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Die Einführung eines Präsenzbonus in Deutschland unter Berücksichtigung der «prima de asistencia» in Spanien

von Benedikt Leffers (Autor:in)
©2015 Dissertation XX, 270 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch befasst sich mit der Einführung eines Präsenzbonus als Mittel zur Aktivierung der Aktionäre und zur Stärkung der Hauptversammlung. Die Aktionäre und ihre Kontrollaufgabe sind als Folge der Finanzkrise wieder verstärkt in den Fokus der Diskussion gerückt. Mit Blick auf das spanische Instrument prima de asistencia untersucht Benedikt Leffers mögliche Wirkungen und rechtliche Ausgestaltungsmöglichkeiten eines Präsenzbonus. Für ihn erweist sich der Bonus als ein geeigneter Ansatz zur Überwindung der Apathie institutioneller Aktionäre mit geringer prozentualer Beteiligung. Er favorisiert daher eine Zahlung in Form der anderen Gewinnverwendung gem. § 58 Abs. 3 S. 2 AktG. Die benötigten Mittel könnte die Hauptversammlung im Rahmen der Gewinnverwendung dem Vorstand zur Verfügung stellen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsübersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Einleitung und Gang der Untersuchung
  • 1. Kapitel: Rechtstatsachen
  • 1. Teil: Rechtstatsachen bezüglich Deutschland
  • § 1 Hauptversammlungspräsenzen in Deutschland
  • § 2 Mögliche Auswirkungen geringer Hauptversammlungspräsenzen
  • A. Die Gefahr von Zufallsmehrheiten in der Hauptversammlung
  • B. Die Bedeutungslosigkeit der Hauptversammlung
  • I. Die Hauptversammlung vom Code de Commerce bis heute
  • II. Das Verständnis der Hauptversammlung nach heutigem Recht
  • III. Der Bedeutungsverlust der Hauptversammlung in heutiger Zeit
  • C. Die fehlende Legitimation von Hauptversammlungen mit geringer Präsenz
  • D. Die fehlende Unternehmenskontrolle
  • § 3 Gründe für die geringe Präsenz bei deutschen Hauptversammlungen
  • A. Der Rückzug der Depotbanken aus der Stimmrechtsvertretung
  • B. Die rationale Apathie der Aktionäre
  • C. Die Internationalisierung der Aktionärsstrukturen
  • D. Durchschnittliche Dauer der Hauptversammlung
  • E. Mitteilungspflichten von Legitimationsaktionären
  • § 4 Maßnahmen zur Stärkung des Organs Hauptversammlung
  • A. Das Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung
  • B. Das Transparenz- und Publizitätsgesetz
  • C. Das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts
  • D. Das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz
  • E. Das Risikobegrenzungsgesetz
  • F. Das Aktionärsrechterichtlinie-Umsetzungsgesetz
  • I. Der Gebrauch moderner Kommunikationstechniken nach dem ARUG
  • II. Die Änderungen bezüglich der Aktionärsinformation nach dem ARUG
