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Der vergleichbare Arbeitnehmer im Arbeitsrecht

von Lars Lubisch (Autor:in)
©2014 Dissertation XVI, 232 Seiten

Zusammenfassung

Der Rechtsbegriff des vergleichbaren Arbeitnehmers kommt in verschiedenen arbeitsrechtlichen Gesetzen vor und hat zum Teil vollkommen unterschiedliche Funktionen. Der vergleichbare Arbeitnehmer ist insbesondere im Rahmen der Sozialauswahl bei der betriebsbedingten Kündigung relevant. Obwohl es also letztlich um den gleichen Rechtsbegriff geht, wird der vergleichbare Arbeitnehmer von Rechtsprechung und Literatur in den verschiedenen Gesetzen zum Teil unterschiedlich bestimmt. Erschwerend kommt hinzu, dass zum Teil unterschiedliche Begriffe für gleiche Abgrenzungskriterien verwendet werden. Daher werden in einem ersten Teil der Arbeit die verschiedenen Kriterien zur Bestimmung des vergleichbaren Arbeitnehmers in verschiedenen arbeitsrechtlichen Gesetzen herausgearbeitet. Der Schwerpunkt liegt hier auf dem vergleichbaren Arbeitnehmer im Rahmen der Sozialauswahl. Im zweiten Teil der Arbeit werden die Ergebnisse einander gegenüber gestellt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • 1. Teil
  • A. Der vergleichbare Arbeitnehmer im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes
  • I. Der vergleichbare Arbeitnehmer bei der Sozialauswahl nach § 1 III KSchG im Rahmen der ordentlichen betriebsbedingten Beendigungskündigung
  • 1. Geschichte der Sozialauswahl
  • 2. Sachlicher Anwendungsbereich der Sozialauswahl
  • 3. Die betriebliche Auswahl
  • 4. Funktion der Sozialauswahl im Rahmen der betriebsbedingten Beendigungskündigung
  • a) Auswahlfunktion
  • b) Schutzfunktion
  • 5. Räumlicher Geltungsbereich der Sozialauswahl
  • a) Die Betriebsbezogenheit der Sozialauswahl
  • aa) Wortlaut und Systematik des § 1 III KSchG
  • bb) Entstehungsgeschichte des § 1 III KSchG
  • cc) Teleologische Auslegung des § 1 III KSchG
  • b) Räumliche Beschränkung der Sozialauswahl innerhalb des Betriebes
  • c) Betriebsübergreifende Sozialauswahl nach der Reichweite des Direktionsrechts des Arbeitgebers
  • d) Stellungnahme zum räumlichen Geltungsbereich der Sozialauswahl
  • e) Der Betriebsbegriff des KSchG und Betriebsteile
  • aa) Einheitlicher arbeitsrechtlicher Betriebsbegriff mit der Anwendung der Fiktion aus § 4 BetrVG
  • bb) Eigener Betriebsbegriff im Kündigungsschutzgesetz
  • cc) Stellungnahme zum Betriebsbegriff im Kündigungsschutzgesetz
  • f) Räumliche Reichweite der Sozialauswahl beim Gemeinsamen Betrieb
  • g) Räumliche Reichweite der Sozialauswahl im Rahmen eines Betriebsübergangs nach § 613 a BGB
  • aa) Kündigung vor dem Betriebs (Teil)übergang und vor dem Wirksamwerden des Übernahmevertrages
  • bb) Kündigung nach dem Übergang des Betrieb (Teilbetriebs) und nach dem Wirksamwerden des Übernahmevertrages
  • 6. Horizontale oder vertikale Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer bei der Sozialauswahl
  • a) Betriebsebenen übergreifende Versetzungsklausel
  • b) Bereitschaft des Arbeitnehmers, eine geringwertigere Tätigkeit auszuüben
  • 7. Zwischenergebnis zum Bezugspunkt der Sozialauswahl
  • 8. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Festlegung des für die Sozialauswahl auswahlrelevanten Personenkreises
  • 9. Die Kriterien zur Bestimmung des vergleichbaren Arbeitnehmers im Rahmen der Sozialauswahl
  • a) 1. Ansicht: Bestimmung des auswahlrelevanten Personenkreises nach der Reichweite der unternehmerischen Entscheidung
  • b) 2. Ansicht: Vergleichbarkeit als Austauschbarkeit
  • aa) Arbeitsplatzbezogene Austauschbarkeit
  • (1) Tätigkeitsbezogene Anforderungen für den Maßstab bei arbeitsplatzbezogener Austauschbarkeit
  • (a) Wechselseitige Austauschbarkeit
  • (b) Arbeitsplatzbezogene Austauschbarkeit durch Vergleich des Anforderungsprofils und des Eignungsprofils
  • (aa) Bestimmung des Eignungsprofils des unmittelbar kündigungsbedrohten Arbeitnehmers
  • (bb) Bestimmung des Anforderungsprofils des fortbestehenden Arbeitsplatzes
  • (2) Einarbeitungszeit und die Austauschbarkeit von Arbeitnehmern
  • (a) Feste Zeitspannen für die Höchstdauer der Einarbeitungszeit nach der unterinstanzlichen Rechtsprechung
  • (b) Höchstdauer der Einarbeitungszeit nach der Probezeit
  • (c) Höchstdauer der Einarbeitungszeit nach der gesetzlichen Kündigungsfrist
  • (d) Höchstdauer der Einarbeitungszeit unter anderem nach der Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers
  • (e) Höchstdauer der Einarbeitungszeit nach den Umständen des Einzelfalls
  • (f) Stellungnahme zur Höchstdauer der Einarbeitungszeit
  • (3) Weitere objektive Merkmale für die Beurteilung der arbeitsplatzbezogenen Austauschbarkeit
  • (a) Tarifliche Eingruppierung und die Austauschbarkeit von Arbeitnehmern
  • (b) Subjektive Merkmale zur Bestimmung der arbeitsplatzbezogenen Austauschbarkeit
  • (c) Bedeutung der Berufsausbildung, der Berufsbezeichnung und von Titeln für die Austauschbarkeit bzw. arbeitsplatzbezogene Austauschbarkeit von Arbeitnehmern
  • (4) Zusammenfassung zur arbeitsplatzbezogenen Austauschbarkeit
  • bb) Arbeitsvertragliche Austauschbarkeit
  • (1) Auswirkungen einer nach §§ 305 ff. BGB unwirksamen Versetzungsklausel auf die arbeitsvertragliche Austauschbarkeit im Rahmen der Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern für die Sozialauswahl
  • (2) Die Konkretisierung der arbeitsvertraglichen Leistungspflicht des Arbeitgebers und die Vergleichbarkeit im Rahmen der Sozialauswahl
  • (a) Voraussetzungen und Grundlagen der Konkretisierung der Arbeitspflicht
  • (b) Keine Berücksichtigung der Konkretisierung für die arbeitsvertragliche Austauschbarkeit und damit die Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern
  • (c) Berücksichtigung der Konkretisierung für die arbeitsvertragliche Austauschbarkeit und damit die Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern
  • (d) Stellungnahme
  • (3) Arbeitsvertragliche Austauschbarkeit beim Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung im Arbeitsvertrag
  • cc) Zusammenfassung zu den Kriterien der Vergleichbarkeit nach der herrschenden Ansicht
  • c) 3. Ansicht: Rein arbeitsplatzbezogene Vergleichbarkeit
  • d) 4. Ansicht: Rein arbeitsvertragliche Vergleichbarkeit
  • e) Zusammenfassung und Stellungnahme zur Bestimmung des vergleichbaren Arbeitnehmers im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 III KSchG
