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Studien zu Sprache und Stil in alt- und mittelhochdeutscher Literatur

von Helge Eilers (Autor:in)
©2015 Sammelband 240 Seiten

Zusammenfassung

Diese Studien behandeln anhand repräsentativer Texte der alt- und mittelhochdeutschen Literatur zentrale Themen im Bereich von Sprache und Stil. Dazu gehören Parataxe und Hypotaxe in althochdeutscher Prosa und im Nibelungenlied, Parenthese sowie Sprachstil in der frühmittelhochdeutschen Epik, vor allem im Rolandslied und in der Kaiserchronik. Außerdem zählen dazu Stilmittel (insbesondere Metaphorik) bei Walther und Hartmann – hier im Vergleich mit dem Rolandslied sowie mit dem spätmittelhochdeutschen Helmbrecht, dazu die Sprachreflexion Hartmanns in seinem Werk und, als Anhang, Sprachwandel der Gegenwart in diachroner Sicht. Die Studien verstehen sich als Beitrag zur deutschen Sprachgeschichte (dazu u.a.: komplexe Hypotaxe der höfischen Passagen im Nibelungenlied, Relevanz der Parenthese im Frühmittelhochdeutschen, zum Teil zyklischer Charakter beim Sprachwandel); sie sind aber auch Anregung für Kritik und weitere Untersuchungen zur Thematik.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Die Syntax in Texten kirchlicher Gebrauchsprosa in althochdeutscher Zeit
  • 0. Einleitung
  • 1. Taufgelöbnis
  • 1.1 Das fränkische Taufgelöbnis
  • 1.2 Das sächsische Taufgelöbnis
  • 2. Credo (Symbolum Apostolorum)
  • 2.1 Das Credo aus St. Gallen
  • 2.2 Das Credo aus dem Weißenburger Katechismus
  • 3. Priestereid
  • 4. Gebet
  • 4.1 Gloria aus dem Weißenburger Katechismus
  • 4.2 Kurze Gebete
  • 4.2.1 Fränkisches Gebet
  • 4.2.2 Gebete des Sigihart
  • 4.2.3 Augsburger Gebet
  • 4.3 St. Emmeramer Gebet
  • 4.4 Otlohs Gebet
  • A. Sätze
  • B. Satzgefüge
  • 5. Beichte
  • 5.1 Ältere (erste) bairische Beichte
  • 5.1.1 Jüngere (zweite) bairische Beichte
  • 5.2 Fuldaer Beichte
  • 5.3 Lorscher Beichte
  • 6. Zusammenfassung
  • Literatur (in der Darstellung)
  • Textausgaben
  • Darstellungen
  • Sprache und Stil bei Herrscherlob und Fürstenpreis in der deutschen Dichtung des frühen Mittelalters
  • Otfrid von Weißenburg: Ludwig der Deutsche
  • Ludwigslied
  • De Heinrico
  • Rolandslied, Kaiserchronik, Annolied
  • Zusammenfassung
  • Form und Funktion der Parenthese in frühmittelhochdeutscher Epik
  • Definition und Kriterien der Beschreibung
  • Funktionsbereiche der Parenthese
  • Kaiserchronik
  • I. Äußerungen des Autors in einem Erzähl- oder Sinnzusammenhang
  • A. Versicherung der Wahrheit durch den Autor
  • B. Berufung oder Hinweis auf die Quelle
  • C. Ausruf
  • D. Rhetorische Frage
  • F. Meinung/Urteil
  • 2. Äußerungen eines Sprechers in direkter Rede
  • A. Beteuerung der Wahrheit
  • D. (rhetorische) Frage
  • F. Urteil
  • Zusatz: Parenthese Typus B
  • A. Beteuerung der Wahrheit
  • B. Hinweis auf die Quelle:
  • E. Befehl / Aufforderung
  • II. Hinweise und informative Zusätze
  • 1. Ergänzung
  • 2. Erläuterung
  • III. Zusätze als Aussagen und ihre Beziehung zum Zusammenhang (von Satz oder Satzgefüge)
  • 1. Aspekt der Zeit im Verhältnis zu Trägersatz oder Umgebung eines Gefüges
  • A. Nachtrag (Vorzeitigkeit)
  • B. Verweis auf Zukünftiges
  • C. Gleichzeitigkeit
  • 2. Koinzidenz der Intention
  • 2. Aspekt der logischen Beziehung zwischen Parenthese und Umgebung
  • A. Begründung (kausaler Bezug)
  • B. Folge (konsekutiv)
  • C. Gegensatz (adversativ)
  • D. Gegengrund (konzessiv)
  • E. Art und Weise bzw. Vergleich (modal)
  • Parenthese Typus B
  • Parenthese Typus C
  • Zusammenfassung
  • Rolandslied
  • Vorbemerkung
