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Die regionalen Gerichtshöfe der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC) und der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC)

von Jan Scharfenberg (Autor:in)
©2015 Dissertation 374 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch befasst sich mit den regionalen Integrationsbestrebungen im südlichen und östlichen Afrika. Der Autor beleuchtet intensiv Geschichte und Aufbau zweier Integrationsregime, der Southern African Development Community (SADC) und der East African Community (EAC), und analysiert die Aktivitäten der in beiden Gemeinschaften geschaffenen regionalen Rechtsprechungsinstanzen. Neben Aufbau und Funktionsweise der Gerichtshöfe präsentiert und bewertet er ausgesuchte Gerichtsentscheidungen. Auf dieser Grundlage unternimmt er den Versuch, Ableitungen für den derzeitigen Integrationsstand und Prognosen für die Zukunftsaussichten von SADC und EAC zu treffen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Danksagung
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • 1. Überblick über Integrationsbestrebungen in Afrika
  • 2. Die Southern African Development Community und ihr regionales Rechtsprechungsorgan
  • 2.1 Die Entwicklung SADCs
  • 2.2 Der Vertrag zur Gründung der Southern African Development Community
  • 2.2.1 Aufbau des Vertrages
  • 2.2.2 Grundsätze und Ziele der Gemeinschaft
  • 2.2.3 Handlungsgrundsätze und Verpflichtungen der Mitgliedstaaten
  • 2.2.4 Institutioneller Rahmen
  • 2.2.4.1 Summit
  • 2.2.4.2 Organ
  • 2.2.4.3 Council
  • 2.2.4.4 Integrated Committee of Ministers und Standing Committee of Officials
  • 2.2.4.5 Sekretariat und Direktorate
  • 2.2.4.6 Tribunal
  • 2.2.4.7 National Committees
  • 2.2.4.8 Exkurs: Das Vorhaben der Schaffung eines SADC-Parlaments
  • 2.2.5 Mitgliedschaft in der Gemeinschaft
  • 2.2.6 Sitz, Amtssprache, Rechtspersönlichkeit
  • 2.2.7 Vertragsergänzung, Verabschiedung von Protokollen
  • 2.3 Zum Stand der Integration
  • 2.4 Exkurs: Die Southern African Customs Union (SACU)
  • 2.5 Das SADC-Tribunal
  • 2.5.1 Einleitung
  • 2.5.2 Gerichtsbarkeit und Zuständigkeit des Tribunals
  • 2.5.3 Aufbau
  • 2.5.4 Verfahrensarten
  • 2.5.4.1 Streitigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten
  • 2.5.4.2 Durch Individualpersonen eingeleitete Verfahren
  • 2.5.4.3 Streitigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten
  • 2.5.4.4 Weitere Verfahrensarten vor dem Tribunal
  • 2.5.5 Die Richter des Tribunals
  • 2.5.5.1 Ernennung und Tätigkeit der Richter
  • 2.5.5.2 Mit dem Amt unvereinbare Tätigkeiten und Befangenheit eines Richters
  • 2.5.5.3 Besetzung des Tribunals
  • 2.5.6 Das Verfahren vor dem Tribunal
  • 2.5.6.1 Postulationsfähigkeit
  • 2.5.6.2 Ablauf des Verfahrens
  • 2.5.6.3 Das Urteil
  • 2.5.6.4 Einstweilige Verfügungen und Zulässigkeitsrüge
  • 2.5.6.5 Streitverkündung und Intervention
  • 2.5.6.6 Anwendbares Recht
  • 2.5.6.7 Vollstreckung
  • 2.5.7 Die Rechtsprechungsaktivitäten des Tribunals
  • 2.5.7.1 Campbell and others v. Republic of Zimbabwe
  • 2.5.7.2 Tembani v. Republic of Zimbabwe
  • 2.5.7.3 Gondo and others v. Republic of Zimbabwe
  • 2.5.7.4 United Republic of Tanzania vs. CIMEXPAN (Mauritius) Ltd., CIMEXPAN (Zanzibar) Ltd. and Ajaye Jogoo
  • 2.5.7.5 United People’s Party of Zimbabwe v. SADC & Others
  • 2.5.7.6 Fazit
  • 3. Die East African Community und ihr regionales Rechtsprechungsorgan
  • 3.1 Die Entwicklung der EAC
  • 3.2 Der Vertrag zur Gründung der East African Community von 1999
  • 3.2.1 Aufbau des Vertrages
  • 3.2.2 Ziele und Grundsätze der Gemeinschaft
  • 3.2.3 Handlungsgrundsätze und Verpflichtungen der Mitgliedstaaten
  • 3.2.4 Institutioneller Rahmen
  • 3.2.4.1 Summit
  • 3.2.4.2 Council
  • 3.2.4.3 Co-ordination Committee
  • 3.2.4.4 Sectoral Committees
  • 3.2.4.5 Gerichtshof
  • 3.2.4.6 EALA