  • 10. Vergleichbarkeit von besonderen Arbeitnehmergruppen im Rahmen des § 1 III KSchG
  • a) Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern ohne allgemeinen Kündigungsschutz
  • b) Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern mit gesetzlichen Sonderkündigungsschutz
  • aa) Vergleichbarkeit von Mitgliedern des Betriebsrates
  • bb) Vergleichbarkeit von sonstigen Arbeitnehmern, für deren Kündigung eine behördliche Zustimmung erforderlich ist
  • c) Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern mit tarif- oder arbeitsvertraglichem Sonderkündigungsschutz
  • aa) Keine Vergleichbarkeit von einzelvertraglich oder tarifvertraglich unkündbaren Arbeitnehmern
  • bb) Vergleichbarkeit von kollektiv- und einzelvertraglich unkündbaren Arbeitnehmern
  • cc) Stellungnahme
  • d) Vergleichbarkeit von in Vollzeit und in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmern
  • 11. Zwischenergebnis zum vergleichbaren Arbeitnehmer im Rahmen des § 1 III KSchG
  • II. Der vergleichbare Arbeitnehmer im Rahmen der Weiterbeschäftigung nach § 1 II 2 KSchG
  • 1. Die Weiterbeschäftigung im Rahmen der Kündigung, insbesondere der Vorrang der Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung
  • 2. Die „echte Änderungskündigung“ und die „unechte Änderungskündigung“
  • 3. Die Konkurrenz um eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im Rahmen der uneigentlichen Änderungskündigung
  • a) Konkurrenzsituationen im Rahmen der anderweitigen Beschäftigung bei der Auswahl für die Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz
  • aa) Wegfall von Arbeitsplätzen in einem Betrieb und Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in dem gleichen Betrieb oder anderen Betrieben im gleichen Unternehmen
  • bb) Wegfall von Arbeitsplätzen in verschiedenen Betrieben des Unternehmens und Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Unternehmensteil
  • b) Die Bestimmung des vergleichbaren Arbeitnehmers für die Auswahlentscheidung im Rahmen der Konkurrenz von Arbeitnehmern um die anderweitige Beschäftigung
  • 4. Zusammenfassung zum vergleichbaren Arbeitnehmer im Rahmen der Weiterbeschäftigung nach § 1 II KSchG
  • III. Der vergleichbare Arbeitnehmer bei der Änderungskündigung
  • 1. Die ordentliche Änderungskündigung nach § 2 KSchG
  • 2. Die soziale Rechtfertigung der ordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung, insbesondere die Sozialauswahl
  • 3. Der vergleichbare Arbeitnehmer bei der betriebsbedingten Änderungskündigung im Sinne des § 2 KSchG
  • a) Der vergleichbare Arbeitnehmer bei der betriebsbedingten „echten“ Änderungskündigung im Sinne des § 2 KSchG nach der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur
  • b) Die Kritik an der Bestimmung des vergleichbaren Arbeitnehmers nach der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur
  • 4. Stellungnahme zum vergleichbaren Arbeitnehmer bei der Änderungskündigung nach § 2 KSchG
  • B. Der vergleichbare Arbeitnehmer im Teilzeit- und Befristungsgesetz
  • I. Der vergleichbare Arbeitnehmer im Rahmen des § 2 TzBfG
  • 1. Regelmäßige Wochenarbeitszeit
  • 2. Der mit dem betroffenen Arbeitnehmer vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer
  • a) Vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter
  • aa) Vollzeitbeschäftigter
  • bb) Vergleichbarer Arbeitnehmer
  • (1) Art des Arbeitsverhältnisses
  • (2) Gleiche oder ähnliche Tätigkeit
  • (a) Steht eine kurze Einarbeitungszeit der Annahme einer ähnlichen Tätigkeit und damit einer Austauschbarkeit bzw. Vergleichbarkeit entgegen?
  • (b) Arbeitsvertragliche Austauschbarkeit im Rahmen der Vergleichbarkeitsprüfung nach § 2 TzBfG
  • II. Der vergleichbare Arbeitnehmer im Rahmen des § 3 TzBfG
  • 1. Arbeitnehmer mit gleicher Tätigkeit
  • 2. Arbeitnehmer mit ähnlicher Tätigkeit
  • 3. Arbeitsvertragliche Austauschbarkeit im Rahmen der Vergleichbarkeitsprüfung nach § 3 II TzBfG
  • III. Der vergleichbare Arbeitnehmer im Rahmen des §4 TzBfG
  • 1. Der vergleichbare Arbeitnehmer im Rahmen des § 4 I TzBfG
  • a) Differenzierte Bestimmung des vergleichbaren Arbeitnehmers im Rahmen des § 4 I TzBfG
  • b) Bestimmung des vergleichbaren Arbeitnehmers nach den Kriterien des § 2 I TzBfG
  • c) Stellungnahme
  • 2. Der vergleichbare Arbeitnehmer im Rahmen des § 4 II TzBfG
  • IV. Zusammenfassung zum vergleichbaren Arbeitnehmer im TzBfG
  • C. Der vergleichbare Arbeitnehmer im Rahmen des § 3 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
  • I. Der Gleichbehandlungsgrundsatz im AÜG
  • II. Der vergleichbare Arbeitnehmer im Rahmen des AÜG
  • 1. Einschränkungen des Kreises der potentiell vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers
  • 2. Kriterien für den vergleichbaren Arbeitnehmer im Rahmen des AÜG
  • a) Gleiche oder ähnliche Tätigkeit
  • b) Arbeitsvertragliche Austauschbarkeit
  • c) Berücksichtigung von subjektiven Merkmalen bei der Bestimmung des vergleichbaren Arbeitnehmers
  • d) Dauer und Lage der Arbeitszeit und die Vergleichbarkeit im Rahmen des AÜG
  • e) Anwendung des Gleichstellunsggrundsatzes beim Fehlen eines vergleichbaren Arbeitnehmers
  • D. Der vergleichbare Arbeitnehmer bei § 37 IV BetrVG
  • I. Die Vorschrift des § 37 BetrVG
  • II. Der Schutz der Entgeltbemessung nach § 37 IV BetrVG
  • 1. Der Umfang des Schutzes nach § 37 IV BetrVG
  • 2. Der vergleichbare Arbeitnehmer im Rahmen des § 37 IV BetrVG
  • a) Bezugsrahmen für die Vergleichbarkeitsprüfung im Rahmen des § 37 IV BetrVG
  • b) Beurteilungszeitpunkt für die Vergleichbarkeit nach § 37 IV BetrVG
  • c) Kriterien für den vergleichbaren Arbeitnehmer nach § 37 IV BetrVG
  • d) Betriebsübliche Entwicklung
  • III. Zusammenfassung zum vergleichbaren Arbeitnehmer im Rahmen des § 37 IV BetrVG
  • E. Der vergleichbare Arbeitnehmer beim allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz
  • I. Ursprung des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes
  • II. Anwendungsbereich des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes
  • III. Die Gruppenbildung
  • 2. Teil
  • A. Eine einheitliche gesetzesübergreifende Bestimmung des vergleichbaren Arbeitnehmers ?
  • B. Versuch einer Systematisierung der Kriterien für den vergleichbaren Arbeitnehmer
  • I. Der Tätigkeitsvergleich bzw. die tatsächliche Austauschbarkeit
  • II. Die arbeitsvertragliche Austauschbarkeit
  • Fazit
  • Literaturverzeichnis

