Lade Inhalt...

Unterrichtungspflicht und Widerspruchsrecht bei Betriebsübergang gemäß § 613a Abs. 5 und 6 BGB – Grenzen, weitere aktuelle Rechtsprobleme und Strategien zur Risikominimierung

von Stefan Hoffmann (Autor:in)
©2015 Dissertation 480 Seiten

Zusammenfassung

Aus der Verknüpfung der Unterrichtungspflicht der Arbeitgeber und des Widerspruchsrechts der Arbeitnehmer bei Betriebsübergang nach § 613a Abs. 5 und 6 BGB resultieren zahlreiche Rechtsprobleme. Die Studie möchte hier praxisgerechte Lösungen liefern. Ausgehend von den europarechtlichen Wurzeln der Unterrichtung werden dem Rechtsanwender klare Vorgaben für die Erstellung eines ordnungsgemäßen Unterrichtungsschreibens an die Hand gegeben. Der zweite Teil der Studie behandelt die Tatbestandsvoraussetzungen eines wirksamen Widerspruchs und dessen Rechtsfolgen in Abhängigkeit vom konkreten Erklärungszeitpunkt. Im Anschluss werden die Grenzen des Widerspruchsrechts untersucht und schließlich Strategien zur Risikominimierung aus Arbeitgebersicht entwickelt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Vorwort
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • § 1 Einleitung
  • A. Problemaufriss und Gang der Untersuchung
  • B. Relevanz der Forschung
  • § 2 Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB
  • A. Europarechtliche Vorgaben und deutsche Umsetzung
  • I. Kollektivrechtlicher Regelungsgehalt des Art. 7 RL 2001/23/EG und seine Umsetzung in das deutsche Recht
  • 1. Grundmodell
  • 2. Umsetzungsoptionen
  • II. Individualrechtlicher Regelungsgehalt des Art. 7 RL 2001/23/EG und seine Umsetzung in das deutsche Recht
  • III. Folgen der (überschießenden) deutschen Umsetzung
  • 1. Auslegung des § 613a Abs. 5 BGB31
  • 2. Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV34
  • IV. Zwischenergebnis
  • B. Sinn und Zweck der Unterrichtung
  • I. Europarechtliche Sicht
  • II. Deutsche Sicht
  • III. Folgen für die teleologische Auslegung des § 613a Abs. 5 BGB44
  • IV. Zwischenergebnis
  • C. Rechtsnatur der Unterrichtung
  • I. Deutsche Rechtslage vor der Richtlinie
  • II. Europarechtliche Vorgaben
  • III. Ausformung im deutschen Recht
  • 1. Vor dem Übergang
  • 2. Nach dem Übergang
  • 3. Schadensersatzansprüche
  • IV. Zwischenergebnis
  • D. Berechtigte und Verpflichtete der Unterrichtungspflicht
  • I. Berechtigte der Unterrichtungspflicht
  • 1. Europarechtliche Vorgaben
  • 2. Ausformung im deutschen Recht
  • a) (Quasi-)Richtlinienkonforme Auslegung
  • b) Auslegung nach dem Wortlaut
  • c) Systematische Auslegung
  • d) Historische Auslegung
  • e) Teleologische Auslegung
  • f) Zwischenergebnis
  • 3. Arbeitnehmereigenschaft
  • II. Verpflichtete der Unterrichtungspflicht
  • 1. Europarechtliche Vorgaben
  • 2. Ausformung im deutschen Recht
  • a) „Bisherige Arbeitgeber“ und „neue Inhaber“73
  • b) Gesamtschuldner
  • aa) (Quasi-)Richtlinienkonforme Auslegung
  • bb) Auslegung nach dem Wortlaut
  • cc) Schuldrechtsdogmatische Überlegungen
  • dd) Historische Auslegung
  • III. Wissenszurechnung im Außenverhältnis und Auskunftsanspruch im Innenverhältnis
  • 1. Europarechtliche Vorgaben
  • 2. Ausformung im deutschen Recht
  • IV. Zurechnung fremden Verschuldens
  • V. Zwischenergebnis
  • E. Form, Zugang und Sprache der Unterrichtung
  • I. Europarechtliche Vorgaben
  • II. Ausformung im deutschen Recht
  • 1. Form der Unterrichtung
  • 2. Zugang der Unterrichtung
  • 3. Sprache der Unterrichtung
  • III. Zwischenergebnis
  • F. Zeitpunkt der Unterrichtung
  • I. Spätestmöglicher Unterrichtungszeitpunkt
  • 1. Europarechtliche Vorgaben
  • 2. Ausformung im deutschen Recht
  • II. Frühestmöglicher Unterrichtungszeitpunkt
  • 1. Europarechtliche Vorgaben
  • 2. Ausformung im deutschen Recht
