Lade Inhalt...

Rhetorik und Kulturen

von Michel Lefèvre (Band-Herausgeber:in) Katharina Mucha-Tummuseit (Band-Herausgeber:in) Rainer Hünecke (Band-Herausgeber:in)
©2016 Konferenzband 410 Seiten

Zusammenfassung

Aus der Perspektive der Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaft nehmen die Beiträge des Bandes das Zusammenspiel von Rhetorik und Kulturen vom 8.–21. Jahrhundert in den Blick. Rhetorische Konstruktionen tradieren, modifizieren und verweben kulturelle Strömungen als eine spezifische Kompetenz von kulturellem Ausdruck. Die Beiträge sind theoretisch und methodisch vielfältig ausgerichtet. Einige stellen empirische Analysen rhetorischer Gepflogenheiten bereit, die synchron innerhalb eines Systems Bestand haben und dieses konturieren, oder die diachron im Wechsel kultureller Strömungen auftauchen oder verschwinden.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Rhétorique et cultures
  • Rhetoric and culture
  • Vorwort der Herausgeber/in
  • Inhaltsverzeichnis
  • Bernd Blaschke - Generationenrhetorik. Sprechaktstrategien und Konstruktionen von Nebenkulturen in Memoiren aus West und Ost
  • Stéphanie Benoist - Der Einfluss von Printmedien auf den Rundfunk: Schriftliche Musikkritiken von „ernster“ Musik als Norm?
  • Gero Guttzeit - Figur oder Kommunikation? Überlegungen zu Kulturen der Rhetorik zwischen Kontinentaleuropa und der englischsprachigen Welt
  • Elisabeth Malick Dancausa - Ironie als Infragestellung der Leitkultur?
  • Laure Gautherot - „Siezen Sie noch oder duzen Sie schon“? Das rhetorische Duzen als kommunikative Norm des heutigen Deutsch
  • Bénédicte Abraham - Adam Müllers Rhetorik des Hörens in den „Zwölf Reden über die Beredsamkeit und deren Verfall in Deutschland“ (1812)
  • Christian Wilke - Mensch gegen Konsens. Zur Rehabilitierung antikonsensualer Rhetorik bei Immanuel Kant und Friedrich Schlegel
  • Jan Seifert - ‚Bauhaus-Rhetorik‘: Persuasion und Polemik im avantgardistischen Diskurs
  • Christina Stange-Fayos - Rhetorik der Abgrenzung oder Streit der Gegenkulturen: bürgerliche Frauenbewegung versus Sozialdemokratie.
  • Gisela Brandt - Zum Zusammenspiel von binnendeutscher und inseldeutscher Sprachkultur in den Mitauiſchen Nachrichten von Staats= gelehrt= und einheimiſchen Sachen (1766ff.)
  • Katharina Mucha-Tummuseit - Rhetorische Emotionsrepräsentationen in bürgerlichen Trauerspielen des 18. Jahrhunderts.
  • Anna Just & Piotr Kociumbas - Kürkantaten und Rhetorik im Danzig des 18. Jahrhunderts. Fallstudie zur verwaltungsorientierten (musikalischen) Gelegenheitsdichtung
  • Anna Karin & Claudia Wich-Reif - Spracharbeit in Musterbriefen im 15. und 16. Jahrhundert
  • Galina Schapovalova - Die Rhetorik in der deutschen barocken Sonettkunst
  • Sandra Aehnelt - Eine empirische Untersuchung zu Norm und Variation des Satzrahmens im 17. Jahrhundert
  • Rainer Hünecke - Das protestantische Schuldrama. Rhetorik im Dienste der Popularisierung von Konfession
  • Michel Lefèvre - Reformatorische und Gegenreformatorische Rhetorik? Vergleichende Untersuchung einiger Flugblätter.
  • Delphine Pasques - Das Gegnerbild und das Sprecherethos im Isidor-Traktat (780): Rhetorik der Herrschaft

| 17 →

Bernd BLASCHKE

Berlin

Generationenrhetorik. Sprechaktstrategien und Konstruktionen von Nebenkulturen in Memoiren aus West und Ost

This paper analyzes how to do a generation with words. Assuming that generations are not counter-cultures but rather side-cultures and that generations aren’t ontological entities but symbolical concepts made up out of speech acts generation-books by Florian Illies and Nina Pauer are confronted with east-german generation books by Jana Hensel and Sabine Rennefanz which remember growing up in the GDR. The paper dissects topoi, pictorial and rhetorical elements and explains the broad public interest in this astonishing genre of memoirs written by young authors.

I. Die Welle der Generationsportraits

Generationen-Portraits, insbesondere das erstaunliche Subgenre der Memoiren von kaum Dreißigjährigen, wurden seit dem Jahr 2000 wiederholt zu Bestsellern. Bücher, die mit dem Anspruch auftreten, Lebensgefühl, Werte und Identität einer Alterskohorte zu repräsentieren, werden seit Florian ILLIES‘ Generation Golf (2000)1 breit rezipiert. Zwei Jahre nach ILLIES‘ riesigem Erfolg am Buchmarkt publizierte Jana HENSEL ihr thematisch ganz ähnlich aufgebautes Erinnerungsbuch Zonenkinder.2 HENSELs Zonenkinder darf und muss man verstehen als ostdeutsche Antwort auf ILLIES‘ Generation Golf. Sie verhandelt die Lebenserfahrungen und Identitätslagen junger Ostdeutscher, die zur Wendezeit Jugendliche waren. HENSEL entwirft so das Profil einer Generation der in den 1970er Jahren geborenen ‚Zonenkinder‘.

