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RAPEX als Instrument der marktüberwachungsbehördlichen Gefahrenabwehr

Eine systematische Analyse unter besonderer Berücksichtigung nationaler Rechtsschutzmöglichkeiten

von Alexander Pitzer (Autor:in)
©2015 Dissertation XIV, 206 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch befasst sich mit dem EU-Schnellwarnsystem RAPEX. Dieses gewinnt zunehmende Bedeutung für den gesundheitlichen Verbraucherschutz und ist ein wesentliches Instrument der marktüberwachungsbehördlichen Gefahrenabwehr. Der Autor stellt die Entwicklung, die rechtlichen Grundlagen sowie einen detaillierten Überblick des Meldungsablaufes dar. Da sowohl mit der Einstellung in das RAPEX-System als auch mit der anschließenden Veröffentlichung auf der Website der Europäischen Kommission schwerwiegende Folgen für die betroffenen Unternehmen einhergehen (können), liegt der Schwerpunkt des Buches auf der Darstellung nationaler Rechtsschutzmöglichkeiten.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • A. Einleitung
  • B. Historische Entwicklung/Rechtliche Grundlagen
  • I. Das Verfahren gemäß der Entscheidung 84/133/EWG
  • II. Erneuerung der Entscheidung 84/133/EWG durch die Entscheidung 89/45/EWG
  • III. Änderung der Entscheidung 89/45/EWG durch die Entscheidung 90/352/EWG
  • IV. Berücksichtigung der deutschen Einheit durch die Entscheidung 90/651/EWG
  • V. Erweiterung des bestehenden Systems durch die Entscheidung 93/580/EWG
  • VI. Richtlinie 92/59/EWG über die allgemeine Produktsicherheit
  • 1. Beschluss 93/465/EWG über technische Harmonisierungsrichtlinien
  • 2. Nationale Umsetzung der Richtlinie 92/59/EWG über die allgemeine Produktsicherheit durch das Produktsicherheitsgesetz
  • 3. Schaffung eines landes- und gemeinschaftsweiten Systems für den raschen Informationsaustausch über Produktsicherheitsnotfälle gemäß der Richtlinie 92/59/EWG über die allgemeine Produktsicherheit
  • 4. Das Unterrichtungs- und Informationsaustauschverfahrengemäß Art. 7 der Richtlinie 92/59/EWG über die allgemeine Produktsicherheit
  • 5. Das Schnellinformationssystem gemäß Art. 8 der Richtlinie 92/59/EWG über die allgemeine Produktsicherheit
  • VII. Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG
  • 1. Informationsmeldung gemäß Art. 11 Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG
  • 2. RAPEX-Meldung gemäß Art. 12 Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG
  • 3. Geänderte Meldekriterien für eine RAPEX-Meldung gemäß Art. 12 der Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG
  • 4. Anwendbarkeit des Schnellwarnsystems RAPEX gemäß Art. 12 der Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG auf Lebensmittel und Futtermittel
  • 5. Nationale Umsetzung der Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG durch das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz
  • 6. Leitlinien der Europäischen Kommission für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Systems zum raschen Informationsaustausch und für Meldungen gemäß Art. 11 der Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG
  • 7. Auswirkungen der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 auf das RAPEX-System
  • 8. Nationale Neuordnung durch das Produktsicherheitsgesetz
  • C. Rechtliche Voraussetzungen einer RAPEX-Meldung
  • I. Begriffsbestimmungen
  • 1. Produkt
  • 2. Verbraucherprodukt
  • 3. Bereitstellung auf dem Markt/Inverkehrbringen
  • 4. Marktüberwachung/Marktüberwachungsbehörde
  • 5. Rücknahme/Rückruf
  • 6. Ernstes Risiko
  • II. Unterrichtungspflicht der Marktüberwachungsbehörden gemäß § 30 ProdSG
  • 1. Unterrichtungspflicht der Marktüberwachungsbehörden gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. ProdSG
  • 2. Unterrichtungspflicht der Marktüberwachungsbehörden gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. ProdSG
  • 3. Unterrichtungspflicht der Marktüberwachungsbehörden gemäß § 30 Abs. 2 ProdSG
  • 4. Grenzüberschreitender Sachverhalt
  • D. Ablauf des RAPEX-Meldeverfahrens
  • I. Initiierung des RAPEX-Meldeverfahrens durch die Marktüberwachungsbehörden
