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Bausteine translatorischer Kompetenz «oder» Was macht Übersetzer und Dolmetscher zu Profis?

Innsbrucker Ringvorlesungen zur Translationswissenschaft VII

von Lew Zybatow (Autor:in) Michael Ustaszewski (Autor:in)
©2015 Sammelband XIII, 201 Seiten

Zusammenfassung

Dieser Band präsentiert die Beiträge der VII. Innsbrucker Ringvorlesung zur Translationswissenschaft, die im Sommersemester 2013 am Institut für Translationswissenschaft zu Innsbruck stattfand. International namhafte Translationswissenschaftler aus sieben Ländern Europas stellten zu der traditionellen internationalen Innsbrucker Ringvorlesung ihre Forschungen zum Phänomen Translationskompetenz vor und zur Diskussion. Translationskompetenz – Woher kommt sie? Was ist das? Wohin geht sie? Diesen drei programmatischen Fragen lassen sich alle Vorlesungen dieses Bandes zuordnen, der bewusst den Titel Bausteine translatorischer Kompetenz trägt, da die Frage, was die Translationskompetenz ausmacht, bis heute Rätsel aufgibt. Die Beiträge beleuchten einzelne Kompetenzen, über die TranslatorInnen nach Meinung der Ringvorlesenden verfügen (müssen), um professionell übersetzen bzw. dolmetschen zu können. Die AutorInnen des Bandes sind: Gyde Hansen (Kopenhagen), Peter Sandrini (Innsbruck), Pius ten Hacken (Swansea/Innsbruck), Michaela Albl-Mikasa (Winterthur), Vlasta Kučiš (Maribor), Anna Małgorzewicz (Wrocław), Sebastian Donat (Innsbruck), Wolfgang Pöckl (Innsbruck), Laura Santamaria (Barcelona), Lew Zybatow (Innsbruck).

