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Männerdiskurse in der deutschen und polnischen Anzeigenwerbung von 1995 bis 2009

Eine diskurslinguistische Analyse

von Barbara Baj (Autor:in)
©2015 Dissertation 402 Seiten

Zusammenfassung

Die Autorin analysiert den Männerdiskurs in der deutschen und polnischen Anzeigenwerbung von 1995 bis 2009. Hinter den Werbepräsentationen steht ein bestimmtes Wissen über Männer, über das die Werbetreibenden als Diskursteilnehmer verfügen und welches sie bei der Textproduktion unter Berücksichtigung der absatzsteigernden Ziele einsetzen. Barbara Baj widmet sich der Aufdeckung des kulturellen Wissens der deutschen und polnischen Werbetreibenden mithilfe des diskurslinguistischen Ansatzes und mit besonderer Beachtung der Sprache-Bild-Verknüpfung.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort
  • 1. Einleitung
  • 2. Forschungsüberblick
  • 3. Textlinguistik
  • 3.1 Textsortendifferenzierung
  • 3.1.1 Dimensionen der Textsortenbeschreibung
  • 3.1.2 Bestimmung der Textualitätsmerkmale
  • 3.1.2.1 Dimension der Textfunktion
  • 3.1.2.2 Dimension der Textsituation
  • 3.1.2.3 Dimension des Textthemas und der Textstruktur
  • 3.1.2.4 Dimension der Textgestaltung
  • 3.1.3 Zusammenfassung der Textualitätsmerkmale für eine mehrdimensionale Beschreibung der Textsorte Werbeanzeige
  • 3.2 Mehrdimensionale Beschreibung der Textsorte Werbeanzeige
  • 3.2.1 Funktionen und Ziele der Absatzwerbung
  • 3.2.2 Kommunikationssituation
  • 3.2.3 Textgliederung und Teilfunktionen der einzelnen Textelemente
  • 3.2.4 Sprache-Bild-Gestaltung
  • 4. Verhältnis zwischen Textlinguistik und Diskurslinguistik
  • 5. Diskurslinguistik
  • 5.1 Foucaults Diskursverständnis
  • 5.2 Diskurs in der germanistischen Sprachwissenschaft nach Foucault
  • 5.3 Diskurslinguistik und Diskursanalyse
  • 5.3.1 Was untersucht die Diskurslinguistik?
  • 5.3.2 Wie ist die Diskursanalyse organisiert?
  • 5.4 Exkurs: Diskursbegriff und Diskursanalyse in Polen
  • 6. Diskursive Regeln in Sprache-Bild-Texten
  • 6.1 Sprache-Bild-Verknüpfung
  • 6.1.1 Bedeutung des Sprach- und des Bildtextes für das Gesamtkommunikat
  • 6.1.2 Formal-strukturelle Sprache-Bild-Verknüpfung
  • 6.1.3 Logisch-inhaltliche Sprache-Bild-Verknüpfung
  • 6.1.4 Semiotische Beschaffenheit des Sprachlichen und des Bildlichen
  • 6.2 Ein ins Bild gesetzter Körper – Personeninszenierungen im Bild
  • 6.2.1 Strategien der Bildkomposition
  • 6.2.2 Strategien der Körperdarstellung
  • 7. Analysemodell
  • 8. Korpusbeschreibung
  • 9. Darstellungsebene
  • 9.1 Printwerbung für Dienstleistungen
  • 9.1.1 Quantitative und qualitative Auswertung der verbalen Bezeichnungen in den deutschen und polnischen Werbeanzeigen für Dienstleistungen
  • 9.1.2 Visuell-verbale Darstellungsmuster in den deutschen Werbeanzeigen für Dienstleistungen