  • II. Die Rolle der BAuA im RAPEX-Meldeverfahren
  • III. Die Rolle der Europäischen Kommission im RAPEX-Meldeverfahren
  • IV. Die Rolle der empfangenden Mitgliedstaaten im RAPEX-Meldeverfahren
  • V. Veröffentlichung der RAPEX-Meldung auf der Website der Europäischen Kommission
  • E. Rechtsschutz auf nationaler Ebene
  • I. Einleitung
  • II. Rechtsschutz gegen die ursprünglichen marktbezogenen Maßnahmen
  • 1. Rechtsschutz gegen marktbezogene Maßnahmen in der Hauptsache
  • 2. Einstweiliger Rechtsschutz gegen marktbezogene Maßnahmen
  • 3. Gesamtbetrachtung
  • III. Rechtsschutz gegen die Weiterleitung einer RAPEX-Meldung
  • 1. Rechtsschutzform und Voraussetzungen
  • 2. Rechtsschutz in der Hauptsache
  • 3. Vorläufiger Rechtsschutz
  • 4. Eingriff
  • a. Eingriffsbegriff
  • aa. Klassischer Eingriffsbegriff
  • bb. Zwischenergebnis klassischer Eingriffsbegriff
  • cc. Erweiterter Eingriffsbegriff
  • dd. Zwischenergebnis erweiterter Eingriffsbegriff
  • b. Rechtsprechungsauswertung RASFF
  • c. Literaturauswertung RASFF
  • d. Rechtsprechung Finanzgerichtsbarkeit
  • aa. Entscheidung Bundesfinanzhof vom 15.02.2006
  • bb. Entscheidung Finanzgericht Köln vom 20.12.2006
  • cc. Zwischenergebnis Finanzgerichtsbarkeit
  • e. Rechtsprechung Bundesverwaltungsgericht
  • f. RAPEX als Eingriff
  • aa. Nationale Maßnahmen wirken europaweit
  • (1) Folgen einer RAPEX-Meldung gemäß Art. 12 Abs. 1 Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG
  • (2) Folgen einer Informationsmeldung gemäß Art. 11 Abs. 1 Produktsicherheitsricht-linie 2001/95/EG
  • bb. Datenerhebung, -speicherung und -verarbeitung
  • cc. Nationale Maßnahme führt zu europaweiten Sanktionen
  • dd. Ziel, Funktion, Sinn und Zweck einer RAPEX-Meldung
  • ee. Effektiver Rechtsschutz
  • ff. Ermittlung der Vertriebswege
  • gg. Ergebnis: RAPEX als Eingriff
  • IV. Rechtsschutz gegen die Veröffentlichung auf der RAPEX-Website
  • 1. Staatliche Informationsinstrumentarien
  • a. Warnung, Empfehlung und Hinweis
  • aa. Hinweis
  • bb. Empfehlung
  • cc. Warnung
  • dd. Gesamtwürdigung
  • b. RAPEX-Veröffentlichung im Kontext der Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG und dem Produktsicherheitsgesetzes
  • 2. RAPEX-Veröffentlichung als Eingriff
  • a. Rechtsprechung
  • aa. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
  • bb. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
  • cc. Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Stuttgart
  • b. Gesamtwürdigung
  • aa. Inhaltliche Richtigkeit der Information
  • bb. Funktionales Äquivalent
  • cc. Rechtsvergleich zur Veröffentlichungsvorschrift § 40 Abs. 1 a LFGB
  • dd. RAPEX-Veröffentlichung über das Internet
  • ee. Individualisierung des Wirtschaftsakteurs
  • ff. Ergebnis
  • F. Rechtlicher Ausblick
  • I. Europäische Regelungsvorhaben
  • II. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Sicherheit von Verbraucherprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 87/357/EWG des Rates und der Richtlinie 2001/95/EG
  • III. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Marktüberwachung von Produkten
  • 1. EU-System zum raschen Informationsaustausch RAPEX gemäß Art. 19 Vorschlag MarktüberwachungsVO
  • 2. Internationaler Austausch vertraulicher Informationen gemäß Art. 22 Vorschlag MarktüberwachungsVO
  • 3. Meldung von Produkten, mit denen ein Risiko verbunden ist über RAPEX, gemäß Art. 20 Vorschlag MarktüberwachungsVO
  • a. Meldung von Produkten gemäß Art. 20 Nr. 1 Vorschlag MarktüberwachungsVO
  • b. Meldungsinhalte gemäß Art. 20 Nr. 2 Vorschlag MarktüberwachungsVO
  • c. RAPEX-Meldung im Bereich von Harmonisierungsrechtsvorschriften gemäß Art. 20 Nr. 3 Vorschlag MarktüberwachungsVO
  • d. Aufgaben der Europäischen Kommission im Rahmen von Meldungen von Produkten, mit denen ein Risiko verbunden ist gemäß Art. 20 Nr. 4 Vorschlag MarktüberwachungsVO
  • e. Folgemaßnahmen und Rückmeldung der empfangenden Mitgliedstaaten gemäß Art. 20 Nr. 5 Vorschlag MarktüberwachungsVO
  • f. Wöchentliche Veröffentlichung im Internet
  • G. Fazit
  • Literaturverzeichnis

