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Die rhetorische Architektur erstinstanzlicher Strafentscheidungen

von Lewis Atholl Johnston (Autor:in)
©2015 Dissertation 216 Seiten
Reihe: Recht und Rhetorik, Band 5

Zusammenfassung

Das Buch betont die Bedeutung der Rhetorik für die Rechtsprechung und zeigt auf, dass sich die in juristischen Entscheidungen verwendete Argumentationsweise enthymematisch, also mittels rhetorischer Schlüsse, vollzieht. Früheren Studien zufolge sind in zahlreichen verfassungs- und verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen neben dem den Verstand ansprechenden Logos das emotive Pathos und das sozialcharakterliche Ethos vorhanden. Der Autor unterzieht amtsgerichtliche Strafentscheidungen einer rhetorischen Analyse, um aufzudecken, dass auch Strafrichter alle Wirkmittel der Rhetorik kunstvoll einzusetzen verstehen. Er kategorisiert und visualisiert die Argumentation der Entscheidungen und untersucht das Verhältnis von Logos und Pathos, um zu ermitteln, ob sich zuvor beobachtete Zusammenhänge zwischen diesen beiden rhetorischen Aspekten auch für die Strafgerichtsbarkeit bestätigen lassen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Danksagung
  • A. Einführung
  • B. Zielsetzung der Arbeit
  • C. Die Rhetorische Rechtstheorie
  • I. Entwicklung einer Idee
  • II.Inhalt und Funktion der Rhetorischen Rechtstheorie
  • III. Vom Syllogismus zum Enthymem
  • 1.Syllogismus und Justizsyllogismus
  • 2. Modi ponentes und tollentes
  • 3. Enthymem
  • D. Methodik der rhetorischen Textanalyse
  • I. Entwicklung und Fluss
  • 1. Prämissen der rhetorischen Untersuchung
  • 2.Rhetorisches Instrumentarium
  • 3. Methode im Wandel
  • II. Pathosanalyse
  • 1. Figurenkanon
  • 2. Quantität und Qualität
  • 3. Erfassung und Auswertung
  • III. Logosanalyse (und sehr kleine Schlusslehre)
  • 1. Struktur der Argumentation
  • 2. Begründungsmodi
  • 3. Stützung und Unterstützung
  • 4. Implikationen
  • 5. Quantifizierung
  • IV. Einige Anmerkungen zum Ethos
  • E. Einzelanalysen
  • I. Vergleichsurteil – Die Schwarzfahrt
  • II. Urteil 1 – Der Exhibitionist
  • III. Urteil 2 – Der dreifach Gepeinigte
  • IV. Urteil 3 – Der reuige Verkehrssünder
  • V. Beschluss 1 – Geschwindigkeit ohne Gefahr
  • VI. Beschluss 2 – Der falsche Name
  • F. Erkenntnisse über die Darstellung des Herstellungsprozesses von erstinstanzlichen strafrechtlichen Entscheidungen
  • G. Cui bono?
  • I. Petitio Principii
  • II. Rhetorische Rechtstheorie
  • III. Jurisprudenz
  • IV. Theorie der Praxis
  • V. Juristische Hochschuldidaktik und Methodenlehre
  • VI. Schlusswort
  • Literaturverzeichnis

Danksagung

Zum Ende einer Arbeitsphase und zu Beginn der eigentlichen Schrift gehört es sich, allen wie auch immer Beteiligten für ihren Einsatz zu danken. Wiewohl es dann nicht möglich scheint, allen, die sich verdient gemacht haben, angemessen zu danken, und wiewohl es sich dann nicht gehören dürfte, Einzelne hervorzuheben, gibt es dennoch einige Personen, denen ich ganz besonders zu Dank verpflichtet bin.

Allen voran danke ich meiner Doktormutter Katharina Gräfin von Schlieffen für ihr nie versiegendes Interesse an dieser Arbeit. Für die gestrengen Ermahnungen ob des Zeitfortschritts und für die freundliche Lenienz bei der Zeiteinteilung bin ich gleichermaßen dankbar. Ihre stetige Bereitschaft zu angeregter Fachdiskussion und der so praktizierte wissenschaftliche Austausch haben große Teile dieser Schrift mitgeformt. Sehr verbunden bin ich auch der Zweitgutachterin, Prof. Dr. Gabriele Zwiehoff, die stets ein offenes Ohr, ehrliches Interesse am Fortschritt der Arbeit und ermutigende Worte für mich parat hielt.

Bei aller Theorie wäre diese Arbeit allerdings rein praktisch nicht ohne den unermüdlichen Einsatz von Denis Hadzalic zustande gekommen, der die Excel-Tabellen-Vorlage für die Analysemethode entworfen und programmiert sowie zahlreiche Male angepasst und repariert hat. Für seinen stundenlangen technischen Einsatz bei gleichbleibend guter Laune danke ich ihm ganz besonders.