  • III. Praktische Erwägungen zum Unterrichtungszeitpunkt
  • IV. Zwischenergebnis
  • G. Materielle Anforderungen an die Unterrichtung im Rechtsprechungswandel
  • I. Rechtsprechung des BAG vor Normierung
  • II. Rechtsprechung des BAG nach Normierung
  • III. Zwischenergebnis
  • H. Probleme bei mehr als einem Unterrichtungsschreiben
  • I. Berichtigen bzw. vervollständigen einer nicht ordnungsgemäßen Erstunterrichtung (Nachunterrichtung)109
  • II. Verfälschen bzw. Verunklaren einer ordnungsgemäßen Erstunterrichtung
  • III. Ergänzung bzw. Erneuerung einer ordnungsgemäßen Unterrichtung bei Änderung mitteilungspflichtiger Umstände nach Unterrichtungszugang
  • 1. Meinungsspektrum
  • 2. Stellungnahme
  • IV. Freiwillige nachträgliche Informationen
  • V. Zwischenergebnis
  • I. Grenzen der Unterrichtungspflicht
  • I. Grenze aus dem europarechtlichen Effektivitätsgebot
  • II. Objektive Wesentlichkeitsschwelle
  • 1. Ansätze des BAG und der Literatur
  • 2. Eigener Ansatz
  • III. Grenzen aus § 242 BGB130
  • 1. Geheimhaltungsinteressen der Arbeitgeber
  • a) Europarechtliche Vorgaben
  • b) Deutsche Rechtslage
  • 2. Verständlichkeit vs. juristischer Korrektheit und Vollständigkeit
  • 3. Verwirkung und Rechtsmissbrauch
  • IV. Obliegenheit der Arbeitnehmer zu eigenen Nachforschungen
  • V. Abstraktes, generalisierendes Standardschreiben
  • VI. Adressatenbezogene Erfüllungswirkung
  • VII. Grenze durch Zweckerreichung
  • VIII. Verzicht auf die Unterrichtung
  • IX. Verjährung als zeitliche Grenze
  • X. Keine Begrenzung durch den positiven Kenntnisstand im Zeitpunkt der Unterrichtung
  • 1. Meinungsspektrum
  • 2. Stellungnahme
  • XI. Konkretisierung der Unterrichtungspflicht bei Unkenntnis und Abgrenzung zu den einzuhaltenden Sorgfaltsanforderungen
  • 1. Unkenntnis von der Rechtslage
  • 2. Unkenntnis von einem mitteilungsrelevanten Umstand
  • a) Unmöglichkeit als Grenze der Unterrichtungspflicht
  • b) Kein Verschulden bei Offenlegung der (vorübergehenden) Unkenntnis
  • c) Kein Verschulden bei fehlender Informationsbeschaffungspflicht
  • d) Haftungsmilderung de lege ferenda
  • 3. Zukunftsbezogene Informationen
  • a) Keine Pflicht zu spekulativen Mitteilungen
  • b) Allgemeine Grundsätze für Prognoseinformationen
  • c) Anwendung dieser Grundsätze auf § 613a Abs. 5 BGB167
  • XII. Sekundäre Behauptungslast der Arbeitnehmer als faktische Grenze
  • XIII. Zwischenergebnis
  • J. Inhalt der Unterrichtung
  • I. Europarechtliche Vorgaben
  • II. Orientierung an anderen Vorschriften
  • 1. Keine Orientierung an § 5 Abs. 1 Nr. 9 UmwG u.a.173
  • 2. Keine Orientierung an §§ 87 ff., 106 Abs. 3 BetrVG174
  • 3. Orientierung an Art. 2 Abs. 2 RL 91/533/EWG175
  • 4. Orientierung an § 111 S. 1 BetrVG178
  • III. Ungeschriebene Informationstatbestände
  • 1. Identifizierung des Betriebsveräußerers und des Betriebserwerbers
  • a) Einzelne Informationsgegenstände
  • b) Besonderheiten in Fällen der Neugründung des Betriebserwerbers
  • 2. Gegenstand des Betriebsübergangs
  • IV. Zeitpunkt des Betriebsübergangs (§ 613a Abs. 5 Nr. 1 BGB)188
  • V. Grund des Betriebsübergangs (§ 613a Abs. 5 Nr. 2 BGB)190
  • 1. Rechtsgrund
  • 2. Weiterer Inhalt des Informationstatbestands
  • a) Ansichten in der Literatur
  • b) Ansicht des BAG192
  • c) Ansichten des LAG München und des LAG Düsseldorf
  • aa) LAG München
  • bb) LAG Düsseldorf
  • 3. Stellungnahme
  • a) Keine Pflicht zur Unterrichtung über den Rechtsgrund
  • b) Pflicht zu einer schlagwortartigen Wiedergabe der Motive des Betriebsveräußerers und des Betriebserwerbers für den Betriebsübergang
  • c) Keine Pflicht zur Unterrichtung über „Eckdaten der Transaktion“202
  • VI. Systematisierung von § 613a Abs. 5 Nr. 3 und Nr. 4 BGB203