Einleitung

Der Rechtsbegriff des vergleichbaren Arbeitnehmers kommt in verschiedenen arbeitsrechtlichen Gesetzen vor und hat zum Teil vollkommen unterschiedliche Funktionen. Der vergleichbare Arbeitnehmer ist insbesondere im Rahmen der Sozialauswahl bei der betriebsbedingten Kündigung relevant. Dies zeigt sich in der großen und zum Teil unübersichtlichen Anzahl an Beiträgen rund um den vergleichbaren Arbeitnehmer bei § 1 III KSchG. Daher wird bei der Darstellung des vergleichbaren Arbeitnehmers auch der deutliche Schwerpunkt auf diesen Bereich gelegt. Die Sozialauswahl ist aber nur ein Beispiel, bei dem dem vergleichbaren Arbeitnehmer, als gesetzlichem Tatbestandsmerkmal, eine erhebliche Bedeutung zukommt. In allen Fällen geht es letztlich um das gleiche Abgrenzungsproblem: es werden Arbeitnehmer nach bestimmten Kriterien und vor dem Hintergrund eines bestimmten Zwecks entweder als miteinander vergleichbar oder nicht vergleichbar eingestuft.

Obwohl es also letztlich um den gleichen Rechtsbegriff geht, wird der „vergleichbare Arbeitnehmer“ von Rechtsprechung und Literatur in den verschiedenen Gesetzen zum Teil unterschiedlich bestimmt. Die Kriterien zur Bestimmung des vergleichbaren Arbeitnehmers unterscheiden sich, je nach Gesetz und Anwendungsfall, zum Teil erheblich. Zusätzlich kommt erschwerend hinzu, dass zum Teil unterschiedliche Begriffe für gleiche Abgrenzungskriterien verwendet werden. Außerdem existiert in einigen Gesetzen eine gesetzliche Legaldefinition des vergleichbaren Arbeitnehmers, etwa im TzBfG. In manchen Gesetzen, wie dem KSchG, existiert ein solcher gesetzgeberischer Anknüpfungspunkt für die Begriffsbestimmung nicht. Dies macht es für den Rechtsanwender schwierig, die Tatbestandsvoraussetzung des vergleichbaren Arbeitnehmers im Einzelfall zu bestimmen.

Ziel dieser Arbeit ist es zu untersuchen, ob es möglich ist, eine einheitliche Begriffsbestimmung des vergleichbaren Arbeitnehmers für das gesamte Arbeitsrecht zu entwickeln oder ob es zumindest möglich ist, einzelne Kriterien und Wertungen gesetzesübergreifend anzuwenden und so die Rechtssicherheit bei der Bestimmung des vergleichbaren Arbeitnehmers zu erhöhen. Schließlich soll versucht werden, die in der Rechtsprechung und Literatur verwendeten Kriterien zu systematisieren und so für den Rechtsanwender praktikabler zu machen. ← 1 | 2 →

Hierzu werden in einem ersten Teil der Arbeit der vergleichbare Arbeitnehmer und die jeweils zur Bestimmung relevanten Kriterien in verschiedenen praxisrelevanten Gesetzen dargestellt. Anschließend werden in einem zweiten Teil die Ergebnisse zu den Kriterien des vergleichbaren Arbeitnehmers in den einzelnen Gesetzen einander gegenüber gestellt. ← 2 | 3 →

1.  Teil

A.  Der vergleichbare Arbeitnehmer im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes

Dem „vergleichbaren Arbeitnehmer1“ kommt innerhalb des Kündigungsschutzgesetzes an unterschiedlichen Stellen eine entscheidende Bedeutung zu.