  • Zusammenfassung und Vergleich mit der Kaiserchronik
  • Zusatz: Annolied und Vorauer Alexander
  • Das Annolied
  • Der Vorauer Alexander
  • Allgemeine Zusammenfassung
  • Einflüsse des „Rolandsliedes“ in „Der arme Heinrich“ von Hartmann von Aue?
  • 1. Einleitung
  • 2. Gemeinsamkeiten bei Themen, Motiven und Wortwahl
  • 2.1 Dualismus (Diesseits – Jenseits / Heiden – Christen)
  • 2.2 Opfer-Thematik
  • 2.3 Göttliche Inspiration
  • 2.4 Herrrscherlob (Tugenden)
  • 2.5 Bezüge zu Bibel und Theologie
  • 2.6 Bäuerliches Leben
  • 3. Gemeinsame Stilmittel
  • 4. Zusammenfassung und Fazit
  • Sprachbewusstsein und Sprachreflexion bei Hartmann von Aue (Gregorius, Der arme Heinrich, Erec, Iwein)
  • Zusammenfassung
  • Sprache und Realität in mittelhochdeutschen und spätmittelhochdeutschen Texten am Beispiel des „Armen Heinrich“ von Hartmann von Aue und des „Helmbrecht“ von Wernher dem Gärtner
  • 1. Einleitung
  • 2. „Der arme Heinrich“
  • 2.1 Syntax (im wesentlichen in Verbindung mit der Handlung)
  • 2.2 Lexik, Metaphorik und Symbolik (in Bezug auf die Umwelt und die Realien)
  • 2.3 Namen und Fremdsprachliches
  • 3. „Helmbrecht“
  • 3.1 Syntax (Handlung)
  • 3.2 Lexik
  • 3.3 Metaphorik und Symbolik
  • 3.4 Namen und Fremdsprachliches
  • 4. „Schlüsselwörter“ für beide Werke
  • 4.1 mittelhochdeutsch mist – neuhochdeutsch: Mist
  • 4.2 mhd. gouch – nhd.: Kuckuck (Metapher für Tor/Narr)
  • 4.3 mhd. wetzestein – nhd.: Wetzstein
  • 4.4 mhd. nacket und blôz – nhd.: nackt und bloß
  • 5. Zusammenfassung und Ausblick
  • Zorn als Agens in der Spruchlyrik Walthers von der Vogelweide
  • 1. Thematik ‚Zorn‘ expressis verbis
  • 2. Thematik ‚Zorn‘ in metaphorischer Form
  • 3. Ausdruck des Zorns mit rhetorischen Mitteln
  • Strophen gegen Innozenz III.
  • Zusammenfassung
  • Studien zur Satzsyntax im ersten Teil des Nibelungenlieds
  • 0. Einleitung
  • Teil A
  • 1. Satz und Satzreihe / Parataxe
  • 2. Satzgefüge / Hypotaxe
  • 2.1 Nebensätze (abhängige Sätze)
  • 2.1.1 Konjunktionalsätze
  • a) daz-Sätze
  • b) Temporalsätze
  • c) Modalsätze (Komparativsätze)
  • d) Konzessivsätze
  • e) Konditionalsätze
  • f) Kausalsätze
  • g) Finalsätze
  • h) Konsekutivsätze
  • Zusammenfassung zu den Nebensatzarten
  • 3. Besondere syntaktische Konstruktionen
  • Zusammenfassung zu Teil A
  • Teil B
  • 1. Parataxe
  • 1. Aventiure
  • 4. Aventiure
  • 6. und 7. Aventiure
  • 16. Aventiure
  • Zusammenfassung zu Teil B:
  • Parataxe
  • 2. Hypotaxe
  • Erwartungshorizont zur Thematik
  • 3. Aventiure
  • 4. Aventiure (I)
  • 4. Aventiure (II)
  • 15. Aventiure
  • 19. Aventiure
  • 16. Aventiure
  • Zusammenfassung zu Teil B: Hypotaxe
  • Nachtrag
  • Vergleich und Metapher im Nibelungenlied
  • 0. Einleitung
  • 1. Vergleich
  • 1.1 Personen
  • 1.2 Personengruppen
  • 1.3 Realien
  • 1.4 Zusammenfassung
  • 2. Metapher
  • 2.1 Personen / Gruppen
  • 2.1.1 Teile des Körpers
  • 2.1.2 Tätigkeiten
  • 2.2 Realien
  • 2.3 Abstrakta
  • 2.4 Zusammenfassung
  • 3. Fazit
  • 4. Nachtrag: Vergleiche und Metaphern im Rolandslied
  • Literaturverzeichnis
  • A. Ausgaben
  • B. Darstellungen
  • Tendenzen der Veränderung im gegenwärtigen Deutsch im Lichte des Mittel- und Althochdeutschen
  • 1. Schwund und Ersatz des Genitivs, insbesondere nach Präpositionen
  • 2. Vergleichspartikel ‚wie‘ für ‚als‘ beim Komparativ
  • 3. Zweitstellung des Prädikats bei der Konjunktion ‚weil‘
  • 4. fremdsprachliche Elemente (als Einfügungen) im Deutschen
  • A. französischer Einfluß im Mittelalter
  • B. lateinischer Spracheinfluß im Mittelalter
  • Zusammenfassung und Ausblick
  • Ausblick, d.h. Konsequenzen