  • 1. Vorschläge aus dem Schrifttum
  • a) Ansicht von Willemsen/Lembke
  • b) Ansicht von Grau
  • c) Ansicht von Annuß207
  • d) Ansicht von Dahms
  • e) Weitere Ansichten
  • 2. Hinweise zu einer sich abzeichnenden Systematisierung in der BAG-Rechtsprechung
  • 3. Eigener Vorschlag zur Systematisierung
  • a) Abgrenzung von § 613a Abs. 5 Nr. 3 und 4 BGB211
  • aa) Maßnahmen im Sinne von § 613a Abs. 5 Nr. 4 BGB211
  • bb) Folgen im Sinne von § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB216
  • b) Abgrenzung innerhalb von § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB221
  • VII. Rechtliche, wirtschaftliche und soziale Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer (§ 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB)223
  • 1. Unmittelbare rechtliche Folgen des Übergangs
  • a) Eintritt des Erwerbers in Rechte und Pflichten
  • b) Haftungssystem
  • c) Kündigungsrechtliche Folgen
  • d) Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen
  • aa) Allgemeine Vorgaben
  • bb) Auswirkungen des Betriebsübergangs auf Tarifverträge
  • cc) Auswirkungen des Betriebsübergangs auf Betriebsvereinbarungen
  • dd) Besonderheiten bei (Teil-)Ablösung nach § 613a Abs. 1 S. 3 BGB233
  • ee) Besonderheiten bei arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln
  • e) Widerspruchsrecht
  • 2. Mittelbare Folgen des Übergangs
  • a) Folgen aus der Solvenz des Arbeitgebers
  • aa) Meinungsspektrum
  • bb) Stellungnahme
  • (1) Informationsgegenstand
  • (2) Kausalitätserfordernis
  • (3) Fälle eines laufenden Insolvenzverfahrens
  • (4) Fälle einer drohenden Zahlungsunfähigkeit
  • b) Folgen aus der wechselnden Belegschaftsstärke
  • aa) Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
  • bb) Betriebsverfassungsrechtliche Folgen
  • VIII. In Aussicht genommene Maßnahmen (§ 613a Abs. 5 Nr. 4 BGB)256
  • 1. Maßnahmen
  • 2. In Aussicht genommen
  • IX. Zwischenergebnis
  • § 3 Widerspruch nach § 613a Abs. 6 BGB
  • A. Europarechtliche und verfassungsrechtliche Vorgaben
  • I. Europarechtliche Vorgaben
  • II. Verfassungsrechtliche Vorgaben
  • III. Unternehmerfreiheit des Arbeitgebers
  • IV. Zwischenergebnis
  • B. Rechtsnatur des Widerspruchs
  • C. Berechtigte und Adressaten des Widerspruchsrechts
  • D. Form und Zugang der Widerspruchserklärung
  • E. Kein sachlicher Grund und keine Begründung erforderlich
  • F. Widerspruchsfrist
  • I. Rechtsprechung des BAG vor Normierung des Widerspruchsrechts
  • II. Dauer der Widerspruchsfrist
  • III. Beginn der Widerspruchsfrist
  • 1. Meinungsspektrum
  • 2. Stellungnahme
  • a) Keine Verknüpfung des Fristbeginns mit einem Kausalitätskriterium
  • b) Keine Unterscheidung nach dem Grad des Unterrichtungsfehlers
  • c) Erfüllung der Unterrichtungspflicht als das fristauslösende Ereignis
  • d) Die Frage der Verknüpfung des Fristbeginns mit der Verjährung des Informationsanspruchs
  • e) Beginn der Widerspruchsfrist in den Fällen der Unmöglichkeit
  • IV. Zwischenergebnis
  • G. Kausalität zwischen dem Nicht-Widerspruch innerhalb der fiktiven Widerspruchsfrist und dem Unterrichtungsfehler
  • I. Meinungsspektrum
  • II. Stellungnahme
  • III. Darlegungs- und Beweislast
  • IV. Zwischenergebnis
  • H. Rechtsfolgen des Widerspruchs
  • I. Rechtsfolgen des vor dem Betriebsübergang erklärten Widerspruchs
  • II. Rechtsfolgen des nach dem Betriebsübergang erklärten Widerspruchs
  • 1. Ex tunc Wirkung des Widerspruchs
  • a) Meinungsspektrum
  • b) Stellungnahme
  • 2. Zwischen Betriebserwerber und Arbeitnehmer
  • 3. Zwischen Betriebsveräußerer und Arbeitnehmer
  • a) Zeitraum zwischen Betriebsübergang und Widerspruch
  • aa) Anspruch auf Vergütung
  • (1) Meinungsspektrum
  • (2) Stellungnahme
