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Robert Schumann / Adelbert von Chamisso: «Frauenliebe und -leben»

Interpretation und Analyse

von Hans-Udo Kreuels (Autor:in)
©2015 Monographie 124 Seiten

Zusammenfassung

Hat Schumanns Liederzyklus in unserer heutigen Musikkultur noch eine Daseinsberechtigung? Sind wir heute, wo sich unser Frauenbild gegenüber dem Biedermeier geradezu umgekehrt hat, nicht dazu angehalten, uns mit demjenigen des 19. Jahrhunderts historisch vertraut zu machen? Nicht das Was, das faktische Geschehen im Lebensbogen von Frauenliebe und -leben, sondern das Wie, die Qualität persönlicher Hingabe, ist das psychosensitive Material, welches dem Gedichtzyklus und besonders der Musik Schumanns eine unvergleichliche Sonderstellung einräumt. Neue Forschungsergebnisse werfen ein ganz anderes Licht auf die innere Logik des Liederzyklus. Das Buch legt zudem eine faszinierende Verflechtung von Motivik, Submotivik, Ansätzen von Leitmotivik und einem Spiel mit multiplen Symmetrien offen, welche diese Einheit gewährleisten. Ist es die gegenüber anderen Liederzyklen unerreichte Prägnanz einer neunteiligen Liederfolge, oder ist es ihre unverwechselbare emotionale Aura, die den Hörer – trotz geistiger Vorbehalte – in den Bann zieht? Die musikalische Analyse gibt ebenso Antworten zu psychologischen Wechselwirkungen wie zu musikalischen Wirkungsweisen und Interpretationsansätzen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort
  • Einführung
  • Äußere Begleitumstände der Entstehung des Liederzyklus
  • Adelbert von Chamissos Frauen-Liebe und Leben
  • Kurzer Abriss von Adelbert von Chamissos Leben
  • Schumanns Empfänglichkeit für Chamissos Vorlage
  • Abkürzungen harmonischer Funktionsbegriffe
  • Elemente formaler Gestaltung im Liederzyklus Schumanns
  • Das Spiel mit Symmetrien und Antinomien
  • Weitere Symmetrien, welche die Kreisform des Liederzyklus’ mitprägen
  • „Motivik“, welche sich nicht auf den ersten Blick erschließt
  • Die Lieder Schumanns im Einzelnen
  • Die Texte des Gedichtzyklus’ und des Liederzyklus’
  • Allgemeines zu den inhaltlichen Grundwerten
  • Zusammenfassung in Schlaglichtern
  • Bibliographie
  • Bildnachweis
  • Über den Verfasser

← 8 | 9 → Vorwort

Es sei zum Beginn darauf hingewiesen, dass diese Schrift etwas Anderes als eine eingegrenzte musikwissenschaftliche Abhandlung oder Aufarbeitung anbietet. Sucht man eine „saubere“, von Annahmen, Emotionen und Animationen freie wissenschaftliche Materialsammlung des Liederzyklus’ „Frauenliebe und -leben“ von Robert Schumann, so möge man sich mit den „Quellenstudien zu Robert Schumanns Liedern nach Adelbert von Chamisso“ von Kazuko Ozawa beschäftigen (veröffentlicht vor genau 25 Jahren im Peter Lang Verlag Frankfurt 1989). Dem Verfasser ging es zum weitaus größten Teil darum, Schumanns, aber auch Chamissos Frauenliebe in unser heutiges Musikumfeld einzuordnen, die nicht ignorierbare Problematik des gesellschaftlich determinierten Frauenbildes der Entstehungszeit zu beleuchten und die davon unbehelligte Kraft einer großartigen musikalischen Schöpfung mittels der Analyse offenzulegen.

In diesem Zusammenhang spielte natürlich Schumanns schöpferischer Schreibimpuls eine, wenn nicht die zentrale Rolle. Das war meine primär in den Blick genommene Aufgabe wie auch mein vorrangiges, „reproduktives“ Abenteuer, denen ich mich stellen wollte, um mich der künstlerischen Ideenwelt Schumanns und der frappierenden Wirkungsweise der Musik zu nähern.

Und zugleich tauchte damit die Frage auf, wieviel Anteiliges an Schumanns eigener Liebesbiographie Frauenliebe und -leben beinhaltet, wieviel von seinem Frauenbild, von seiner Liebe da hineingeflossen ist? Die Tatsache, dass der Komponist sogleich nach seinem gewonnenen Prozess (bzgl. der durch seinen Lehrer und zukünftigen Schwiegervater Friedrich Wieck verwehrten Ehe-Erlaubnis) mit der Niederschrift der ersten Hälfte des Zyklus’ begonnen hat, legt einen Synergie-Effekt, vielleicht aber auch den verschlüsselten Gedanken eines Leitbildes für seine zukünftige Ehe nahe. Jedoch wäre diese Einschätzung viel zu eindimensional und würde Robert Schumanns, aber noch mehr Clara Wiecks Absichten verfälschen. Es soll schon hier angedeutet werden, dass seine Braut Clara Wieck keinesfalls die Voraussetzungen von Chamissos Protagonistin erfüllen konnte und wollte!