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Vorwort
  • Translationskompetenz – woher kommt sie und was ist das?
  • 1. Einleitung
  • 1.1 Einige Begriffserklärungen
  • 2. Wer hat die Übersetzungskompetenz – Menschen oder Maschinen? Zweisprachige oder Fachleute? Woher kommt sie?
  • 2.1 Humanübersetzung
  • 2.1.1 Zweisprachige
  • 2.1.2 Die Übersetzungskompetenz von Fachleuten
  • 2.2 Digitales Übersetzen
  • 2.3 Zwischenbilanz
  • 3. Übersetzungskompetenz
  • 4. Qualität – Übersetzungskompetenz – Revisionskompetenz
  • 5. Wohin geht sie, die Übersetzungskompetenz? Zukunftstrends: Human-Machine-Interface und Post-Editing
  • 6. Der Kreis schließt sich
  • 7. Literatur
  • Translationskompetenz und Ausbildung: Globalisierung, Technologie, Beruf
  • 1. Der Beruf
  • 2. Das Selbstverständnis
  • 3. Die Kompetenz
  • 4. Resümee
  • 5. Literaturverzeichnis
  • Sprachkompetenz, Fachkompetenz und Translationskompetenz im Fachübersetzen
  • 1. Einleitung
  • 2. Sprachkompetenz und Kommunikation
  • 3. Fachkommunikation und Fachübersetzung
  • 3.1 Pragmatische Kompetenz
  • 3.2 Fachtext
  • 3.3 Fachübersetzung
  • 4. Translationskompetenz
  • 4.1 Sprachkompetenz und Translationskompetenz
  • 4.2 Kulturspezifische Aspekte der pragmatischen Kompetenz
  • 4.3 Fachwissen und Translationskompetenz
  • 4.4 Die Einschätzung des Wissensstandes
  • 5. Schlussfolgerungen
  • 6. Bibliografie
  • Receptivism: An intertraditional approach to intuition in interpreter and translator competence
  • 1. Introduction
  • 2. Interpreters’ intuitive competence
  • 2.1 Social and emotional competence
  • 2.2 Empathy and instinct
  • 2.3 Identification
  • 2.4 Touch of genius
  • 3. Intuition: A matter of accessibility in traditional views
  • 4. From social constructivism to emergentism
  • 5. Receptivism as an integrative, multilevel approach to intuition
  • 6. Receptivism and interpreting/translation
  • 7. Conclusion
  • 8. Acknowledgements
  • 9. References
  • Die Recherchekompetenz im Kontext der translatorischen Handlungsfähigkeit
  • 1. Einleitung
  • 2. Recherche als Informationssuche im Translationsprozess
  • 3. Translatorische Handlungsfähigkeit
  • 4. Recherchieren mit elektronischen Hilfsmitteln – eine Fallstudie
  • 4.1 Material und Methode
  • 4.2 Auswertung der Resultate
  • 5. Recherchehilfsmittel und Globalisierung
  • 5.1 Internet als Quelle der Rechercheaktivitäten
  • 5.2 Elektronische Wörterbücher
  • 5.3 Terminologie-Datenbanken
  • 5.4 Online-Korpora
  • 5.5 Translation Memories (Übersetzungsspeicher)
  • 6. Schlussfolgerung
  • 7. Literatur
  • Die soziokognitive Kompetenz des Translators und ihre Stellung in der Translationsdidaktik
  • 1. Grundlegendes
  • 2. Ergebnisse empirischer Studien
  • 2.1 Ergebnisse der Umfrage
  • 2.1.1 Der individuelle Translationsbegriff
  • 2.1.2 Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissensbereiche des Translators
  • 2.1.3 Translationsrelevante Eigenschaftskataloge
  • 2.1.4 Die translationsrelevante Kreativität
  • 2.1.5 Translationskompetenz – Online-Untersuchung und Translatanalyse
  • 3. Didaktische Implikationen
  • 4. Literatur
  • Goethe als Theoretiker und ‚Opfer‘ buchstabengetreuer Übersetzung
  • Literaturverzeichnis
  • Was LiteraturübersetzerInnen alles wissen und können sollten
  • 1. Ausbildung in Literaturübersetzung: Fehlanzeige?
  • 1.1 Das Argument der Unzuständigkeit
  • 1.2 Das Argument der „Unlehrbarkeit“
  • 1.3 Das Argument der Untauglichkeit als Beruf
  • 1.4 Das Argument des mangelnden Bedarfs
  • 2. Bausteine für eine einführende Vorlesung
  • 2.1 Angenommene Voraussetzungen
  • 2.1.1 Der Ansatz von Katharina Reiß
  • 2.1.2 Die Kriterien bei Werner Koller
  • 2.2 Allgemeine Fundamente
  • 2.2.1 Das Verhältnis von Inhalt und Form
  • 2.3 Sprachenpaarspezifische Übersetzungsprobleme
  • 3. Erfordernisse jenseits der Translationskompetenz
  • 3.1 Neuübersetzungen
  • 3.2 Paratexte
  • 3.3 Lesungen
  • 4. Ausblick
  • 5. Literatur
  • 5.1 Primärliteratur
  • 5.2 Wissenschaftliche Literatur
  • The Identity of Fictional Television Characters as a Translation Competence
  • 1. Introduction
  • 2. Cultural references in Critical Discourse Analysis
  • 3. Cultural references and the process of creating identities
  • 4. Translating the identity of fictional characters
  • 5. Conclusions
  • 6. Bibliography
  • Bausteine kultureller Kompetenz des Translators
  • 1. Einstimmung oder von Kulturmittlern, kulturellen Akteuren, kulturellen Konstrukteuren u.ä.
  • 2. Ein kleiner Exkurs: Stereotyp als interdisziplinäres Explikandum
  • 3. Stereotyp in der Sprachwissenschaft
  • 4. Theorie der translationsrelevanten Stereotypen und ihre Operationalisierung für Translationsanalyse und Translationskritik
  • 5. Kulturtransfer – wie sieht er aus und wie sollte er sein?
  • 6. Fazit: Die neuen kulturellen Kleider und die Nacktheit des modernen translationswissenschaftlichen Kaisers
  • 7. Literatur