Innerhalb des Kündigungsschutzgesetzes ist der „vergleichbare Arbeitnehmer“ vor allem für die Sozialauswahl nach § 1 III KSchG relevant. Hier ist die Feststellung der Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern für die Festlegung des für die Sozialauswahl relevanten Personenkreises erforderlich. Doch nicht nur im Rahmen der Sozialauswahl bei der betriebsbedingten Beendigungskündigung kommt dem „vergleichbaren Arbeitnehmer“ eine entscheidende Rolle zu. So hat dieser auch bei der betriebsbedingten Änderungskündigung eine nicht unerhebliche Bedeutung für die Bestimmung des Kreises der für die dort vorzunehmende Auswahl relevanten Arbeitnehmer.

Da der Arbeitgeber auch bei der, wenn auch nur selten statthaften, außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung nach § 626 BGB eine Sozialauswahl durchführen muss, ist die Frage nach der Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern auch hier relevant2. Schließlich ist die außerordentliche Kündigung in Bezug auf eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten einer ordentlichen Kündigung gleichgestellt3.

Die Frage nach einem auswahlrelevanten Personenkreis, also letztlich nach denjenigen Arbeitnehmern, die miteinander vergleichbar sind, stellt sich letztlich auch im Rahmen der Sozialauswahl eigentlich vorgelagerten Frage der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach § 1 II KSchG4. ← 3 | 4 →

Im Folgenden sollen all die genannten Bereiche in Bezug auf den „vergleichbaren Arbeitnehmer“ im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes dargestellt und untersucht werden. Einen deutlichen Schwerpunkt bildet hierbei die Betrachtung und Darstellung des für die Praxis äußerst relevanten vergleichbaren Arbeitnehmers im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 III KSchG. Nicht berücksichtigt werden sollen die Besonderheiten der Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst5.

I.  Der vergleichbare Arbeitnehmer bei der Sozialauswahl nach § 1 III KSchG im Rahmen der ordentlichen betriebsbedingten Beendigungskündigung

Der vergleichbare Arbeitnehmer spielt, wie erwähnt, zunächst und vor allem im Rahmen der betriebsbedingten Kündigung bei der Sozialauswahl nach § 1 III KSchG eine entscheidende Rolle. Diese ergibt sich aus der Tatsache, dass durch die Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern der Kreis der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer bestimmt wird6. Dies sind dann die Arbeitnehmer, deren Sozialdaten im Sinne des § 1 III KSchG miteinander verglichen werden. Trotz Aufgabe der sog. Dominotheorie7 durch das BAG8 kommt dem vergleichbaren Arbeitnehmer nach wie vor eine herausragende Bedeutung im Rahmen der Sozialauswahl zu. Nach dem Wegfall dieser Theorie können sich Arbeitnehmer im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses nur noch auf Fehler des Arbeitgebers bei der Sozialauswahl berufen, wenn ihnen ohne diesen Fehler nicht hätte gekündigt werden dürfen9. Zuvor hatte das BAG durch die sog. Dominotheorie noch den Ansatz vertreten, dass sich alle Arbeitnehmer, die von der Sozialauswahl betroffen waren, auf einen Fehler bei der Sozialauswahl berufen durften, auch wenn ihnen selbst bei fehlerfreier Auswahl hätte gekündigt werden können10. Doch auch mit der Aufgabe dieser Dominotheorie ist der vergleichbare Arbeitnehmer noch immer für die Sozialauswahl von herausragender Bedeutung. Denn jeder Arbeitnehmer, der mit dem kündigungsbedrohten ← 4 | 5 → Arbeitnehmer als vergleichbar eingestuft wird und damit in die Sozialauswahl einzubeziehen ist, trägt letztlich das Risiko für eine unternehmerische Kündigungsentscheidung des Arbeitgebers mit11. Außerdem führt eine fehlerhafte Sozialauswahl zur Unwirksamkeit der Kündigung12.

Die Bedeutung der Festlegung des auswahlrelevanten Personenkreises und damit der miteinander zu vergleichenden Arbeitnehmer zeigt sich auch dadurch, dass dem Arbeitgeber bei ihr, im Gegensatz zur Gewichtung der Sozialkriterien nach § 1 III KSchG, kein eigener Wertungsspielraum zusteht13. Zu Recht hat daher das LAG Hamm in einer Entscheidung zur Sozialauswahl ausgeführt, dass die Festlegung des auswahlrelevanten Personenkreises und damit letztlich die Frage nach der Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern der „Grundstein einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl“ ist14. Dies wird auch noch dadurch verstärkt, dass das BAG explizit darauf hinweist, dass der Arbeitgeber auch nicht durch Auswahlrichtlinien im Sinne des § 95 BetrVG i.V.m. § 1 IV KSchG, den Kreis der auswahlrelevanten Arbeitnehmer festlegen kann, sondern dass diese Richtlinien nur die Gewichtung der einzelnen Kriterien für die Sozialauswahl betreffen oder betriebliche Bedürfnisse im Sinne des § 1 III 2 KSchG konkretisieren15. Daher kommt es für die Frage des auswahlrelevanten Personenkreises ausschließlich auf die Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern und nicht auf Wertungen des Arbeitgebers an16.

Bei der Festlegung der für die Auswahl relevanten vergleichbaren Arbeitnehmer handelt es sich um eine reine sog. Rechtsfrage, für die es keiner Wertung und Gewichtung seitens des Arbeitgebers bedarf17. Einzig bei der später noch zu erörternden Frage der maximalen Einarbeitungszeit steht dem Arbeitgeber ein gewisser Beurteilungsspielraum zu18.