  • 3.2.4.7 Sekretariat
  • 3.2.5 Mitgliedschaft in der Gemeinschaft
  • 3.2.6 Sitz, Amtssprache, Rechtspersönlichkeit
  • 3.2.7 Vertragsergänzung und Gesetzgebungsverfahren
  • 3.3 Zum Stand der Integration innerhalb der EAC und der im Vertrag vereinbarten Politikfelder
  • 3.4 Der East African Court of Justice
  • 3.4.1 Einleitung
  • 3.4.2 Gerichtsbarkeit und Zuständigkeit des Gerichtshofes
  • 3.4.3 Aufbau
  • 3.4.4 Verfahrensarten
  • 3.4.4.1 Durch die Mitgliedstaaten eingeleitete Verfahren
  • 3.4.4.2 Durch den Generalsekretär eingeleitete Verfahren
  • 3.4.4.3 Durch Individualpersonen eingeleitete Verfahren
  • 3.4.4.4 Weitere Verfahrensarten vor dem Gerichtshof
  • 3.4.5 Die Richter des Gerichtshofes
  • 3.4.5.1 Ernennung und Tätigkeit der Richter
  • 3.4.5.2 Amtsenthebung von Richtern
  • 3.4.5.3 Befangenheit eines Richters
  • 3.4.5.4 Besetzung der Kammern von Gericht Erster Instanz und Appellationsgericht
  • 3.4.6 Das Verfahren vor dem Gerichtshof
  • 3.4.6.1 Postulationsfähigkeit
  • 3.4.6.2 Ablauf des Verfahrens
  • 3.4.6.3 Das Urteil
  • 3.4.6.4 Einstweilige Verfügungen
  • 3.4.6.5 Besonderheiten des Berufungsverfahren vor dem Appellationsgericht
  • 3.4.6.6 Streitverkündung und Intervention
  • 3.4.6.7 Vollstreckung
  • 3.4.7 Das Protokoll zur Erweiterung der Kompetenzen des Gerichtshofes
  • 3.4.7.1 Zum Inhalt des Protokolls
  • 3.4.7.2 Bewertung
  • 3.4.8 Die Rechtsprechungsaktivitäten des Gerichtshofes
  • 3.4.8.1 Mwatela, Mutende and Sepetu vs. East African Community
  • 3.4.8.2 Nyong’o and others vs. Attorney General of the Republic of Kenya and others
  • 3.4.8.3 Katabazi vs. Secretary General of the EAC and the Attorney General of the Republic of Uganda
  • 3.4.8.4 East African Law Society and others vs. Republic of Kenya, United Republic of Tanzania, Republic of Uganda and Secretary General of the East African Community
  • 3.4.8.5 Sebalu vs. Secretary General of The East African Community, Attorney General of the Republic of Uganda and others
  • 3.4.8.6 Fazit
  • 4. Die Tripartite Initiative von EAC, SADC und dem Common Market for Eastern and Southern Africa (COMESA)
  • 4.1 Einleitung
  • 4.2 COMESA und der COMESA Court of Justice
  • 4.2.1 Die Entwicklung COMESAs und der Vertrag zur Gründung des Common Market for Eastern and Southern Africa
  • 4.2.2 Der COMESA-Gerichtshof
  • 4.2.2.1 Zuständigkeit, Verfahrensarten und Durchsetzung von Entscheidungen
  • 4.2.2.2 Entscheidungspraxis des COMESA-Gerichtshofes
  • 4.3 Die Tripartite Initiative von COMESA, EAC und SADC
  • 4.3.1 Entwicklung, Ziele und Institutioneller Rahmen der Tripartite Initiative FTA
  • 4.3.2 Perspektiven der Tripartite Initiative
  • 5. Exkurs: Das Menschenrechtsschutzsystem der Afrikanischen Charta der Rechte der Menschen und der Völker
  • 5.1 Anfänge des Menschenrechtsschutzes in Afrika
  • 5.2 Die Entwicklung der Charta
  • 5.3 Die Charta
  • 5.4 Die Schutzmechanismen der Charta – Die Kommission und der Gerichtshof
  • 5.4.1 Die Kommission
  • 5.4.2 Der Gerichtshof
  • 5.4.3 Das Verhältnis zwischen Kommission und Gerichtshof
  • 5.5 Zusammenfassung und Bewertung
  • 6. Schlussfolgerungen
  • 6.1 Vergleich der Rechtssprechungsaktivitäten der Regionalgerichte von SADC und EAC
  • 6.1.1 Vertragliche Grundlagen für die Ausgestaltung und Tätigkeit der Gerichte
  • 6.1.1.1 Gerichtsbarkeit
  • 6.1.1.2 Ad-hoc-Status versus ständiges Gericht
  • 6.1.1.3 Vollstreckung/Durchsetzung von Entscheidungen
  • 6.1.2 Entscheidungspraxis
  • 6.1.2.1 Verfahrensarten
  • 6.1.2.2 Interpretation der eigenen Rechtsprechungskompetenzen
  • 6.1.2.3 Sachentscheidungen
  • 6.1.2.4 Problematik von ultra-vires-Entscheidungen
  • 6.1.3 Mitgliedstaatliche Reaktionen auf Entscheidungen und sonstige Aktivitäten der Gerichte
  • 6.2 Perspektiven von EAC-Gerichtshof und SADC-Tribunal sowie der beiden Regionalgemeinschaften EAC und SADC
  • 7. Quellenverzeichnis