Seit ILLIES und HENSEL gab es eine regelrechte Welle von Generationenbüchern, die das Verhältnis ostdeutscher Twens und Thirty-Something zu ihren im Westen sozialisierten Generationsgenossen aber auch ihre Beziehungen zu ihren Eltern und zu jüngeren Ostdeutschen verhandeln. Hierzu zählen Bücher wie: Jens BISKY: Geboren am 8. August (2004), Claudia RUSCH: Meine freie deutsche Jugend ← 17 | 18 → (2003), Daniel WIECHMANN: Immer bereit! Von einem Jungen Pionier, der auszog, das Glück zu suchen (2004), Maxim LEO: Haltet Euer Herz bereit. Eine ostdeutsche Familiengeschichte (2009) und schließlich jüngst noch Sabine RENNEFANZ: Eisenkinder. Die Stille Wut der Wendekinder (2012). Gut zehn Jahre nach ILLIES‘ Generation Golf legte die zehn Jahre später geborene ZEIT-Journalistin Nina PAUER ein neues, spezifisch westdeutsches Generationenbuch vor: Wir haben keine Angst. Gruppentherapie einer Generation (2011).3

Im Folgenden wird untersucht, inwieweit die in diesen Büchern präsentierten Generationen als performative Konstruktionen von ‚Nebenkulturen‘ zu begreifen sind. Der Fokus liegt dabei auf den sprachlichen Mitteln, mit denen jeweils ein Generationszusammenhang beschrieben, erzählt, symbolisiert – oder überhaupt erst erfunden wird. Ich konzentriere mich dabei auf die wichtigsten Texte, gleichsam die Prototypen der Literaturgattung ‚Generationenportrait‘ der jüngeren Zeitgeschichte: Florian ILLIES‘ Generation Golf und Jana HENSELs Zonenkinder. Als aktuellere Vergleichsbücher werden Nina PAUERs 2011 und Sabine RENNEFANZ‘ 20124 erschienene Generationsportraits hinzugezogen, bei denen im Titel oder Untertitel eine Emotion als generationsprägend ausgerufen wird: „Die Stille Wut der Wendekinder“ bei Rennefanz, respektive die im Titel durchgestrichene und im Untertitel doch als therapiebedürftig benannte Angst bei PAUER.

Bevor der Hauptteil dieses Aufsatzes die sprachlichen und symbolischen Mittel der Generationenrhetorik analysiert, sollen zuerst einige Zusammenhänge und Hintergründe der um das Jahr 2000 geführten Diskurse um Generationsentwürfe und Generationenbeziehungen skizziert werden.5 Seit Mitte der 1990er Jahre florierte in Deutschland eine in Sachbüchern und Zeitungen intensiv geführte Debatte über die zunehmende Alterung der Gesellschaft. Bei dieser biopolitisch wie sozialpolitisch befeuerten Demographiedebatte standen im Vordergrund die Herausforderungen der Sozialversicherungen, mithin die Budgetverschiebungen der Renten- und Krankenkassen bei immer weniger Einzahlenden und immer längeren oder aufwändigeren Leistungsbezügen. Der Familiensoziologe Kurt LÜSCHER und seine Mitarbeiter unterzogen die spezifisch alarmistische Generationenrhetorik dieser Diskurse der ← 18 | 19 → 1990er Jahre, insbesondere das Argumentieren mit Bildern des Krieges und der Katastrophe sowie die rhetorischen Mittel der Dramatisierung und des politischen Appells schon 1998 anhand von drei Sachbüchern (von Heidi SCHÜLER, Raimer GRONEMEYER und Hans MOHL) einer systematischen Analyse.6 Noch populärer und wirkmächtiger wurde diese Debatte über die womöglich gefährdete Zukunft der deutschen Gesellschaft, über die Risiken für ihre Sozialsysteme und über die Brüchigkeit ihrer Generationenbeziehungen durch Frank SCHIRRMACHERs Buch Das Methusalem Komplott (2004), flankiert durch Schirrmachers bekannt virtuose Inszenierung der Diskussionen über demographische Herausforderungen als Herausgeber des FAZ-Feuilletons.