← xiv | 1 → A. Einleitung

RAPEX ist das gemeinschaftliche System der Europäischen Union zum raschen Informationsaustausch für den Geltungsbereich der Non-Food-Verbraucherprodukte.1 Das System dient dem Austausch von Informationen über gefährliche Produkte zwischen der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten, um so den Verbraucher möglichst umfassend aufzuklären und potenziellen Gesundheits- und Sicherheitsrisiken vorzubeugen.2

Den rechtlichen Rahmen von RAPEX bilden seit Januar 2010 zwei Rechtsakte, namentlich die Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG3 sowie die Verordnung (EG)Nr. 765/20084.

Neben den am häufigsten gemeldeten (Verbraucher-)Produkten wie z. B. Spielzeug, Kleidungsstücke, Motorfahrzeuge, Elektrogeräte, Kosmetika gilt RAPEX auch für professionelle Produkte.5

So wichtig RAPEX auch für den effektiven Verbraucherschutz in Europa sein mag, gilt es dennoch tagtäglich komplexe rechtliche, administrative und informa-tive Herausforderungen zu meistern. Trotz eines hohen Professionalisierungsgrades ← 1 | 2 → der Marktüberwachungsbehörden sowie einer hohen Bearbeitungsqualität, lassen sich Einzelfallabweichungen niemals in Gänze vermeiden. Der aus RAPEX resultierende große Verbreitungsgrad potenziert die denkbaren Auswirkungen einer (Fehl-)Einschätzung. Damit geht auch ein steigendes Abwehr- und Vorbeugungsinteresse der Wirtschaftsakteure einher.

Das Herzstück des vorliegenden Werkes ist der Frage gewidmet, ob den Wirtschaftsakteuren gegen RAPEX eine Rechtsschutzmöglichkeit zuzusprechen ist.