Einleitung

Das Schlagwort „Regionale Integration“ wird seit dem Ausbruch der Staatsschuldenkrise in Europa in 2009/10 und der damit einhergehenden Krise der europäischen Gemeinschaftswährung nicht mehr nur als Allheilmittel wirtschaftlichen Aufschwungs einer Region verwandt. Dabei scheint oft vergessen, dass die zwischenstaatliche Zusammenarbeit innerhalb einer Region viele positive Aspekte mit sich bringen kann. Aus dem europäischen Blickwinkel ist die wohl wesentlichste Errungenschaft regionaler Integration die Beseitigung von jahrhundertealten Konflikten, die in zwei Weltkriegen mit Millionen von Opfern gipfelten. Wenn auch zunächst politisch gesteuert, entwickelte sich mit dem zunehmenden Ausbau gemeinsamer – später auch als supranational bezeichneter – Strukturen eine partnerschaftliche Beziehung, die das europäische Projekt wesentlich stimulierte und den wirtschaftlichen Aufschwung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, später Europäischen Gemeinschaft und heute Europäischen Union, beflügelte.

Aus globaler Sicht wird das europäische Zusammenwachsen nach wie vor als Erfolgsprojekt bewertet. Dieses auf andere Kontinente übertragend, entstanden Wirtschaftsgemeinschaften wie die Association of South East Asian Nations (ASEAN) in Südostasien oder der Mercado Común del Sur (MERCOSUR) in Südamerika. Wenn auch nicht immer das Ziel einer politischen Union vor Augen, haben diese Gemeinschaften zumeist den Status einer Freihandelszone lange erreicht.1 Als nächste Stufe gilt die Gründung einer Zollunion und die damit einhergehende Festlegung eines gemeinsamen Außenzolls und dessen zentrale Erhebung. Aus wirtschaftlicher und handelspolitischer Perspektive stellt sich der Verbund der Mitgliedstaaten auf diese Weise – zumindest von außen – als einheitliches Gebilde dar – gelten für die Einfuhr von Waren doch quasi gleiche Bedingungen. Gefolgt wird die Stufe der Gründung einer Zollunion von der Stufe des Aufbaus eines gemeinsamen Binnenmarktes. Schließlich setzen sich diverse Integrationsprojekte als Fernziel die Gründung einer politischen ← 15 | 16 → Konföderation.2 Jede Stufe ist mit dem zunehmenden Verzicht bzw. der Übertragung staatlicher Souveränität und Kompetenzen auf die zwischenstaatliche Ebene, also die Gemeinschaft, verbunden.