Ein zweiter Vorläufer der hier zu analysierenden Generationenbücher seit 2000 sind Debatten über den Aufstieg der 68er und über ihre heutige Rolle im Politik- und Kulturbetrieb. Diese Dispute wurden vor allem rund um das dreißigjährige Jubiläum des Ereignisjahres, also 1998 geführt. In diesem Zusammenhang, nämlich anlässlich einer Dresdener Ausstellung über die 68er, prägte der Journalist Harry NUTT in der taz (die tageszeitung vom 10.1.1998) den Begriff Generation Golf. Doch blieb NUTTs Begriffserfindung, die er aus dem Text damaliger VW-Werbung übernahm und soziologisch wendete, anfangs ohne große Echos. Da Harry NUTT schon am Beginn dieser breiten Generationendebatte eine wichtige Problematik – nämlich die behauptete Identitätsschwäche – aller Nach-68er Generationen ziemlich präzise formulierte, sei aus seiner Beschreibung der Generationslage von 1998 zitiert:

„Das historische Ereignis, das unter dem Namen »Achtundsechzig« zusammengefasst wird, war die Umstrukturierung der gesellschaftlichen Institutionen. Alle Altersgruppen danach (…) begründeten keinen Generationenzusammenhang – sie waren vornehmlich damit beschäftigt, sich von den Achtundsechzigern abzuheben. Die Generationen nach den 68ern verbindet mehr, als sie trennt. Die Fernseh- und Mauerkinder, die Achtundsiebziger und Neunundachtziger, Die Generationen U, S, T, W, X, Y und Z bilden alle zusammen – die Generation Golf. Die VW-Werbung hat recht. Sie haben alle in Mamas Golf Autofahren gelernt, daher stammt ihr Gefühl für Bewegung. Der Generationenkonflikt unserer Tage ist keiner mehr zwischen Alt und Jung. Er besteht vielleicht allein darin, nach 1968 kein prägendes Kollektivereignis gefunden zu haben.“7 ← 19 | 20 →

Schon ein Jahr vor Harry NUTTs Urteil über das kaum oder gar nicht profilierte Generationsbewusstsein der Nach-68er-Kohorten, die wegen Ereignismangel an Identitätsschwäche leiden, hatte Uwe C. STEINER in dem von Jochen HÖRISCH herausgegebenen Suhrkamp-Bändchen Mediengenerationen im Grunde die gleiche These aufgestellt, dass es nach den 68ern „keine neue Generation mehr“ gebe. STEINER freilich begründete dies nicht (wie NUTTs zweifelllos ironische Begriffseinführung) mit dem von vielen Müttern benutzten Erfolgsauto VW Golf. Für STEINER beruhte das mangelnde Generationsbewusstsein vielmehr auf der neuen Medienvielfalt. Die durch privaten Rundfunk bewirkte Sendervielfalt und extremer noch das in zahllose Kleingruppen zersplitterte Internet pulverisierten integrative Öffentlichkeiten und Leitmedien, an denen man sich integrativ abarbeitet: „Die 68er waren die letzte Generation, die das Ihrige zum Ende der Generationen beigetragen hat.“8 Die sogenannten 89er existierten gemäß STEINER hingegen nur noch auf dem Papier als Projektionen von Journalisten oder Essayisten die mit polemogenen Symbolen um semantische Macht streiten. STEINER bezog sich hierbei vor allem auf die so breit wie schrill geführte Debatte um Botho STRAUSS‘ Bocksgesangs-Text Mitte der 1990er.

Gustav SEIBT wiederum lieferte (in der ZEIT vom 2. März 2000) eine einleuchtende Antwort auf die Frage, warum um das Jahr 2000 überhaupt so eifrig über Generationen publiziert wurde. SEIBT vermutete, dass in einer mobilen Mittelstandsgesellschaft Zuordnungen zu Schichten und Klassen zunehmend an Wirkung verlieren. Deswegen und dagegen sollen nun Generations-Konstrukte abhelfen und dieserart ein von vielen ersehntes Individualitätsbewusstsein durch Wert- und Stilorientierung verbürgen.

Der junge Feuilletonautor der FAZ Florian ILLIES publizierte im Kontext dieser demographischen wie kulturellen Generationsdiskurse im Jahr 2000 sein überaus erfolgreiches Buch Generation Golf. Bald darauf folgten ILLIES‘ ähnlich angelegte Bücher Anleitung zum Unschuldigsein (2001) und Generation Golf II (2003). Alle späteren Generationenbücher beziehen sich mehr oder weniger direkt und deutlich auf das Erfolgsbuch Generation Golf. Bei HENSEL wird dies schon am Aufbau ihres Buchs, ablesbar am Inhaltsverzeichnis, und an einzelnen Topoi deutlich.9 So zitiert ← 20 | 21 → die Ostdeutsche perplex als wichtigstes Ereignis einer Westjugend (ohne Namensnennung ihres schriftstellerischen Westvorbilds) ILLIES‘ Bonmot der existenziellen Wende-Erfahrung seiner ereignisarmen Jugend in historischer Windstille: „aus Raider wurde Twix, sonst änderte sich nix“.