Um sich dieser zentralen Fragestellung zu nähern, wird zunächst ein Überblick über die rechtliche Historie und Entwicklung, insbesondere der systemischen Voraussetzungen vermittelt (Teil B). Dieser Darstellung folgt eine rechtliche Analyse der europäischen sowie der nationalen Rechtsrahmenvoraussetzungen (Teil C). Im Hauptteil wird sodann der Möglichkeit einer Inanspruchnahme von nationalem (deutschen) Rechtsschutz nachgegangen, wobei zwischen der Weiterleitung einer RAPEX-Meldung beziehungsweise der Initiierung des RAPEX-Meldeverfahrens durch die Marktüberwachungsbehörden und der Veröffentlichung im Internet gedanklich differenziert wird (Teil D). Maßgeblich kommt es in diesem Zusammenhang auf die Eingriffsqualität von RAPEX an. Der letzte Teil bietet einen rechtlichen Ausblick auf die derzeit in Entwicklung befindlichen europäischen Rechtsakte, die das Recht der Verbraucherprodukte sowie der Marktüberwachung und damit auch RAPEX auf neue legislatorische Fundamente stellen sollen (Teil E).

_______________

1Siehe, Europäische Kommission, Sicherheit für europäische Verbraucher, Jahresbericht 2012 über das Schnellwarnsystem für gefährliche Produkte ausgenommen Lebensmittel RAPEX, S. 10.

2Europäische Kommission, Sicherheit für europäische Verbraucher, Jahresbericht 2012 über das Schnellwarnsystem für gefährliche Produkte ausgenommen Lebensmittel RAPEX, S. 10.

3Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 03. Dezember 2001 über die allgemeine Produktsicherheit, ABl. EG Nr. L 11 vom 15.01.2002, S. 4.

4Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 9. Juli 2008 über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 339/93 des Rates, ABl. EU Nr. L 218 vom 13.8.2008, S. 30.

5Siehe, Europäische Kommission, Sicherheit für europäische Verbraucher, Jahresbericht 2012 über das Schnellwarnsystem für gefährliche Produkte ausgenommen Lebensmittel RAPEX, S. 53; siehe auch, Europäische Kommission, Sicherheit für europäische Verbraucher, Jahresbericht 2012 über das Schnellwarnsystem für gefährliche Produkte ausgenommen Lebensmittel RAPEX, S. 20, Abbildung 10, wonach Bekleidung, Textilien und Modeartikel mit 34 % die am häufigsten gemeldete Produktkategorie im Jahr 2012 war, gefolgt von Spielzeugen mit 19 %, Elektrogeräten und -zubehör mit 11 %, Motorfahrzeugen mit 8 %, Kosmetika mit 4 % und 24 %, die auf andere Produktkategorien entfielen.

← 2 | 3 → B. Historische Entwicklung/Rechtliche Grundlagen

Nach dem ersten Programm der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für eine Politik zum Schutz und zur Unterrichtung der Verbraucher6 ist es das erklärte Ziel, dass Erzeugnisse, die dem Verbraucher angeboten werden, unter den normalen und vorhersehbaren Bedingungen die Gesundheit und die Sicherheit des Verbrauchers nicht gefährden.7 Mit der Entscheidung des Rates vom 02. März 1984 zur Einführung eines gemeinschaftlichen Systems zum raschen Austausch von Informationen über die Gefahren bei der Verwendung von Konsumgütern (84/133/EWG) wurde der Grundstein für das heute bekannte und etablierte RAPEX-System gelegt. Bereits seit Ende der 70er Jahre existierte in der Europäischen Gemeinschaft ein nicht näher formalisiertes Informationsverfahren, für das sich der Terminus „Rotes Telefon“ eingespielt hat.8

Vornehmlich für den Bereich der von Lebensmitteln ausgehenden Gefahren bewährte sich das „Rote Telefon“ durch seine pragmatische und unbürokratische Anwendung in zahlreichen Alarmfällen.9 Wenn diesem System auch – bereits aufgrund seiner konzeptionellen und institutionellen Ausarbeitung – eine Sonderrolle zukam, so waren in diesem bereits wesentliche Elemente enthalten, auf die sich später eingerichtete formalisierte gemeinschaftliche Dringlichkeitsverfahren stützten.10

Wenn auch die Entscheidung des Rates der Europäischen Gemeinschaft noch einen sehr überschaubaren Regelungsumfang aufwies, enthielt sie doch die tragenden Voraussetzungen für eine Schnellwarnmeldung der Mitgliedstaaten und beansprucht von daher – wenn heute auch in einer deutlich detaillierteren ← 3 | 4 → Ausgestaltung – weiterhin Geltung. Was anfänglich als ein Versuch11 gedacht war, entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einer festen Größe zur Gewährleistung des Verbraucherschutzes innerhalb der Europäischen Gemeinschaft.