Geschah die europäische Einigung in erster Linie auf Grundlage der zwei geführten Weltkriege und dem Wunsch danach, ähnliches nie wieder auf dem europäischen Kontinent erleben zu müssen3, so sind die Motive, die zur Gründung anderer Kontinental- bzw. Regionalgemeinschaften führten, hiervon verschieden. Wesentlicher Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die zwischenstaatliche Zusammenarbeit auf dem afrikanischen Kontinent. Auch diese besitzt ihre eigene Gründungsgeschichte. Vor dem Hintergrund des durch den Sklavenhandel und die Kolonialzeit Erlebten entwickelte sich der Wunsch nach Einheit unter den Völkern Afrikas. Mit dem Schlagwort des Panafrikanismus wollte man die selbstbestimmte Entwicklung des Kontinents erreichen.4 Im Rahmen der Mitte der 1950er Jahre beginnenden Unabhängigkeitswelle kristallisierte sich jedoch schnell heraus, dass die Mehrzahl der neu gegründeten Staaten nicht willens war, die lange entbehrte Souveränität abzugeben. Die Gründung der Vereinigten Staaten von Afrika, wie von einigen Staatsführern, u. a. dem ersten Präsidenten Ghanas Nkrumah verfolgt, fand keinen allgemeinen Konsens.5 Stattdessen gründeten die Staats- und Regierungschefs die Organization of African Unity (OAU), die Vorgängerorganisation der heutigen Afrikanischen Union (AU). Gleichzeitig entwickelten sich zwischenstaatliche Gemeinschaften in verschiedenen Regionen Afrikas. Diese versuchten die teils durch die jeweiligen Kolonialmächte gebrachten Strukturen aufrechtzuerhalten und neue aufzubauen. Faktoren wie die Scheu vor dem Verlust der zuvor hart erkämpften staatlichen Souveränität, die Verfolgung unterschiedlicher Wirtschaftssysteme sowie die Blockpolitik der NATO und des Warschauer Paktes verhinderten jedoch ein stärkeres ← 16 | 17 → Zusammenwachsen der Staaten – sowohl auf regionaler als auch auf kontinentaler Ebene. Erfolgsgeschichten waren kaum zu verzeichnen. Stattdessen vernahm man vom afrikanischen Kontinent zumeist Meldungen von Hungersnöten, Bürgerkriegen oder politisch gesteuerten Rassendiskriminierungen – man sprach vom „verlorenen“ oder „hoffnungslosen“ Kontinent.6

Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts wurde der Ruf nach Intensivierung der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit wieder lauter. Bereits bestehende Regionalgemeinschaften wie die Preferential Trade Area (PTA) und die Southern African Development Coordination Conference (SADCC) wurden mit dem Ziel der Intensivierung der regionalen Integration auf neue vertragliche Grundlagen gestellt. Es entstanden der Common Market for Eastern and Southern Africa (COMESA), der sich aus der ehemaligen PTA entwickelte, und die Southern African Development Community (SADC), die den früheren wirtschaftlichen Gegenpol Südafrika in die ehemalige Southern African Development Coordination Conference integrierte. Gleichzeitig begannen die Staats- und Regierungschefs Ostafrikas mit der Wiederbelebung eines Integrationsprojektes, das im Jahr 1977 vorerst aufgegeben worden war, und legten die Grundlagen für die Neugründung der East African Community.