  • § 5 Auswirkungen der Gesetzesänderungen auf die Hauptversammlungspräsenz
  • 2. Teil: Rechtstatsachen bezüglich Spanien
  • § 1 Hauptversammlungspräsenzen in Spanien
  • § 2 Maßnahmen zur Stärkung der Junta General in Spanien
  • A. Die gesetzlichen Änderungen im Allgemeinen
  • B. Der Gebrauch moderner Kommunikation im Besonderen
  • § 3 Das Instrument der prima de asistencia
  • A. Gebrauch, Höhe und Gesamtkosten der prima de asistencia
  • B. Auswirkungen der prima de asistencia
  • 2. Kapitel: Konvergenz der rechtlichen Grundlagen
  • 1. Teil: Deutschland und Spanien als Gegenstand des Rechtsvergleichs
  • § 1 Wirtschaftliche und politische Bedingungen
  • § 2 Allgemeines zum deutschen und spanischen Gesellschaftsrecht
  • § 3 Europäischer Einfluss auf das jeweilige Gesellschaftsrecht
  • 2. Teil: Die Zuständigkeiten der Hauptversammlung
  • § 1 Deutschland
  • A. Die geschriebenen Zuständigkeiten
  • B. Die ungeschriebenen Zuständigkeiten
  • C. Weitere Zuständigkeiten durch Satzung und die Grenze des § 23 Abs. 5 AktG
  • § 2 Spanien
  • A. Die geschriebenen Zuständigkeiten
  • B. Die ungeschriebenen Zuständigkeiten
  • 3. Teil: Die Zuständigkeiten der Verwaltung
  • § 1 Deutschland
  • § 2 Spanien
  • A. Der monistische Verwaltungsrat aus heutiger Sicht
  • B. Die Kompetenzen der Verwaltung
  • 4. Teil: Die rechtliche Stellung des Aktionärs in der Aktiengesellschaft
  • § 1 Deutschland
  • A. Ein Überblick über die Mitgliedschaft des Aktionärs
  • B. Die Rechte des Aktionärs
  • I. Verwaltungsrechte
  • II. Vermögensrechte
  • C. Die Pflichten des Aktionärs
  • D. Individual- und Minderheitenschutz im Aktienrecht
  • I. Sonderrechte
  • II. Kernbereichslehre
  • III. Treupflichten
  • IV. Das aktienrechtliche Gleichbehandlungsgebot
  • § 2 Spanien
  • A. Rechte und Pflichten des Aktionärs in Spanien
  • B. Grundsatz „Igualdad de trato“ und Satzungsfreiheit gem. Art. 28 LSC
  • 5. Teil: Das Teilnahme- und Stimmrecht des Aktionärs
  • § 1 Deutschland
  • A. Das Stimmrecht des Aktionärs
  • I. Das Stimmrecht im Allgemeinen
  • II. Ausübung des Stimmrechts
  • III. Sonderfragen zur Stimmrechtsausübung
  • IV. Stimmrechtsschranken
  • B. Das Teilnahmerecht des Aktionärs
  • § 2 Spanien
  • A. Das Stimmrecht des Aktionärs
  • I. Das Stimmrecht im Allgemeinen
  • II. Beschlussfassung
  • III. Stimmrechtsvertretung
  • B. Das Teilnahmerecht des Aktionärs
  • 6. Teil: Kapitalerhaltung und Gewinnverwendung
  • § 1 Deutschland
  • A. Die Regeln zur Kapitalerhaltung bei Aktiengesellschaften
  • B. Die (offene) Gewinnausschüttung
  • I. Der Begriff „andere Verwendung“ i. S. d. § 58 Abs. 3 S. 2 AktG
  • II. „Anderer Maßstab der Gewinnverteilung“ i. S. d. § 60 Abs. 3 AktG
  • C. Die verdeckte Gewinnausschüttung