Nach Art. 1 Abs. 1 S. 1 der Entscheidung 84/133/EWG musste jeder Mitgliedstaat, der Sofortmaßnahmen beschloss, um die tatsächliche oder mögliche Vermarktung oder Verwendung eines Erzeugnisses oder eines Postens eines Erzeugnisses in seinem Gebiet zu unterbinden, zu beschränken oder besonderen Auflagen zu unterwerfen, weil das betreffende Erzeugnis oder der Posten eines Erzeugnisses bei der normalen oder unvorhersehbaren Verwendung eine ernste und unmittelbare Gefahr für die Gesundheit oder Sicherheit der Verbraucher darstellte, dies der Kommission auf schnellstem Wege mitteilen. Gerade um den primären Schutzzweck, namentlich den gesundheitlichen Verbraucherschutz in Bezug auf den grenzüberschreitenden Handel mit Konsumgütern hinreichend gewährleisten zu können, erkannte man, dass es einer zentralisierten Stelle bedarf, von der aus auch über die Gemeinschaftsgrenzen hinweg rasch Informationen über bestimmte Erzeugnisse ausgetauscht werden können, und dass es hierbei erforderlich ist, ein vorab festgelegtes System zu nutzen.12 Der Anwendungsbereich des Systems sollte sich von Anfang an auf Verbraucherprodukte beschränken, weshalb ausschließlich zur beruflichen Verwendung bestimmte Erzeugnisse aus dem Anwendungsbereich des Informationssystems ausgenommen wurden.13 Die bis dato bereits bestehenden Systeme für Lebensmittel wurden beibehalten.14 Die Entscheidung des Rates 84/133/EWG umfasste ihrem Anwendungsbereich nach auch Lebensmittel.15

← 4 | 5 → Konzeptionell war das System als ein reines Informationsverfahren ohne abschließende Entscheidung durch die Europäische Gemeinschaft in der Sache ausgestaltet.16

Dass die Sachentscheidungsgewalt bei den jeweiligen Mitgliedstaaten lag, wurde bereits aus Art. 1 Abs. 1 S. 1 der Entscheidung 84/133/EWG deutlich. Gerade den Mitgliedstaaten oblag es, ihrerseits zu überprüfen, ob überhaupt Sofortmaßnahmen zu beschließen sind, die dann letztlich rein formal dazu führten, in das Meldeverfahren eingespeist zu werden.17

Weiterhin vom Anwendungsbereich der Entscheidung 84/133/EWG ausgenommen waren nach Art. 2 Buchstabe b) solche Erzeugnisse, die aufgrund anderer gemeinschaftlicher Rechtsakte gleichartigen Meldeverfahren unterlagen. So war für den Bereich der Arzneimittel18 jeder Mitgliedstaat dazu verpflichtet, alle zweckdienlichen Maßnahmen zu treffen und diese unverzüglich dem Ausschuss bekannt zu geben.

Vergleichbare Regelungen existierten auch für den Bereich der Tierarzneimittel19, für Viehseuchen20 im Bereich veterinärrechtlicher Kontrollen21, für die Übereinstimmung von aus Drittländern eingeführten Erzeugnisse mit den geltenden Produktsicherheitsvorschriften22, für den beschleunigten Informationsaustausch im Falle einer radiologischen Notfallsituation23 sowie (später) für die Lebensmittelhygiene24.