| vii →

Vorwort

Die VII. Internationale Innsbrucker Ringvorlesung zur Translationswissenschaft im 13. Jahr des 21. Jahrhunderts steht mit den Zahlen „7“ und „13“ nach abergläubischen Überzeugungen nicht unter dem besten Stern. Heißt es doch, dass das 7. Jahr in Ehen oft zur Trennung führt, und der Zahl „13“ haftet eher Unglück als Glück an. Aber wie gesagt, handelt es sich dabei ja um Aberglauben und der hat bekanntlich nichts mit Wissenschaft zu tun. Dennoch hat die 7. Ringvorlesung etwas mit Trennung zu tun: es ist die letzte Ringvorlesung, die ich in Innsbruck organisiert habe. Deshalb sei mir gestattet – ehe ich zu dem Inhalt der VII. Ringvorlesung komme – kurz die 14 Jahre Innsbrucker Ringvorlesungen zu resümieren. Angefangen hat alles im Jahr 1999 als ich kurz nach meiner Berufung auf die Professur für Translationswissenschaft am Institut für Translationswissenschaft der LFU Innsbruck im Wintersemester 1999/2000 Translationswissenschaftler aus nah (z.B. Mary Snell-Hornby aus Wien) und fern (z.B. Werner Koller aus Bergen) zur I. Internationalen Innsbrucker Ringvorlesung zur Translationswissenschaft nach Innsbruck einlud. Damit von der großen Resonanz, die die Ringvorlesung in Innsbruck fand, auch die scientific community der Translatologen in nah und fern profitieren konnte, entschloss ich mich die Reihe „Forum Translationswissenschaft“ zu gründen, in der als Band 1 die I. Ringvorlesung unter dem Thema „Translation zwischen Theorie und Praxis“ erschien. Die II. Ringvorlesung „Translation in der globalen Welt und neue Wege in der Sprach- und Übersetzerausbildung (= Band 2 „Forum Translationswissenschaft“) fand im Europäischen Jahr der Sprachen 2001 statt. Den Auftakt zur III. Ringvorlesung „Translationswissenschaft im interdisziplinären Dialog“ (= Band 3 „Forum Translationswissenschaft“) im Sommersemester 2002 gab kein geringerer als Eugene Nida, der Vater der modernen Translationswissenschaft, der schon zu seinen Lebzeiten eine Legende war und sowohl mit seiner Vorlesung „Understanding the Meaning“ als auch durch seine Offenheit und Gesprächsfreudigkeit in der anschließenden Diskussion und während des zwanglosen Semestereröffnungsumtrunk im Anschluss an seine Vorlesung bei allen Anwesenden einen tiefen Eindruck hinterlassen hat. Auch die IV. Ringvorlesung „Translatologie – neue Ideen und Ansätze“ (= Band 5 „Forum Translationswissenschaft“) im Wintersemester 2003/04 bot den Innsbrucker Studierenden, Lehrenden und Gästen die Möglichkeit, einen hoch verdienten und im deutschen Sprachraum sehr einflussreichen Theoretiker der Translationswissenschaft persönlich kennen zu lernen: Wolfram Wilss, einer der ← vii | viii → Wegbereiter der Übersetzungswissenschaft in Deutschland, der im Jahr 2012 verstorben ist. Die V. Ringvorlesung „Sprach(en)kontakt – Mehrsprachigkeit – Translation“ (= Band 7 „Forum Translationswissenschaft“) fand im Jahr des 60. Jubiläums des Innsbrucker.

Instituts für Translationswissenschaft 2005 statt und bot - neben gestandenen Translationswissenschaftlern wie Juliane House, Albrecht Neubert, Edwin Gentzler – den Mehrsprachigkeitsforschern ein besonderes Forum. Neben dem inzwischen leider auch verstorbenen „Mr. Mehrsprachigkeit“ Peter Nelde aus Brüssel, den Gründern der internationalen Forschergruppe EuroCom Horst Klein und Franz Josef Meißner beteiligten sich Kolleginnen und Kollegen anderer Institute der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät, so dass die Ringvorlesung wesentlich dazu beigetragen hat, einen Forschungsschwerpunkt „Mehrsprachigkeit“ in Innsbruck zu begründen. Die VI. Ringvorlesung „Translationswissenschaft – Stand und Perspektiven“ (= Band 12 „Forum Translationswissenschaft“) im Sommersemester 2008 hatte zum Ziel, TranslationswissenschaftlerInnen zu Wort kommen zu lassen, die sich mit der Untersuchung und theoretischen Verallgemeinerung des Was und Wie des Dolmetschens und Übersetzens beschäftigen, die ‚translation proper’ ins Zentrum ihrer Forschungen stellen.

