Vom Lieblingsautor zum Außenseiter
Ein Beitrag zur Kanondebatte des 18. Jahrhunderts
Uwe Hentschel
Einleitung
Extract
Ueberhaupt soll ja das Classenwesen nur ein kleiner Wink für die Kenner sein.1
Der Kampf um das „Classenwesen“
Was Zentrum ist und damit den Mittelpunkt geistesgeschichtlicher Zuwendung darstellt, und was zur Peripherie gehört, die aus dem kulturellen Gedächtnis ausgeblendet werden kann, wird immer wieder neu verhandelt werden müssen. Die Deutschen hatten sich für lange Zeit angewöhnt, in der Nachfolge von Gervinus und der nationalliberalen Literaturgeschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts von der Klimax Aufklärung, Sturm und Drang, Klassik/Romantik zu sprechen, was dazu führte, dass bestimmte literarische Erscheinungen an den Rand gedrängt wurden oder mit Bezug auf die Gipfelleistungen von Schiller und Goethe abgewertet worden sind. Das Ergebnis war „eine Geschichtsschreibung der Sieger“.2 Ohne die Leistungen unserer klassischen Dichter schmälern zu wollen, so ist doch offensichtlich, wieviel man, da sich die Forschung zunächst auf sie orientierte, unbeachtet ließ.
Es hat lange gedauert, bis man sich z. B. wieder einem Gottsched zuwandte,3 den bereits Lessing wirkungsmächtig mit seiner bissigen Abfertigung in dem berühmt-berüchtigten 17. Literaturbrief in den Orkus der ← 9 | 10 → Literaturgeschichte versenkt hatte.4 Ähnliches ließe sich über Johann Christian Günther, Christian Ludwig Liscow oder Jakob Michael Reinhold Lenz sagen, die zunächst einer Beschäftigung für unwürdig gehalten wurden, weil Goethe sie in Dichtung und Wahrheit für charakterlich labil und so gänzlich unklassisch erklärte.5 Wie lange bedurfte es, um die Leistungen eines...
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