  • D. Der Dividendenanspruch des Aktionärs
  • § 2 Spanien
  • A. Die Regeln zur Kapitalerhaltung
  • B. Gewinnverteilung an die Aktionäre
  • C. Irreguläre Zuwendungen an die Aktionäre
  • 3. Kapitel: Die Einführung eines Präsenzbonus in Deutschland
  • 1. Teil: Steigerung der Präsenz durch Präsenzbonus
  • § 1 Sinnvolle Präsenzsteigerung durch Bonuszahlung
  • § 2 Andere Möglichkeiten zur Erhöhung der Präsenz
  • 2. Teil: Die prima de asistencia als Modell für einen Präsenzbonus
  • § 1 Die inhaltliche Ausgestaltung der prima de asistencia
  • § 2 Die rechtliche Einordnung der prima de asistencia
  • A. Konfliktpotential der prima de asistencia
  • B. Abgrenzung der prima de asistencia zu anderen Zuwendungen
  • C. Rechtliche Zulässigkeit von Zuwendungen in Form der prima de asistencia
  • I. Rechtliche Einordnung der prima de asistencia
  • II. Überlegungen zur rechtlichen Zulässigkeit
  • 1. Gesetzliche Kompetenzverteilung
  • 2. Prinzip der Kapitalerhaltung
  • 3. Grundsatz der Gleichbehandlung
  • 4. Zusammenfassung
  • 3. Teil: Der Präsenzbonus in Deutschland
  • § 1 Zum Bonusbezug berechtigendes Verhalten
  • A. Stimmabgabe in der Hauptversammlung
  • B. Teilnahme an der Hauptversammlung
  • § 2 Rechtliche Einordnung einer Bonuszahlung
  • A. Direkte Bonuszahlung als „andere Gewinnverwendung“
  • I. Allgemein
  • II. Probleme
  • 1. Praktikabilität
  • a. Verlust der Anreizfunktion
  • b. Sinn und Zweck des Gewinnverwendungsvorschlags
  • c. Mehrheitserfordernisse
  • d. Sonderbeschlüsse
  • 2. Begriff „andere Verwendung“
  • a. De lege lata
  • b. De lege ferenda
  • 3. Anspruch auf Bonuszahlung
  • III. Zwischenergebnis
  • B. Bonuszahlung als Extradividende
  • I. Allgemein
  • II. Probleme
  • 1. Zustimmungserfordernis für Satzungsänderung
  • a. Einstimmigkeit erforderlich
  • b. Keine Einstimmigkeit für Satzungsänderung
  • 2. Sonderbeschluss Vorzugsaktionäre
  • 3. Auseinanderfallen von Teilnahmerecht und Dividendenanspruch
  • a. Rechte Dritter an Aktien
  • b. Record Date Period und Inhaberaktien
  • III. Zwischenergebnis
  • C. Durch den Vorstand veranlasste Bonuszahlung
  • I. Kompetenz des Vorstands
  • II. Rechtliche Zulässigkeit einer durch den Vorstand veranlassten Zuwendung
  • III. Zwischenergebnis
  • D. Bonuszahlung mit vorheriger Genehmigung der Hauptversammlung
  • I. Statutarische oder allgemeine Gewinnrücklagen
  • II. „Rücklagenbildung“ als andere Verwendung i. S. d. § 58 Abs. 3 S. 2 AktG
  • III. Zwischenergebnis
  • § 3 Vereinbarkeit mit dem Gebot der Gleichbehandlung
  • § 4 Erforderlichkeit einer einheitlichen europäischen Regelung
  • 4. Teil: Ergebnis und Bewertung des Kapitels
  • Zusammenfassung
  • Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

