
  • Anhang: Interviewpartner

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Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

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Abkürzungen

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Danksagung

Zu verdanken habe ich das Forschungsprojekt in ganz besonderem Maße Herrn Prof. Lutz Leisering. Als mein Doktorvater hat er meine Dissertation über vier Jahre intensiv und kontinuierlich betreut. Von unseren inhaltlichen Diskussionen konnte ich ungemein profitieren. Darüber hinaus leiteten mir seine am Anfang der Promotion ausgesprochenen Ratschläge immer den rechten Weg. So erinnere ich mich genau an ein gemeinsames Gespräch in seinem Büro auf U3, in dem er mir versicherte, dass jeder Doktorand leichte Phasen und Tiefpunkt erleben wird und eine Promotion stets großes Durchhaltevermögen voraussetzt. Diese Worte motivierten mich ständig, auch wenn ich mich in einer schwierigen Phase befand.

Meinem sehr geschätzten und mittlerweile verstorbenen Zweitgutachter – Herrn Professor Gunnar Stollberg – danke ich besonders für die engagierten Diskussionen und die wertvollen Verbesserungsvorschläge, die meiner Dissertation sehr zugute kamen.

Meine Dissertation entstand im Rahmen eines Stipendiums im Graduiertenkolleg „Weltgesellschaft – Die Herstellung und Repräsentation von Globalität“ an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Für die finanzielle Unterstützung, die mir ermöglichte mich über drei Jahre konzentriert mit meiner Dissertation beschäftigen zu können, bin ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zu Dank verpflichtet. Die ­Kollegiatinnen und Kollegiaten des Graduiertenkollegs sorgten für ein ­angenehmes und motivierendes Arbeitsklima. Dafür bin ich auch sehr dankbar.

Meinem geschätzten, viel zu früh verstorbenen Kollegen Christian Marschallek sei vielmals für die wertvollen Ratschläge zum Inhalt gedankt. Ina Herbst und Stephanie Immich möchte ich ganz ausdrücklich für die in das Korrekturlesen investierte Zeit danken.

Mein Dank gilt auch meinen weiteren deutschen und chinesischen Kollegen und Freunden. Ohne ihre Hilfe bei der Kontaktaufnahme für meine Feldforschung in China und in Europa wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen.

Vom ganzen Herzen bedanke ich mich bei meiner Frau Ying Li. In den letzten Jahren stand sie mir bedingungslos zur Seite. ← 13 | 14 →

Meinen Eltern, die mich während meines Studiums in Deutschland immer vorbehaltlos unterstützten, widme ich diese Arbeit als Zeichen des besonderen Danks!

Bielefeld, im November 2014

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Vorwort

Im Jahre 2014 endete die dritte und letzte Phase eines Kooperationsprojekts zwischen China und Deutschland im Bereich der gesetzlichen Arbeitsunfallversicherung. Seit 2004 hatte die chinesische Regierung eine bilaterale Zusammenarbeit gesucht, um mit deutschem Knowhow eine gesetzliche Versicherung für Arbeitsunfälle in China aufzubauen. Im Ergebnis wurde das deutsche System der gesetzlichen Unfallversicherung in Grundzügen auf China übertragen – ein bemerkenswerter Transfer eines Sicherungssystems, das in der Gründungsphase des deutschen Sozialstaats in den 1880er Jahren entstanden war, in einen ganz anderen sozialen und kulturellen Kontext.

Ich hatte die Chance, den Prozess des Aufbaus eines gesetzlichen Unfallversicherungssystems in China in seiner entscheidenden Phase seit 2007 in Feldforschungen zu begleiten und zu analysieren. Dabei zeigt sich, dass dieser Diffusionsprozess in einem speziellen Politikbereich auf grundlegendere soziokulturelle Beziehungen in einer globalen Welt verweist, die ich in diesem Buch in Anlehnung an John W. Meyer als „Weltkultur“ und „Weltgesellschaft“ konzeptualisiere.

In diesem Buch versuche ich zu zeigen, dass sich ein derartiger länderspezifischer Wissens- und Modelltransfer nur vor einem weltgesellschaftlichen Vergleichshorizont nachvollziehen lässt. Weltgesellschaftliche Akteure wie die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), die Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit (ISSA) und die Europäische Union (EU) haben entscheidende Legitimitätsgrundlagen für das deutsche Modell der gesetzlichen Unfallversicherung bereitgestellt. Zugleich fanden allgemeine weltkulturelle Prinzipien wie der Menschenrechtsdiskurs, der weder im Konfuzianismus noch im Sino-Kommunismus verwurzelt ist, in China Eingang. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich in China ein menschenrechtsfundiertes Drei-Sektoren-Modell der Unfallversicherung, bei dem die Menschenwürde im Vordergrund steht und monetären Kompensationsleistungen gegenüber Prävention und Rehabilitation nachrangig sind. Werte und Rationalitäten der Weltgesellschaft haben somit die Entstehung und die Gestalt der gesetzlichen Unfallversicherung in China wesentlich beeinflusst.

Typisch für weltgesellschaftliche Prozesse sind nach John W. Meyer „Entkopplungen“ der institutionellen Realität von ideellen Grundlagen. ← 15 | 16 → Obwohl sich der Versichertenkreis der gesetzlichen Unfallversicherung von Jahr zu Jahr erweitert, ist beispielsweise nur gut ein Fünftel der Wanderarbeiter abgedeckt.1 Auch ist bekannt, dass viele Unternehmer nur einen Teil ihrer Belegschaften versichern. Trotzdem ist die Einführung der Arbeitsunfallversicherung in China ein bedeutender Einschnitt in der Geschichte der chinesischen Sozialpolitik und zugleich ein Zeichen der Globalisierung von Wissen in der heutigen Weltgesellschaft.

1 S. die nachfolgende Forschungsstudie von Sun and Liu (2014): Injured but not entitled to legal insurance compensation – Ornamental institutions and migrant workers’ informal channels in China. In: Social Policy & Administration, Article published first online: 22 APR 2014.

Details

Seiten
310
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653052718
ISBN (ePUB)
9783653969801
ISBN (MOBI)
9783653969795
ISBN (Paperback)
9783631658994
DOI
10.3726/978-3-653-05271-8
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Januar)
Schlagworte
Arbeitsunfallversicherung Wohlfahrtsstaat Sozialstaat Weltgesellschaftsforschung Sozialpolitik
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 310 S., 3 s/w Abb., 6 Tab., 9 Graf.

Biographische Angaben

Tao Liu (Autor:in)

Tao Liu studierte Soziologie an der Universität Bielefeld. Dort ist er an der Fakultät für Soziologie tätig. Seine Forschungsgebiete sind Arbeitsunfallversicherung, Alterssicherung, soziale Grundsicherung, globale Wissensdiffusion und Sozialpolitik in China.

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