  • bb) Anspruch auf dienstzeitunabhängige Leistungen
  • b) Zeitraum nach Widerspruch
  • III. Ausgewählte Folgefragen des Widerspruchs
  • 1. Betriebsbedingte Kündigung
  • a) Fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit
  • b) Ordnungsgemäße Sozialauswahl
  • c) Anhörung des Betriebsrats
  • 2. Ausschluss widersprechender Arbeitnehmer von Abfindungsansprüchen
  • 3. Sozialversicherungsrechtliche Folgen
  • IV. Zwischenergebnis
  • I. Grenzen des Widerspruchsrechts
  • I. Keine gesetzliche Höchstfrist und keine Analogie mit anderen Rechtsvorschriften
  • II. Beendigung des Arbeitsverhältnisses als absolute zeitliche Grenze des Widerspruchsrechts
  • III. Ausschluss des Widerspruchsrechts durch Verzicht
  • 1. Verhältnis des Verzichts zur Bestätigung
  • 2. Erkenntnisse aus § 144 BGB358
  • 3. Voraussetzungen des Verzichts auf das Widerspruchsrecht
  • a) Empfangsbedürftige Willenserklärung
  • b) Kenntnis vom Widerspruchsrecht
  • c) Verzichtswille
  • d) Schriftformerfordernis
  • e) Anlässlich eines konkreten Betriebsübergangs
  • f) Ordnungsgemäße Unterrichtung nicht erforderlich
  • 4. Erscheinungsformen des Verzichts
  • a) Ausdrücklicher Verzicht auf das Widerspruchsrecht
  • b) Konkludenter Verzicht auf das Widerspruchsrecht
  • IV. Rechtsmissbrauch
  • 1. Kein sachlicher Grund erforderlich
  • 2. Kollektiver Widerspruch
  • a) Meinungsspektrum
  • b) Stellungnahme
  • c) Darlegungs- und Beweislast
  • 3. Individueller Widerspruch
  • a) Institutioneller Rechtsmissbrauch
  • b) Individueller Rechtsmissbrauch
  • V. Verwirkung
  • 1. Zeitmoment
  • a) Beginn des Zeitmoments
  • b) Dauer des Zeitmoments
  • 2. Umstandsmoment
  • a) Vertrauensbildende Umstände
  • aa) Weiterarbeit beim Betriebserwerber
  • (1) Schlichte Weiterarbeit genügt nicht
  • (2) Weiterarbeit nach Kenntnis vom Betriebsübergang genügt nicht
  • (3) Einmonatige Weiterarbeit in Kenntnis von den für die Geltendmachung des Widerspruchsrechts bedeutsamen Tatsachen genügt
  • bb) Disposition über das Arbeitsverhältnis
  • (1) Rechtsprechung des BAG395
  • (2) Ansichten in der Literatur
  • (3) Stellungnahme
  • cc) Sonstige Verhaltensweisen
  • b) Wissenszurechnung
  • c) Schutzwürdiges Vertrauen
  • aa) Berücksichtigung des treuwidrigen Verhaltens der Gegenpartei
  • bb) Berücksichtigung der Unkenntnis des Arbeitnehmers vom Widerspruchsrecht
  • cc) Berücksichtigung einer nicht ordnungsgemäßen Unterrichtung
  • d) Unzumutbarkeit der Rechtsausübung
  • 3. Bewertung des Rechtsinstituts Verwirkung als Grenze des Widerspruchsrechts
  • VI. Zwischenergebnis
  • § 4 Strategien zur Eindämmung von Risiken aus Arbeitgebersicht
  • A. Allgemeine zivilrechtliche Gestaltungsmittel zur Bewältigung eines Widerspruchs nach Beendigungstatbestand auf Seiten des Betriebserwerbers
  • I. Regeln der Zustimmung
  • II. Regeln der Stellvertretung
  • B. Aufschiebend bedingte Kündigung des bisherigen Arbeitgebers
  • C. Gestaltungsmöglichkeiten im Übernahmevertrag
  • I. Regelungen zur Erfüllung der Unterrichtungspflicht
  • 1. Zum Absender des Unterrichtungsschreibens
  • 2. Zum Inhalt des Unterrichtungsschreibens
  • 3. Zur Nachunterrichtung bzw. zur Erneuerung der Unterrichtung
  • II. Regelungen zum gemeinsamen Umgang mit Risiken der Unterrichtungspflicht und des Widerspruchsrechts
  • 1. Zur wechselseitigen Benachrichtigung über die Ausübung des Widerspruchsrechts
  • 2. Zur Verhinderung von Widersprüchen
  • 3. Zur Schadenskompensation und zur Schadensgeringhaltung
  • 4. Zu den Möglichkeiten bei Interessefortfall
  • D. Unterstützung beim Wiedereintritt ins Arbeitsleben
  • E. Zwischenergebnis
  • § 5 Zusammenfassung in Thesen und Schlussbemerkungen
  • A. Thesen
  • B. Schlussbemerkungen
  • Literaturverzeichnis