  • 9.1.3 Visuell-verbale Darstellungsmuster in den polnischen Werbeanzeigen für Dienstleistungen
  • 9.1.4 Zusammenfassung und Vergleich
  • 9.2 Printwerbung für Gebrauchsprodukte und Geräte
  • 9.2.1 Visuell-verbale Darstellungsmuster in den deutschen Werbeanzeigen für Gebrauchsprodukte und Geräte
  • 9.2.2 Visuell-verbale Darstellungsmuster in den polnischen Werbeanzeigen für Gebrauchsprodukte und Geräte
  • 9.2.3 Zusammenfassung und Vergleich
  • 9.3 Autowerbung
  • 9.3.1 Visuell-verbale Darstellungsmuster in der deutschen Autowerbung
  • 9.3.2 Visuell-verbale Darstellungsmuster in der polnischen Autowerbung
  • 9.3.3 Zusammenfassung und Vergleich
  • 9.4 Printwerbung für Lebens- und Genussmittel: visuell-verbale Darstellungsmuster in den deutschen und polnischen Werbeanzeigen für Lebens- und Genussmittel
  • 9.5 Printwerbung für Körperpflege: visuell-verbale Darstellungsmuster in den deutschen und polnischen Werbeanzeigen für Körperpflege
  • 10. Bedeutungsebene
  • 10.1 Porträttypen
  • 10.1.1 Portraits d’avantage – Porträttyp mit direktem männlichem Blick
  • 10.1.1.1 Porträttyp mit direktem männlichem Blick im deutschen Männerdiskurs
  • 10.1.1.2 Porträttyp mit direktem männlichem Blick im polnischen Männerdiskurs
  • 10.1.2 Portraits d’avantage – Porträttyp mit Abwendung und Distanz
  • 10.1.3 Kopfporträts
  • 10.2 Semitransparente Präsenz des Mannes
  • 10.2.1 Minimalisierte Präsenz
  • 10.2.1.1 Ein kaum sichtbarer Mann (1995, 2009)
  • 10.2.1.2 Ein eingesperrter deutscher Mann (2004)
  • 10.2.2 Partielle Präsenz
  • 10.2.2.1 Ein im Bild abwesender Mann
  • 10.2.2.2 Ein kaschierter Mann
  • 10.3 Thematische Standfotos mit abbrevierter Handlung
  • 10.3.1 Beziehung
  • 10.3.2 Familienleben
  • 10.3.3 Freundschaft
  • 10.3.4 Sport
  • 10.3.5 Natur
  • 10.3.6 Arbeit
  • 10.4 Prädikative Präsentation des Mannes
  • 11. Argumentationsebene
  • 11.1 Argumentationsmuster im Männerdiskurs der Anzeigenwerbung
  • 11.2 Inhaltlich zentrale Argumentationsmuster in multimodalen Texten der deutschen und polnischen Anzeigenwerbung
  • 11.2.1 Inhaltlich zentrale Argumentationsmuster in beiden Gesellschaften
  • 11.2.2 Inhaltlich zentrale Argumentationsmuster nur in einer der beiden Gesellschaften
  • 11.2.3 Argumentationsmuster des deutschen und des polnischen Männerdiskurses im Vergleich und ihre diachrone Entwicklung von 1995 bis 2009
  • 11.3 Wissensbereiche der Männerdiskurse
  • 12. Deutsche und polnische Perspektiven auf den Mann in den nationalen Werbediskursen
  • 12.1 Perspektiven auf die Emotionen des Mannes
  • 12.2 Perspektiven auf die Sachlichkeit des Mannes
  • Schlussbetrachtung
  • Anhang
  • 1. Verzeichnis der Abbildungen
  • 2. Verzeichnis der Tabellen
  • 3. Verzeichnis der Diagramme
  • 4. Verzeichnis der Graphiken
  • Literaturverzeichnis
  • Reihenübersicht