I. Das Verfahren gemäß der Entscheidung 84/133/EWG

Eine zentrale Rolle in diesem gemeinschaftlichen System zum raschen Austausch von Informationen über die Gefahren bei der Verwendung von Konsumgütern nahm die Europäische Kommission ein. Sie bildete die Verknüpfung zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten. Um einen reibungslosen und raschen Informationsaustausch gewährleisten zu können, war jeder Mitgliedstaat dazu verpflichtet, sie darüber zu unterrichten, welche staatlichen Behörden er für Übermittlung oder Empfang von eingehenden Informationen und Follow-up-Meldungen25 bestimmt hat. Beschloss ein Mitgliedstaat Sofortmaßnahmen, um die tatsächliche oder mögliche Vermarktung oder Verwendung eines Erzeugnisses oder eine Postens eines Erzeugnisses in einem Gebiet zu unterbinden, zu beschränken oder besonderen Auflagen zu unterwerfen, weil das Erzeugnis oder der Posten eines Erzeugnisses bei der normalen vorhersehbaren Verwendung eine ernste und unmittelbare Gefahr für die Gesundheit oder Sicherheit der Verbraucher darstellte, hatte er auch dies auf schnellstem Wege mitzuteilen.26 Die Information musste dabei die Identifizierung des Erzeugnisses, die Identifizierung der Gefahr sowie die von dem meldenden Mitgliedstaat beschlossenen Maßnahmen umfassen.27

Für ein reibungsloses Funktionieren unter Gewährleistung der gebotenen Dringlichkeit waren die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, die Kommission darüber zu unterrichten, welche Behörden sowohl für den Empfang als auch für die Übermittlung von Informationsmeldungen bestimmt sind.28 Um die Vernetzung ← 6 | 7 → zu komplettieren, wurde diese Meldung auch an die jeweiligen anderen Mitgliedstaaten weitergeleitet.29

Erhielt nunmehr die Europäische Kommission von der jeweils zuständigen Behörde des meldenden Mitgliedstaates eine Informationsmeldung, so wurde diese gleich nach Erhalt auf die Übereinstimmung mit der Entscheidung 84/133/EWG hin überprüft und an die zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten weitergeleitet, vgl. Art. 1 Abs. 3 S. 1 und 2 der Entscheidung.

Systemisch vorgesehen war jedoch, dass der Meldeprozess an dieser Stelle nicht endete, sondern ein Feedback von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, die die Meldung von der Europäischen Kommission erhalten haben, zu geben war. Dies wurde über die Installation einer so genannten Follow-up-Meldung gewährleistet. Die empfangenden Mitgliedstaaten nahmen die jeweilige Information nicht nur zur Kenntnis, sondern leiteten ihrerseits entsprechende Maßnahmen ein. Diesbezüglich waren die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, die Europäische Kommission binnen kürzester Frist über die nach Erhalt der übermittelten Informationen getroffenen Maßnahmen zu unterrichten, vgl. Art. 3 S. 1 der Entscheidung. Auch die Follow-up-Meldung wurde wiederum an die übrigen Mitgliedstaaten kommuniziert.

Da diese Entscheidung auf einen Zeitraum von vier Jahren ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe begrenzt war, bedurfte sie – nach erfolgter und vorgesehener Revision – einer Erneuerung.

Details

Seiten
XIV, 206
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653049718
ISBN (ePUB)
9783653973846
ISBN (MOBI)
9783653973839
ISBN (Hardcover)
9783631656617
DOI
10.3726/978-3-653-04971-8
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Mai)
Schlagworte
EU-Schnellwarnsystem gesundheitlicher Verbraucherschutz Meldungsablauf nationale Rechtsschutzmöglichkeiten
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. XIV, 206 S.

Biographische Angaben

Alexander Pitzer (Autor:in)

Alexander Pitzer studierte Rechtswissenschaften an der Philipps-Universität in Marburg. Er ist als Rechtsanwalt in einer auf das deutsche, europäische und internationale Lebensmittel-, Futtermittel- und Verbraucherprodukterecht spezialisierten Fachkanzlei mit Sitz in Gummersbach und Brüssel tätig.

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