Dieser erste Prüfungsschritt im Rahmen der Sozialauswahl, die Festlegung des auswahlrelevanten Personenkreises im Rahmen der Sozialauswahl, wird ← 5 | 6 → unter dem Schlagwort der Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern diskutiert19. Nur zwischen diesen vergleichbaren Arbeitnehmern kommt es zur Sozialauswahl anhand eines Vergleichs der in § 1 III KSchG aufgeführten Sozialdaten. Daher sind alle mit dem unmittelbar kündigungsbedrohten Arbeitnehmer vergleichbaren Arbeitnehmer in den Kreis der für die Sozialauswahl relevanten und im Sinne des § 1 III KSchG miteinander zu vergleichenden Kreis von Arbeitnehmern aufzunehmen20. Das Merkmal der Vergleichbarkeit in § 1 KSchG ist gesetzlich nicht normiert21. Daher fehlt es auch an gesetzlichen Vorgaben, nach welchen Kriterien sich die Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern in § 1 KSchG bestimmen lässt22. Die Vergleichbarkeit ist letztlich als gesetzlich nicht definiertes Merkmal der „Auslegungsertrag23“ des Begriffs der Auswahl in § 1 III KSchG durch die Rechtsprechung und Literatur24. Einzelne Kriterien und die Details der Vergleichbarkeitsprüfung sind in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

Die Sozialauswahl ist ein Prüfungspunkt von mehreren in Hinblick auf die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

So muss zunächst nach § 1 II 1 KSchG die betriebsbedingte Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sein25. Neben dem Vorliegen von dringenden betrieblichen Erfordernissen, die sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Umständen ergeben können, muss eine, nur beschränkt überprüfbare, unternehmerische Entscheidung vorhanden sein, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes führt26. Hierbei ist die unternehmerische Entscheidung als Ausgangspunkt der Kündigung dieser jedoch nachgeordnet27. Betriebliche Erfordernisse im Sinne der Norm liegen vor, wenn aufgrund eines aus der unternehmerischen Entscheidung resultierenden Organisationskonzeptes des Arbeitgebers hinsichtlich der zu verrichtenden Tätigkeit mehr Arbeitnehmer zur Verfügung stehen als Arbeitsmenge vorhanden ist28. Es muss also für betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 II 1 KSchG ein Überhang ← 6 | 7 → an noch vorhandenen Arbeitskräften gegenüber den vorhandenen Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen29.

Im Anschluss an die Feststellung der dringenden betrieblichen Erfordernisse muss geprüft werden, dass keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im Sinne des § 1 II 2 KSchG in denselben Betrieb oder einem anderen Betrieb des Unternehmens besteht30. Die Prüfung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit muss bereits vor der Überprüfung der Sozialauswahl nach § 1 III KSchG stattfinden31. Es müssen daher beide Prüfungspunkte voneinander unterschieden werden. Die Prüfung nach § 1 II KSchG ist vor der Prüfung des § 1 III KSchG durchzuführen.

Die Sozialauswahl nach § 1 III KSchG im Rahmen der betriebsbedingten Kündigung erfolgt wiederum in drei Schritten32. Bevor anhand der in § 1 III KSchG normierten Kriterien eine Auswahlentscheidung hinsichtlich des betriebsbedingt zu kündigenden Arbeitnehmers getroffen werden kann, muss in einem ersten Schritt zunächst der Kreis der für die Sozialauswahl relevanten Arbeitnehmer festgelegt werden, also der Kreis von Arbeitnehmern, die im Sinne des § 1 III KSchG hinsichtlich ihrer sozialen Schutzwürdigkeit miteinander verglichen werden33. Anschließend erfolgt unter den in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmern eine Auswahl nach den sozialen Kriterien des § 1 III KSchG danach, wer sozial stärker ist und wem daher vorrangig zu kündigen ist34. Schließlich ist in einem dritten Schritt zu überprüfen, ob der Arbeitgeber nach § 1 III 2 KSchG einzelne Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl herausnehmen kann35.

Die Sozialauswahl hat das Ziel bei einer unvermeidlichen Kündigung aus dem Kreis der zu vergleichenden Arbeitnehmer denjenigen Arbeitnehmer auszuwählen, der aufgrund seiner Sozialdaten am wenigsten auf den Arbeitsplatz angewiesen ist36. Jedoch muss der Arbeitgeber gegebenenfalls auch beim Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 1 II KSchG eine Auswahl zwischen mehreren in Frage kommenden Arbeitnehmern treffen. Die Rolle des vergleichbaren ← 7 | 8 → Arbeitnehmers bei diesem wird in einem gesonderten Abschnitt im Anschluss an den vergleichbaren Arbeitnehmer bei der Sozialauswahl behandelt und soll daher an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden.

1.  Geschichte der Sozialauswahl

Für die historische Auslegung von § 1 III KSchG ist es hilfreich, die Geschichte der Sozialauswahl zumindest in den wesentlichen Zügen kurz zu beleuchten. Vor allem bei der Frage der räumlichen Reichweite ist, wie noch darzustellen ist, eine historische Auslegung von § 1 III KSchG von Bedeutung.

Die Geschichte der Sozialauswahl beginnt mit § 13 der Demobilisierungsverordnung vom 12.2.192037. Nach dieser Vorschrift war erstmals eine Auswahl zwischen Arbeitnehmern eines Betriebes nach sozialen Gesichtspunkten bei betrieblich bedingten Kündigungen vorgesehen38. Vor 1920 war die Kündigungsentscheidung des Arbeitgebers, als Teil der seit der Abschaffung des Zunftzwangs im Jahre 1811 aus der Gewerbefreiheit resultierenden Vertragsfreiheit, gesetzlich nicht eingeschränkt39. Lediglich für einige Berufsgruppen existierte ein formaler Kündigungsschutz durch festgelegte Kündigungstermine oder Kündigungsfristen40, so dass die lediglich formal bestehende Vertragsfreiheit zu massiven sozialen Missständen führte41. Nach 1920 blieb das Prinzip der Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten bei der betriebsbedingten Kündigung anerkannt42 und fand schließlich in dem auf den Hattenheimer Entschließungen basierenden KSchG 1951 in § 1 III KSchG seine schriftliche Fixierung im Gesetz43. Gerade in jüngerer Vergangenheit hat der Gesetzgeber eine Reihe von Änderungen vorgenommen, um schließlich im Jahre 2003 den Rechtszustand von 1996 wieder herzustellen, der dem heutigen Rechtszustand der Sozialauswahl entspricht44. ← 8 | 9 →

2.  Sachlicher Anwendungsbereich der Sozialauswahl

Zunächst ist der sachliche Anwendungsbereich der Sozialauswahl festzulegen. Es ist zu fragen, bei welchen Kündigungen der Arbeitgeber eine Sozialauswahl im Sinne des § 1 III KSchG durchzuführen hat und wann sich im Gegenteil die Frage nach der Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern im Rahmen der betriebsbedingten Kündigung überhaupt nicht stellt.