← 8 | 9 → Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2014 an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald als Dissertation angenommen. Allen, die zu ihrem Gelingen beigetragen haben, widme ich diese Danksagung.

Zu unermesslichem Dank bin ich meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Jürgen Schiewe für seine wunderbare wissenschaftliche Betreuung verpflichtet. Ohne sein großes Vertrauen wäre diese Arbeit nicht zustande gekommen. Besonders danke ich Prof. Schiewe, dass er stets ansprechbar und hilfsbereit war, ununterbrochen Einsicht in die zahlreichen Kapitel nahm und mich über weite, komplexe Strecken (vor allem) der Theoriearbeit mit Erfolg begleitete. Für die wohlwollende und äußerst freundliche Unterstützung bedanke ich mich bei meiner Zweitgutachterin Prof. Dr. Zofia Bilut-Homplewicz. Ihrem bewussten oder unbewussten ermutigenden Interesse ist es geschuldet, dass ich viele Zweifel überwinden konnte.

Mein herzlichster Dank gilt außerdem allen Wissenschaftlern, insbesondere Dr. Philipp Dreesen, die an dem gemeinsamen Projekt der Universitäten Greifswald und Szczecin zum Thema „Deutsch-polnische Beziehungen“ teilnahmen. Die Kolloquien, die in der Zeit der Abfassung meiner Dissertation stattfanden, halfen mir, die theoretischen Fragen der Diskurslinguistik zu vertiefen und bereicherten mich jedesmal um neue Ideen.

Doch der wissenschaftliche Weg zur Vollendung dieser Arbeit war lang. In meiner Danksagung möchte ich auf keinen Fall die Personen unerwähnt lassen, die mir am Anfang dieses wissenschaftlichen Abenteuers ihre herzliche Unterstützung erwiesen. Mein ganz besonders inniger Dank gebührt Frau Prof. Dr. Damaris Nübling und Frau Prof. Dr. Elisabeth Cheauré, die für immer mit meinen besten Erinnerungen an die Freiburger Uni-Zeit verbunden bleiben. Die ersten Überlegungen zu dieser Dissertation gehen auf meine Magisterarbeit zurück, in der ich die Struktur kosmetischer Produktnamen auf allen linguistischen Ebenen untersucht und darin als Exkurs die Struktur von Produktnamen für Frauen und Männer verglichen hatte. Damals fand ich äußerst spannend, dass die Produktnamen hinter ihrer Struktur sehr viele Informationen über kulturelle und genderorientierte Einstellungen enthalten. Die Begeisterung für diese linguistischen Fragestellungen verdanke ich Frau Prof. Dr. Damaris Nübling, die meine Magisterarbeit interessiert betreut und mich für das wissenschaftliche Arbeiten begeistert hatte. Der zweite Impuls kam während meiner zeitweiligen Arbeit am Slavischen Seminar an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, wo ich außer der Betreuung der Datenbank zur russischen Frauenliteratur an Diskussionen über ← 9 | 10 → die Problematik der Genderdifferenz in wissenschaftlichen Kolloquien bei Frau Prof. Dr. Elisabeth Cheauré teilnahm. Äußerst hilfreich war auch der Einblick in die Datenbank zu russischen Porträts am Slavischen Seminar, die von Dr. Antonia Napp betreut wurde. Antonia sei herzlichst gedankt, dass sie mir mit kostbaren prägnanten Tipps die Augen für die Bildinterpretation geöffnet hatte.

Darüber hinaus danke ich herzlichst Julia und Dr. Simon Palaoro, dass sie mit großer Sorgfalt die Korrektur der Arbeit gelesen haben, aber auch dafür, dass sie als Freunde an mich immer geglaubt und mich ihre Anerkennung stets haben spüren lassen. Nicht zuletzt danke ich meiner Familie, insbesondere meinem Sohn Antoni für seine Liebe und Interesse.

Die Dissertation hätte jedoch nie in dieser Ausgabe gedruckt werden können, wenn zu ihrer Finanzierung nicht manche gute Menschen beigetragen hätten. Ich habe den ausgesprochen engagierten Bemühungen von Pater Andreas Pohl zu verdanken, dass er diese Menschen gefunden und zur freigebigen Unterstützung der Arbeit überzeugt hat. Danke.

