Lade Inhalt...

Gibraltar im 18. Jahrhundert

Die Formung einer multiethnischen und multireligiösen Gesellschaft in der Frühen Neuzeit

von Jochen Hausmann (Autor:in)
©2015 Dissertation 126 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch beschäftigt sich mit bislang wenig erforschten gesellschaftlichen Entwicklungen der Frühen Neuzeit in Gibraltar, der letzten Kolonie auf dem europäischen Kontinent. Seit der Eroberung im Spanischen Erbfolgekrieg 1704 entwickelte sich dort im Schatten der britischen Garnison und isoliert vom meist feindlichen spanischen Umland eine einzigartige und funktionierende Zivilgesellschaft aus Katholiken, Protestanten und Juden. Die Wurzeln dieser Gesellschaft, die heute über eine starke eigene Identität verfügt, liegen im 18. Jahrhundert – also in einer Zeit, in der die britische Politik nicht gerade durch Toleranz gegenüber Katholiken und Juden gekennzeichnet war.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Zum Geleit
  • 1. Einleitung
  • 2. Der Spanische Erbfolgekrieg bis zur Eroberung Gibraltars
  • 3. Gibraltar 1704–1730
  • 4. Die Zivilbevölkerung 1704–1729
  • 4.1 Die Protestanten
  • 4.2 Die Katholiken
  • 4.3 Die Juden
  • 5. Gibraltar 1730–1753
  • 6. Die Zivilbevölkerung 1730–1753
  • 6.1 Die Protestanten
  • 6.2 Die Katholiken
  • 6.3 Die Juden
  • 7. Gibraltar 1754–1783
  • 8. Die Zivilbevölkerung 1754–1783
  • 8.1 Die Protestanten
  • 8.2 Die Katholiken
  • 8.3 Die Juden
  • 9. Ausblick
  • 10. Fazit
  • 11. Quellen
  • 12. Literaturverzeichnis
  • 13. Anhang

Zum Geleit

Die Beschäftigung mit der Geschichte Gibraltars nimmt in der deutschen Geschichtswissenschaft keinen großen Raum ein. Herr Hausmann hat sich höchst verdienstvoll dieses Themas angenommen. Seine Studie zur Entwicklung Gibraltars im 18. Jahrhundert entstand unter Nutzung der lokalen Bibliothek und des lokalen Archivs im Rahmen eines längeren Aufenthalts in Südspanien. Dabei hat er eine in Deutschland weitgehend unrezipierte Literaturlage zur Geschichte Gibraltars im Allgemeinen und zur dortigen Bevölkerungsentwicklung zwischen 1704 und 1783 im Besonderen erschlossen, auf der er seine Archivforschungen aufbauen konnte. Seine Ergebnisse sind nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Geschichte des Spanischen Erbfolgekrieges und seiner Folgen, die erst allmählich systematisch erforscht werden, sondern auch zu den folgenden Kriegen, die Großbritanniens Stellung als global dominierende Macht festgeschrieben haben.

Nach der englisch-niederländischen Eroberung Gibraltars während des Spanischen Erbfolgekrieges im Jahre 1704 und der vertraglichen Manifestation des Übergangs in britischen Besitz im Vertrag von Utrecht 1713, entwickelte sich in der kriegsbedingt weitgehend verwaisten Stadt, von der aus sich der Zugang zum Mittelmeer kontrollieren lässt, im Laufe des 18. Jahrhunderts eine sehr spezifische, äußerst heterogene Gesellschaft. Diese Beobachtung ist der Ausgangspunkt für die Fragestellung, die Herr Hausmann entwickelt hat.

Wiewohl die Rechtspositionen der nicht-militärischen Bevölkerung Gibraltars gegenüber dem Militär beziehungsweise den Gouverneuren im zeitgenössischen Vergleich eher ungünstig waren, entwickelte sich doch nach der Mitte des 18. Jahrhunderts eine prosperierende Stadt mit dynamischer wirtschaftlicher Entwicklung, in welche die Great Siege von 1779–1783 trotz weitgehender Zerstörungen nur temporär einen Einschnitt bedeutete.

