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Cripping Development?

Ambivalenzen «Inklusiver Entwicklung» aus crip-theoretischer Perspektive

von Isa Garde (Autor:in)
©2015 Dissertation X, 136 Seiten

Zusammenfassung

Seit ca. 15 Jahren ist «Inklusive Entwicklung» als neue Strategie zur Einbeziehung von Menschen mit «Behinderung/en» in das entwicklungspolitische Feld in der Öffentlichkeit präsent. Isa Garde beschäftigt sich mit der Frage, ob und wie die Versprechungen von gerechterer Behandlung angesichts der Einlassung von «Behinderung» in globale Macht- und Ungleichheitsverhältnisse eingelöst werden können. Die «Inklusive Entwicklung» wird aus den Perspektiven kritischer Entwicklungsforschung und Crip Theory betrachtet. Dabei werden Repräsentationen von und die Wissensproduktion über «Behinderung» im Entwicklungsdiskurs herausgearbeitet und Fragen nach den zugrundeliegenden Politiken der Inklusion und Exklusion aufgeworfen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Danksagung
  • Bildbeschreibung der Cover-Grafik
  • Einleitung: „Entwicklung“ behindern?
  • Kapitel 1: Körper und/ in Entwicklung. Erste Verbindungslinien zwischen kritischer Entwicklungsforschung und Disability Studies
  • Nachdenken über „Entwicklung“: Entwicklungsforschung zwischen Diskurskritik und Maschinen-Metaphern
  • Entwicklung verkörpern, Körper entwickeln
  • Theorie(n) vom Körper
  • Entwicklungswissen als Körperwissen
  • Was sind Disability Studies?
  • Der klinische Blick der Not Disability Studies – das individuelle Modell von „Behinderung“
  • „Behindert-Werden“ – das soziale Modell von „Behinderung“
  • Dis/ability als Paradigmenwechsel – das kulturelle Modell von „Behinderung“
  • „Behinderung“ im globalen Kontext: Disability Studies treffen Entwicklungsforschung
  • Disability Studies und das Lokale: Kulturelle Verortungen von „Behinderung“
  • Transnationale/ Globale Disability Studies: Politische Ökonomie von „Behinderung“
  • Postkoloniale Theorien und Disability Studies: „Behinderung“ dekolonisieren
  • Kapitel 2: Cripping Development Studies. Auf der Suche nach einer Crip Theory von Entwicklung
  • Dis/ability Trouble, Performativität und die Prekarität von „Nicht-Behinderung“
  • Crip Killjoys, Kritik an Inklusionspolitiken und Körper jenseits der Grenze(n)
  • Cripistemologie als Wissen im Sitzen und in Relation
  • Crip Reading von „Entwicklung“
  • Kapitel 3: InExkludierende Entwicklung? Ambivalenzen und Widersprüchlichkeiten inklusiver Entwicklungsdiskurse
  • „Behindert“, „arm“ und „unterentwickelt“. Zur Konstruktion von Third World Crips und ableistischen weißen Fantasien.
  • Zwischen Ermächtigung und (Re-)Kolonisierung. Inklusive Entwicklung als Menschenrecht
  • „Entwicklung“ befähigen? Planung, Messung und Durchführung von Inklusion in der Entwicklungs-Maschine
  • Inkludierende oder exkludierende Entwicklung? Neoliberale Logiken der Normalisierung, rehabilitative Verheißungen und institutionalisierter Ableismus
  • Die Nicht-Performativität Inklusiver Entwicklung
  • Ausblick: Inklusive Entwicklung als Crip(dys)topia
  • Literatur

← vi | vii →Danksagung

In dieses Buch sind viele Energien, Gedanken und Unterstützungen anderer Menschen eingeflossen, die mich während des Schreibprozesses und darüber hinaus begleitet haben.

Deshalb möchte ich mich bei allen bedanken, die mit mir ihr Wissen, ihre Perspektiven und ihre Erfahrungen geteilt haben, die mich inhaltlich betreut und mit mir diskutiert haben, die mir Hinweise und kritisches Feedback gegeben haben, meine Gedanken ent- und wieder verwirrt haben, sich mit mir geärgert und gefreut haben, mit mir getanzt, getrunken und geswayt haben, die mich motiviert und ermutigt haben, dieses Buchprojekt zu wagen und mich finanziell und emotional unterstützt haben, es fertig zu stellen. Ohne diverse (queercrip und cripqueer) Kollektive wäre dies nicht möglich gewesen. Mein Dank gilt deshalb unter anderem:

arge bodies_gender_sex, Ly* Antwerpen, Doris Arztmann, Antje Barten, Dani Baumgartner, Heike Bestel, Aljoscha Bökle, Lian Brugger, Vanessa Dreier, Eva Egermann, Marcel Eick, Jule Fischer, Lisi Freudenschuss, Hanna Garde, Mathias Garde, Sarah Gerschel, Bea Gomes, Anja Gurtner, Hanna Hacker, feminIEsta, Filip Herza, Marty Huber, Anna Janowiak, Linda Jannach, Christine Klapeer, Kateřina Kolářová, Katrin Lasthofer, Elisabeth Löffler, Elisabeth Magdlener, Isabel Mendoza, Sushila Mesquita, ÖH Uni Wien, Aly Patsavas, Marija Šabanović, Gina Sandau, Max Santi, Sigrid Schmitz, Babs Schuster, Stefanie Strubreiter, Anna Teska, Michael Turinsky, Bert* Wagner und Katharina Wiedlack.

Für die Gestaltung des Coverbildes kann ich mich nicht genug bei bertkovski bedanken, deren_dessen Arbeiten mich immer wieder auf ein Neues faszinieren und begeistern. (Ein beschreibender Text zum Coverbild folgt dieser Danksagung.)