Rzeszów, im November 2014

Barbara Baj

← 10 | 11 → 1 Einleitung

Männerdiskurse werden in vielen Lebens- und Wissensbereichen, in Artefakten oder Texten unterschiedlicher Materialität geführt und können deshalb aus differenten Perspektiven betrachtet werden. Ein Bereich, in dem sich Männerdiskurse konstituieren, ist die Werbung. Sie gilt aus diskursanalytischer Sicht als einer der Akteure öffentlicher Wissenskommunikation. In der Werbung zeigt sich somit ein Männerdiskurs, der in Texten/Aussagen, Bildern, gesellschaftlichen Werten, Idealen, Attitüden, Stilen, Mustern oder in der sozialen Entwicklung vorhanden ist. Da die Diskurse die Realität formen und bestimmen, können Männerbilder in der Werbung auch als das Ergebnis eines gesellschaftlichen Aushandlungsprozesses verstanden werden. Alle involvierten Menschengruppen gestalten den Diskurs gleichermaßen und keine dieser Gruppen entscheidet alleine über seine wirkliche Gestalt: „Alle Menschen stricken zwar am Diskurs mit, aber kein einzelner und keine einzelne Gruppe bestimmt den Diskurs oder aber hat genau das gewollt, was letztlich daraus herauskommt“ (Jäger 2005: 59).

Die Diskursanalyse rekonstruiert den Prozess der Wissensbildung bezüglich eines gewählten Themas. Sie berücksichtigt verschiedene Kommunikationsformen und -bereiche, Modalitäten, Analyseaspekte und Akteure der Handlungen. Dabei verfährt sie vielschichtig und ist oft interdisziplinär konzipiert. Dies macht sie „reizvoll, weil sie neue Erkenntnisse über Sprache, Sprechen und Gesellschaft (…) verspricht“ (Spitzmüller/Warnke 2011: 2). In Bezug auf den Wissensbereich ‚Werbung‘ stellt sich somit die Frage, „wie der Diskurs der Werbung Themen des gesellschaftlichen Diskurses aufgreift und umgekehrt auf die Gesellschaft zurückwirkt“ (Bendel Larcher 2012: 229).

Ziel der vorliegenden Arbeit ist die diskurslinguistische Untersuchung von Männerdiskursen in der deutschen und polnischen Anzeigenwerbung. Dabei stellt die Diskursanalyse von Werbekommunikaten ein interdisziplinäres Unterfangen dar (vgl. Bendel Larcher 2012: 236), denn hier lassen sich mindestens drei größere Forschungsinteressen erkennen: Männerbilder, Werbung und Diskursanalyse. Daher sollen zunächst Prioritäten und Schwerpunkte der Arbeit dargestellt werden.

In dieser Arbeit soll mittels des diskurslinguistischen Ansatzes das in Werbeanzeigen manifestierte Wissen der Diskursteilnehmer (hier der Werbetreibenden) über Männer offengelegt werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Erkenntnisse über die einzelnen Sprache-Bild-Texte der Werbeanzeigen hinaus zu suchen sind. Hier müssen die Wechselwirkungen zwischen Werbung und Konsumgesellschaft mit eingeschlossen werden. Die Diskursanalyse fragt also, mit welchen Argumenten, ← 11 | 12 → Idealen oder Werten zu welcher Zeit unter Berücksichtigung absatzsteigernder Ziele geworben wird, und wie diese mit den gesellschaftlichen Strukturen zusammenhängen. Schließlich soll diese Fragestellung nicht nur intranational, sondern auch kontrastiv deutsch-polnisch betrachtet werden.

Es geht dabei freilich nicht nur um die Darstellung von Männern in der Anzeigenwerbung, sondern vielmehr darum, was diese Darstellungen aussagen, welche Muster sie bilden und welche dieser Muster dann wieder verschwinden. Weiter wird gefragt werden, auf welche gesellschaftlichen Inhalte bzw. auf welches gesellschaftliche Wissen die untersuchten Anzeigen verweisen und welche Wirkung von diesen ausgeht. Summarisch betrachtet handelt es sich um ein Spiel von Regeln und Mustern, die das Auftreten und Verschwinden von Aussagen bestimmen. Damit ist gemeint, dass die Ergebnisse der Analyse immer wieder reflektiert und als Diskurswissen in den gesellschaftlichen Kontext gestellt werden. Um dieses übergeordnete Ziel zu erreichen, befasst sich die Arbeit zum einen mit dem Thema ‚Werbung‘ als einem Kommunikationssystem und -ort der Wissensbildung, umso mehr weil gerade bei der Diskursanalyse die Akteure der Kommunikation von großer Bedeutung sind. Zum anderen verpflichtet die Beschränkung auf die Textsorte Werbeanzeige zur tiefgehenden Auseinandersetzung mit Multimodalität1 in den Texten und mit der Sprache-Bild-Verknüpfung, wodurch die Arbeit mit Fragestellungen der Bildlinguistik in Berührung kommt.