Doch die bloße Verankerung des Wunsches stärkerer Zusammenarbeit in einem Vertrag garantiert nicht dessen Umsetzung. Der zögerliche Verzicht auf staatliche Souveränität stellt in diesem Zusammenhang auch weiterhin eines der größten Hindernisse des wirtschaftlichen und politischen Zusammenwachsens der einzelnen Regionen Afrikas dar. Die Bereitschaft zur Übertragung von Kompetenzen kann daher neben anderen Aspekten, wie etwa der Steigerung intraregionalen Handels, als eine Art Lackmustest in Bezug auf die Erfolgsaussichten eines regionalen Integrationsprojektes dienen. Zeigen Mitgliedstaaten einer Regionalgemeinschaft hierdurch doch ihren Willen, die Gemeinschaft zu unterstützen und die Zusammenarbeit durch Schaffung gemeinsamer Strukturen auszubauen. Diese Annahme stellt die Grundlage der vorliegenden Arbeit dar. Es soll der Versuch unternommen werden, die Art der Zusammenarbeit in zwei der oben genannten Gemeinschaften – nämlich der Southern African Development ← 17 | 18 → Community sowie der East African Community – zu analysieren. Dabei konzentrieren sich die Analysen auf die Aktivitäten der zwischenzeitlich in beiden Gemeinschaften auf Gemeinschaftsebene errichteten Regionalgerichte – Stellt doch die Übertragung der Gerichtsbarkeit über staatliche Akte und innerstaatliche Vorgänge auf ein internationales Gericht einen grundlegenden Verzicht auf staatliche Souveränität dar.7 Neben der Darstellung von Entwicklung und Zusammenarbeit innerhalb der Southern African Development Community und der East African Community und der bisher erreichten Integrationsfortschritte ist Schwerpunkt der Arbeit die Beschreibung des Aufbaus der Gerichte, ihrer Kompetenzen, der Entscheidungspraxis und der Reaktion der Mitgliedstaaten. Dem liegt die These zugrunde, dass sich das Maß des Verzichts auf nationale Souveränität von Seiten der Mitgliedstaaten letztlich auf drei verschiedenen Stufen untersuchen lässt:

Auf der ersten Stufe ist zu analysieren, welche Kompetenzen die Mitgliedstaaten einem regionalen Gericht übertragen. Wie ist die Gerichtsbarkeit ausgestaltet? Wem wird unter welchen Voraussetzungen Zugang zum Gericht eingeräumt? Welche Möglichkeiten besitzt das Gericht, seinen Entscheidungen Wirkung zu verleihen bzw. inwiefern sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, den Entscheidungen des Gerichts Folge zu leisten?

Die zweite Stufe prägen die Aktivitäten des Gemeinschaftsgerichts. Wie nutzt dieses die ihm übertragenen Kompetenzen? Inwieweit geht es in Konfrontation zu den Mitgliedstaaten? Welchen Einfluss haben seine Entscheidungen auf die zukünftige Entwicklung der Gemeinschaft und wie stark wird die Ausgestaltung der Gemeinschaft durch bspw. die Auslegung von Gemeinschaftsrecht beeinflusst?

Schlussendlich stellt der tatsächliche Umgang der Mitgliedstaaten mit den Entscheidungen des regionalen Gerichtes die dritte Stufe der Untersuchung dar. In diesem Zusammenhang können die politischen Reaktionen auf einzelne Urteile und die Frage, inwieweit sich aus den jeweiligen Entscheidungen ergebende vorzunehmende Maßnahmen umgesetzt werden, zeigen, wie ernst es die Mitgliedstaaten mit der Schaffung einer funktionierenden regionalen Rechtsprechungsinstanz und damit auch mit dem Integrationsprojekt meinen. Auch die mitgliedstaatlichen Reaktionen in Form von Kompetenzbeschneidungen des Gerichts oder sonstiger gemeinschaftsrechtlicher Änderungen in Bezug auf die ← 18 | 19 → Ausgestaltung des Spruchkörpers sind dazu geeignet, Anhaltspunkte über das Verhältnis Mitgliedstaaten – Gemeinschaftsgericht zu liefern.