Während militärische Belange beim Ausbau der Festung Gibraltar gewiss im Mittelpunkt standen, konnte doch die Versorgung derselben nicht allein durch englische Kaufleute gesichert werden. So ließ man nach der Eroberung und der Flucht des überwiegenden Teils der angestammten Bevölkerung bald zahlreiche Juden und genuesische sowie katalanische ← 7 | 8 → Katholiken in die Stadt. Dies ist bemerkenswert und erklärt sich zum Teil aus den spezifischen Interessen der Gouverneure. Während die antikatholischen Tendenzen englischer Politik nach der Glorious Revolution von 1688 einen Höhepunkt erreichten und die Ansiedlung von Angehörigen protestantischer Denominationen in Gibraltar phasenweise erklärtes Ziel war, entwickelte sich so unter britischer Herrschaft dennoch stabil eine religiös, konfessionell und ethnisch vielfältig geprägte Bevölkerung, die ökonomisch im westlichen Mittelmeerraum vernetzt war und die eine eigene Identität ausprägen konnte. Im Kontext britischer Geschichte bis in die letzten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts stellt dies eine Ausnahme dar.

PD Dr. Frank Kleinehagenbrock, Würzburg ← 8 | 9 →

1.Einleitung

Gibraltar,1 ein nur etwa fünf Meilen langer Kalksteinfelsen, an dessen Fuß die gleichnamige Stadt liegt, ist das einzige britische Territorium auf dem europäischen Festland. Die günstige Lage direkt am Eingang der Straße von Gibraltar lässt erahnen, dass die Geschichte Gibraltars mit der Geschichte Spaniens und der benachbarten nordafrikanischen Küste eng verwoben ist. Es sei etwa auf die Landung der arabischen Eroberer des Westgotenreichs 711 oder die Eroberung Gibraltars durch die kastilische Krone 1462 verwiesen. Im Laufe der Jahrhunderte wechselte die Herrschaft über Gibraltar zwischen Arabern (711–1462), Kastilien (1462–1704) und Großbritannien (1704/13-heute). Insgesamt 14 Mal wurde Gibraltar belagert.2 Nicht selten ging eine erfolgreiche Belagerung Gibraltars mit dem Verlust der vorherigen Bevölkerung durch Verbannung oder Flucht einher. Auch nach der letzten erfolgreichen Belagerung 1704 während des Spanischen Erbfolgekriegs (1701–13/14) bildete sich nach dem Weggang der alten Bevölkerung eine neue von Beginn an sehr heterogene Gesellschaft aus, in der die britischen Protestanten eine, wenn auch einflussreiche, Minderheit darstellten. Der größte Teil der Bevölkerung bestand aber aus Katholiken und Juden.3

Es wird also der Frage nachzugehen sein, wieso und unter welchen Umständen beziehungsweise Voraussetzungen sich diese ethnisch und religiös differenzierte Bevölkerung in Gibraltar nach der Eroberung durch eine britisch-holländische Flotte im August 17044 während des Spanischen Erbfolgekriegs ansiedelte. ← 9 | 10 →

Gerade im 18. Jahrhundert muss es doch verwundern, dass die Katholiken den größten Teil der Bevölkerung ausmachten, denen man doch eigentlich nicht erst seit der Glorious Revolution von 1688/89 zutiefst misstraute5, die ihren Glauben aber in Gibraltar dennoch ungehindert ausleben durften. Man hätte jedenfalls erwarten können, dass Katholiken nur sehr eingeschränkt Zugang zu Gibraltar gewährt werden würde und diese sich eher an Spanien anlehnen würden. Beides war aber nicht der Fall.

Ebenso überrascht die große jüdische Gemeinde, die es eigentlich nach Artikel X des Vertrags von Utrecht, durch den Gibraltar Großbritannien von Spanien zugestanden worden war, nicht hätte geben dürfen. Juden gehörten aber wohl zu den ersten Neuankömmlingen, die sich in Gibraltar nach dessen Eroberung niederließen.6

Zwar ist es zunächst nicht ungewöhnlich, dass sich gerade in Grenzregionen sehr heterogene Bevölkerungen herausbilden,7 im Fall von Gibraltar erscheint dies als Erklärung aber deutlich zu kurz gegriffen. Natürlich wird aber darauf einzugehen sein, wie gerade das Verhältnis zu den direkten Nachbarn Gibraltars, nämlich Spanien und Marokko, die Zuwanderung auf unterschiedliche Weise beeinflusste.

Details

Seiten
126
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653051889
ISBN (ePUB)
9783653972108
ISBN (MOBI)
9783653972092
ISBN (Paperback)
9783631660102
DOI
10.3726/978-3-653-05188-9
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Mai)
Schlagworte
Garnisonstadt Konfessionalisierung britische Kolonie Migrationsgeschichte Kolonialgeschichte
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 126 S., 2 s/w Abb., 5 Graf.

Biographische Angaben

Jochen Hausmann (Autor:in)

Jochen Hausmann studierte Geschichte, Deutsch und Sozialkunde für das Lehramt an Gymnasien an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Er ist Mitglied im Arbeitskreis für Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit.

Zurück

Titel: Gibraltar im 18. Jahrhundert
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
127 Seiten