Im praktischen Teil werden der deutsche und der polnische Männerdiskurs untersucht, die sich in den Texten der Werbeanzeigen zu drei gewählten Zeitpunkten (der Jahre 1995, 2004, 2009) widerspiegeln. Gleichzeitig wird auch ihre diachrone Entwicklung mit berücksichtigt. Als Textquelle dienen Sprache-Bild-Texte aus jeweils zwei nationalen Zeitschriften. Für den deutschen Diskurs wurden Der Spiegel und Brigitte, für den polnischen Wprost und Twój Styl ausgewählt. Herangezogen wurden nur einseitige Werbeanzeigen, die den Mann allein oder als Mitglied einer kleinen Gemeinschaft (z. B. Familie, Partnerschaft) in Bild oder Sprache thematisieren. Insgesamt umfasst der deutsche Korpus 219 und der polnische 105 Werbeanzeigen.2

Aufgabe der Untersuchung soll es sein, die Männerbilder in diesem Zeitraum in den gewählten Sprache-Bild-Texten diskurslinguistisch herauszuarbeiten und sie daraufhin zu analysieren, welche Zuschreibungen, Eigenschaften und Muster die Werbetreibenden für den Mann diskursiv aushandeln und wie über diese Männer gesprochen wird. Es geht somit um diskursive Darstellungen der Männer im zeitlichen ← 12 | 13 → Verlauf unter Berücksichtigung der Spezifik der Werbung. Die Methode der Untersuchung geht von dem DIMEAN-Modell (Warnke/Spitzmüller 2008 bzw. Spitzmüller/Warnke 2011) aus. Dieses dreistufige Analysemodell wird allerdings unter Berücksichtigung der Multimodalität und der Bildlichkeit in den Texten modifiziert (Meier 2008, Müller-Doohm 1997), indem es an die Analyse des Diskurses in multimodalen Texten angepasst wird. Dabei werden ebenfalls drei Analyseebenen unterschieden: die Darstellungs-, die Bedeutungs- und die Argumentationsebene.

Die Festlegung auf die Werbung als Kommunikationsbereich des Diskurses und auf die Werbeanzeige als Textsorte richtet den Blick der theoretischen Überlegungen zu dieser Arbeit, nachdem der allgemeine Forschungsstand im zweiten Kapitel präsentiert wurde, zunächst auf die Textlinguistik. Dies betont auch die erwähnte Tatsache, dass die Diskurslinguistik auf der Textlinguistik basiert und mit ihren Instrumenten arbeitet. Das Ziel des dritten Kapitels ist somit die Einbindung der Werbeanzeige in die Textanalyse. Hier wird vom „erweiterten Textbegriff“ ausgegangen3, der Sprache-Bild-Texte als eine Textsorte ansieht. Dies wird theoretisch begründet, indem Textualitätsmerkmale diskutiert werden, die die Textsorte Werbeanzeige beschreiben, und diese als multimodalen Text legitimieren. Bei dieser Beschreibung wird gleichzeitig das absatzwirtschaftliche Werbesystem näher beleuchtet, denn die Organisation der Werbung ist bei der Diskursanalyse von großer Bedeutung. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Werbung absatzwirtschaftliche Absichten verfolgt, indem sie von ständigem Konsum überzeugen will.