Mein Dank gilt außerdem Matthias Stehr, der mich in die Arkana von Microsoft Visio einwies und der einen oder anderen Entgleisung schnell und effektiv entgegenzuwirken wusste.

Besonderer Dank gilt der FernUniversität in Hagen, deren Förderung diese Publikation erst ermöglicht hat.

An dieser Stelle danke ich all meinen Kollegen am Lehrstuhl und außerhalb, die mich zuweilen inspiriert haben, die stets ein offenes Ohr oder bestärkende Worte gefunden haben, um mich voranzutreiben. Dieser Dank geht an Dr. Stefan Kracht, Dr. Stefan Baufeld, Andrea Heups, Christian Nierhauve, Stefanie Haaß, Christoph Smets, Jonas Keil, Denise Hammerschmidt, Sabrina Brenken, Andrea Schmeinta, Jenny Nolting, Jens Fischer, Benjamin Stemmer und Christian Kurrat.

Zuletzt gäbe es diese Arbeit nicht, wenn mir nicht aus meiner Familie und meinem Freundeskreis stete und unbeirrbare Unterstützung zuteil geworden ← 7 | 8 → wäre. Ich danke meiner Mutter, Roslyn Johnston, meiner Schwester, Celia Johnston, Robert Lahmert und Lukas Behler sowie allen anderen Lieben, die mich mit kraft- und mutspendenden Worten und Taten angespornt und mir in der Schreibphase Verständnis für meine „soziale Abwesenheit“ entgegengebracht haben.

Lewis Atholl Johnston
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A.  Einführung

„Rem tene,
verba sequentur.“
(Behalte die Sache im Blick, die Worte werden folgen.)

— MARCUS PORCIUS CATO

Diese Analyse ist nicht der Anfang der rhetorischen Entscheidungsanalyse. Schon zu Beginn der Neunziger Jahre führte Katharina Gräfin von Schlieffen mit einer Schar von Helfern ein Projekt zur Erforschung der rhetorischen Zusammensetzung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und journalistischer Vergleichstexte durch1. Bald darauf, zu Beginn der 2000er Jahre, folgten mit Unterstützung der VW-Stiftung Analysen zahlreicher Verwaltungsgerichtsentscheidungen2. Inzwischen ist das Forschungsfeld auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs3 und des Bundesfinanzhofs4 ausgeweitet.

Bis heute werden die meisten Juristen auf die Frage, wie sie juristische Erkenntnis gewönnen, in etwa antworten: „durch Subsumtion des Lebenssachverhalts unter eine Gesetzesnorm“ oder „streng logisch“ oder „zwingend deduktiv“. Dass dies so nicht der Fall ist, sondern dass ein Gutteil juristischer Praxisarbeit von Rhetorik geprägt ist, soll Leitgedanke und Hauptthese dieser Arbeit sein.

Zeichnet man die lange Geschichte rhetorischer Tradition bis zu ihren durch Schriften nachweisbaren Wurzeln nach, gelangt man in eine Zeit, da auch das Recht vor allem mit dem gesprochenen Wort erzeugt wurde. Die Ursprünge dieser Tradition sind bis weit in die Antike zurückverfolgbar, die förmliche Gerichtsrede immerhin bis ins 5. Jahrhundert vor Christus nach Griechenland5. Sie ist eine der drei Redegattungen, die Aristoteles in seiner bis heute maßgeblichen ← 9 | 10 → Analyse des Vorgangs der Überzeugung, seiner „Rhetorik“, niedergeschrieben hat. Dabei war seine Absicht nicht etwa, einen Leitfaden oder ein praktisches Handbuch der Rhetorik zu verfassen, zumal vermutet wird, dass es unzählige solcher Werke bereits gab6. Nein, er näherte sich dem Thema reflektierend und beleuchtete geradezu szientifisch – wie es seine Art gewesen zu sein scheint – die Mechanismen der Überzeugung in Wort und Schrift.

Die Verbindung von Recht und Rhetorik7 tritt nun also bereits in der „Rhetorik“ des Aristoteles, auch und gerade durch die Behandlung der Gerichtsrede, deutlich hervor, und auch Ciceros Werk „Über den Redner“ verflicht beides immer wieder miteinander.8 Schlieffen postuliert, Recht und Rhetorik seien Äste desselben Stammes9, White bezeichnet das Recht gar als „Ast der Rhetorik“10. Über die Säkularisierung und Aufklärung der Frühneuzeit und die Logifizierungsbemühungen, die mit ihnen einhergingen, geriet die Rhetorik indes zunehmend ins Hintertreffen, bis sie schließlich im Hinblick auf juristische Entscheidungserzeugung als Verschleierungs- und Manipulationskunst von der gesamten juristischen Welt verleugnet wurde. Die „neue“11 Lehre erkannte Recht aus Gesetz und Lebenssachverhalt und bediente sich, so die noch immer landläufige Meinung, lediglich der logischen Überzeugungskraft der Verbalisierung juristischer Zusammenhänge ohne Rückgriff auf „verpönte“ Manipulationstechniken der Rhetorik. Lange war damit die Rhetorik, jedenfalls nominell, aus der europäischen Rechtspraxis verbannt. Nachdem Recht und Rhetorik in einer Jahrhunderte währenden Tradition stets gemeinsam gewirkt hatten, sollte nun Recht aus dem Gesetz erkannt werden und nicht Spielball auf dem Austragungsfeld der großen Wortfechter sein. Und dies, so war man sich bis vor Kurzem (fast) einig, gelang auch. ← 10 | 11 →