Eine Sozialauswahl nach § 1 III KSchG muss der Arbeitgeber grundsätzlich bei allen betriebsbedingten Kündigungen durchführen45. Bei einer personen- oder verhaltensbedingten Kündigung hat der Arbeitgeber aufgrund des eindeutigen Wortlautes des § 1 III KSchG keine Pflicht zur Sozialauswahl, da bei dieser der Kündigungsgrund dem Arbeitnehmer direkt zuzuordnen ist, was bei der betriebsbedingten Kündigung nicht der Fall ist46.

Beim Anwendungsbereich der Sozialauswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung ist jedoch zu beachten, dass eine solche nur dann durchzuführen ist, wenn der Arbeitgeber überhaupt zwischen mehreren Arbeitnehmern eine Auswahl treffen muss47. Voraussetzung, um eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten vornehmen zu können ist, dass die Anzahl der auf dem jeweiligen Kündigungsentschluss beruhenden Kündigungen geringer ist als die Anzahl der in Betracht kommenden Arbeitnehmer48. Eine Sozialauswahl ist daher bei einer betriebsbedingten Kündigung nur vorzunehmen, wenn einer bestimmten Anzahl von vergleichbaren Arbeitnehmern gekündigt werden muss, während gleichzeitig weitere vergleichbare Arbeitnehmer aus dem auswahlrelevanten organisatorischen Rahmen weiterbeschäftigt werden können49.

Daher ist bei der betriebsbedingten Kündigung eine Sozialauswahl nicht durchzuführen, wenn keine mit dem kündigungsbedrohten Arbeitnehmer vergleichbaren Arbeitnehmer existieren oder allen vergleichbaren Arbeitnehmern in einem bestimmten Bereich gekündigt worden ist50. Auch wenn nur ein einziger Arbeitnehmer für die Kündigung durch den Arbeitgeber in Frage kommt und diesem gekündigt wird, braucht der Arbeitgeber keine Auswahl vorzunehmen, ← 9 | 10 → so dass die Sozialauswahl nicht zur Anwendung kommt und sich die Frage nach der Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern nicht stellt51.

Nur wenn in einem bestimmten Bereich einige, aber nicht alle Beschäftigungsmöglichkeiten bzw. Arbeitsplätze entfallen und von einem bestimmten Kreis vergleichbarer Arbeitnehmer nur noch einige weiterbeschäftigt werden können, muss der Arbeitgeber denjenigen Arbeitnehmer auswählen, den die Kündigung treffen soll bzw. dann ist eine Sozialauswahl im Sinne des § 1 III KSchG seitens des Arbeitgebers vorzunehmen52.

3.  Die betriebliche Auswahl

Es ist allgemein anerkannt, dass für die Festlegung des für die Sozialauswahl auswahlrelevanten Personenkreises zunächst als Ausgangspunkt für diese Vergleichbarkeitsprüfung der Kreis der unmittelbar kündigungsbedrohten Arbeitnehmer zu ermitteln bzw. die Frage zu klären ist, welcher Arbeitsplatz von der der Kündigung zur Grunde liegenden Unternehmerentscheidung betroffen ist53.

Ausgangspunkt zur Beantwortung dieser Frage ist daher die unternehmerische Entscheidung, welche zum Wegfall des Arbeitsplatzes führt54. Von dieser ausgehend lässt sich, anhand des Anforderungsprofils des entfallenden Arbeitsplatzes, der Kreis der unmittelbar kündigungsbedrohten Arbeitnehmer bestimmen55.

Die Anknüpfung an die unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers ergibt sich vor allem aus dem Zweck der Sozialauswahl, welcher in der personellen Zuordnung eines aus der Sphäre des Arbeitgebers bestehenden Kündigungsgrundes liegt56. Die kündigungsbegründende Unternehmerentscheidung, auf welcher die betriebsbedingte Kündigung basiert, ist immer darauf gerichtet, Arbeitsabläufe, welche einem bestimmten Zweck innerhalb des Betriebes dienen, quantitativ oder qualitativ zu verändern57. ← 10 | 11 →

Daher sind von dieser unternehmerischen Entscheidung stets die Arbeitsplätze betroffen, die der zu verändernden innerbetrieblichen Zwecksetzung dienen58. Diese von der Unternehmerentscheidung betroffenen Arbeitsplätze sind aufgrund der jeweiligen Funktion innerhalb des Betriebes einer bestimmten Ebene der Hierarchie des Betriebes zuzuordnen und weisen ein bestimmtes Anforderungsprofil auf59. Daher sind diese Arbeitnehmer, die auf diesen von der Arbeitgeberentscheidung betroffenen Arbeitsplätzen zurzeit beschäftigt sind, aufgrund der unternehmerischen Entscheidung unmittelbar von der Kündigung bedroht, da die dringenden betrieblichen Erfordernisse ihrer Weiterbeschäftigung entgegenstehen60. Es werden auch in die Sozialauswahl grundsätzlich nur die Arbeitnehmer einbezogen, welche nach einer betrieblichen Auswahl für eine betriebsbedingte Kündigung in Frage kommen, also, wie eben dargestellt, unmittelbar kündigungsbedroht sind61.