Die Arbeit verzichtet auf eine Darstellung politikwissenschaftlicher Theorien zu regionaler Integration. Stattdessen liegt ein Schwerpunkt auf der detaillierten Darstellung ausgewählter Entscheidungen der beiden Gerichte und deren Kommentierung. Zudem wird der Nachgang zu den jeweiligen Entscheidungen, insbesondere die Reaktion von Seiten der Mitgliedstaaten, näher beschrieben.

Auch wenn sich aufgrund seiner ähnlichen Ausgestaltung eine Einbeziehung des Gerichtshofes des Common Market of Eastern and Southern Africa anbieten würde – nicht zuletzt, da die drei Regionalgemeinschaften in Form der Tripartite Inititative verstärkt zusammenarbeiten – ist hiervon im Rahmen der vorliegenden Arbeit Abstand genommen worden. Obwohl der besagte Gerichtshof länger als die Spruchkörper von Southern African Development Community und East African Community aktiv ist, sind aktuelle Entscheidungen des Gerichtshofes des Common Market of Eastern and Southern Africa nicht zugänglich und eine Analyse ebendieser daher nicht möglich. Stattdessen werden Ausgestaltung und Aktivitäten des Common Market of Eastern and Southern Africa und seines Gerichthofes sowie die Zusammenarbeit der drei Regionalgemeinschaften in einem eigenständigen Abschnitt vorgestellt.

Den Abschluss der Arbeit bildet ein Vergleich der beiden Gerichte von Southern African Development Community und East African Community. Hierbei werden übertragene Kompetenzen, Rechtsprechungspraxis und der Umgang der jeweiligen Mitgliedstaaten mit dem Regionalgericht gegenübergestellt, mit dem Ziel anhand der gemachten Feststellungen die Perspektiven der zukünftigen Entwicklung beider Regionalgemeinschaften aufzuzeigen. ← 19 | 20 →

← 20 | 21 →

                                                   

  1  So sind bei der Welthandelsorganisation (WTO) derzeit ca. 230 regionale Handelsvereinbarungen notifiziert. – Vgl. Angaben der WTO in „Regional Trade Agreements Notified to the GATT/WTO and in Force“, Stand 15. Dezember 2008 – abrufbar unter http://www.wto.org/english/tratop_e/region_e/summary_e.xls – letztmalig besucht am 15. August 2013.

  2  Vgl. Biswaro, The Quest for Regional Integration in the 21st Century, S. 2ff.

  3  Vgl. insoweit Präambel zum EGKS-Vertrag, die auszugsweise wie folgt lautet:
„Entschlossen, an die Stelle der jahrhundertealten Rivalitäten einen Zusammenschluß ihrer wesentlichen Interessen zu setzen, durch die Errichtung einer wirtschaftlichen Gemeinschaft den ersten Grundstein für eine weitere und vertiefte Gemeinschaft unter Völkern zu legen, die lange Zeit durch blutige Auseinandersetzungen entzweit waren, und die institutionellen Grundlagen zu schaffen, die einem nunmehr allen gemeinsamen Schicksal die Richtung weisen können […].“

  4  Siehe hierzu ausführlich Zeleza/Eyoh, Encyclopedia of Twentieth-Century African History, S. 415ff.

  5  Ausführlich hierzu Naldi, The Organization of African Unity: an analysis of its role, S. 1f.

  6  Vgl. bspw. Sommer, „Afrika-Der verlorene Kontinent?“ in Die Zeit, 39/2000 – auch abrufbar unter http://www.zeit.de/2000/37/200038_sommer_indien.xml – letztmalig besucht am 14. August 2013; The Economist, „Hopeless Africa“, Artikel vom 11. Mai 2000 – auch abrufbar unter http://www.economist.com/node/333429 – letztmalig besucht am 14. August 2013; Der Spiegel, „Die gewaltigste Seelenernte“, Artikel vom 13. Januar 1992, Ausgabe 3/1992 – auch abrufbar unter http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13685485.html – letztmalig besucht am 30. Mai 2013.

  7  Vgl. Graf Vitzthum, Völkerrecht, hrsg. durch Graf Vitzthum, 5. Aufl. 2010, Abschnitt 1, Rn. 46; Steinberger, „Sovereignty“ in Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law, Bd.4 (2000), S. 500 (513).