Die Syntax in Texten kirchlicher Gebrauchsprosa in althochdeutscher Zeit

0.  Einleitung

Bei dieser Gebrauchsprosa handelt es sich um ahd. Übersetzungen lateinischer Vorlagen mit formelhaftem Charakter wie Taufgelöbnis, Glaubensbekenntnis, Priestereid, Gebet und Beichte als wesentlich und häufig verwendete Texte in der kirchlichen Praxis1. Die Übersetzungen stehen – durch ihren Inhalt und ihre Funktion bedingt – der lat. Vorlage zwar sehr nahe, gehen aber über die Form der Interlinearversion hinaus. Sie erstreben einen „verständlichen Text“ (H. de Boor a.a.O, S. 26) und bieten dabei auch eigene syntaktische Strukturen. Vom Charakter der stark formelhaften Texte her gesehen sind allerdings keine ausgeprägten oder gar komplexen Gefüge zu erwarten, sondern eher parataktische Fügungen. Unter dieser Perspektive sollen die verschiedenen Textsorten der kirchlichen Gebrauchsprosa näher analysiert und bewertet werden. (Die ausgewählten ahd. Texte können wegen ihres Umfangs insgesamt und wegen der erforderlichen Berücksichtigung von drei verschiedenen Textausgaben – s. Anhang – nicht in den Beitrag aufgenommen werden.)

1.  Taufgelöbnis

1.1  Das fränkische Taufgelöbnis

Das Gelöbnis (s. Ahd. Lesebuch XVI. Tübingen 171994, S. 38) gliedert sich in zwei Teile: die Absage an den Teufel (abrenuntiatio diaboli) und das Glaubensbekenntnis (confessio fidei). Die Abrenuntiatio am Beginn des Gelöbnisses besteht aus drei Fragen – jeweils eingeleitet mit forsahhistu ? – , zweimal in Form eines Fragesatzes und einmal in Gestalt eines Satzgefüges als Verbindung von Haupt- und Relativsatz. Die Fragen bzw. Satzkonstruktionen folgen nach dem Prinzip der Steigerung (Klimax), indem der ← 9 | 10 → erste Satz nur ein Objekt aufweist, der zweite Satz dagegen zwei Objekte (mit Genitivattribut) und im Falle der dritten Frage enthält der Hauptsatz drei Objekte und der Relativsatz – als Wiederholung – drei Angaben (in Form einer Prädikativergänzung). Die jeweils gleiche Antwort auf die Fragen beschränkt sich auf die Verbindung von Subjekt und Prädikat: ih fursahhu.