Diese Auswahl, die Festlegung des Kreises der unmittelbar von der unternehmerischen Entscheidung kündigungsbedrohten Arbeitnehmer, wird häufig auch als „betriebliche Auswahl“ bezeichnet62. Da der Bezugspunkt der Sozialauswahl, wie noch gezeigt wird, der betroffene Beschäftigungsbetrieb ist, hat sich auch die sog. „betriebliche Auswahl“ auf diesen zu beschränken63. Die betriebliche Auswahl ist notwendig, da der unmittelbar kündigungsbedrohte Arbeitsplatz häufig nicht exakt feststellbar ist64 und die unmittelbar kündigungsbedrohten Arbeitnehmer unstrittig den Ausgangspunkt für die weitere Vergleichbarkeitsprüfung im Rahmen des § 1 III KSchG darstellen65.

Gerade bei sog. rein quantitativen Anpassungsprozessen, z.B. dem bloßen Abbau von personellem Überhang in einer bestimmten Gruppe von Arbeitnehmern wie Hilfsarbeitern, lassen sich unmittelbar betroffene Arbeitnehmer oftmals nur schwer ermitteln66. In solchen Fällen ist für die sog. betriebliche Auswahl von einer „gruppenspezifischen Betrachtungsweise“ auszugehen67. Die Arbeitsplätze ← 11 | 12 → der Arbeitnehmer dieser „Funktionsgruppe“, wie z.B. die Funktionsgruppe der ungelernten Hilfsarbeiter in einem Betrieb, sind dann im Sinne der betrieblichen Auswahl im hier dargestellten Sinne unmittelbar betroffen68. Bis hierhin ist das Vorgehen im Rahmen der Sozialauswahl zur Bestimmung des für die Auswahl relevanten Kreises von Arbeitnehmern noch unstrittig.

Es besteht jedoch eine große Uneinigkeit darüber, wie der Kreis der vergleichbaren Personen im Weiteren festzulegen ist. Insbesondere ist es umstritten, ob sich der für die Sozialauswahl relevante Personenkreis nur auf den Kreis der nach der betrieblichen Auswahl unmittelbar kündigungsbedrohten Arbeitnehmer beschränken sollte oder ob auch solche Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einzubeziehen sind, die nicht nach dieser Auswahl unmittelbar kündigungsbedroht sind69. Diese wären nur mittelbar kündigungsbedroht, weil z.B. ihr Arbeitsplatz einer anderen innerbetrieblichen Zwecksetzung dient oder gar ein anderes Anforderungsprofil aufweist70.

Für die bisher nicht unmittelbar kündigungsbedrohten Arbeitnehmer würde hiernach letztlich die Sozialauswahl eine Kündigungsmöglichkeit schaffen71. Folge wäre, dass durch § 1 III KSchG ein bisher nur mittelbar kündigungsbedrohter Arbeitnehmer, dessen Beschäftigungsmöglichkeit nicht im Sinne des § 1 II KSchG unmittelbar entfällt, von seinem Arbeitsplatz durch einen sozial schwächeren, aber durch die unternehmerische Entscheidung unmittelbar kündigungsbedrohten Arbeitnehmer verdrängt würde72.

Bei der Beantwortung dieser Frage geht es letztlich darum, eine Risikoverteilung vorzunehmen, für welche unternehmerischen Entscheidungen des Arbeitgebers der Arbeitnehmer das Kündigungsrisko tragen soll73. Je größer der auswahlrelevante Personenkreis bei der Sozialauswahl ist, desto höher ist die Chance des unmittelbar kündigungsbedrohten Arbeitnehmers, dass ein anderer Arbeitnehmer vorrangig zu kündigen ist. Gleichzeitig wird bei einem entsprechend weitem auswahlrelevanten Personenkreis auch das Risiko einer Kündigung für Arbeitnehmer erhöht, die nicht unmittelbar kündigungsbedroht sind. ← 12 | 13 →

4.  Funktion der Sozialauswahl im Rahmen der betriebsbedingten Beendigungskündigung

Die Sozialauswahl hat sowohl für den betroffenen Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber im Rahmen der betriebsbedingten Kündigung eine große Bedeutung. Für den Arbeitgeber stellt sich die schwierige Frage, welche Arbeitnehmer er in die Sozialauswahl nach § 1 III KSchG einbeziehen muss74. Der Arbeitnehmer hingegen kann sich bei einem Fehler des Arbeitgebers in Bezug auf die Auswahl des für die Sozialauswahl relevanten Personenkreises darauf berufen, dass ein weniger schutzbedürftiger Arbeitnehmer zu Unrecht nicht in die Sozialauswahl aufgenommen worden ist75.

Als Vorfrage sollen für ein besseres Verständnis die wesentlichen Funktionen der Sozialauswahl kurz dargestellt werden. Diese lassen sich durch eine teleologische Auslegung des §1 III KSchG ermitteln76. Sinn und Zweck der Sozialauswahl ist neben dem Schutz des sozial schwächeren Arbeitnehmers die Konkretisierung des sich aus der Sphäre des Arbeitgebers ergebenden Kündigungsgrundes77. Es sollen nur diejenigen Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einbezogen werden, denen aus den gleichen betrieblichen Erfordernissen ordentlich gekündigt werden könnte78. Aufgrund dieses Auslegungsertrages sind die Auswahl- und die Schutzfunktion der Sozialauswahl allgemein anerkannt.

a)  Auswahlfunktion

Die betriebsbedingte Kündigung soll die Anzahl der Beschäftigten in einem Betrieb wieder der tatsächlich vorhandenen Arbeitsmenge anpassen79. Der Kündigungsgrund entstammt bei der betriebsbedingten Kündigung lediglich der Sphäre des Arbeitgebers und ist keinem Arbeitnehmer konkret zuzuordnen80. Aufgrund der Tatsache, dass eine direkte Verbindung zwischen dem Kündigungsgrund und dem tatsächlich zu entlassenen Arbeitnehmer bei der betriebsbedingten Kündigung nicht vorhanden ist, muss eine solche erst hergestellt werden81. Dafür, gibt es theoretisch verschiedene Möglichkeiten, wie z.B. die ← 13 | 14 → freie Ermessensentscheidung, bei welcher der Arbeitgeber eine freie Auswahl hinsichtlich des zu kündigenden Arbeitnehmers treffen kann82. Auch eine Konkretisierung nach der sog. „individualrechtlichen Lösung83“, bei welcher derjenige Arbeitnehmer zu entlassen ist, dessen Arbeitsplatz konkret entfällt, wird wie die freie Ermessensentscheidung des Arbeitgebers zu Recht abgelehnt84.