a. A.andere Ansicht
ABl. EUAmtsblatt der Europäischen Union
Abs.Absatz
abw.abweichend
AcPArchiv für civilistische Praxis
ADHGBAllgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch
AEUVVertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
a. F.alte Fassung
AGAktiengesellschaft
AktGAktiengesetz
allg.allgemein
AmJComLawThe American Journal of Comparative Law
Anm.Anmerkung
ARUGGesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie
Art. (Artt.)Artikel (Plural)
Aufl.Auflage
BayObLGBayerisches Oberstes Landesgericht
BayObLGZEntscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen
BBBetriebs-Berater
Bd.Band
Begr.Begründung
BGBBürgerliches Gesetzbuch
BGBl.Bundesgesetzblatt
BGHBundesgerichtshof
BGHZEntscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
BIPBruttoinlandsprodukt
BKRZeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht
BMJBundesministerium der Justiz
BOEBoletín Oficial del Estado
BörsGBörsengesetz
BORMEBoletín Oficial del Registro Mercantil
BRDBundesrepublik Deutschland
BR-Drs.Bundesrats-Drucksache
BT-Drs.Bundestags-Drucksache ← XV | XVI →
BVerfGBundesverfassungsgericht
BVerfGEEntscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
CCCódigo Civil
CComCódigo de comercio
CEConstitución Española
Chi. L. Rev.The University of Chicago Law Review
CNMVComisión Nacional del Mercado de Valores
DAIDeutsches Aktieninstitut
dass.dasselbe
DAVDeutscher Anwaltverein
DAXDeutscher Aktienindex
DBDer Betrieb
DCGKDeutscher Corporate Governance Kodex
DepotGDepotgesetz
ders.derselbe
DGSVDeutscher Sparkassen- und Giroverband
dies.dieselbe(n)
DNotIDeutsches Notarinstitut
DStRDeutsches Steuerrecht
DSWDeutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz
ECGIEuropean Corporate Governance Institute
EinfEinführung
EinlEinleitung
EHUGGesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister
etc.et cetera
f. (ff.)folgende (Plural)
FASFrankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
FAZFrankfurter Allgemeine Zeitung
Fn.Fußnote
FRFrankfurter Rundschau
FSFestschrift
FTSEFinancial Times Stock Exchange Index
GesEGesetzentwurf
GesRZDer Gesellschafter – Zeitschrift für Gesellschafts- und Unternehmensrecht
GGGrundgesetz
ggf.gegebenenfalls ← XVI | XVII →
GmbHGesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHGGesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung
GmbHRGmbH-Rundschau
GSGedächtnisschrift
Harv. L. Rev.Havard Law Review
HdbHandbuch
HGBHandelsgesetzbuch
h. M.herrschende Meinung
hrsg.herausgegeben
Hs.Halbsatz
HVHauptversammlung
INEInstituto Nacional de Estadística
Intern. Rev. L. Econ.International Review of Law and Economics
InvGInvestmentgesetz
i. V. m.in Verbindung mit
IWSInstitut für Wachstumsstudien
JZJuristen Zeitung
k. A.keine Angabe
KAGBKapitalanlagegesetzbuch
Kap.Kapitel
KGKommanditgesellschaft
KGaAKommanditgesellschaft auf Aktien
Lfg.Lieferung
LMELey sobre modificaciones estructurales de las sociedades mercantiles
LMVLey del Mercado de Valores
LSALey de Sociedades Anónimas
LSCLey de Sociedades de Capital
LSRLLey de Sociedades de Responsabilidad Limitada
Mich. L. Rev.Michigan Law Review
mind.mindestens
MitbestGGesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer
MMRMultimedia und Recht
NaStraGGesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung
NJWNeue Juristische Wochenzeitschrift ← XVII | XVIII →
Noticias UENoticias de la Unión Europea
Núm.número
NZGNeue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
OHGOffene Handelsgesellschaft
OLGOberlandesgericht
RDReal Decreto
RDBBRevista de derecho bancario y bursátil
RDGRNResolución de la Dirección General de los Registros y del Notariado
RDMRevista de Derecho Mercantil
RDSRevista de Derecho de Sociedades
RegERegierungsentwurf
REPRevista de Estudios Politicos
RGReichsgericht
RGDRevista General de Derecho
RGZEntscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen
Rev. Dir. Org.Revista de dirección, organización y administración
Adm.de empresas
RiLiRichtlinie
RRMReglamento del Registro Mercantil
SASociedad Anónima
SAPSentencia Audiencia Provincial
SBWSonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte
S. Cal. L. RevSouthern California Law Review
SchuldRSchuldrecht
SdKSchutzgemeinschaft der Kapitalanleger
sig.siguiente
sigs.siguientes
sog.so genannt
SRLSociedad de Responsabilidad Limitada
SSRNSocial Science Research Network
STSSentencia del Tribunal Supremo
TransPuGTransparenz- und Publizitätsgesetz
TRLIRPFTexto Refundido de la Ley del Impuesto sobre la Renta de Personas Físicas
TRLISTexto Refundido de la Ley del Impuesto sobre Sociedades
TUGTransparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz
u. a.unter anderem ← XVIII | XIX →
UKSAThe United Kingdom Shareholders Association
UMAGGesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts
UmwGUmwandlungsgesetz
usw.und so weiter
vgl.vergleiche
Vol.Volume
VorVorbemerkung
WMWertpapiermitteilungen, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht
WpHGWertpapierhandelsgesetz
WpÜGWertpapierübernahmegesetz
ZBBZeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft
ZGRZeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht
ZHRZeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht
ZIPZeitschrift für Wirtschaftsrecht ← XIX | XX →