Das Glaubensbekenntnis umfasst sieben Fragesätze – alle in der Form giloubistu als Einleitung für die verschiedenen Aspekte des Bekenntnisses. Entsprechend erfolgt jeweils im Anschluss an die Frage die Antwort mit dem Satz: ih giloubu. So ergibt sich bei den Fragen und Antworten des Bekenntnisses jeweils eine Reihe von sieben Sätzen mit Wiederholung der Einleitung giloubistu einerseits und Wiederholung der Antwort andererseits, so dass durch diese anaphorisch wiederkehrende Fügung des Bekenntnisses ein stereotyp-formelhafter Charakter bewirkt wird, der aber den Fragen jeweils gleichen Rang zuweist sowie – auch im Fall der Antworten – nicht zuletzt durch die nachdrückliche Wiederholung besonderes Gewicht verleiht. Das Bekenntnis ist naturgemäß mit sieben Einheiten (Frage und Antwort) nach Umfang und Inhalt stärker ausgeprägt als die vorausgehende Abrenuntiatio. Diese weist allerdings als strukturelle Besonderheit ein (einfaches) Satzgefüge auf, jedoch ist der Relativsatz im Wesentlichen eine Wiederholung des Hauptsatzes, so dass die eigentlich hypotaktische Form der Frage kaum wahrgenommen wird.

Insgesamt gesehen herrscht im Satzbau die parataktische Struktur, die durch Wiederholung bzw. anaphorische Fügung in besonderem Maße betont wird. Dies entspricht der festgelegten Abfolge der Fragen zu Absage und Bekenntnis sowie der entsprechenden Antworten als Vollzug des Taufgelöbnisses.

1.2  Das sächsische Taufgelöbnis

Dieses niederdeutsche Taufgelöbnis (Ahd. Lesebuch XVI. 2 II, S. 39) aus den 70er/80er Jahren des 8. Jh.s im Zusammenhang mit der Sachsenbekehrung unter Karl dem Großen zeigt gegenüber dem (wohl früheren) fränkischen Text eine etwas andere Struktur. So sind zwar auch hier Abrenuntiatio und Confessio gegeben, aber die Gewichtung ist verändert, da ← 10 | 11 → beide Teile jeweils drei Fragen und entsprechend drei Antworten aufweisen. Im Fall der Abrenuntiatio ist aber die dritte Frage ein (verkürzter) Fragesatz, während die Antwort in Form eines Satzgefüges erfolgt, wobei der Hauptsatz sechs Objekte enthält – dabei drei Götternamen –, also die eigentliche Abrenuntiatio, während der Relativsatz noch eine weitere Angabe zum letzten Objekt des Hauptsatzes: allum them unholdum hinzufügt: the hira genotas sind (=Genossen der vorher genannten Götter). Gegenüber dem fränkischen Text haben wir hier eine Umkehrung der Gewichtung und Struktur der Syntax: hier kurze Frage und längere Antwort mit Satzgefüge, dort Frage als Satzgefüge und kurze Antwort. Damit gewinnt die eigentliche Abrenuntiatio (mit ihren erweiterten Inhalten) an Bedeutung. Die Confessio beschränkt sich auf die drei Fragen nach dem Glauben an Vater, Sohn und heiliger Geist – dies im Unterschied zu den sieben Fragen in der fränkischen Fassung, die von dem Apostolischen Bekenntnis geprägt ist. Allerdings enthalten die Antworten im sächsischen Text wiederum die Objekte der Fragen und sind damit als Vollzug der Confessio von größerem Gewicht.

Bei allen Unterschieden – die religiös-theologischen Aspekte sind hier nicht berücksichtigt (s. dazu: H. de Boor/R. Newald a.a.O., S. 26f.) – ergibt sich für beide Texte eine ähnliche Struktur: die Verbindung von Abrenuntiatio und Confessio, wobei die parataktische Fügung von Frage- und Antwortsätzen prägend ist und nur bei der dritten Frage im ersten Teil ein Relativsatz auftritt – man könnte ihn als Entlastung des relativ umfangreichen Hauptsatzes sehen, im Falle des fränkischen Textes auch als Variation oder Wiederholung des Hauptsatzes. Die reihende Fügung der Sätze wird durch das Prinzip der Wiederholung bzw. im sächsischen Text durch die Form der Anapher verstärkt. Damit gewinnen die Texte durchaus formelhaften Charakter, was einerseits durch den Rollencharakter (Frage des Priesters und Antwort des Taufpaten für den Täufling) bedingt ist, andererseits von der Verbindlichkeit und Unbedingtheit des Gelöbnisses gefordert ist. –

2.  Credo (Symbolum Apostolorum)

Gegenüber dem Credo als Teil des Taufgelöbnisses ist das Apostolische Glaubensbekenntnis (aus St. Gallen und aus Weißenburg) umfassender – vor ← 11 | 12 → allem durch die Ereignisse in Verbindung mit Jesus. Aber auch hier handelt es sich um eine Abfolge bzw. Reihung der für den Glauben wesentlichen Aussagen. Entsprechend dominieren Sätze (als Aussagesätze) gegenüber der Form des Satzgefüges.