Den Übergang von text- zu diskurslinguistischen Fragestellungen behandelt das vierte Kapitel. Hier soll deutlich werden, dass die Diskurslinguistik die Texte im Verbund analysiert, indem sie über den Einzeltext hinausgeht, und die Beziehungen zwischen den Gegenständen und den Handelnden transtextuell betrachtet. Außerdem hat das Kapitel zum Ziel, die Erweiterung der textlinguistischen Fragestellungen deutlich zu machen, die zum Aufkommen der diskurslinguistischen ← 13 | 14 → Fragen beigetragen haben. Das fünfte Kapitel ist der Diskurslinguistik gewidmet. Wie alle diskurslinguistischen Arbeiten4 wird auch hier zunächst der Diskursbegriff für diese Untersuchung präzisiert und die Organisation des Diskurses bzw. der Diskursanalyse in der Linguistik dargestellt. Dabei werden die diskursanalytischen Forschungsrichtungen innerhalb der Sprachwissenschaft besprochen, um die Einordnung der vorliegenden Arbeit in die Diskursanalyse der germanistischen Forschung klar zu machen. Aus dem diskursanalytischen Interesse heraus stellt sich des Weiteren die Frage nach diskursiven Regeln, in denen sich der Diskurs widerspiegelt. Sie werden durch die Spezifik der Werbeanzeige als Textsorte und aus dem Untersuchungsgegenstand (der Mann) hergeleitet, was in Kapitel 6 besprochen wird. Die diskursiven Regeln werden zum einen in der Sprache, im Bild, in der Sprache-Bild-Verknüpfung und im Textdesign untersucht. Daher beschäftigt sich das erste Unterkapitel (Kap. 6.1) mit den Strategien der Sprache-Bild-Verbindung in den Werbeanzeigen, die als diskursive Regeln unter vier Aspekten beschrieben werden: Bedeutung der beiden Teiltexte im Gesamtkommunikat, ihre formal-strukturelle und logisch-inhaltliche Verknüpfung, sowie semiotische Beschaffenheit der beiden Textteile. Das darauf folgende Unterkapitel (Kap. 6.2) zieht zum anderen diskursive Regeln heran, die ausdrücklich die Kategorie ‚Mann‘ ins Visier nehmen. Diese Regeln liegen vor allem in Darstellungen der Körper im Sprache-Bild-Text. Somit wird vorwiegend auf soziologische und kunstwissenschaftliche Ansätze zurückgegriffen. Hierfür gehören beispielsweise die Kriterien des Bildausschnitts, Körperhaltung, Choreographie des Bildes, Einsatzes von Körperstereotypen und dem Beiwerk.

Nachdem in Kapitel 7 das dreistufige Analysemodell für diese Arbeit vorgestellt wird und in Kapitel 8 das Korpus der deutschen und der polnischen Werbeanzeigen beschrieben werden, wenden sich die weiteren Kapitel der eigentlichen diskursanalytischen Untersuchung des Materials zu, die auf drei Analyseebenen verläuft und auf die quantitativ-qualitative Weise durchgeführt wird. Im neunten Kapitel werden die Männerdiskurse auf der Oberfläche des Textes analysiert. Diese erste Analyseebene wird Darstellungsebene genannt. Hier werden semantische Felder und Schlüsselwörter herausgearbeitet, die mit Darstellungen des Mannes alleine oder mit einer Frau bzw. Kind verbunden sind. Da diese Begrifflichkeit sehr stark mit der Spezifik der jeweiligen Produkte zusammenhängt, gibt es eine ← 14 | 15 → unterschiedliche produktspezifische Semantik. Demzufolge treten differente Männereigenschaften je nach Produkt in Erscheinung.

Kapitel 10 analysiert die Sprache-Bild-Texte auf der Bedeutungsebene. Die Werbeanzeigen werden hier ganzheitlich in der Sprache-Bild-Aussage interpretiert. Dadurch werden Absichten und Ziele der Werbetreibenden deutlich. Die Analyse der Gesamtgestaltung und Bedeutung von Werbeanzeigen lässt in den Korpora der beiden Länder folgende Regelmäßigkeiten und Muster erkennen: Porträts, Muster der Semipräsenz des Mannes, thematische Standfotos mit abbrevierter Handlung und Muster der prädikativen Präsentation des Mannes.