Gustav SEIBTs umsichtige Reflexionen zu den popkulturellen Generationenbücher der späten 1990er Jahre analysierten den Generationen-Hype mit kühlem soziologischen Blick:

II. Überlegungen zu den Begriffen ‚Generation‘ und ‚Nebenkultur‘

Generationen lassen sich definieren als Alterskohorten, deren Mitglieder eine weitgehend gemeinsame Identität ausgebildet haben, weil sie geprägt wurden durch bestimmte politische Ereignisse, so die Flakhelfer-Generation, die Erste Weltkriegsgeneration, die 68er. Neben der politischen Generationsstiftung gibt es eine Prägung des Generationsbewusstseins einer Lebensaltergemeinschaft durch epochale ästhetische Ereignisse. Beispiele hierfür wären etwa GOETHEs Werther-Publikation, der Kreis um Stefan GEORGE, die Rockmusik der 68er sowie jüngst vermutlich Techno-Musik und die Love-Parade-Events in den 1990er Jahren. Grundsätzlich lassen sich Generationen systematisch in zwei Hinsichten analysieren oder definieren: durch Abgrenzung von Vorgänger- und Nachfolger-Generationen, mithin mittels einer ← 21 | 22 → intergenerationellen, differenzierenden Beschreibung. Zudem lassen sich Generationen auch intragenerationell, bestimmen, d.h. durch Beschreibung spezifischer Weltanschauungen, Präferenzen, Stilentwürfe oder Lebensweisen einer Alterskohorte. Allerdings ist eine solche unmittelbare, intragenerationelle Profilierung für Identitätszuschreibungen allemal heikler als die abgrenzend-intergenerationelle.

Generationen sind wesensmäßig biologisch-kulturelle Zwitterwesen.11 Denn die naturgeschichtliche Tatsache der ungefähr synchronen Geburt in einer Epoche schafft per se keineswegs geteilte Werte und Lebensstile. Zum Identitätsbewusstsein einer Generation bedarf es vielmehr sprachlicher Identitätsentwürfe. Elementar hierfür sind zum einen erzählte Erinnerungen, die kommunikativ als generationstypisch akkreditiert werden. Zum anderen braucht es verbindliche Symbole für die Profilierung einer Generation. Diese genuin kulturellen Symbolisierungen reichen vom historisch wechselnden Spielzeug der Kinder (z.B. Playmobil-Figuren) über Nahrungsmittel (wie Nutella) und Fernsehrituale (Wetten-Dass oder neuere TV-Serien), bis zu Events wie z.B. die Love Parade oder das Erlebnis der Fußball WM 1974 – all dies sind Beispiele aus Florian ILLIES‘ Generation Golf. Vermutlich zählen zu den von einer Generation weithin gemeinschaftlich erinnerten Ereignissen und Erlebnissen in Deutschland auch die Fussball-Weltmeisterschaften von 2006 und 2014; für Frankreich wiederum der Sieg ihrer bunten Equipe bleue 1998.

Sowohl für die quasi mythischen Erinnerungsnarrative über prägende Ereignisse wie für die Auswahl und Zirkulation von Leitsymbolen für eine bestimmte Zeit spielen Emotionen (z.B. Glück, Angst, Stolz / Neid, Liebe) eine wichtige Rolle. Beide symbolischen Prozesse, Erzähl-Episoden und Symbol-Setzungen, müssen angesichts der Ereignisfülle eines Jahrzehnts extrem selektiv operieren. Sprachlich bedeutet dies: Erinnerungsnarrative und Symbolsetzungen bedienen sich fast immer – und vermutlich auf der Ebene der sprachlichen Mittel auch nahezu alternativlos – des epistemisch heiklen Mittels der Synekdoche, d.h., ein (ausgewählter) Teil steht fürs Ganze einer historischen Generationserfahrung. Denn selbstverständlich kann eine Erinnerungsgemeinschaft keineswegs alle Ereignisse eines Jahrzehnts (oder einer Jugendzeit) kollektiv erinnern, sondern eben nur sehr wenige, ausgewählte und mit Bedeutung aufgeladene Symbole.

Das Buch Generation Golf und auch die Nachfolgebücher argumentieren vorwiegend intragenerationell. Nur gelegentlich nutzen sie explizite Vergleiche oder ← 22 | 23 → Abgrenzungen von Vorgänger-Generationen zur rhetorischen Stiftung ihrer Kollektividentität. Vermutlich erklärt sich ihre weitgehende Abstinenz von ausführlicher und expliziter intergenerationeller Rhetorik auch aus ihrer spezifischen Haltung zur eigenen Elterngeneration, die außer in bestimmten Stilfragen grundsätzlich keine polemische ist. ILLIES‘ zweites Kapitel charakterisiert seine Generation Golf als „Generation ohne Generationskonflikt. Gute Söhne, gute Töchter.“12 Jana HENSEL betont in ihrem thematisch analogen vierten Kapitel unter der Überschrift „Schulter an Schulter, Zahn um Zahn. Über unsere Eltern“, dass ihre ostdeutsche Generation zwar mit ihren Eltern „ein wenig unglücklich“ war.13 Doch verbot sich auch und gerade für die Ost-Aufstiegskinder eine Rebellion gegen die Eltern:

„Sie lagen ja schon am Boden, inmitten der Depression einer ganzen Generation, und wir, die wir mit viel Glück und nur dank unserer späten Geburt um ein DDR-Schicksal herumgekommen waren, wollten die am Boden Liegenden nicht noch mit Füßen treten. Die Geschichte der Wende hatte die Illusionen und Selbstbilder unserer Eltern zerstört und weggefegt. Ihnen war nichts mehr zu entreißen, das sie noch in Besitz gehabt hätten.“14

Gleichwohl ist eine zumindest implizite Relationierung der eigenen, neuen Nebenkultur zur etablierten und vorherrschenden Leitkultur zentral für diese Generationsportraits. Immerhin tritt der Ausruf der eigenen Generation mit dem Gewicht der Buchform auf. Die Bezugnahme und Abgrenzung von anderen Generationen ist Schreibanlass, Motivation und Existenzberechtigung dieser Texte. Bezeichnend ist die verschiedene Abgrenzungsrichtung in den westdeutschen bzw. ostdeutschen Generationsbüchern. Florian ILLIES‘ Buch grenzt seine Generation ab von der seiner Eltern, also von den 68er, die in den 1990er Jahren – zumindest in der Sicht der Jungautoren – in Medien und Politik eine Art kultureller Hegemonie auszuüben scheinen; „die Abgrenzung von der Moralhoheit der Vorgängergeneration war für uns eine entscheidende Lebensmaxime.“15 So beansprucht und formuliert er mit seinem Buch neue Werte (die de facto nicht selten zugleich recht alte Werte sein können) für seine post-postmaterialistische Generation.

Jana HENSEL und die zahlreichen anderen Ost-Jugend-Memoiren, grenzen sich weniger ab von ihren Vorgängergenerationen oder (noch seltener) von noch jüngeren Nachfolgegenerationen. Vielmehr verweisen die ostdeutschen Autoren auf die identitätsprägenden Unterschiede ihrer Lebenserfahrung und Wertprägungen im Vergleich zu den gleichaltrigen Westkindern der ‚Generation Golf‘. ← 23 | 24 → Dabei erinnert HENSEL in Zonenkinder aufmerksam die historischen Stadien ihres kindlichen Neids, ihrer Nachwende-Abstoßung und schließlich ihrer um das Jahr 2000 erreichten, gelassenen Neugier gegenüber jenen westgeborenen Altersgenossen.16 Westler, für die sie zu Mauerzeiten schwärmte, die sie dann – nach kurzer Schnupper- und Erfahrungsphase kurz nach dem Mauerfall – einige Jahre lang verachtete. Bevor sie schließlich ihre westlichen Altersgenossen doch noch lieben lernt. HENSELs Zonenkinder wie auch Jens BISKYs, Maxim LEOs und Claudia RUSCHs ostdeutsche Lebenserinnerungsbücher lassen sich deswegen – zumindest tentativ und tendenziell – als Bildungsromane lesen. Denn ihre Entwicklungsszenarien sind häufig gekennzeichnet von Phasen markanter Umwege, von Phasen der Abgrenzung, dann des Ankommens und Aufsteigens im vereinigten Deutschland.17 Alle wirken schließlich als erfolgreiche Autoren/Journalisten im vereinigten Deutschland und sprechen mithin von einer Position, die mit einigem kulturellem Kapital ausgestattet ist. Spätere Ost-Identitätsbücher vermeiden bemerkenswerterweise diese harmonisierende Modellierung des Lebensnarrativs als Entwicklungs- oder Bildungsroman, an dessen Ende mehr oder weniger Harmonie und Integration stehen. Sowohl HENSELs Nachfolgebuch Achtung Zone. Warum die Ostdeutschen anders bleiben sollen (2009) wie auch Sabine RENNEFANZ‘ Eisenkinder (2012) betonen weniger das Zusammenwachsen der Ost- und Westdeutschen, sondern beharren auf den ost-westlichen Differenzen der Lebensgeschichten und der Weltanschauungen.

Der Begriff der Nebenkulturen scheint mir im Vergleich mit den älteren kultursoziologischen Begriffen der Sub- oder Gegenkultur gerade im Hinblick auf Generationsfragen ein besonders glücklicher und brauchbarer Begriff zu sein. Warum lassen sich Generationen trefflich als Nebenkulturen verstehen? Der Begriff Gegenkultur betont mit seinem Tenor auf Opposition und Kampf die agonale Unvereinbarkeit; mit diesem Begriff assoziiert man erbitterte Verdrängungsschlachten zwischen den kulturellen Gruppierungen. Der Begriff der Subkultur fokussiert hingegen auf die hierarchischen Machtverhältnisse von oben und unten, von etablierter Leit- oder Hochkultur versus marginalisierter Subkultur. Zum Verständnis des Spiels kultureller Distinktionen zwischen Generationen ist ← 24 | 25 → meines Erachtens weder solch ein harsches Oppositionsverhältnis (wie es das Konzept der Gegenkultur insinuiert) noch eine oben-unten-Unterscheidung angemessen – und zwar schlicht deshalb, weil Generationen die meiste Zeit eher nicht-hierarchisch-nebeneinander koexistieren. Und weil Generationen vielfach miteinander verstrickt sind, sowohl materiell (finanzielle Unterstützungen und Abhängigkeiten zwischen Jungen und Alten) wie emotional (wechselseitige Pflege der Kinder und der Alten). Was der Familiensoziologe Kurt LÜSCHER bezogen auf die Verwobenheit der Generationen in familiären wie politisch-gesellschaftlichen Generationenverträgen herausgearbeitet hat, lässt sich im Hinblick auf ästhetisch-kulturelle Unterschiede gut mit dem neuen Begriff ‚Nebenkulturen‘ beschreiben. Das Kinder- oder Jugendzimmer sollte man im Hinblick auf die Generationen nach 1968 also weniger verstehen als einen Ort der Sub- oder Gegenkultur zum elterlichen Wohnzimmer sondern vielmehr als Raum einer vielfach mit der elterlichen Leitkultur verbundenen Nebenkultur. Nicht zuletzt deshalb, weil die für das Konzept der Gegenkultur charakteristischen gesellschaftlichen Alternativ-Visionen und Utopien sowohl der Generation Golf wie den Zonenkindern fast gänzlich abgehen.