← XX | 1 →

Einleitung und Gang der Untersuchung

Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, ob die spanische prima de asistencia als Vorbild für einen deutschen Präsenzbonus herangezogen werden kann. Die Diskussion um einen solchen Bonus zur Steigerung der Präsenzen auf Hauptversammlungen und mithin auch diese Arbeit umfasst dabei lediglich einen Teilausschnitt einer größeren, seit langem geführten Debatte. Im Grunde geht es erneut um das Spannungsfeld, das sich aus der Trennung von Eigentum und Leitungsmacht ergibt. Es aufzulösen bzw. die Trennung von Eigentum und Leitungsmacht in ein System von Kontrolle einzubinden, ist ein vieldiskutiertes Thema und beschäftigt die gesellschaftsrechtlichen Gesetzgeber weltweit.

Das deutsche Aktienrecht sieht in seiner geltenden Fassung für sämtliche Aktiengesellschaften einen doppelten Kontrollmechanismus vor, in dem Aufsichtsrat und Hauptversammlung die entscheidenden Rollen einnehmen. Seit einigen Jahrzehnten spiegelt dieses gesetzgeberische Bild jedoch nicht mehr die Realität einiger Gesellschaften wider. Insbesondere die Hauptversammlung und somit die Aktionäre scheinen ihrer Kontrollaufgabe nicht nachzukommen. Eine effektive Aufsicht durch die Gesamtheit der Aktionäre findet nur selten statt. Zunächst fand man sich in der rechtspolitischen Diskussion mit der reduzierten Rolle der Hauptversammlung ab.1 Aufgrund der tatsächlichen Veränderungen hin zu immer größeren Gesellschaften mit einer immer breiter gestreuten Aktionärsstruktur wurde das Konzept der Hauptversammlung als Versammlung der Aktionäre als gescheitert angesehen. In Bezug auf die Unternehmenskontrolle ruhten nun die Hoffnungen auf anderen, zumeist externen Akteuren wie Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder dem Marktmechanismus. Die großen Erwartungen in andere Kontrollmechanismen wurden jedoch in den letzten Jahren erheblich enttäuscht. Es hat sich gezeigt, dass weder Markt noch externe Prüfer allein für eine ausreichende Unternehmenskontrolle sorgen können.2 Folglich änderte sich die inhaltliche Ausrichtung der international geführten Diskussion um gute Corporate Governance.3 Ohne den externen Kontrollmechanismen ← 1 | 2 → gänzlich ihre Effektivität abzusprechen, rückte verstärkt die interne Kontrolle als zweiter Aspekt ins Blickfeld. Die Diskussion sowie daraus folgende Empfehlungen und gesetzlichen Maßnahmen zielten einerseits auf die Schaffung eines weitestgehend transparenten Marktes, andererseits wurde versucht, die Effektivität interner Kontrolle zu steigern. Diesbezüglich ergaben sich im Laufe der Zeit erneut Änderungen in der inhaltlichen Ausrichtung. Zunächst lag der Schwerpunkt auf der Verwaltung von Gesellschaften und das Organ Hauptversammlung blieb nahezu unbeachtet. Inzwischen ist es jedoch verstärkt in die Diskussion über Corporate Governance gerückt. Hierbei setzt man sich mit der Frage auseinander, weshalb Aktionäre ihre Kontrollaufgabe nicht wahrnehmen und wie dem begegnet werden kann. Die Diskussion bezieht sich naturgemäß auf größere, börsennotierte Aktiengesellschaften mit einer breit gestreuten Aktionärsstruktur, denn vor allem dort fallen gelebte Realität und gesetzliche Theorie auseinander. Gesetzesänderungen der letzten Jahre beziehen sich nahezu ausschließlich auf diesen Gesellschaftstyp, ohne jedoch – wie gezeigt werden wird – nennenswerte Verbesserungen im Aktionärsverhalten erzielt zu haben. Deshalb ist in Deutschland die Diskussion um die Aktivierung der Aktionäre4 und unter ← 2 | 3 → diesem Aspekt um die Einführung eines Präsenzbonus entstanden. Ein solcher Bonus, der die Aktionäre zur verstärkten Teilnahme an der Hauptversammlung und zur genaueren Kontrolle animieren soll, bildet somit einen Teilbereich der Bestrebungen zur Revitalisierung der Hauptversammlung. Dabei wird die Diskussion bisher vorwiegend aus der Praxis angestoßen.5 In der juristischen Lehre hat sie bisher nur geringe Beachtung erfahren.6