← 16 | 17 → § 1 Einleitung

A. Problemaufriss und Gang der Untersuchung

Erfolgreiche Marktteilnahme unter der Bedingung des globalen Wettbewerbs fordert von deutschen Unternehmen ein immer höheres Maß an Flexibilität und Wandlungsfähigkeit. Unternehmenstransaktionen, Restrukturierungen, Outsourcing-Maßnahmen oder die Neuvergabe von Aufträgen sind im Wirtschaftsleben an der Tagesordnung. Damit einhergehende Rechtsfragen haben höchste praktische Relevanz. Umso bemerkenswerter ist es, dass trotz der Fülle an Veröffentlichungen und (höchstrichterlichen) Gerichtsentscheidungen zu diesen Problemfeldern in der Praxis noch immer ein erheblicher Klärungsbedarf besteht. Im Arbeitsrecht bildet der Betriebsübergang nach § 613a BGB hierfür ein prominentes Beispiel.

Für einen „Unternehmenskauf“ stehen unterschiedliche Gestaltungsformen zur Verfügung. Dabei können sowohl Asset Deal (Verkauf und Übertragung sämtlicher Vermögensgegenstände des Unternehmens im Wege der Einzelrechtsnachfolge) als auch Umwandlungen nach dem UmwG (Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung) zu einem Betriebs(teil)übergang nach § 613a Abs. 1 BGB führen und einen gesetzlichen Arbeitgeberwechsel zur Folge haben. Sofern eine Gesamtrechtsnachfolge mittels Umwandlung nach dem UmwG mit einem Betriebs(teil)übergang einhergeht, ergibt sich die Anwendbarkeit des § 613a BGB aus der Rechtsgrundverweisung des § 324 UmwG1. Einzig der Share Deal (Verkauf und Übertragung von Gesellschaftsanteilen) führt nur zu einem Gesellschafter- nicht aber zu einem Arbeitgeberwechsel2.

In der transaktionsbegleitenden arbeitsrechtlichen Beratung stellen sich seit der zum 1. April 2002 eingefügten Abs. 5 und 6 in § 613a BGB und der Änderung des § 324 UmwG3 zahlreiche, zum Teil ungelöste, Rechtsfragen zur Unterrichtung und zum Widerspruch bei Betriebsübergängen. § 613a Abs. 5 BGB findet seinen Ursprung in der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder ← 17 | 18 → Unternehmens- oder Betriebsteilen (sog. Betriebsübergangsrichtlinie)4. Neben europarechtlichen ergeben sich infolge der Aufnahme der genannten Vorschriften in das Arbeitsvertragsrecht vor allem zivilrechtliche Fragestellungen. Die arbeitsrechtliche Diskussion hat sich seitdem weg von den Tatbestandsvoraussetzungen des Betriebsübergangs hin zur Unterrichtung und dem Widerspruch der Arbeitnehmer bei Betriebsübergängen verlagert.

Bei der Überführung der europarechtlich geforderten Unterrichtung in das deutsche Recht ging der Gesetzgeber einen nationalen Sonderweg: Anstelle des in der Richtlinie vorgesehenen Grundsatzes der alleinigen Unterrichtung der Arbeitnehmervertretungen, sieht das deutsche Recht stets die Unterrichtung der vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor. Hinzu kommt, dass sich der deutsche Gesetzgeber dazu entschieden hat, dass bereits zuvor richterrechtlich anerkannte Widerspruchsrecht zu normieren und den Beginn der einmonatigen Widerspruchsfrist mit „der Unterrichtung nach Abs. 5“ zu verknüpfen, vgl. § 613a Abs. 6 BGB. Hinter dieser gesetzgeberischen Entscheidung verbirgt sich eine hohe Brisanz. Die Regelungskomplexe Unterrichtung und Widerspruch können daher sinnvollerweise nur zusammen behandelt werden.

Die inhaltliche Weite der Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB ist seit jeher umstritten. Der mit unbestimmten Begriffen gespickte Wortlaut des Informationskatalogs in Abs. 5 wurde fast wortgleich aus der Betriebsübergangsrichtlinie übernommen. Eine Spruchpraxis des EuGH, an der man sich zur Konkretisierung des Unterrichtungsinhalts orientieren könnte, besteht nicht. In Folge der äußerst extensiven Auslegung des Informationskatalogs durch die deutschen Gerichte kam es in der Bundesrepublik Deutschland zu in der Welt einmalig hohen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Unterrichtung bei Betriebsübergängen. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Unterrichtung sind teilweise undefinierbar geworden. Selbst ein den aktuellen Anforderungen der Rechtsprechung genügendes Unterrichtungsschreiben kann sich im Zeitpunkt seiner gerichtlichen Überprüfung aufgrund zwischenzeitlicher Verschärfungen als nicht mehr „gerichtsfest“ erweisen. Ein unbefristetes Widerspruchsrecht steht im Raum.

Für besonderes Aufsehen sorgten in der jüngeren Vergangenheit der sog. BenQ- und der Agfa-Fall. Der BenQ-Fall betraf den Verkauf der Mobilfunksparte von der Siemens AG auf die BenQ Mobile GmbH & Co. OHG und der Agfa-Fall die Übertragung eines Geschäftsbereiches der Agfa-Gevaert AG auf die Agfa Photo GmbH. In beiden Fällen wurden die Betriebserwerber nach dem Übergang insolvent und in beiden Fällen wurde die Widerspruchsfrist wegen einer nicht ordnungsgemäßen Unterrichtung nicht in Gang gesetzt. Eine Vielzahl der übergehenden Arbeitnehmer ← 18 | 19 → versuchte deshalb auch noch lange Zeit nach dem bereits vollzogenen Betriebsübergang ihr Arbeitsverhältnis zu retten, indem sie dem gesetzlich angeordneten Übergang ihres Arbeitsverhältnisses in der Hoffnung widersprachen, auf diesem Wege auf einen solventen Arbeitgeber zurückzukehren.