Und schließlich die VII. Ringvorlesung zu den „Bausteinen translatorischer Kompetenz oder Was macht Übersetzer und Dolmetscher zu Profis?“, denen der vorliegende Band 18 der Reihe „Forum Translationswissenschaft“ gewidmet ist. Gyde Hansen fragt in ihrer Vorlesung „Translationskompetenz – woher kommt sie und was ist das?“ und fügt aber gleich im ersten Absatz noch eine weitere Frage hinzu: „Wohin geht sie?“. Diesen drei programmatischen Fragen lassen sich alle Vorlesungen dieses Bandes zuordnen, dem ich aber bewusst nicht den Titel „Translationskompetenz“, sondern „Bausteine translatorischer Kompetenz“ gegeben habe. Denn – wie auch bei vielen anderen translationswissenschaftlichen Begriffen – wissen wir bis heute nicht genau, was die Translationskompetenz ausmacht, und können uns der Lösung dieses wissenschaftlichen Rätsels nur schrittweise nähern, indem wir die richtigen Fragen stellen und die richtigen Methoden zu einer theoriegeleiteten Beantwortung der Fragen wählen, um schließlich ein Modell der Translationskompetenz zu erhalten. Da aber im Deutschen der Begriff der Translation seit Kade 1964 als Oberbegriff für Übersetzen und Dolmetschen gilt und bei der Übersetzung noch einmal zwischen Gebrauchstext- bzw. Fachübersetzen und Literarischem Übersetzen unterschieden werden muss, gibt es eigentlich nicht d i e Translationskompetenz, sondern jede der drei Translationsarten verlangt verschiedene Kompetenzen. In diesem Sinne beleuchten die einzelnen Vorlesungen resp. Beiträge in diesem Band ← viii | ix → einzelne Kompetenzen, über die Translatoren nach Meinung der AutorInnen verfügen (müssen), um professionell übersetzen bzw. dolmetschen zu können.

Eine erste Annäherung an solch ein Modell der Translationskompetenz – allerdings mit der Beschränkung auf das Gebrauchstextübersetzen – schlägt Hansen in ihrem Beitrag vor. Zur Definition von Übersetzungskompetenz unterscheidet Hansen zwischen Qualifikationen und Kompetenzen. Qualifikationen (wie Wissen, Kenntnisse, Sprachfähigkeit, Verständnis, Methode, Aufmerksamkeit, Präzision, Einfühlungsvermögen etc.) kann man besitzen, ohne gleich übersetzen zu können. Kompetenz erreicht man ihrer Meinung nach, „wenn man seine Qualifikationen in anderen Situationen benutzt, als in denen, in denen man sie erworben hat. Erst durch die Anwendung ihrer Qualifikationen erwerben die Übersetzerinnen und Übersetzer die Kompetenz des Übersetzens. Der Grad dieser Kompetenz hängt vom Qualifikationsniveau ab.“

Vor dem Hintergrund globalen Wandels auf dem Translationsmarkt und im Translationswesen stellt die Fachübersetzung den Übersetzer heute vor ganz andere Probleme als noch vor kurzer Zeit und erfordert völlig neue Qualifikationen, denen sich Peter Sandrini widmet. Der Autor zeigt, dass und wie die Zunahme an weltweiten Kommunikationsmöglichkeiten und globalen Wirtschaftsströmen sowie die Entwicklung von Translationstechnologien das Berufsbild des Translators völlig verändert haben. Das professionelle Übersetzen wird heute als komplexe Dienstleistung verstanden, was eine Veränderung des Kompetenzprofils, verstanden als „Gesamtheit der Fähig- und Fertigkeiten, Kenntnisse, Vorgehens- und (sozialen) Verhaltensweisen“ mit sich bringt. Die Dienstleistungskomponente, die im Mittelpunkt steht, wird ergänzt durch Sprachkompetenz, Recherchekompetenz, interkulturelle Kompetenz, Fachkompetenz und Technikkompetenz.