2.1  Das Credo aus St. Gallen

In diesem Text vom Ende des 8. Jh.s (nach der Ausgabe von Stephan Müller: Althochdeutsche Literatur. Stuttgart 2007, S. 182) findet sich zunächst ein Satzgefüge aus einem Hauptsatz mit sechs Relativsätzen – z.T. verkürzt oder durch Auxiliarellipse auf den nicht finiten Teil des Prädikats reduziert. (Als Kriterium für einen Satz bzw. Nebensatz gilt ein Prädikat, auch mit Auxiliarellipse, wenn das Subjekt aus einem vorausgehenden Satz bzw. Nebensatz gegeben ist, aber nicht wiederholt wird.) Im weiteren Text folgen drei Sätze als Aussagen und – vor dem abschließenden umfangreichen Aussagesatz (mit sechs Objekten) – wiederum ein Satzgefüge aus Haupt- und Relativsatz (mit einem Prädikat als Verbindung von Partizip Präsens und der finiten Form des Auxiliarverbs sîn). Wie schon im Falle des Taufgelöbnisses dienen die Relativsätze in den Satzgefügen der Gliederung der Aussagen im Sinne der Entlastung eines sonst allzu umgangreichen Satzes und möglicherweise auch der Vermeidung durchgängiger Parataxe.

2.2  Das Credo aus dem Weißenburger Katechismus

Der Satzbau dieser Fassung vom Anfang des 9. Jh.s (Text nach St. Müller, S. 184) stimmt weitgehend mit dem des St. Galler Credo überein – nur anstelle des 2. Satzgefüges (mit Haupt- und Relativsatz) erscheint im Weißenburger Text ein Aussagesatz, da das Partizip venturus der lat. Vorlage auch partizipial (quemendi), also nicht mit Relativsatz wiedergegeben wird. Entweder fühlte sich der Übersetzer der Vorlage entsprechend verpflichtet, oder eine Wiedergabe mit Relativsatz als Element der Gliederung bzw. Entlastung (s.o.) schien entbehrlich, da das Partizip durch den verbalen Charakter als tragendes Element wie ein Prädikat (des möglichen Relativsatzes) zu verstehen ist. – ← 12 | 13 →

3.  Priestereid

Der relativ kurze bairische Text (nach St. Müller, S. 60) – wa. aus der ersten Hälfte des 9. Jh.s – als Eid des Priesters gegenüber dem Bischof erscheint in der Form eines komplexen Satzgefüges, allerdings ohne den einführenden Hauptsatz mit der Eidesformel (in Gestalt eines performativen Verbs in der 1. Person), möglicherweise wurde eine solche Einführung des Eides von anderer Seite vorgegeben und der Priester sprach nur die Inhalte des Eides aus. Diese erscheinen als Verbindung von zwei Nebensätzen mit der Konjunktion daz (im zweiten ausgespart), denen jeweils ein weiterer Konjunktionalsatz (mit der modalen Konjunktion ) als Nebensatz 2. Grades untergeordnet ist. Damit ergibt sich vom Satzbau her eine parallele Fügung der Nebensätze und mit der Unterordnung 2. Grades eine komplexe, d.h. deutlich gegliederte Struktur der Aussage: Diese erfasst in den beiden daz-Sätzen die eigentlichen Inhalte des Eides und in den beiden untergeordneten Nebensätzen eine persönlich gefasste Zusicherung der (so weit wie möglichen und so weit wie erforderlichen) Erfüllung des geleisteten Eides. Diese Struktur der Verbindung eines daz-Satzes mit einem untergeordneten mit eingeleiteten Konjunktionalsatz findet sich dann in sehr ausgeprägter Form in den Beichten (s.u. Kap. 5).