Aus Arbeitgebersicht birgt eine unrichtige oder unvollständige Unterrichtung der Arbeitnehmer im Falle eines Betriebs(teil)übergangs erhebliche rechtliche und vor allem wirtschaftliche Risiken in sich. Der Beginn der Widerspruchsfrist ist für die Planungs- und Rechtssicherheit der Arbeitgeber von herausragender Bedeutung. Der Betriebserwerber hat ein Interesse an der ausreichenden Besetzung seiner Schlüsselpositionen. Die Besten wandern jedoch häufig zuerst ab. Besteht das Widerspruchsrecht auch noch lange nach dem Übergang fort, könnte er die auf ihn übergegangenen Arbeitnehmer doch noch verlieren. Hieraus können wiederum nicht unerhebliche Funktionsstörungen im Erwerberbetrieb resultieren. Für den Betriebsveräußerer bedeuten nachträgliche Widersprüche, dass den widersprechenden Arbeitnehmern mangels Beschäftigungsmöglichkeit regelmäßig betriebsbedingt gekündigt werden muss, wodurch erhebliche Personalabbaukosten anfallen können. Zahlreiche Widersprüche können im Einzelfall sogar geeignet sein, das Interesse am Unternehmenskauf komplett entfallen zu lassen. Das Widerspruchsrecht wird zum „Dealbreaker“. Für Deutschland könnten hiermit nicht unerhebliche Standortnachteile verbunden sein. Internationale Investoren aus wichtigen Märkten für „Mergers & Acquisitions“ wie z.B. China oder Indien könnten sich durch einen derart risikobehafteten Betriebs(teil)übergang abschrecken lassen.

Aus diesen Überlegungen leiten sich die Untersuchungsobjekte für die vorliegende Arbeit ab. Gegenstand der Untersuchung sind Grenzen und weitere aktuelle Rechtsprobleme der Unterrichtungspflicht und des Widerspruchsrechts sowie die Strategien zur Risikominimierung. Ziel dieser Arbeit ist es, praxisgerechte Lösungen zu liefern. Entsprechend der Untersuchungsobjekte unterteilt sich die Arbeit im Wesentlichen in drei Hauptteile: Unterrichtung, Widerspruch und Strategien zur Risikominimierung. Im ersten Teil wird die Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB ausgehend von ihren europarechtlichen Wurzeln dargestellt. Der Schwerpunkt dieses Abschnitts liegt darin, dem Rechtsanwender möglichst klare Vorgaben für die Erstellung eines ordnungsgemäßen Unterrichtungsschreibens an die Hand zu geben. Um den konkreten Umfang der Unterrichtungspflicht abzustecken, geht der Verfasser in zwei Schritten vor: Im ersten Schritt werden die Grenzen der Unterrichtungspflicht abstrakt herausgearbeitet. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse fließen in einem zweiten Schritt in die Subsumtion der einzelnen Unterrichtungstatbestände ein. Der zweite Teil widmet sich dem nunmehr in § 613a Abs. 6 BGB verankerten Widerspruchsrecht. Zunächst werden die Tatbestandsvoraussetzungen eines wirksamen Widerspruchs und dessen Rechtsfolgen in Abhängigkeit des konkreten Erklärungszeitpunkts dargestellt. Im Anschluss werden die Grenzen des Widerspruchsrechts untersucht. Hierbei geht es um die Frage, ob trotz Vorliegens sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen kein wirksamer Widerspruch vorliegt, weil das Widerspruchsrecht wegen Zeitablauf ← 19 | 20 → oder sonstiger Umstände untergegangen ist. Im dritten Abschnitt der Arbeit werden schließlich einige praktische Strategien zur Risikominimierung aus Arbeitgebersicht entwickelt.

B. Relevanz der Forschung

Die hohe praktische Bedeutung hat neben zahlreichen Kommentierungen5 zu einer breiten Behandlung der hier interessierenden Untersuchungsobjekte in den einschlägigen Handbüchern zur Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen6 geführt. In ersten umfangreicheren Abhandlungen aus dem Jahre 2002 greifen Gaul7 in seiner Habilitationsschrift und Franzen8 in einem Zeitschriftenbeitrag die ersten Diskussionen zur Thematik auf und behandeln diese vergleichsweise ausführlich. Die bis heute einzige und sehr verdienstvolle Dissertation zur gesamten hier betrachteten Thematik stammt von Grau9 und wurde im Jahre 2005 veröffentlicht. Vornehmlich Gestaltungsfragen im Hinblick auf Unterrichtung und Widerspruchsrecht behandelt Mayer10 in seinem Praxisleitfaden aus dem Jahre 2007. Die exemplarisch aufgezählten ausführlichen Abhandlungen haben gemeinsam, dass sie vor wichtigen Grundsatzentscheidungen des BAG erschienen sind. In grundlegenden Urteilen vom 13.7.200611 und vom 31.1.200812 hat sich das BAG erstmals im Kern mit Inhalt und Umfang der Unterrichtung auseinandergesetzt. Insbesondere mit seinen Urteilen vom 27.11.200813 und vom 23.7.200914 hat das BAG ← 20 | 21 → mittlerweile auch zur Frage Stellung genommen, welche Umstände zu einer Verwirkung des Widerspruchsrechts führen können. Zudem enthalten diese und viele weitere aktuelle Entscheidungen, beispielhaft seien die Urteile vom 10.11.201115 und vom 15.3.201216 genannt, wichtige grundsätzliche Aussagen zur Konkretisierung der inhaltlichen Anforderungen an ein korrektes Unterrichtungsschreiben. Die vorliegende Arbeit untersucht die sich aus diesen Urteilen ergebenden aktuellen Rechtsfragen, durchleuchtet die hierzu vertretenen Ansichten und führt die wissenschaftliche Diskussion fort.