Die Fachübersetzung ist auch Gegenstand des Beitrags von Pius ten Hacken, in dem er die Translationskompetenz als Komponente der notwendigen Kenntnisse in der Fachübersetzung charakterisiert und sie gegenüber der Sprachkompetenz, einschließlich der pragmatischen Kompetenz, und der Fachkompetenz abgrenzt. Wichtig für die Translationskompetenz ist, dass der Übersetzer neben der Beherrschung der Ausgangs- und Zielsprache „die für die Übersetzung notwendige Einsicht in die Korrespondenzen und Äquivalenzprobleme“ der beiden Sprachen hat. Das sind Kenntnisse, die für die normale Benutzung der Sprachen, d.h. außerhalb der Übersetzung, nicht relevant sind. Bei der Fachkompetenz geht ten Hacken davon aus, dass das in Fachtexten enthaltene Fachwissen sich in der Ontologie der Domäne, d.h. in den Begriffen und ihren Zusammenhängen widerspiegelt. Das in der Ontologie enthaltene Fachwissen wiederum wird in einen begrifflichen und einen sprachlichen Teil unterteilt, der die Begriffe mit einem ← ix | x → Namen verbindet. Die notwendige Fachkompetenz des Übersetzers beschränkt sich seines Erachtens in einem Repertoire von Strategien, um die Terminologie eines Fachtextes zu bewältigen.

Michaela Albl-Mikasa bezieht die Frage der Translationskompetenz auf das Dolmetschen. Im Mittelpunkt steht dabei die Rolle der Intuition beim professionellen Dolmetschen. Dazu wertet Albl-Mikasa ein Korpus von selbst durchgeführten Interviews mit 10 AIIC (Association Internationale des Interprètes de Conference)-Dolmetschern aus, wobei sich die Autorin vor allem auf die Einschätzung der folgenden vier Unterkompetenzen konzentriert: social and emotional competence, empathy and instinct, identification, touch of genius. Ihr Fazit: “[…] rationality and intuition are described as two qualitively different cognitive methods of knowing and knowledge building, whereby rationality is subordinate […]. For intuition to come into play, it takes intellectual passivity, to which the active mind of the contemporary intellectually thinking individual needs to be trained or accustomed.” (Hervorhebungen im Original)

Vlasta Kučiš untersucht empirisch, inwieweit slowenische ÜbersetzungsstudentInnen die im Studium vermittelten Recherchetechniken als Recherchekompetenz beim Übersetzen zu nutzen vermögen. Dazu wird anhand einer empirischen Fallstudie untersucht, inwieweit die gekonnte Nutzung elektronischer Hilfsmittel und terminologischer Datenbanken eine Qualitätssteigerung der Fachübersetzung ermöglicht. Als Grundlage dienen deutsche und slowenische Texte der EU-Gesetzgebung im Arzneimittelbereich.

Ebenfalls empirisch beantwortet Anna Małgorzewicz die Frage der translatorischen Kompetenz, indem sie die Ergebnisse einer experimentellen Studie vorstellt, die die translatorische Kompetenz von AbsolventInnen des Lizenziats- und Magisterstudiums Germanistik sowie von AbsolventInnen des Postgradualen Aufbaustudiengangs für Übersetzer am Institut für Germanistik der Universität Wrocław mit professionellen ÜbersetzerInnen vergleicht. Im Zentrum des Interesses der Studie stehen die mentalen Prozesse bei der translationsorientierten Bedeutungskonstruktion sowohl in der Verstehens- als auch in der Produktionsphase des Translationsprozesses.

Sebastian Donat widmet sich in seinem Beitrag dem literarischen Übersetzen aus translationsgeschichtlicher Sicht. Ausgehend von einer kritischen Darstellung des Goetheschen Modells der „dreyerley Arten der Uebersetzung“ und Goethes Ansicht, dass die dritte Form, die „die Uebersetzung dem Original identisch“ macht, die höchste Form der literarischen Übersetzung sei, schildert der Autor das Schicksal der 1932 in der Sowjetunion erschienenen Übersetzung des West-östlichen Divans von Sergej Šervinskij und Michail Kuzmin in der Übersetzungskritik vom Erscheinungsjahr bis 1954. Das ← x | xi → Besondere und Neue an der Übersetzung war, dass die Übersetzer im Goetheschen Sinne eine maximal vollwertige und äquivalente künstlerische Übersetzung anstrebten und die Aufgabe eines Dichter-Übersetzers nicht darin sahen, ein eigenes künstlerisches Werk auf der Grundlage des fremdsprachlichen Originals anzufertigen, sondern sich durch eine detaillierte Bestandsaufnahme der sprachlich-stilistischen Merkmale der Vorlage als Übersetzer bewusst dem Originalautor unterzuordnen - ein bis heute aktuelles und sehr kontrovers diskutiertes Problem der Literaturübersetzung, das nach wie vor von dem einzelnen Übersetzer und seinen Absprachen mit dem Verlag gelöst wird.