Schließlich zeigt die Untersuchung auf der Argumentationsebene in Kapitel 11, welche Argumentationsmuster in Bezug auf den Mann eingesetzt werden, um absatzwirtschaftliche Ziele zu erreichen. Hier lassen sich inhaltlich zentrale Argumentationsmuster feststellen, die in beiden Ländern als zentral gelten (Sinnlichkeits-, Prestige-, Experten-, Profi- und Vater-Topos) und solche, die nur in einem der Länder deutlich gebraucht werden (z. B. Sozialkompetenz- und Grenzerfahrungs-Topos im polnischen Diskurs, Innovations-Topos im deutschen Diskurs). In diesen Argumentationen wird erkannt, dass sich die Diskursteilnehmer auf bestimmte Wissensbereiche beziehen, die als ‚Bezugssysteme‘ oder ‚Bezugssprachen‘ bezeichnet werden. Das Vorkommen von bestimmten Topoi und ihre quantitative Verteilung erlauben die Identifikation dreier Bezugssysteme: eines emotionalen, eines zwischenmenschlichen und eines sachlichen Bereichs. Auf diese drei Wissensbereiche greifen die Diskursteilnehmer somit zurück, wenn sie in der Werbung über Männer sprechen.

Im abschließenden Analysekapitel (Kapitel 12) wird unter Berücksichtigung aller Analyseebenen dargestellt, über welche Emotionen, Relationen oder Sachkenntnisse des Mannes in den deutschen und polnischen Werbeanzeigen wie gesprochen wird sowie welche Positionen die Diskursteilnehmer demgegenüber einnehmen. In der Schlussbetrachtung wird schließlich auf die eingangsgestellten Fragen Bezug genommen. ← 15 | 16 →

_______________

1Zur Beschreibung der Multimodalität siehe Stöckl (2011: 47).

2Die beiden Korpora werden ausführlich in Kapitel 8 beschrieben. Dort wird auch auf den quantitativen Unterschied zwischen den nationalen Korpora eingegangen.

3Der „erweiterte Textbegriff“ wird unterschiedlich erfasst. Beispielsweise bezieht Stöckl (z. B. 2012) Bilder und andere nicht-sprachliche Elemente als integrale Bestandteile des Textes ein. Auch Fix (2008), Klemm (2011) plädieren für einen „erweiterten Textbegriff“ oder einen „Gesamttext“, der alle Modalitäten einbezieht. Es werden aber dafür auch andere Bezeichnungen gefunden. Das, was Stöckl als Text versteht, wollen andere anders benennen, z. B. als Kommunikat (Adamzik 2004) oder Sehflächen (Schmitz 2011). Zur grundsätzlichen terminologischen Problematik des Textbegrifft siehe auch Fix (2002). In der Textlinguistik ist man sich jedoch einig, dass „Text“ mehr als eine Menge von Sätzen ist und somit eine Kategorie eigener Art darstellt (vgl. Janich 2008).

4Spitzmüller/Warnke (2011: 8) stellen fest, dass sich diskurslinguistische Arbeiten genötigt sehen, den Diskursbegriff theoretisch zu klären, weil er unterschiedlich gebraucht wird. Die Erklärung des Begriffs ist „integraler Bestandteil der Disziplinengeschichte sowie der Theoriebildung“ (ebd.: 5).

← 16 | 17 → 2 Forschungsüberblick

Details

Seiten
402
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653053869
ISBN (ePUB)
9783653971286
ISBN (MOBI)
9783653971279
ISBN (Hardcover)
9783631660546
DOI
10.3726/978-3-653-05386-9
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (April)
Schlagworte
Diskurs Sprache-Bild-Verknüpfung Werbung Absatzsteigerung Männer
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 402 S., 156 farb. Abb., 18 Tab., 38 Graf.

Biographische Angaben

Barbara Baj (Autor:in)

Barbara Baj studierte Deutsche Philologie, Neuere Deutsche Literatur und Slavistik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Die Promotion schloss sie an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald im Fach Deutsche Philologie ab. Sie ist als Dozentin für Deutsche Sprache und freie Übersetzerin tätig.

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