Keinen Schwerpunkt dieser Arbeit bildet die Folgefrage, ob bei einer betriebsbedingten Kündigung ein Widerspruch des Arbeitnehmers gegen einen Teilbetriebsübergang im Rahmen der vorzunehmenden Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG eine Rolle spielt. Ein Urteil des BAG vom 31.5.200717 hat in der Praxis weitgehend für Klarheit gesorgt. Zudem war dieses Problem bereits ein Schwerpunkt der Dissertation von Stiefel18 aus dem Jahre 2009. Ebenfalls keinen Schwerpunkt wird der Betriebsübergang bei Umwandlungsmaßnahmen darstellen. Hier war insbesondere umstritten, ob bei Umwandlungsmaßnahmen, bei denen der übertragende Rechtsträger infolge der Umwandlung erlischt (bei der Verschmelzung nach § 2 UmwG und bei der Aufspaltung nach § 123 Abs. 1 UmwG), ein Widerspruchsrecht besteht. Diese Frage hat das BAG in jüngerer Zeit entschieden19. ← 21 | 22 →

___________

1BAG, 25.5.2000 – 8 AZR 416/99, AP Nr. 209 zu § 613a BGB (II 1 c bb).

2BAG, 20.4.2010 – 3 AZR 225/08, AP Nr. 63 zu § 1 BetrAVG (B II 2).

3Durch Art. 4 und 5 des „Gesetzes zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze“ vom 23.3.2002 (BGBl. I 2002, 1167 f.), ohne Übergangsregelung in Kraft seit dem 1.4.2002. Ab diesem Stichtag gelten die neuen Regelungen für alle Übergänge eines Betriebs(teils). Wank, in: Handbuch zum Arbeitsrecht, § 102 Rn. 89, zweifelt allerdings an der ordnungsgemäßen Verkündung.

4Die RL 77/187/EWG des Rates vom 14.2.1977 (ABl. Nr. L 61 vom 5.3.1977, 26), in der Fassung der RL 98/50/EG des Rates vom 29.6.1998 (ABl. Nr. L 201 vom 17.7.1998, 88), wurde durch die RL 2001/23/EG des Rates vom 12.3.2001 (ABl. Nr. L 82 vom 22.3.2001, 16) aufgehoben (Art. 12) und ohne inhaltliche Änderungen neu kodifiziert.

5Vgl. u.a. ErfK/Preis, § 613a BGB Rn. 84-110a; HWK/Willemsen/Müller-Bonanni, Rn. 315-362; MK/Müller-Glöge, § 613a BGB Rn. 104-128; Staudinger/Annuß, § 613a BGB, Rn. 256-332.

6Vgl. u.a. WHSS/Willemsen, Rn. G 147-169 und Rn. G 210-235; Düwell/Wichert, in: Arens/Düwell/Wichert, Umstrukturierung, § 7 Rn. 256-359; Bauer/Göpfert/Haußmann/Krieger, Umstrukturierung, Teil 3 B; Cohnen, in: Moll, Arbeitsrecht, § 55 Rn. 1 ff.; Trittin, in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, § 6 Rn. 87-138.

7Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, 303-344.

8Franzen, RdA 2002, 258 ff.

9Rechtsprechung und Literatur bis Oktober 2004 berücksichtigt, vgl. Grau, Unterrichtung, Vorwort.

10Rechtsprechung und Literatur bis April 2007 berücksichtigt, vgl. Meyer, Unterrichtung, Vorwort.

11Diese Entscheidungstrias wurde im Vorfeld mit großer Spannung erwartet: BAG, 13.7.2006 – 8 AZR 303/05, AP Nr. 311 zu § 613a BGB; BAG, 13.7.2006 – 8 AZR 305/05, AP Nr. 312 zu § 613a BGB; BAG, 13.7.2006 – 8 AZR 382/05, AP Nr. 1 zu § 613a BGB Widerspruch.

12BAG, 31.1.2008 – 8 AZR 1116/06, AP Nr. 2 zu § 613a BGB Unterrichtung.

13BAG, 27.11.2008 – 8 AZR 225/07, AP Nr. 364 zu § 613a BGB; BAG, 27.11.2008 – 8 AZR 1021/06, AP Nr. 361 zu § 613a BGB.

14BAG, 23.7.2009 – 8 AZR 357/08, AP Nr. 10 zu § 613a BGB Widerspruch; BAG, 23.7.2009 – 8 AZR 538/08, AP Nr. 10 zu § 613a BGB Unterrichtung; BAG, 23.7. 2009 – 8 AZR 539/08, AP Nr. 11 zu § 613a BGB Unterrichtung; BAG, 23.7.2009 – 8 AZR 541/08, AP Nr. 12 zu § 613a BGB Unterrichtung; BAG, 23.7.2009 – 8 AZR 558/08, AP Nr. 13 zu § 613a BGB Unterrichtung.

15BAG, 10.11.2011 – 8 AZR 430/10, AP Nr. 15 zu § 613a BGB Unterrichtung.

16BAG, 15.3.2012 – 8 AZR 700/10, AP Nr. 29 zu § 613a BGB Widerspruch.

17BAG, 31.5.2007 – 2 AZR 276/06, AP Nr. 94 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl.

18Stiefel, Betriebsbedingte Kündigung. Neue Probleme des § 613a Abs. 6 BGB.