1.  Überblick über Integrationsbestrebungen in Afrika

Integrative Unternehmungen in Afrika begannen nicht erst mit der Unabhängigkeitswelle der afrikanischen Staaten nach dem Ende des Ost-West-Konflikts. Vielmehr nehmen sie ihren Anfang zum einen in Aktivitäten der Kolonialmächte – vor allem Englands aber auch Frankreichs -, die versuchten, kolonieübergreifende Infrastrukturen zu schaffen und zentrale Verwaltungen einzurichten, um so die Kontrolle der Kolonialgebiete und deren wirtschaftliche Erschließung zu erleichtern. Insbesondere die Britische Krone sorgte auf diese Weise für den Ausbau der Straßen- und Schienenwege im östlichen und südlichen Afrika. Die Gesetzgebung des Mutterlandes wurde in großen Teilen auch in den Kolonien übernommen und gilt im Wesentlichen noch heute. Gebietsübergreifende Währungen und einheitliche Außenzölle, die man zentral bestimmte und einzog, wurden eingeführt.8 Zum anderen entwickelten insbesondere Exil-Afrikaner in den Vereinigten Staaten und Europa zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Idee des Panafrikanismus, die letztlich die Vereinigung aller afrikanischen Gebiete und aller ursprünglich mit dem „Schwarzen Kontinent“ verwurzelten Menschen und Völker zum Gegenstand haben sollte.9

Die Unabhängigkeit einer Großzahl afrikanischer Staaten, die in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts begann, beendete das koloniale Abenteuer der Europäer auf dem afrikanischen Kontinent. Auch wenn deren Einfluss vor allem auf wirtschaftlicher Ebene weiter fortbestehen sollte, waren es nunmehr die neu gegründeten Staaten, die integrative Impulse setzten. Zwar übernahmen sie dabei auch einzelne bereits bestehende regionale Strukturen, die während der Kolonialzeit geschaffen worden waren.10 Basierend auf der Idee des Panafrikanismus fand jedoch auch die Idee institutioneller kontinentaler Zusammenarbeit mit der Gründung der Organization of African Unity (im Folgenden: „OAU“) eine praktische Umsetzung. ← 21 | 22 →

Am 25. Mai 1963 kamen die Staats- und Regierungschefs der inzwischen unabhängigen Staaten Afrikas in Addis Abeba, Äthiopien, zusammen und verabschiedeten die Charta der Organization of African Unity (im Folgenden: „OAU-Charta“). Die OAU-Charta wurde zunächst von 32 Staaten unterzeichnet. Wesentliches Ziel der Gründung der neuen internationalen Organisation war es, die wirtschaftliche, kulturelle, wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit zwischen den afrikanischen Staaten zu fördern. Die von den Panafrikanisten verfochtene Idee der Einheit der afrikanischen Völker setzte sich dabei allerdings nur begrenzt durch.11 Zwar deuteten sowohl der Name der Organisation – „Unity“ – als auch einer der ausweislich der OAU-Charta wesentlichen Zwecke der OAU, nämlich gemäß Artikel 2 Abs. 1 lit. a) OAU-Charta die Förderung der Afrikanischen Einheit, auf die Umsetzung dieser Idee hin. Ein wichtiger Aspekt des Vertragswerk und der Praxis der OAU war jedoch das Bekenntnis zur und die Achtung der staatlichen Souveränität der einzelnen Mitgliedstaaten. So bestimmte Artikel 2 Abs. 1 lit. c) OAU-Charta als einen wesentlichen Zwecke

„(t)o defend their [die mitgliedstaatliche] sovereignty, their territorial integrity and independence“.

Auch die in der OAU-Charta beschriebenen Grundprinzipien waren vom Leitgedanken der Unverletzlichkeit staatlicher Souveränität geprägt. So lautete Artikel 3 auszugsweise wie folgt:

“The Member States, in pursuit of the purposes stated in Article II solemnly affirm and declare their adherence to the following principles:

1.       The sovereign equality of all Member States.

2.       Non-interference in the internal affairs of States.

3.       Respect for the sovereignty and territorial integrity of each State and for its inalienable right to independent existence.”