Die Arbeit will durch einen Vergleich Licht in die Diskussion rund um den Präsenzbonus bringen. Aus diesem Anspruch heraus ergibt sich sowohl eine inhaltliche Begrenzung der Arbeit als auch ihre Struktur. Laut Zweigert/Kötz7 kann Unvergleichbares nicht sinnvoll miteinander verglichen werden und vergleichbar ist im Recht nur, was dieselbe Aufgabe, dieselbe Funktion erfüllt, denn erst durch seine Funktion wird das Recht mit Leben gefüllt:8 Die Funktionalität ist das der Rechtsvergleichung zugrunde liegende Prinzip.9 Esser10 beschreibt diese Funktionalität folgendermaßen: „In gleichen Ordnungsaufgaben unter vergleichbaren gesellschaftlichen Zuständen Gemeinsamkeiten von Lösungen zu entdecken, die je von ihrer Entstehungsgeschichte her in ihrer Systembedingtheit ← 3 | 4 → dem gleichen Ordnungsziel dienen.“ Oder wie Sandrock11 es formuliert: „Die funktionale Rechtsvergleichung ist durch folgende Methode gekennzeichnet: […] man nimmt auf einen konkreten Lebenssachverhalt oder auf ein konkretes Rechtsproblem Bezug und fragt, welche materiale Lösung für diesen Sachverhalt oder für dieses Rechtsproblem in den verschiedenen Rechtsordnungen vorgesehen ist.“ Der konkrete Lebenssachverhalt der vorliegenden Arbeit sind die geringen Präsenzen bei den Hauptversammlungen großer Gesellschaften und die damit verbundenen Probleme. Für einen funktionellen Vergleich muss dieser Sachverhalt einerseits auf vergleichbaren gesellschaftlichen Zuständen beruhen, andererseits einem gemeinsamen Ordnungsziel widersprechen. In einer solchen Rechtsordnung könnten grundsätzlich sämtliche Instrumente, die das Ziel einer erhöhten Teilnahme der Aktionäre an der Hauptversammlung verfolgen, zum Vergleich herangezogen werden. Stellt man jedoch, wie in der vorliegenden Arbeit, die konkrete Frage nach der Einführung eines Präsenzbonus in dem oben genannten Sinne und nach seiner möglichen rechtlichen Ausgestaltung in Deutschland, kann als einziger Vergleichsgegenstand die in Spanien angewendete prima de asistencia herangezogen werden. Dieses Instrument verfolgt nicht allein das Ziel, Aktionäre zur Teilnahme an der Hauptversammlung zu animieren, sondern versucht dies durch Extrazahlungen an jede teilnehmende Aktie zu erreichen. Damit ist es von seinem Ziel und von seiner Funktionsweise her mit einem Präsenzbonus vergleichbar. Die in Frankreich eingesetzten jetons de presence oder Regelungen zu Doppelstimmrechten besitzen hingegen nicht jene Vergleichbarkeit, da sie letztlich ein Geldgeschenk für den an der Hauptversammlung persönlich teilnehmenden Aktionär darstellen oder der monetäre Aspekt gänzlich fehlt.

Der soeben skizzierte funktionelle Rechtsvergleich mit der prima de asistencia prägt diese Arbeit. Es ist zu konstatieren, dass es für die prima de asistencia eine spezielle Regelung im spanischen Recht nicht gibt, sondern sie allein aufgrund der bestehenden allgemeinen gesetzlichen Regelungen angewandt wird. Daher werden jene ausländische Praxis und ihre Auswirkungen auf die spanischen Hauptversammlungspräsenzen untersucht sowie die Diskussion über ihre rechtliche Einordnung bzw. ihre rechtliche Zulässigkeit. Dies geschieht mit dem Ziel, die folgende, zwar allgemein formulierte, aber dennoch den Inhalt der Arbeit abgrenzende Frage beantworten zu können: Kann die prima de asistencia als Modell für einen deutschen Präsenzbonus dienen? Mit dem Blick auf Spanien stellt sich die Frage, ob ein Präsenzbonus in Deutschland erfolgversprechend ← 4 | 5 → wäre und daher eingeführt werden sollte. Damit verbunden ist die Frage der Ausgestaltung eines solchen Präsenzbonus sowie nach erforderlichen Maßnahmen des deutschen Gesetzgebers zur Einführung.12

Die Arbeit hinterfragt zunächst die Vergleichbarkeit und analysiert die für das Thema geringer Hauptversammlungspräsenzen relevanten tatsächlichen Gegebenheiten in Deutschland und Spanien (1. Kapitel). Dabei bezieht sich die Analyse vor allem auf die jeweilige Aktionärsstruktur, die aktuellen Präsenzen, die daraus resultierenden Probleme, die Gründe geringer Präsenzen sowie die bisherigen Maßnahmen zur Präsenzerhöhung. Das 2. Kapitel dehnt die Frage der Vergleichbarkeit auf die rechtlichen Gegebenheiten aus und untersucht die Konvergenz deutscher und spanischer Normierungen im Hinblick auf die Teilnahme an der Hauptversammlung. Darüber hinaus verfolgt es den Zweck, Rückschlüsse auf die rechtliche Einordnung eines deutschen Präsenzbonus zu ermöglichen. Daher wird die Konvergenzuntersuchung auf jene Normengefüge ausgedehnt, die von der Thematik eines Präsenzbonus tangiert werden. Nachdem die Frage nach der Vergleichbarkeit beantwortet wurde, betrachtet das 3. Kapitel in seinem 1. Teil die durch einen Bonus zu erwartende Präsenzsteigerung. Der 2. Teil befasst sich mit den rechtlichen Aspekten der prima de asistencia, mit deren Ausgestaltung und mit der spanischen Rechtswissenschaft und Rechtspraxis im Zusammenhang mit ihrer rechtlichen Einordnung. Im 3. Teil des 3. Kapitels werden schließlich, unter Zuhilfenahme der zuvor aus Spanien gewonnenen Erkenntnisse, verschiedene Möglichkeiten der Ausgestaltung eines deutschen Präsenzbonus diskutiert.