Die Aufgabe der Sozialauswahl besteht daher vor allem darin, einen an sich bestehenden abstrakten Kündigungsgrund personell zu konkretisieren und diesen einem oder mehreren Arbeitnehmern zuzurechnen85. Sie dient dazu, betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 II KSchG in personeller Hinsicht zu konkretisieren86. Zweck des § 1 III KSchG ist es daher vor allem, das „Übel der betriebbedingten Kündigung87“ nach sozialen Gesichtspunkten zu verteilen. Der Sozialauswahl kommt daher vor allem eine Auswahlfunktion zu88.

b)  Schutzfunktion

Neben der Auswahlfunktion kommt der Sozialauswahl auch eine Schutzfunktion zu89. Die Sozialauswahl soll den sozial schwächeren Arbeitnehmer vor der betriebsbedingten Kündigung schützen90. Daher wird das Auswahlermessen des Arbeitgebers bei der betriebsbedingten Kündigung beschränkt91. Dies wird dadurch erreicht, dass der sozial nachrangige Arbeitnehmer durch die Sozialauswahl vor einer betriebsbedingten Kündigung geschützt wird, indem der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Arbeitnehmer in der Reihenfolge ihrer sozialen Schutzwürdigkeit zu entlassen92. Denn der Arbeitgeber hat mithilfe der Auswahl nach § 1 III KSchG denjenigen Arbeitnehmer auszuwählen, den die betriebsbedingte Kündigung im Vergleich zu den anderen in Frage kommenden Arbeitnehmern am wenigsten hart trifft93. Die Sozialauswahl ist daher eine Korrektur ← 14 | 15 → dafür, dass der Gesetzgeber die ordentliche Kündigung aus Gründen zulässt, die nicht vom Arbeitnehmer beeinflusst werden können94.

Durch die Sozialauswahl wird eine Rangfolge der zu entlassenden Arbeitnehmer nach sozialen Gesichtspunkten aufgestellt95. Der sozial schutzwürdigere Arbeitnehmer ist gleichzeitig auch berechtigt, dem Arbeitgeber gegenüber den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen96.

5.  Räumlicher Geltungsbereich der Sozialauswahl

Bevor eine Sozialauswahl nach § 1 III KSchG zwischen einzelnen Arbeitnehmern vorgenommen werden kann, muss, wie bereits dargelegt, zunächst der Kreis der auswahlrelevanten Arbeitnehmer festgelegt werden, also der Kreis derjenigen Arbeitnehmer, die in die Auswahl nach § 1 III KSchG einzubeziehen sind97. Mangels gesetzlicher Vorgaben stellt es in der Praxis häufig für den Arbeitgeber ein großes Problem dar, den Kreis der auswahlrelevanten Arbeitnehmer korrekt festzulegen98.

Da es für die Frage des maßgeblichen Bezugspunktes für die Auswahl ebenfalls an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 1 KSchG mangelt99, werden für diesen in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Ansätze vertreten. Es ist vor allem umstritten, ob sich die Sozialauswahl lediglich auf den Beschäftigungsbetrieb des unmittelbar kündigungsbedrohten Arbeitnehmers beschränkt oder ob sich diese auf das Unternehmen oder gar auf den ganzen Konzern beziehen soll100. Zu dieser Frage werden im Wesentlichen drei Ansätze in Rechtsprechung und Literatur vertreten, welche im Folgenden einzeln dargestellt werden. ← 15 | 16 →

a)  Die Betriebsbezogenheit der Sozialauswahl

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts101 und nach Ansicht eines großen Teils der Literatur102 ist die Sozialauswahl im Sinne von § 1 III KSchG grundsätzlich streng betriebsbezogen durchzuführen und weder auf die Betriebsabteilung oder einen Betriebsteil zu beschränken103, noch auf das Unternehmen104 und erst recht nicht auf den Konzern auszuweiten105, da der gesetzlich Kündigungsschutz betriebsbezogen ausgestaltet worden sei106.

Der Arbeitgeber hat nach dieser Auffassung die Sozialauswahl auf alle vergleichbaren Arbeitnehmern des Betriebes zu erstrecken, in dem die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit entfällt107. Dieser ist dann der Bezugspunkt für die weitere Sozialauswahl108. Die organisatorische Einheit Betrieb des unmittelbar kündigungsbedrohten Arbeitnehmers ist nach dieser Ansicht der größte denkbare „Auswahl-Topf“109, in welchem die Auswahl nach § 1 III KSchG grundsätzlich ← 16 | 17 → zwischen allen vergleichbaren Arbeitnehmern durchzuführen ist110. Auch ist nach dieser Ansicht die Sozialauswahl nicht auf einen einzelnen Betriebsteil zu beschränken111. Der Grundsatz der Betriebsbezogenheit der Sozialauswahl wird auch bei einer bloßen Teilbetriebsstilllegung oder einem Teilbetriebsübergang angewendet112. Auch in diesen Fällen ist die Sozialauswahl bezogen auf den gesamten Beschäftigungsbetrieb durchzuführen113.

Details

Seiten
XVI, 232
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653049275
ISBN (ePUB)
9783653974089
ISBN (MOBI)
9783653974072
ISBN (Paperback)
9783631656471
DOI
10.3726/978-3-653-04927-5
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (Oktober)
Schlagworte
betriebsbedingte Kündigung Abgrenzungskriterien Rechtsprechung Rechtsbegriff
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. XVI, 232 S.

Biographische Angaben

Lars Lubisch (Autor:in)

Lars Lubisch studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bochum. Dort war er als Lehrkraft für besondere Aufgaben für den Schwerpunktbereich Arbeit und Soziales tätig.

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Titel: Der vergleichbare Arbeitnehmer im Arbeitsrecht
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