(Hervorhebungen durch den Verfasser)

Artikel 7 OAU-Charta bestimmte den institutionellen Rahmen der OAU. Die dementsprechend geschaffene Versammlung der Staats- und Regierungschefs („Assembly of Heads of State and Government“) stellte gemäß Artikel 8 OAU-Charta das höchste Entscheidungsgremium dar. Zu ihren Aufgaben zählten insbesondere die Koordinierung und Harmonisierung der ← 22 | 23 → verschiedenen Politikbereiche der OAU. Weitere OAU-Institutionen waren der Ministerrat („Council of Ministers“), das Generalsekretariat sowie die Commission of Mediation, Conciliation and Arbitration, die allerdings – ohne jemals ihre Tätigkeit aufgenommen zu haben – 1993 durch das Central Organ of the OAU Mechanism for Conflict Prevention, Management and Resolution abgelöst wurde.12

Die Unverletzlichkeit staatlicher Souveränität und das Nichteinmischungsgebot in innerstaatliche Angelegenheiten sollten die zwischenstaatliche Zusammenarbeit im Rahmen der OAU wesentlich bestimmen. Weitere Ziele der Organisation wie der in Artikel 2 Abs. 1 lit. e) OAU-Charta festgeschriebene Schutz der Menschenrechte blieben weitestgehend auf der Strecke.13 Es sollte mehr als 20 Jahre dauern bis die OAU mit der „African Charter on Human and Peoples’ Rights“ 1986 ein ausschließlich für den afrikanischen Kontinent geltendes Menschenrechtsschutzsystem schaffte.14

Oft als Club autoritärer Regime oder aber autoritärer Herrscher bezeichnet, verfehlte die OAU einen Großteil der ursprünglich vereinbarten Ziele. Zwar zählte zu den Verdiensten der OAU die erfolgreiche Unterstützung nationaler Befreiungsbewegungen wie etwa der in Südafrika oder Simbabwe sowie die gemeinsame Vertretung afrikanischer Interessen in anderen internationalen Organisationen, insbesondere den UN. Andere Aspekte wie der effektive Schutz der Menschenrechte, das friedliche Miteinander der Völker Afrikas oder die gemeinsame wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents blieben Absichtserklärungen.15 Hieran konnte auch die bereits unter dem Dach der OAU erfolgte Gründung der African Economic Community zunächst nur wenig ändern.

Im Rahmen eines vom 12. – 14. Juli 1999 in Algier, Algerien, abgehaltenen Treffens der Versammlung der Staats- und Regierungschefs entschieden sich diese auf Vorschlag Libyens für das Abhalten eines Sondergipfels vom 6. – 9. September 1999, um ← 23 | 24 →

ways and means of making the OAU effective so as to keep pace with political and economic developments taking place in the world and the preparation required of Africa within the context of globalization so as to preserve its social, economic and political potentials16

zu diskutieren.

Das dementsprechend durchgeführte Treffen kann als Ausgangspunkt der Gründung der Afrikanischen Union (im Folgenden: „AU“), der Nachfolgeorganisation der OAU, bezeichnet werden. Die Versammlung einigte sich unter Ziffer 8 lit. i) der sogenannten Sirte-Erklärung darauf:

Details

Seiten
374
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653051452
ISBN (ePUB)
9783653976045
ISBN (MOBI)
9783653976038
ISBN (Paperback)
9783631657362
DOI
10.3726/978-3-653-05145-2
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (April)
Schlagworte
Gerichtsentscheidung Integrationsregim regionale Integration
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 374 S.

Biographische Angaben

Jan Scharfenberg (Autor:in)

Jan Scharfenberg studierte an der Universität Potsdam Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt Völker- und Europarecht. Nach dem zweiten Staatsexamen besuchte er im Rahmen eines 18-monatigen Forschungsaufenthalts in Südafrika u.a. den LL.M.-Studiengang für Internationales Recht an der Universität Stellenbosch. Er arbeitet als Rechtsanwalt mit den Schwerpunkten Europäisches und Deutsches Kartellrecht/Internationales Wirtschaftsrecht/Compliance in einer internationalen Kanzlei in Berlin.

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