3. Elemente der Generationsrhetorik bei ILLIES und HENSEL, bei PAUER und RENNEFANZ

Es folgen nun Bausteine zur sprachlichen Herstellung von Generationsportraits. Im kompakten Stil von Frage und Antwort werden die Analyseergebnisse zu der in den west-östlichen Traktaten vertretene Generationsrhetorik präsentiert.

3.1 How to do a generation with words?

Mit welchen rhetorischen Mitteln und welchen sprachlichen Identitätssetzungen wird eine Gruppe von Menschen zu einer einheitlichen Generation erklärt? Meine überraschend simple Antwort im Blick auf die analysierten Bücher lautet: Eine Generation ruft man aus durch Verwendung der grammatischen Wir-Form. Durch ein Wir-Sagen, das gemeinsame Lebensweisen und Anschauungen behauptet, das bei kritischer Lektüre freilich schnell als Usurpation einer bloß projizierten Kollektividentität auffliegen kann. Neben der Behauptung der Wir-Aussagen überzeugen die hier analysierten Gruppenportraitisten mittels Erlebnis-Episoden, die als generationstypisch erklärt werden. Als Beispiele für die geschickte Abwechslung zwischen Wir-Aussagen und illustrativen, individuellen Erlebnisepisoden betrachte man den Aufbau von Generation Golf. ILLIES‘ erstes Kapitel beginnt mit einer Ich-Episode, seine Kapitel 2, 3, 4, 5, 6 und 8 beginnen mit Wir-Setzungen. Sein 7. Kapitel changiert zwischen Ich- und Wir-Setzungen. Auch Nina PAUER ← 25 | 26 → betreibt das Wir-Sagen zwecks Stiftung eines Generationszusammenhangs rhetorisch geschickt und extensiv.18

3.2 Mit welchen weiteren (bildlichen oder objektbezogenen) Mitteln neben der Sprache generieren die Generations-Bücher rhetorische Persuasionseffekte?

Florian ILLIES verwendet ausschließlich Playmobilfiguren-Fotos als Illustration zu seinen Kapitelüberschriften. Zudem beweist er ein feines Gespür für Symbole und Alltagsobjekte, wenn er den VW Golf und Werbesprüche für dieses meistverkaufte Auto (in nirgends ausgewiesener Anlehnung an Harry NUTTs ironische Diagnose), ferner Ikea, Nutella, Playmobil und andere Waren-Dinge zu Leitsymbolen einer Generation stilisiert. Jana HENSELs östliches Echo Zonenkinder orientiert sich auch an bestimmten Dingobjekten ihrer Kindheit. Bei ihr stehen diese meist für eine verlorene, untergegangene DDR-Lebenswelt, so wenn sie Pionieruniformen, Jugendweihe-Programmzettel oder alte Gasheizungen durch schlichte, realistische Schwarz-Weiß-Fotos in Erinnerung ruft. Generationstypische Idole oder Vorbildfiguren werden von beiden aufgerufen: der ironische Meisterkomiker Harald Schmidt (der eigentlich der Vorgängergeneration entstammt) bei ILLIES, im vereinigten Deutschland erfolgreiche Ost-Sportler wie der Fußballer Michael Ballack und vor allem die Schwimmerin Franziska van Almsieck in HENSELs Zonenkinder.

3.3 Welche Rolle spielt das Pathos in den Generationsbüchern?

Thematik wie Stil und Rhetorik von Generation Golf sind denkbar weit entfernt vom genus grande. Prägend für ILLIES‘ Generationsgenossen und für sein Portrait derselben sind vielmehr gerade die Abwesenheit großer Ereignisse, das Fehlen von Leiden oder Erschütterungen, schließlich der Mangel an einschneidenden Erfahrungen. Folglich ist auch ILLIES‘ Stil ein Parlando ohne Pathos. Passend zum Inhalt ist auch sein Sprachgestus geprägt von Ironie und von einem leichten Witz, der nur gelegentlich sarkastische Züge trägt.