Dabei beschränkt sich die Analyse in der vorliegenden Arbeit im Wesentlichen auf die größten börsennotierten Aktiengesellschaften des jeweiligen Landes. Auf Deutschland bezogen bedeutet dies, dass der Verfasser sich an den Gesellschaften des DAX30 und MDAX orientiert. Bezogen auf Spanien werden hauptsächlich die Gesellschaften aus dem IBEX-35 in den Blick genommen, weil geringe Präsenzen vor allem ein Problem börsennotierter Publikumsgesellschaften sind. Je offener diese Gesellschaft und je ausgeprägter die Wechsel im Aktionariat sind, desto stärker wird der Aktionär vom Unternehmer zum ← 5 | 6 → reinen Investor. Auch der Aspekt unterschiedlicher Aktionärsinteressen kommt vor allem bei diesem Gesellschaftstyp zum Tragen. Auch lässt sich konstatieren, dass gerade bei großen Gesellschaften ein volkswirtschaftliches Interesse an einer Eignerkontrolle besteht. Zwar mag der Anteil dieser Gesellschaften am Bruttosozialprodukt Deutschlands oder Spaniens gering sein, das Interesse einer wirksamen Kontrolle der Eigner folgt jedoch aus ihrer betriebswirtschaftlichen Größe. Diese führt zu dem sogenannten systemischen Risiko und der Sichtweise too big to fail.

Die in Indices erfassten Gesellschaften unterliegen neben den gesellschaftsrechtlichen Regeln13 weitergehenden Regelungen im Zusammenhang mit dem Börsenhandel.14 Diese börsenrechtlichen Regelungen wirken sich jedoch nicht auf das vorliegend zu behandelnde Thema aus, so dass sie nur im Einzelfall und am Rande gestreift werden. Ihr Ziel ist grundsätzlich die Gewährleistung eines fairen Handels und somit der Schutz sämtlicher Marktteilnehmer. Die gesellschaftsrechtlichen Regelungen hingegen zielen auf das Innenleben der Gesellschaft sowie ihrer Beziehungen zu Dritten ab. Lediglich aus diesem Bereich ergeben sich Fragen im Bezug auf das vorliegende Thema. ← 6 | 7 →

                                                   

  1  Bezüglich der Entstehung der Diskussion um gute Corporate Governance und ihre Entwicklung im Laufe der Zeit siehe Trías Sagnier, Inversores institucionales, 53 ff.

  2  Tapia Hermida, Accionistas y gobierno de las sociedades cotizadas, 2543. Auch Sánchez Calero, RDBB Nr. 104, 2006, 9, 18, bezweifelt die Wirkung des Marktes als Kontrollmechanismus.

Details

Seiten
XX, 270
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653054095
ISBN (ePUB)
9783653972740
ISBN (MOBI)
9783653972733
ISBN (Hardcover)
9783631659656
DOI
10.3726/978-3-653-05409-5
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Mai)
Schlagworte
Hauptversammlung prima de asistencia Gesellschaftsrecht Aktienrecht
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. XX, 270 S., 11 Tab.

Biographische Angaben

Benedikt Leffers (Autor:in)

Benedikt Leffers ist Volljurist. Er studierte Rechtswissenschaften mit wirtschaftswissenschaftlicher Zusatzausbildung an der Universität Bayreuth und absolvierte ein Masterstudium an der Universität von A Coruña, Spanien. Nach seinem Referendariat am OLG Düsseldorf promovierte er an der Universität Bayreuth. Derzeit arbeitet er als Syndikusanwalt in Frankfurt am Main.

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