Beim Peter Lang Verlag bedanke ich mich für die Auszeichnung mit dem Sonderpreis für Geisteswissenschaften und die damit verbundene Möglichkeit, dieses Buch zu publizieren, und bei Alexandra Marciniak für die gute Zusammenarbeit.

Das vorliegende Buch ist eine überarbeitete Version meiner Diplomarbeit, mit der ich im März 2014 das Studium der Internationalen Entwicklung an der Universität Wien abgeschlossen habe.← vii | viii →

← viii | ix →Bildbeschreibung der Cover-Grafik

Das Coverbild Untitled #9 ist eine Grafik aus der Serie Plastic Bodies der_des audiovisuelle_n Künstler_in bertkovski. Die Grafik besteht aus einem mittig platzierten abstrakten roten Objekt auf einem Hintergrund mit grauem Verlauf. Das Objekt ist länglich mit einigen Rundungen und Zuspitzungen und ist farblich in dunkelrot gehalten, wobei weiß glänzende und hellere Verläufe sowie schwarze Schattierungen die Farbe durchsetzen. bertkovski hat dazu mit endoskopischen Aufnahmen menschlicher Organe gearbeitet, die grafisch so verzerrt und abstrahiert wurden, dass sie als solche kaum mehr entschlüsselbar ist. Dadurch wird eine Kategorisierung des Objekts entlang hegemonialer Körpernormen verunmöglicht. Lediglich die Farbgebung und die Oberflächenstruktur des Objekts verweisen auf dessen organischen Ursprung. Dadurch erhält das Bild den Effekt eines undefinierbaren und unförmigen Objekts, das zeitgleich unheimlich und vertraut wirkt.← ix | x →

← x | 1 →Einleitung: „Entwicklung“ behindern?

More than half the people of the world are living in conditions approaching misery. Their food is inadequate. They are victims of disease. Their economic life is primitive and stagnant. Their poverty is a handicap and a threat both to them and to more prosperous areas. For the first time in history, humanity possesses the knowledge and the skill to relieve the suffering of these people. […] I believe that we should make available to peace-loving peoples the benefits of our store of technical knowledge in order to help them realize ther aspirations for a better life.1

Das vorangestellte Zitat der Amtsantrittsrede des 33. US-amerikanischen Präsidenten Harry S. Truman vom 20. Januar 1949 wird innerhalb der sich als kritisch verstehenden Entwicklungsforschung häufig als der Beginn des modernen Entwicklungsdiskurses diskutiert, in der sich eine neue Diskursordnung im Sprechen und Denken über den globalen Süden formiert.2 Die geläufige Lesart der Truman-Rede hebt insbesondere die in ihr enthaltene Konstruktion von „Unterentwicklung“ und der „Dritten Welt“ in Abgrenzung zum „entwickelten“ und „modernen Westen“3 hervor. Die Staaten der sogenannten Dritten Welt werden dabei als nicht nur räumlich distant sondern auch auf einer imaginierten universalen Zeitlinie als rückständig konstruiert, wobei Truman die Armut der „Anderen“ auch als Bedrohung des eigenen Reichtums erfasst. Im historischen Kontext des Kalten Krieges und des ideologischen Wettbewerbs um die blockfreien Staaten der Peripherie verspricht Truman jenen „peace-loving peoples“ (zu lesen als nicht-kommunistisch) durch den Transfer westlichen Wissens und westlicher Technologien ein besseres Leben durch Einbindung in das kapitalistische ← 1 | 2 →Weltsystem.4 Der moderne Entwicklungsdiskurs mitsamt seiner Gewalt und seinen Versprechungen und Verheißungen war geboren.

Neben dieser, innerhalb der Entwicklungsforschung viel rezipierten Interpretation, enthält das Zitat meiner Meinung nach aber eine weitere Facette, der bislang zu wenig Beachtung geschenkt wurde und die auf eben jene Bedeutungen von „Behinderung“ im Entwicklungsdiskurs hinweist, mit denen ich mich in diesem Buch befasse.

Truman verwendet in seiner Darstellung der Dritten Welt den Begriff des Handicap als Metapher für Armut, die in seiner Argumentationslinie ein direktes Resultat der „primitiven“ und „stagnierenden“ Wirtschaftssysteme des globalen Südens ist. Seine ausschließliche Verortung von Armut im globalen Süden und seine Zuschreibung von Primitivität und Stagnation machen deutlich, dass Truman Armut als Resultat von Unterentwicklung betrachtet. „Behinderung“ und wird in diesem Sinne zur Metapher für „Unterentwicklung“.

Eine solche Metaphorisierung von „Behinderung“ und „Unterentwicklung“ geschieht nicht zufällig, sondern baut auf einer langen diskursiven Tradition auf.

Details

Seiten
X, 136
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653055047
ISBN (ePUB)
9783653970708
ISBN (MOBI)
9783653970692
ISBN (Paperback)
9783631660904
DOI
10.3726/978-3-653-05504-7
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Juli)
Schlagworte
Entwicklungsforschung Menschenrechte Behinderung Entwicklungszusammenarbeit
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. X, 136 S.

Biographische Angaben

Isa Garde (Autor:in)

Isa Garde studierte Internationale Entwicklung an der Universität Wien und forscht zu postkolonialen, feministischen und queeren Kritiken an «Entwicklung», Disability Studies und Crip Theory. Cripping Development? wurde mit dem Peter Lang Sonderpreis für Geisteswissenschaften 2014 ausgezeichnet.

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Titel: Cripping Development?
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