Claras Brief an Robert vom 12.11.1837 aus Prag – wohlgemerkt in einer absolut kritischen Zeit – macht deren Standpunkt bezüglich ihres gemeinsamen, bevorstehenden Zusammenlebens mehr als deutlich:

„Ich glaub fast, Du willst mich schon ein wenig im Voraus die Herrschaft des Mannes fühlen lassen – schon gut, ich denk, wir werden uns vertragen….

← 9 | 10 → Und weiter heißt es in ihrem liebevollen, aber dezidierten Brief:

„Im Ernst aber, bin ich ein kleines Kind, das sich zu dem Altar führen läßt wie zur Schule? Nein, Robert! Wenn Du mich Kind nennst, das klingt so lieb, aber wenn Du mich Kind denkst, dann tret’ ich auf und sage: „Du irrst!“ Vertraue mir vollkommen.“

Diese Zeilen mögen am Beginn dieser Schrift andeuten, dass es sich bei Schumanns Frauenbild im Liederzyklus’ um etwas Komplexeres, ja, um verschiedene Facetten einer fiktiven weiblichen Selbstdarstellung handeln muss. Dem gilt es nachzugehen, will man überhaupt personelle Beweggründe der Deskription ins Kalkül ziehen. Von erheblich höherem Wert ist jedoch das davon unabhängige, in Musik gesetzte Gefühlskaleidoskop der liebenden Frau, welches durch die „seelisch authentische“ Aussagekraft Schumanns zu einem „hohen Lied der Liebe“ geworden ist.

Hans-Udo Kreuels (2014)

← 10 | 11 → Einführung

„Der Liederzyklus Frauenliebe und -leben gehört zum Fragwürdigsten bzw. Pein-lichsten, was je in deutscher Literatur verfasst worden ist“ – so im Internet zu lesen; von einem jungen Berliner Regisseur abgefasst und als Sprungbrett benutzt, um sich damit vom bekannten Gedichtzyklus Adelbert von Chamissos wirkungsvoll und drastisch abzustoßen, um wohl auch Neugier für einen unkonventionellen, auf unseren Zeitgeist hin „aktualisierten“(?), jedoch absolut Themafremden Auf-putz von Frauen-Liebe und Leben zu wecken.

Damit sind wir auch schon im Zentrum einer Auseinandersetzung um Sinn und Verständnis des Gedichtzyklus’ Frauen-Liebe und Leben.

Ohne den Zwischentönen dieser recht oberflächlichen Verunglimpfung nachgehen zu müssen, teilt sich darin dem Leser sogleich unterschwellig eine wenig reflektierte, wenn auch verständliche Ablehnung einer als sexistisch einzustufenden, überkommenen männlichen Dominanz und einer scheinbar chauvinistisch geprägten, seelischen Ausbeutung der Frau mit, welche aber – und das ist in diesem Kontext das Kuriose – in Chamissos Gedichtzyklus eben so wenig ausgeführt oder thematisiert wurde wie z. B. eine politische Standortbestimmung des frühen 19. Jahrhunderts in Grimms Hausmärchen. Von einem Mann, welcher sexistische Ziele oder bedingungslose Unterwerfung verfolgen würde, überhaupt eine dienende Haltung seiner weiblichen Partnerin einfordern wollte, ist hier gar keine Rede; ja noch nicht einmal von einer durchscheinenden „Rolle des Mannes“ im Sinne einer geschlechtsspezifischen Vormachtstellung, geschweige denn vom Aufoktroyieren eines unangefochten männlichen Lebensmodells, einem entsprechenden Herrschaftsgebaren oder einer narzisstischen Selbstdarstellung. Im Grunde kommt der Mann im Frauen-Liebe und Leben-Zyklus nur indirekt als Katalysator vor, weshalb es von vornherein unlauter ist, den hypothetisch aus der weiblichen Seele dringenden, fiktiven Monolog auf die chauvinistische Einstellung des Mannes zurückzuführen. Natürlich war es ein Mann, welcher einer Frau diese Worte in den Mund gelegt hat. Doch spricht aus ihm zum größten Teil das gesellschaftlich sanktionierte Idealbild der Zeit mit allem Für und Wider, mit dem wir uns auseinander zu setzen haben dadurch, dass wir die historischen Gegebenheiten reflektieren.

Details

Seiten
124
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653051834
ISBN (ePUB)
9783653972146
ISBN (MOBI)
9783653972139
ISBN (Paperback)
9783631660089
DOI
10.3726/978-3-653-05183-4
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (März)
Schlagworte
Genealogie Chauvinismus Frauenschicksal
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 124 S., 4 s/w Abb., 11 Tab.

Biographische Angaben

Hans-Udo Kreuels (Autor:in)

Hans-Udo Kreuels, Komponist, Pianist und Musikschriftsteller, verfügt über eine 35-jährige Berufserfahrung auf dem romantischen Liedsektor. Neben zahlreichen Publikationen, Referententätigkeiten und Seminaren hielt er über lange Zeit Vortragsreihen über romantische Liederzyklen bei der Schubertiade Feldkirch und Schwarzenberg. Er studierte Klavier, Komposition, Gesang und Musikwissenschaft in Detmold und Wien und war als Dozent für Klavier und Liedbegleitung am Vorarlberger Landeskonservatorium tätig. Sein kompositorisches Schaffen umfasst derzeit mehr als 80 Werke.

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