4.  Gebet

4.1  Gloria aus dem Weißenburger Katechismus

Das Gloria – seit dem 4. Jh. Teil der Messe – ist in der ahd. Fassung Teil des sog. Weißenburger Katechismus aus dem Anfang des 9. Jh. (Text nach St. Müller, S. 188). Der Text schließt sich an den Gesang der Engel nach der Geburt Christi an (daher auch Hymnus angelicus genannt). Er ist eine Verbindung von Lobpreisung und Bittgebet, was auch die syntaktische Struktur des Ganzen prägt: Nach den Worten vom Gesang der Engel (Luk. 2,14) folgt eine parataktische Reihung von fünf Sätzen, mit denen Gott von den Gläubigen (in der 1. Person Plural) gepriesen wird. Mit einer umfangreichen Anrede Gottes und seines Sohnes – die Aufzählung umfasst acht Glieder – verbinden sich im Folgenden drei Satzgefüge, die jeweils mit Haupt- und Relativsatz gebildet sind: Die drei Relativsätze mit Bezug auf Christus verweisen zweimal auf dessen Übernahme der Sünden dieser Welt ← 13 | 14 → und einmal auf seinen Platz bei Gott Vater, um dann – jeweils in Form des Hauptsatzes – die Bitten um Erbarmen und Erhörung anzuschließen (Das Erbarmen wird auch zweimal angesprochen, aber in anderer Abfolge als die Wiederholung in den Relativsätzen.) Das Gloria schließt mit einem umfangreichen Satz durch ein viergliedriges Prädikat in Form von Kopula mit vier Prädikatsnomina (ein Adjektiv, zwei Substantive und ein Name). Dieser abschließende Satz greift im Wesentlichen die vorher gegebene Anrede auf, indem Christus gepriesen wird., um die an ihn gerichteten Bitten um Erbarmen zu rechtfertigen, da nur er sie erfüllen kann. Das Gloria ist durch die syntaktische Struktur – entsprechend seinen Aussagen – deutlich gegliedert, wobei die Relativsätze in den Satzgefügen eine spezifische Funktion haben: einerseits Entlastung der Parataxe, aber auch Verweise auf Jesus als Begründung für die an ihn gerichteten Bitten.

4.2  Kurze Gebete

Es handelt sich bei diesen Gebeten um drei kurze Texte mit wenigen Zeilen bzw. Versen (einmal zwei und zweimal vier Zeilen), wobei zwei der Fassungen Metrum und Endreim aufweisen und damit Otfrids Evangelienbuch nahe stehen.

4.2.1  Fränkisches Gebet

Dieser Prosatext in rheinfränkischer Sprache wurde 821 in Regensburg aufgeschrieben und ist damit das älteste der drei kurzen Gebete, auch im Gebetsteil des „Wessobrunner Gebets“ aus dem 8. Jh. (Text nach St. Müller, S. 196). Zusätzlich ist eine lateinische Fassung angefügt, die offenbar – so St. Müller in seinem Kommentar (S. 359) – auf dem ahd. Text beruht. Das kurze Gebet umfasst lediglich zwei Befehlsätze im Sinne von Bitten, wobei der erste Satz nur ein Objekt zum Imperativ aufweist, der zweite dagegen – als konkrete Bitten – sieben Objekte in überwiegend syndetischer Reihung (in drei Fällen mit Adjektivattribut zur näheren Bestimmung).

So gewinnt der relativ kurze Text durch die Aufzählung der Objekte als Inhalt, d.h. Intention des Gebets an Gewicht, währenddessen die syntaktische Struktur – die Verbindung von zwei Imperativen bzw. Befehlssätzen – nur geringe Bedeutung besitzt und beim Gebetsvortrag kaum wahrgenommen werden dürfte. ← 14 | 15 →

Details

Seiten
240
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653051995
ISBN (ePUB)
9783653972085
ISBN (MOBI)
9783653972078
ISBN (Hardcover)
9783631660119
DOI
10.3726/978-3-653-05199-5
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Schlagworte
Syntax Hypotaxe Metapher Parenthese Sprachwandel
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 240 S.

Biographische Angaben

Helge Eilers (Autor:in)

Helge Eilers studierte Germanistik und Klassische Philologie in Tübingen, Frankfurt und Marburg. Nach dem Staatsexamen in den Fächern Deutsch und Latein, der Promotion und der Habilitation war er Privatdozent an der TU Darmstadt.

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