Wolfgang Pöckls Beitrag „Was LiteraturübersetzerInnen alles wissen und können sollten“ bricht eine Lanze für die Aufnahme des Literaturübersetzens in die Translationsdidaktik. Ausgehend von der Tatsache, dass in Österreich zwei der drei universitären translationswissenschaftlichen Ausbildungsstätten (Wien und Innsbruck) in den Master-Curricula die Möglichkeit einer Spezialisierung auf Literatur- und Medienübersetzung eingerichtet haben, entwirft Pöckl einen Plan, was und wie die Spezika literarischer Texte, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in sprachenpaarbezogenen Betrachtungen literarischer Ausdrucks-mittel, literaturwissenschaftliche Epochen- und Gattungsverständnisse in die Curricula von Übersetzerstudiengängen aufgenommen werden könnten.

Laura Santamaria wendet die Kritische Diskursanalyse, die Theorie der kulturellen Referenz und die Theorie der sozialen Identität auf die Audiovisuelle Translation an und zeigt anhand der irischen TV-Serie Bachelors Walk, wie die kulturellen Referenzen in den Filmcharakteren zum Ausdruck kommen. Dieses Wissen, das bei den Zuschauern des Originalfilms vorausgesetzt werden kann, muss auch der Übersetzer haben, um bei den Zuschauern des untertitelten oder synchronisierten Films ähnliche Rezeptionen auslösen zu können. Mittels des Analyseinstrumentariums der angeführten Theorien soll der Übersetzerstudent die entsprechende Kompetenz erwerben.

Und schließlich widmet sich Lew N. Zybatow der Modellierung der kulturellen Kompetenz des Translators, wofür er sich an seine Arbeiten zu den kulturellen Vorstellungswelten von Sprach- und Kulturgemeinschaften (Zybatow 2006 u.a.) und insbesondere an seine Theorie translationsrelevanter Stereotypen (Zybatow 1995) anlehnt. Wie der Begriff des Stereotyps suggeriert, sind kulturelle Vorstellungen nicht kreativ in dem Sinne, in dem ein Kunstwerk kreativ ist. Im Gegenteil, kulturelle Vorstellungen bauen ja gerade auf sprachlich-kulturell Gefestigtem auf. Es geht um Sprach- und Denkstereotypen, die kulturell vorgeprägte Wissensbestände in Texten repräsentieren und mithin als wichtige Bausteine die ← xi | xii → kulturelle Kompetenz des Translators konstituieren. Deshalb kommt es für die Translationswissenschaft darauf an, das kulturelle

Details

Seiten
XIII, 201
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653050080
ISBN (ePUB)
9783653976403
ISBN (MOBI)
9783653976397
ISBN (Hardcover)
9783631657171
DOI
10.3726/978-3-653-05008-0
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (Oktober)
Schlagworte
Sprachkompetenz Übersetzungskompetenz Dolmetschkompetenz Translationskompetenz
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. XIV, 201 S., 14 s/w Abb., 1 Tab.

Biographische Angaben

Lew Zybatow (Autor:in) Michael Ustaszewski (Autor:in)

Lew Zybatow, Professor am Institut für Translationswissenschaft der Universität Innsbruck, IATI-Präsident und Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Übersetzungs- und Dolmetschwissenschaft. Studium an der Linguistischen Universität Moskau; Promotion an der Universität Leipzig; Habilitation an der Freien Universität Berlin. Forschungsschwerpunkte: Translationstheorie, Methodologie der Translationswissenschaft, Dolmetschwissenschaft, Filmübersetzung, Literaturübersetzung, Mehrsprachigkeit. Michael Ustaszewski, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Translationswissenschaft der Universität Innsbruck. Studium und Promotion in der Übersetzungswissenschaft in Innsbruck. Forschungsschwerpunkte: Mehrsprachigkeit, Translationskompetenz, Translationsdidaktik.

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