Erst der pionierhafte Vorstoß des Mainzer Rechtswissenschaftlers Theodor Viehweg, der mit seinem Werk „Topik und Jurisprudenz“ das Bollwerk des juristischen Entscheidungsfindungsverständnisses in der Rechtspraxis mit einem subtilen Fragezeichen versah, rief die Rhetorik wieder ins Bewusstsein wirkender Rechtswissenschaftler und Juristen. Damit begann eine erneute Diskussion zur Herstellung und Darstellung der Rechtsfindung, die bereits vor dem Ersten Weltkrieg mit der Freirechtsschule angeklungen war. Kurz und prägnant zusammengefasst, weist Viehweg nach, dass das Vorgehen der Jurisprudenz eben nicht (nur) logisch und deduktiv ist, sondern topisch – und damit rhetorisch. Erst Jahrzehnte später, nachdem das Werk so gut wie kaum positiv rezipiert worden war, entwickelte sich aus dem Funken, den Viehweg entfacht hatte, eine Strömung in der Rechtstheorie, auf der später die oben erwähnten Analysen und auch die vorliegende fußen sollten: die Rhetorische Rechtstheorie. Sie wirft Fragen betreffs jurisprudenziellen Handelns auf und bemüht sich in einer neuerlichen Anstrengung, eine Theorie der Praxis zu entwickeln, die in der Rechtstheorie bislang fehlt12. Zahlreiche empirische Textanalysen in verschiedenen Bereichen sammeln sich zu einer Grundlage für dieses große Vorhaben. Diese Arbeit möchte hierzu einen kleinen Beitrag leisten, indem sie die Analysearbeit in einen weiteren juristischen Tätigkeitsbereich hineinträgt: die strafrechtliche Praxis. Um also auf den Auftakt zurückzukommen, ist die Arbeit insofern eben nicht der Anfang; den haben andere gemacht. Aber sie ist ein Anfang13. ← 11 | 12 →

 

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  1  Vgl. hierzu Katharina Sobota (von Schlieffen), Rhetorisches Seismogramm – eine neue Methode in der Rechtswissenschaft, in: JZ 5/1992, S. 231 bis 237; dies., Argumente und stilistische Überzeugungsmittel in Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in: Joachim Dyck/Walter Jens/Gert Ueding (Hrsg.), Rhetorik. Ein internationales Jahrbuch, Bd. 15, Juristische Rhetorik, Tübingen 1996, S. 115 (118 ff.).

  2  Vgl. Erste Hagener Rhetorikstudie, VW-Stiftung 2004.

  3  Hierzu Hauke Käding, Diss. Hagen 2015 (im Erscheinen).

  4  Hierzu Caroline Stepputat, Diss. Hagen 2015 (im Erscheinen).

  5  Dazu Josef Martin, Antike Rhetorik. Technik und Methode, München 1974, S. 52 ff.; vgl. auch Werner Eisenhut, Einführung in die antike Rhetorik und ihre Geschichte, 5. unver. Aufl., Darmstadt 1994, S. 8 ff.

  6  Dazu Aristoteles selbst: Rhet. I.1, 1354a 10 ff., 1354b 15 ff.

  7  Dazu u. a. Wolfgang Gast, Juristische Rhetorik, 4. Neubearbeitete Auflage, Heidelberg 2006, Rn. 1.

  8  Vgl. Marcus Tullius Cicero, De Oratore (Über den Redner), Ausgewählte Werke Bd. IV, hrsg. u. übers. v. Theodor Nüßlein, Düsseldorf 2008, passim.

  9  Katharina von Schlieffen, Rhetorische Analyse des Rechts, in: Rouven Soudry (Hrsg.), Rhetorik: Eine interdisziplinäre Einführung in die rhetorische Praxis, Heidelberg 2006, S. 42 ff. (47).

Details

Seiten
216
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653049831
ISBN (ePUB)
9783653973662
ISBN (MOBI)
9783653973655
ISBN (Hardcover)
9783631656716
DOI
10.3726/978-3-653-04983-1
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Juni)
Schlagworte
Rechtsrhetorik Enthymem Topik Entscheidungsbegründungen
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 216 S., 41 s/w Abb.

Biographische Angaben

Lewis Atholl Johnston (Autor:in)

Lewis Atholl Johnston studierte Rechtswissenschaften und ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, juristische Rhetorik und Rechtsphilosophie von Prof. Dr. Katharina Gräfin von Schlieffen.

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