HENSELs Erinnerungen in Zonenkinder und die zahlreichen anderen Jugendmemoiren der Ostdeutschen drehen sich hingegen um große Umbrüche. Sie verzeichnen durchaus pathetisch umwerfende Ereignisse, vor allem die Maueröffnung und die folgenden Umbrüche in Schulen und Familien. Starke Gefühle, auch und gerade Emotionen jenseits der als „Ostalgie“ bekannten Trauer über den Untergang ← 26 | 27 → der Orte der Kindheit kennzeichnen die Ostmemoiren.19 In einem Aufsatz20 über erinnerte Gefühle und Emotionen des Erinnerns in Nachwende-Erinnerungsbüchern bin ich neben der Trauer auch dem Neid, der Freude, der Wut, dem Ekel und Abscheu, der Scham und Peinlichkeit, dem Stolz aber auch den Ängsten nachgegangen, die sich in den ostdeutschen Generationsbüchern artikuliert finden. Denn Erinnerung und Emotion hängen eng zusammen – und die Erinnerung der ostdeutschen Autoren legen ausführlich Rechenschaft ab über erinnerte (vergangene) Emotionen und über (aktuelle) Gefühle beim Erinnern der Vergangenheit.

Die großen Gefühle und ihre sprachliche Darstellung sind hingegen definitiv nicht die Sache von ILLIES. Dabei weist auch er dezent auf ein problematisches Gefühlsleben seiner Golf-Genossen, wenn er deren großen Therapiebedarf beiläufig erwähnt.21 Nina PAUER macht zehn Jahre nach ILLIES die Gruppentheorie versteckter Ängste ihrer doch so behütet aufgewachsenen Westgeneration gleich zur Leitmetapher ihres Buches Wir haben keine Angst. Freilich betreibt die gewiefte Journalistin hier ein raffiniertes Wechselspiel zwischen Pathos und dessen ironischer Brechung, indem sie eine ganze Reihe von Ängsten ihrer Elterngeneration (Umweltängste nach Tschernobyl)22 und ihrer eigenen Generation erinnert – und doch feststellt, dass die befürchteten Katastrophen eigentlich nie eintraten23.

Pathos im Sinne einer gezielten Erschütterung der Leser bot die erste Welle dieser Generationsbücher eher nicht. Sie sind weniger engagierte Plädoyers als vielmehr kultursoziologisch angehauchte Sachbücher mit hohem Anekdotenanteil. Mehr Pathos und Leserappell findet sich dann in Jana HENSELs 2009 publizierter Essaysammlung Achtung Zone, deren (freilich nicht recht eingelöster) Untertitel ← 27 | 28 → fordert: „Warum wir Ostdeutschen anders bleiben sollten“. Auch Sabine RENNEFANZ‘ Eisenkinder. Die stille Wut der Wendekinder forciert die Erschütterung der Leser, indem sie ihren eigenen Lebensweg der Nachwendezeit als eine unsicher-desorientierte Jugendliche, die als junge Erwachsene zum fundamentalistischen Christentum konvertierte, parallelisiert mit dem Weg in den xenophoben Terrorismus des ungefähr gleichaltrigen aus Jena stammenden NSU Mörders Uwe Mundlos.

3.4 Welche Topoi oder Leitmetaphern dienen der Generationscharakterisierung?

Folgende prägenden Ereignisse sind immer wiederkehrende Topoi in den ostdeutschen Jugenderinnerungsbüchern: Schulzeit und erste Lieben; Mauerfall; richtige und falsche Kleidung; sowie nach der Wende 1989: Auslandsaufenthalte, die Arbeitslosigkeit und Desorientierung der Eltern und Lehrer. In der Erinnerung des Westlers ILLIES ging es neben Schulzeit und ersten Lieben um Sport und Körperkult, Fernsehprogramme, richtige und falsche Kleidung, Markenkult. Während für die Generation Golf geschichtlicher Stillstand, Langeweile und mühsame Distinktionsversuche als Grundstimmung vorherrschen, erlebten die östlichen Generationsgenossen Umbrüche in nahezu sämtlichen Lebensbereichen.

3.5 Welche weiteren rhetorischen Wirkmittel kennzeichnen die Generationskonstrukte?

Übertreibungskunst ist ein wichtiges rhetorisches Stilmittel bei der Produktion von Generationenportraits. Um die eigentlich profilschwachen Nach-68er Generationsentwürfe zu skizzieren, bedienen sich ILLIES und PAUER häufig kleiner szenischer Narrationen, die – zwecks Verdeutlichung aber auch zum Amüsement der Leserschaft – zur überspitzenden Karikatur tendieren. Bei den beiden Westautoren wird die Kunst der Überpointierung ergänzt mit Spuren der Selbstironie, welche gleichfalls Effekte der Komik und des Lachens produzieren und als Momente der Selbstrücknahme oder Selbstkritik die Autoren (die ja immerhin von sich auf eine ganze Generation schließen) sympathisch erscheinen lassen. ILLIES wie PAUER üben in diesem Modus durchaus auch Kritik an der eigenen Generation im Tonfall des milden, ironischen Sarkasmus. PAUERs Wir haben keine Angst arbeitet stetig mit Übertreibungen, Zuspitzungen und Gegensatz-Modellierungen, indem sie mit ihren beiden Generationsprototypen Anna (perfektionistisch und höchst erfolgreich) sowie Bastian (begabt und beliebt aber nichts zu Ende bringend) zwei gegenläufige Phänotypen konstruiert. So lässt sie ihre Generation gleichsam als einen Borderline-Patienten erscheinen, oszillierend zwischen vordergründiger ← 28 | 29 → Euphorie und untergründiger Angst, zwischen dem Burnout (der Überforderung) und dem Bore-out (der Langeweile und Unterforderung).