19BAG, 21.2.2008 – 8 AZR 157/07, BAGE 126, 105.

← 22 | 23 → § 2 Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB

A. Europarechtliche Vorgaben und deutsche Umsetzung

Der europäische Gesetzgeber greift seit längerem mit dem Ziel eines in allen Mitgliedstaaten gleich hohen Arbeitnehmerschutzes tief und nachhaltig in die nationalen Arbeitsrechtsordnungen ein. Die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen stellt eine wichtige Maßnahme zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend der Umstrukturierung von Unternehmen im Binnenmarkt der Europäischen Union dar. Die Betriebsübergangsrichtlinie bildet die wohl bedeutendste unionsrechtliche Regelung für das klassische Arbeitsrecht.

Die Befriedigung des individuellen Informationsbedürfnisses der von einem Betriebs(teil)übergang betroffenen Arbeitnehmer kann entweder unmittelbar durch eine individualrechtliche Unterrichtung der einzelnen Arbeitnehmer oder mittelbar durch eine Unterrichtung der Arbeitnehmervertretung, die die Informationen dann an die Arbeitnehmer weiterleiten20, erfolgen. Der europäische Richtliniengeber entschied sich im Grundsatz für die mittelbare Information der Arbeitnehmer21. Die zentrale europarechtliche Vorschrift zur Reglung der Informationspflichten bei Betriebsübergängen stellt Art. 7 RL 2001/23/EG dar. Entsprechend der Vorstellung des europäischen Richtliniengebers enthält diese Vorschrift sowohl einen kollektivrechtlichen als auch einen individualrechtlichen Regelungsteil.

I. Kollektivrechtlicher Regelungsgehalt des Art. 7 RL 2001/23/EG und seine Umsetzung in das deutsche Recht

Art. 7 Abs. 1 bis 5 RL 2001/23/EG regeln die Pflichten des Veräußerers und des Erwerbers gegenüber ihren jeweiligen Arbeitnehmervertretungen und sind somit systematisch dem kollektiven Recht zuzuordnen („kollektivrechtliche Informationspflichten“22).

Zwar bilden die Pflichten auf kollektivrechtlicher Ebene nicht den Gegenstand der vorliegenden Arbeit, in der das individuelle Recht im Mittelpunkt stehen soll. Die Reichweite des individualrechtlichen Regelungsgehalts des Art. 7 ← 23 | 24 → RL 2001/23/EG erschließt sich jedoch erst durch einen Blick auf die verschiedenen Umsetzungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten auf kollektivrechtlicher Ebene der Vorschrift. Der europäische Richtliniengeber eröffnet den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, das von ihm bevorzugte Grundmodell entweder deckungsgleich oder mit gewissen Modifizierungen umzusetzen.

1. Grundmodell

Nach Art. 7 Abs. 1 RL 2001/23/EG sind der Veräußerer und der Erwerber verpflichtet, die Vertreter ihrer jeweiligen von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer zu informieren. Für den Fall, dass der Veräußerer bzw. der Erwerber Maßnahmen hinsichtlich seiner Arbeitnehmer in Betracht zieht, sind sie zudem verpflichtet, die Vertreter ihrer Arbeitnehmer rechtzeitig zu diesen Maßnahmen zu konsultieren, um eine Übereinkunft anzustreben, Art. 7 Abs. 2 RL 2001/23/EG. Die vorgenannten Informations- und Konsultationspflichten gelten nicht nur für den Fall, dass die zum Übergang führende Entscheidung vom Arbeitgeber selbst getroffen wird, sondern auch dann, wenn sie von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen herrührt, Art. 7 Abs. 4 RL 2001/23/EG („Konzernklausel“23). Damit wird sichergestellt, dass von Art. 7 RL 2001/23/EG auch Umstrukturierungsmaßnahmen innerhalb eines Konzerns oder eines Gemeinschaftsunternehmens (sog. Joint Venture) erfasst werden24.

Details

Seiten
480
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653051407
ISBN (ePUB)
9783653975284
ISBN (MOBI)
9783653975277
ISBN (Hardcover)
9783631657805
DOI
10.3726/978-3-653-05140-7
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (November)
Schlagworte
Arbeitsrecht Europarecht Arbeitgeber Arbeitnehmer
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 480 S.

Biographische Angaben

Stefan Hoffmann (Autor:in)

Stefan Hoffmann studierte Rechtswissenschaften an der Universität Greifswald und der Universität Bayreuth, wo er auch eine Zusatzqualifikation zum Wirtschaftsjuristen absolvierte. Derzeit ist er am Oberlandesgericht Bamberg tätig.

Zurück

Titel: Unterrichtungspflicht und Widerspruchsrecht bei Betriebsübergang gemäß § 613a Abs. 5 und 6 BGB – Grenzen, weitere aktuelle Rechtsprobleme und Strategien zur Risikominimierung
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
book preview page numper 26
book preview page numper 27
book preview page numper 28
book preview page numper 29
book preview page numper 30
book preview page numper 31
book preview page numper 32
book preview page numper 33
book preview page numper 34
book preview page numper 35
book preview page numper 36
book preview page numper 37
book preview page numper 38
book preview page numper 39
book preview page numper 40
478 Seiten