3.6 Welcher Redegattung kann man diese Bücher zuordnen?

Die Rhetorik dieser Nach-68er Generationsportraits ist kaum je agonal oder gar anklagend angelegt. Im klassisch rhetorischen Rahmen der Redeanlässe kann man sie verorten zwischen einer (leicht ironisch gebrochenen) Lobrede auf die eigene Generation und einer Verteidigungsrede. Reagiert wird auf die vermeintliche Anklage gegen die eigene Generation, die bei ILLIES aus den Reihen der „moralisch hochgerüsteten“24 68er (verkörpert in ihrem Prototyp: des politisch und moralisch überengagierten Gemeinschaftskunde-Lehrer) kommt, die Illies Generation vorwerfen, kaum politisch, zu egoistisch, bloß konsumistisch zu leben.

4. Fazit und Ausblick

Zusammenfassend soll nochmals betont werden, dass man Generationenportraits und Generationendiskurse nicht als Generationen-Ontologie begreifen sollte; wissenschaftlich geboten ist vielmehr das Augenmerk auf ihre Praktiken der Performanz und auf die sprachliche Konstruiertheit von Generationen. Festzuhalten ist, dass Florian ILLIES trotz seines kessen Wir-Sagens und seines Gestus des Einfachso-Tuns-als-gäbe-es-diese-entworfene-Generation-wirklich, doch klug genug war, die entworfene Kollektividentität seiner Generation Golf selbstkritisch in Frage zu stellen, indem er einräumt: Sein Buch habe die ganze Zeit ja nicht wirklich von seiner gesamtdeutschen Geburtskohorte gesprochen, sondern bloß von deren Protagonisten in Berlin, Düsseldorf, Bonn und am Starnberger See – freilich kommt ILLIES Rückruf und Relativierung seines Konstrukts spät, nämlich erst gegen Ende von Generation Golf.25 So schrumpft der Anspruch des usurpierten Wir vom allgemeinverbindlichen Generationsportrait zum Szene-Bild einer gar nicht so großen, stilprägenden Gruppe. Der letzte Satz von Generation Golf zeugt von kluger, selbstironischer Einsicht in die Grenzen und Grundlagen der Generationspublizistik. Man beachte wie ILLIES, der auch seither wohl erfolgreichste Sachbuchautor seiner Generation, hier vom prätendierten Wir – für das er zu sprechen beansprucht und dessen Wesen er zu kennen vorgibt – zurückwechselt zum Ich des Autors und seiner eitlen Ansprüche. Mit entwaffnender Ehrlichkeit gesteht sein letzter Satz: „wir haben, obwohl kaum erwachsen, schon jetzt einen ← 29 | 30 → merkwürdigen Hang zur Retrospektive, und manche von uns schreiben schon mit 28 Jahren ein Buch über die eigene Kindheit, im eitlen Glauben, daran lasse sich die Geschichte einer ganzen Generation erzählen.“26 Am Ende steht also ein Erzähler-Ich, das sich selbstironisch feiert und kritisiert. ILLIES‘ letzter Satz umreißt den rhetorischen Raum dieser Generationspublizistik im Modus jugendlicher Memoiren aufs Trefflichste.

Details

Seiten
410
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653052527
ISBN (ePUB)
9783653969986
ISBN (MOBI)
9783653969979
ISBN (Hardcover)
9783631658895
DOI
10.3726/978-3-653-05252-7
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Dezember)
Schlagworte
Biographien musikalische Dichtung Werbung Konfessionen Reformation Ironie bürgerliche Frauenbewegung
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 410 S., 5 s/w Abb., 25 Tab.

Biographische Angaben

Michel Lefèvre (Band-Herausgeber:in) Katharina Mucha-Tummuseit (Band-Herausgeber:in) Rainer Hünecke (Band-Herausgeber:in)

Michel Lefèvre ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Université Paul Valéry Montpellier. Katharina Mucha-Tummuseit ist Postdoc-Stipendiatin an der Universität Paderborn. Rainer Hünecke ist Professor an der Technischen Universität Dresden.

Zurück

Titel: Rhetorik und Kulturen
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
book preview page numper 26
book preview page numper 27
book preview page numper 28
book preview page numper 29
book preview page numper 30
book preview page numper 31
book preview page numper 32
book preview page numper 33
book preview page numper 34
book preview page numper 35
book preview page numper 36
book preview page numper 37
book preview page numper 38
book preview page numper 39
book preview page numper 40
412 Seiten